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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Sie dürfen Ihre Schwester jetzt vor allen Dingen nicht mit den beiden Unholden allein lassen,« sagte Jack – »ich selber will hinüber in die Gründorn Flat gehen, nach einer Kuh zu sehen, die seit acht Tagen nicht zum Melken zu Hause gekommen, und wegen der mich meine Frau schon lange gequält. Ist das geschehen, nehm ich den Rückweg an Ihrem Haus vorbei, und finde dann schon eine Entschuldigung vorzusprechen, zu sehen wie sich Olnitzki beträgt und was der andere Bursche bei ihm will. Der vermuthet überhaupt wohl kaum wie genau ich ihn kenne, und daß ich von seinen Streichen in Illinois, Indiana und Missouri weiß, und wird sich desto rücksichtsloser gehen lassen. Brauchen Sie dann meine Hülfe, so sagen sie es frei heraus, und Jack Owen ist der Mann sein Wort zu halten.«

»Guter Gott, ich habe die Schwester schon lange gebeten den Schritt zu thun, und mit mir nach Deutschland zurückzukehren,« sagte Fräulein von Seebald, die Hände in Gram und Sorge faltend – »aber sie weißt mich auf ihre Pflicht, die sie zwänge bei dem Gatten auszuhalten.«

»Das sieht ihr ähnlich,« sagte Jack, »und soviel mehr Ehre gebührt ihr dafür; ich wäre auch der letzte der ihr zum Gegentheil rathen würde, so lange sie eben aushalten kann; erst wenn die Zeit eintritt, und Gott gebe daß es nie geschieht, dann sollen Sie nicht sagen, daß Sie Niemand in der fremden Welt gefunden hätten der sich Ihrer annehme, und Sie gegen Willkür, gegen die das Gesetz Sie nicht schirmen konnte, schützte,« und ohne weiter eine Antwort abzuwarten warf der Jäger seine Büchse über die Schulter, rief durch ein eigenthümliches leises Zischen seinen Hund, und schritt rasch in den Wald hinein; Amalie aber eilte mit schwerem ängstlich klopfenden Herzen zum Haus zurück, von dem ihr schon, als sie noch nicht einmal die Fenz erreicht, wildes Lachen und lautes Jauchzen entgegenschallte. Sie zögerte auch in der That einen Augenblick die Schwelle zu betreten, aber es war auch nur ein Moment, und ihr Herz mit der rechten Hand fast krampfhaft haltend, daß sein Klopfen nicht die Angst verrathe die in ihm zuckte, durcheilte sie die kurze Strecke, die sie noch von der Thüre trennte.

»Hallo Schwägerin!« rief ihr Olnitzki hier, der sie zuerst bemerkte und mit all seinen Kleidern und den beschmutzten Stiefeln halb liegend halb sitzend auf ihrem Bett lehnte, in englischer Sprache entgegen, »nun ist die Familie voll, und wir können kochen und braten – Allons Ihr Weiber, die Töpfe zum Feuer und hier nun aufgetischt; wir haben Hunger wie die Bären, und Durst – heh Soldegg? – Durst wie die Fische. Nun? – was giebts?« – unterbrach er sich aber plötzlich, als er das starre Staunen bemerkte, das Amalie noch auf der Schwelle fesselte, und ihren Blick stier und erschreckt auf seinem Gast haften ließ – »kennen sich die Herrschaften etwa schon? – Mr. Soldegg, Madam, Mr. Soldegg, meine schöne Schwägerin, Amalie von Seebald, die uns das Vergnügen gemacht hat uns hier in unserer ländlichen Einsamkeit zu besuchen.« Er brachte die letzten Worte nur mit schwerer Zunge heraus, richtete sich aber doch gleich selber erstaunt in die Höh, als Amalie, kaum ihren Augen trauend rief »Herr Henkel!« und Soldegg, mit einer lächelnden Verbeugung gegen die Dame, und ihr die Hand entgegenstreckend freundlich sagte:

»Ah Fräulein von Seebald; das ist allerdings ein unerwartetes Vergnügen, auf das ich nicht gerechnet hatte; beim Himmel, die Passagiere der Haidschnucke sind von einem neckischen Geist, wie es scheint, in den wenigen Monaten schon über die ganzen Vereinigten Staaten hinausgestreut, denn überall trifft man sie an, und hat die Freude alte Bekanntschaften zu erneuern!«

»Aber wie um Gotteswillen kommen Sie hierher, und wo ist Ihre Frau?« rief Fräulein von Seebald, die nach der Schilderung des Jägers, einen furchtbaren Verdacht in sich aufsteigen fühlte – »man nennt Sie Soldegg hier? – «

»Das sind viele Fragen auf einmal« lachte ihr früherer Mitpassagier, »aber ich kann Sie Ihnen leicht beantworten; meine Frau amüsirt sich in New-Orleans, während mich Geschäfte nach dem Norden riefen, und Soldegg ist der Name meiner Mutter – ich habe die Geschichte wahrhaftig schon sehr oft erzählen müssen – nach der ich gezwungen bin mich hier in Amerika, einer Erbschaft wegen, zu nennen.«

»Eure Frau in New-Orleans, Soldegg?« rief aber Olnitzki jetzt vom Bett aus, – »zum Teufel Mann, ich glaubte die wohnte in Missouri, wo ich Euch vor zwei Jahren ja besuchte.«

»Die erste Frau?« sagte Soldegg oder Henkel, ernster werdend, »lieber Gott, Olnitzki, wißt Ihr denn nicht daß die schon seit fast zwei Jahren in ihrem Grabe ruht? Ich habe jetzt in Deutschland zum zweiten Mal geheirathet.«

»Ihr war't in Deutschland, Mensch?« rief Olnitzki rasch wieder emporfahrend, »und davon habt Ihr mir kein einziges Wort gesagt!«

»Wir hatten wichtigere Sachen zusammen abzumachen, heh?« lachte der Mann wieder, mit einem Seitenblick auf den Polen, »aber mein gnädiges Fräulein,« setzte er mit eigenem Humor und einem komischen Achselzucken hinzu – »ich würde Ihnen mit Freuden einen Stuhl bringen, wenn – «

»Stühle da wären« – lachte Olnitzki hell auf – »Hahahaha unsere Wirthschaft ist noch nicht eingerichtet – wir leben noch in den Flitterwochen, aber in unserer nächsten Wohnung soll das besser werden. – Dort wollen wir uns standesgemäß etabliren. Hurrah Soldegg – reicht mir einmal die Flasche da vom Tisch – Texas soll leben!«

»Ist ein vortrefflicher Staat,« sagte der junge Mann, seinem Wunsch willfahrend, »gutes Land und herrliche Jagd.«

»Ach trink nicht mehr, Olnitzki,« bat da mit leiser schüchterner Stimme die Frau, die zitternd in Angst und Jammer während dem Gespräch an ihrem Bett gestanden, und sich halb darauf gestützt hatte, »Du weißt ja es bekommt Dir nicht, und morgen – «

»Gieb Frieden, Unke«, brummte der halb Trunkene, nach langem Zuge tief aufseufzend die Flasche von den Lippen nehmend – »ärgerts Dich schon, mich einmal wieder fidel zu sehn, nach langer Zeit? marsch mit Euch – fort – richtet das Essen her; zum Teufel wie oft soll ich's Euch sagen?« rief er, die Flasche dabei ärgerlich neben sich auf das Bett stoßend, und einen wilden zornigen Blick der Frau hinüberschleudernd – »wird's bald, daß ich das Feuer da im Kamin auflodern und den Kessel darüber hängen, die Kanne daran stehen sehe? – glaubt Ihr wenn Leute acht Stunden lang, wie wir, in gestrecktem Galopp auf den Pferden hängen, nicht nachher ihr Mittagsbrod verlangen, wie sich's gehört?«

»Ja, und ich fürchte, Ihr habt mir das Pferd zu Schanden geritten, Olnitzki«, sagte Soldegg – wie wir ihn doch jetzt nennen müssen – »es ist zu zart für solch schweren Körper und den scharfen Ritt.«

»Noch ist's mein,« brummte der Pole, mit finster zusammengezogenen Brauen zwischen den Zähnen durch, einen eben nicht freundlichen Blick nach dem Redenden schießend, »das war abgemacht.«

»Allerdings,« sagte Soldegg einlenkend; »Ihr seid in Euerem vollen Rechte, und die Bemerkung galt dem nicht; aber wir müssen den Damen doch ein wenig an die Hand gehen, Holz zu holen und das Essen zu besorgen; wir sind einmal im Wald und führen Jägers Leben.«

»Ah bah!« rief der Pole, sich wieder zurück auf das Kissen werfend, »in Texas wird's die erste Zeit noch schlimmer gehn, und ein Bischen Vorbereitung dazu kann gar Nichts schaden.«

»In Texas?« sagte die Frau, der das Wort schon vorher schwer auf das Herz gefallen war, erschreckt – »in Texas, Olnitzki? – was um Gottes Willen meinst Du damit?«

»Wirst's schon erfahren Täubchen,« lachte der Pole – »und hilf Deiner Schwester jetzt Holz hereinschaffen von draußen, daß Soldegg das nicht allein zu thun braucht – er möchte sich die zarten Hände schmutzig, oder was noch schlimmer wäre rauh machen, nicht wahr Soldegg? beim Kartenspielen braucht man feine Fingerspitzen?«

»Was wollen Sie damit sagen, Olnitzki?« frug der Fremde der den Rückklotz im Kamin mit einem dort liegenden Schüreisen vorgehoben hatte, während Amalie den kleinen Korb aufgriff und das Haus verließ, indem er sich hoch und finster aufrichtete, »ich hoffe nicht daß Sie mir falsches Spiel vorwerfen.«

»Falsches Spiel – hahaha,« rief der Pole, verächtlich die geleerte Flasche von sich werfend, »die ganze Welt ist ein falsches Spiel, – wir sind die Karten, die stechen und gestochen werden, auf die man setzt und gewinnt und – verliert. Heute ist der Trumpf und morgen der – heute hat der Bube Glück, morgen die Dame, hahahahahaha – eine wilde, tolle, verrückte Welt!«

»Die nur die vortreffliche Eigenschaft hat,« lachte Soldegg, »daß sie rund ist; eine Kugel auf der die Glücksgöttin steht und dreht, und sind wir heute unten, wissen wir daß wir doch einmal wieder hinaufkommen müssen. Aber ich werde meiner alten Reisegefährtin helfen noch ein paar große Stücken Holz zum Feuer zu bringen, wir bekommen heute sonst wirklich Nichts zu essen,« und ein paar waschlederne Handschuh aus der Tasche nehmend, zog er diese an und schritt, das Haus verlassend, über den kleinen Hofplatz hinüber, wo Fräulein von Seebald eben beschäftigt war Spähne zusammenzusuchen.

»Olnitzki, was um des Heilands Willen sollen die dunklen Worte,« bat aber die Frau indessen in Todesangst, »es ist irgend etwas Entsetzliches vorgefallen; das Du mir noch verschweigst, und Deine Reden künden Schlimmeres.«

Die Frau war ein paar Schritte auf ihn zu getreten, und stand jetzt, den zitternden Körper an dem Tisch stützend, mit bleichen eingefallenen Wangen, die Augen bittend und angstvoll auf ihn geheftet, ihm gegenüber. Zu viel des Jammers hatte sie die letzte Zeit durchlebt, und der Körper begann unter der überbürdeten Last zusammenzubrechen in Gram und Noth.

»Dunkle Worte,« murmelte der Mann ärgerlich, »hab' ich dunkle Worte gesprochen? – so war's nicht gemeint, ich wollte deutlich sein – ich habe Haus und Feld verkauft, und morgen magst Du, was Du an Kleidern und Geschirr hast – der ganze Bettel geht auf den kleinen Karren – zusammenpacken und Dich dann oben d'rauf setzen – wir gehn nach Texas.«

 

»Nach Texas?« rief die Frau entsetzt – » ich? – jetzt? wo ich kaum im Stande bin die Stube entlang zu kriechen, fort in die Welt? dieß Haus – so ärmlich es ist, doch unsere Heimath – das Grab meiner Kinder verlassen – weiter – nur immer weiter in die Wildniß zu ziehn in Noth und Elend? Nie – nie Olnitzki, so wahr mir Gott helfe, folg' ich Dir dahin.«

»Du folgst mir nicht?« rief da der, von dem übermäßigen Genuß des starken Trankes überdieß Betäubte, wild von seinem Lager und auf die ihn zitternd erwartende Gattin zuspringend, »Du hast einen Willen, Weib, das an meine Sohlen geheftet mir überall im Wege war, wo ich die Arme frei gebrauchen könnte? – aber ich weiß schon wo der Wind her weht – die Mamsell Schwester, die aus den Wolken hier hereingeschneit, und die Du Dir zu Hülfe gerufen wider Deinen Mann, hat Dich so keck gemacht – Du willst nicht?« wiederholte er sie mit einem verächtlichen Blicke messend, »Ding Du, das sich mit einem Willen brüstet.«

»Olnitzki,« sagte da die Frau, durch die verächtliche Behandlung des Trunkenen in ihrem krankhaften Zustand mehr gereizt, als sie es durch die härtesten Worte vielleicht geworden, »ich habe ertragen, was ein Mensch ertragen kann – geduldet, was zu dulden möglich ist, und den festen Willen dabei, mit Dir auszuharren in Freud und Leid, wie ich Dir bis jetzt gefolgt bin, was auch daraus kommen möge – aber das was Du jetzt von mir forderst übersteigt meine Kräfte. Ich weiß was mir dort bevorstände – ich habe es hier schon einmal durchgemacht – ich weiß daß ich es nicht ertragen würde und sage es Dir hier jetzt frei und offen – nach Texas – in die Wildniß – fort von den Gräbern meiner Kinder, einem neuen furchtbaren Leben entgegen folg ich Dir nicht.«

»Folgst Du mir nicht? – und leiden, dulden?« zischte der Mann verächtlich zwischen den Zähnen durch, »zu was seid Ihr da? – fort mit Dir – hinaus, daß ich Dich nicht mehr sehe; Dein Anblick vergiftet mir den schönen Tag.«

»So tödte mich – morde mich wie Du Dein Kind gemordet,« rief die Frau, der fieberhafte Röthe über die Wangen lief, während sie den fast durchsichtig weißen, von hellblauen, peinlich klar hervortretenden Adern durchzogenen Arm gegen den Gatten drohend ausstreckte.

»She devil!« knirschte der Bube zwischen den Zähnen durch, und die schwache Gestalt des Weibes mit seiner Faust packend, warf er sie zurück daß sie gegen den massiven Bettpfosten anstieß, und mit einem lauten Aufschrei zusammenbrach.

»Wie gefällt Ihnen das Landleben, Fräulein von Seebald,« sagte Soldegg, als er sie draußen an dem Holzplatz einholte, wo abgehauene Stücken und Klötze wild zerstreut umherlagen, »sehr romantisch, wie?«

Amalie erröthete bis in den Nacken hinab – sie fühlte den Spott, der in den Worten lag, den sie in früheren Tagen auch vielleicht verdient, der aber auch jetzt dafür um so herzloser von des Mannes Lippen klang. Keine Zeit war jedoch in diesem Augenblick für Empfindelei – irgend etwas mußte in der Stadt vorgefallen sein, das Olnitzki, und durch ihn die Schwester, traf, und das von dem Mann vielleicht zu erfahren, blieben ihr nur die wenigen Minuten, die sie allein hier mit ihm war. Ohne deshalb auf seine Frage zu antworten sagte sie rasch:

»Sie kommen mit Olnitzki jetzt von Little Rock?«

»Jetzt? – ja,« sagte Soldegg, »und freue mich wahrhaftig aufrichtig eine alte Reisegefährtin hier ganz unerwarter Weise gefunden zu haben; apropos – hahahaha – Sie hätten vor ein paar Monaten dabei sein sollen, wie ich Herrn von Hopfgarten in einem kleinen Städtchen in Indiana traf – hahahaha – ich muß jetzt noch lachen, es war zu komisch – «

»War er schon vorher in solcher Stimmung?« frug Amalie, die kaum verstand was er erzählte.

»Hopfgarten? – Gott bewahre,« lachte Soldegg wieder, ihre Frage misverstehend – »ernsthaft wie ein Quäker kam er Abends, naß und ausgehungert in ein Wirthshaus, in dem ich am Feuer saß und redete mich als seinen Reisegefährten Henkel an.«

»Sie verstehn mich nicht – «

»Sie hätten dabei sein sollen was er für ein Gesicht machte, als ich mich zum Spaß für meinen Zwillingsbruder ausgab – es war göttlich.«

»Aber ich spreche von Olnitzki!«

»Von Olnitzki? – was von dem? – er hat sich einen Rausch angetrunken,« sagte Soldegg gleichgültig, sehr vorsichtig dabei eins der Stück Hickoryholzes aufnehmend und in seinen linken Arm legend. »Lieber Himmel die Leute wollen Alle spielen, aber nicht verlieren, und wenn ihnen das auch einmal passirt, verlieren sie gleich den Kopf dazu; schreien und toben und verschwemmen sich das kleine Bischen Verstand, das ihnen noch geblieben, in Whiskey – das Albernste was der Mensch überhaupt auf der Welt thun kann.«

»Olnitzki hat gespielt, ich weiß es – ich dachte mir es wenigstens,« lenkte sie ein, »aber um was?«

»Um was?« lachte Soldegg, sich das Stück Holz auf die Schulter hebend und nach dem Hause umdrehend, »um was man gewöhnlich spielt, um Geld, und als das fort war um Schweine, und dann um Rinder, dann um Pferde, und wie das Alles fort war, um Äcker und Haus.«

»Heiland der Welt – und hat – «

»Verloren natürlich,« sagte Soldegg, gleichgültig zurück gegen das Haus zuschreitend, als ein gellender Schrei von dorther tönte. »Hallo,« rief er, einen Augenblick halten bleibend und dort hinüberhorchend, »was ist das?« Aber schon flog Amalie an ihm vorbei der Thüre zu, und während er ihr langsamer und kopfschüttelnd folgte, murmelte er leise vor sich hin: »der tolle Bursche wird noch irgend ein Unheil anrichten mit seinem verdammten Whiskeytrinken. Daß doch, sonst ganz vernünftige Leute albern genug sind, eines so erbärmlichen Gaumenkitzels wegen ein Vieh aus sich zu machen, und sich den Händen ihrer Nebenmenschen willig zu überliefern. S'ist, das wenigste zu sagen, dumm.«

Damit trat er in das Haus und trug das Holz, ohne sich weiter um das was im Innern vorging anscheinend zu bekümmern, an's Kamin.

»Was um Gottes, Jesu Willen ist geschehn, Sidonie,« rief Amalie, neben ihr knieend und die sich eben wieder Aufrichtende unterstützend, »Du blutest am Schlaf – wer hat – «

»Ich bin gefallen,« murmelte leise die Frau, »und habe – und habe mir wahrscheinlich an der scharfen Bettecke hier weh gethan – es ist Nichts – es wird gleich vorüber gehn – ängstige Dich nicht meinethalben, Amalie.«

»Zu viel – zu viel!« rief aber die Schwester, jetzt in Thränen ausbrechend, während sie neben der Unglücklichen knieen blieb und sie mit ihren Armen umschlang; »nein, nein Du darfst nicht hier bleiben, ich nehme Dich fort von hier mit mir – zurück zu Vater und Mutter – zurück zu Menschen. Er hat Dich elend genug gemacht, das weiß ja Gott – er soll Dich nicht auch noch morden.«

»Fräulein Schwägerin!« fuhr da Olnitzki, der mit untergeschlagenen Armen und fest und finster zusammengezogenen Brauen am Kamin stand, drohend gegen das Mädchen auf, »ich bitte Sie zu überlegen was Sie sprechen, und verbitte mir jedes Wort, das mich oder mein Weib betrifft, und einer Einmischung gleicht in unser Leben. Ich will Ihnen übrigens auch beiläufig bemerken,« fuhr er mit tückischem Lächeln fort, »daß wir Sie morgen auf kurze Zeit im alleinigen Besitz des Hauses lassen, dessen künftigen Eigenthümer ich Ihnen das Vergnügen habe hier in Herrn Soldegg vorzustellen.«

»Lieber Olnitzki, die Sache hat aber gar keine so entsetzliche Eile,« fiel ihm hier Soldegg, der sein Holz in das Kamin geworfen, und sich jetzt die Handschuh abklopfte, in die Rede; »ich bin nur mit herübergekommen die Pferde abzuholen; selbst die Kühe können Sie noch ein, zwei Monat ruhig hier behalten. Alles andere findet sich dann später.«

»Was um Gottes Willen bedeutet das?« rief die Frau jetzt, der die Schwester ein Tuch um die Schläfe gebunden hatte, das vorquellende Blut zu stillen.

»Er hat Alles verspielt was er sein nennt auf der Welt,« rief Amalie, in der Angst um die Schwester alles Andere, jede Gefahr der sie sich selber dabei aussetzte, vergessend, »ein Bettler, will er Dich fortschleppen weiter in den Wald.«

»Thut mir unendlich leid zu hören,« sagte in diesem Augenblick die ruhige ernste Stimme Jack Owens, der, auf seine Büchse gestützt, in der Thüre stand, ohne jedoch die Schwelle zu betreten, »guten Abend mitsammen – wie geht's Olnitzki, wieder von Little Rock zurück?«

»Kommt herein!« rief Olnitzki, eben nicht besonders guter Laune, aber vielleicht froh in diesem Augenblick das Gespräch abgebrochen zu sehn. – Was geschehen war ließ sich doch nicht gut lange verheimlichen, und in den nächsten Tagen mußten es die Nachbarn überdieß erfahren, Zum Henker mit ihnen, sie waren ihm so nie grün gewesen, wenigstens nicht seit der Geschichte mit Jim Riley, und er hatte sich lange mit der Idee herumgetragen, wenn auch nicht Arkansas, doch diese Gegend jedenfalls zu verlassen – wer konnte ihn daran hindern?

»Guten Tag mitsammen« sagte Jack Owen, der seine Büchse draußen am Eingang hingestellt, indem er auf die direckte Einladung hin in die Thüre trat und den Platz flüchtig, aber mit forschendem Blick überflog – »hallo Missis Olnitzki, Sie sehn heute kränker aus als gestern, und Blut an der Stirn? ei ei, was haben Sie gemacht?«

»Setzt Euch Jack« rief Olnitzki dazwischen – »zum Teufel noch einmal, zwei Weiber im Haus statt einer, und ob wir hier etwas zu essen bekommen können? Bei Gott, Soldegg, wir werden es uns noch selber besorgen müssen.«

»Ah Mr. Soldegg – auch einmal wieder in unserer Range?« sagte der Jäger den Fremden mit einem aufmerksamen Blick von unten bis oben musternd – »es ging einmal ein dumpfes Gerücht hier, Sie wären über dem Wasser drüben – aber was haben nur die Frauen, Olnitzki – ist etwas geschehn?«

Amalie, die bei Jack Owens Eintritt Sidonie umfaßt und zum Bett geführt hatte, lehnte ihren Kopf an ihre Schulter und flüsterte ihr rasch und leise, tröstende Worte ins Ohr, die aber die Thränen der armen Frau nur stärker fließen machten.

»Nichts – Unsinn,« brummte Olnitzki finster – »die Weiber können bei jedem Quark das Flennen, ihren alten Erbfehler nicht lassen. Jetzt aber hab' ichs satt, fort von meinem Weib!« rief er plötzlich, um den Tisch herum und auf Amalie zugehend – »ich will das Aufhetzen in meinem eigenen Haus nicht länger dulden, fort von ihr sag ich, oder ich brauche mein Hausrecht. Tod und Teufel, ist mir nicht seit ich fort bin, ein ordentliches Weiberregiment hier aufgewachsen.«

»Zurück von mir,« rief aber Amalie von Seebald und entriß ihm mit zornfunkelnden Augen den Arm, den er gefaßt hatte, sie von der Gattin Bett zu führen, »und hiemit erkläre ich es feierlich, in dieses wackeren Mannes Gegenwart – daß Sie, Graf Olnitzki, die Schwester, die Ihnen in jugendlicher Verblendung, fast ein Kind noch, folgte, elend gemacht haben – bodenlos elend, und daß Sie nicht weiter Gewalt haben dürfen über sie; ihre ältere Schwester bin ich – bin hier an Vaters und Mutters Statt für die Arme, und fordere sie zurück von Ihnen, so lange noch Leben in dem armen, mishandelten Körper ist.«

»Hoho?« rief aber Olnitzki sich jetzt plötzlich, wie der sprungfertige Panther, emporrichtend – »kommt daher der Wind? – abgemachte Sache zwischen Euch, mir das eigene Weib abspenstig zu machen in dem eigenen Haus. Hahahaha Fräulein Schwägerin, Sie haben die Krallen zu früh gezeigt; das hat Ihr Spiel verdorben. Und nun« – schrie er, während Haß und Wuth, von dem vielen genossenen Whiskey zu einer Art Wahnsinn angestachelt, mehr und mehr die Überhand gewann, und die Frau, sich auf ihrem Lager selbst emporrichtend mit gefalteten Händen ihn bittend anschaute – »hat das ein Ende was mich hier geärgert und gequält, und in die Stadt getrieben, dort in Wein und Brandy meinen Grimm zu ersäufen, und mit Kartenspiel die Zeit zu tödten. – Hinaus aus meinem Haus, Schlange Sie, die ich hier freundlich aufgenommen, und die mir die Frau gegen mich gehetzt von dem Moment an wo sie meine Schwelle betreten. Da ist der Bettel den Sie mitgebracht – da – da und da!« lachte er mit einem fast thierischen Aufschrei, indem er das Service, und was sonst von den Geschenken auf einem neben ihm an der Wand befestigten Brete stand, herunterriß, und der entsetzt zurück Springenden in Trümmern vor die Füße schleuderte.

»Aber Olnitzki« rief selbst Soldegg erschreckt und mahnend – »was machen Sie – besinnen Sie sich doch!«

»Besinnen? – zum Teufel auch, meine Geduld ist fort,« schrie der Rasende – »da – und da und da, sind Eure Lumpen, ich will von Euch nichts mehr von drüben her – ich brauch' Euch nicht und Gnad' Euch Gott, wenn ich je wieder Eine von Euch treffe, wer es sei, der auch nur frägt wie es uns geht hier, was wir treiben, was thun. Und hier – nun was soll das Mr. Owen, glauben Sie, daß ich etwa gerade in einer Stimmung bin auf einen Nachbar besondere Rücksicht zu nehmen?«

 

»Ich erkenne die Stimmung recht gut in der Ihr seid, Olnitzki,« sagte Jack Owen, der indeß des wirklich gefährdeten Mädchens Hand ergriffen und sie hinter sich geschoben hatte, sie mit dem eigenen Körper zu decken – »Ihr habt zu viel getrunken und wißt eben nicht was Ihr thut; ob Ihr Rücksicht auf Euere Nachbarn dabei nehmt, kann mir ziemlich gleich sein; wie weit Ihr da gehn dürft werdet Ihr selber am Besten wissen. Die junge Fremde aber, die Ihr so roh behandelt und förmlich aus der Thür geworfen habt, nehm ich mit mir, in mein eigen Haus und zu meinem Weib, und die arme kranke mishandelte Frau da auf dem Bett, ist uns ebenfalls herzlich willkommen, wenn sie uns begleiten will.«

»Teufel!« schrie Olnitzki bei den Worten in wild auflodernder Wuth nach der in der Ecke stehenden Büchse springend und sie in Anschlag reißend – »wollt Ihr mein Weib verlocken unter dem eigenen Dach? – noch ein Wort hier, und beim ewigen Gott Ihr seid eine Leiche.«

»Schwört nicht bei etwas, Olnitzki, von dem Ihr doch nichts wißt,« sagte Jack vollkommen ruhig, »daß Ihr mich nicht einschüchtern könnt, solltet Ihr lange wissen – übrigens sprechen wir über die Sache noch, und jetzt good bye – wenn wir uns wieder sehen, werdet Ihr hoffentlich ruhiger und vernünftiger sein.«

»Ich kann die Schwester nicht – nicht so verlassen,« klagte Amalie.

»Der Mensch kann Alles was er muß,« sagte aber Jack ruhig, und ohne weiteres ihren Arm ergreifend, an dem er sie mit sich hinaus in's Freie führte und dort seine Büchse aufgreifend, schulterte er diese und schritt, den Arm des Mädchens aber immer noch nicht loslassend, mit ihr den schmalen Reitweg entlang in den Wald.

Als die Beiden das Haus verließen lag Sidonie bewußtlos, in Ohnmacht hingesunken, auf ihrem Bett, Soldegg lehnte mit verschränkten Armen, und eben nicht erfreut Zeuge und gleichsam Mithandelnder des ganzen Auftritts zu sein, am Kamin, und Olnitzki, auf dem sein halb zürnender, halb verächtlicher Blick kalt und höhnisch haftete, stand noch inmitten des kleinen mit den zertrümmerten Fragmenten vergoldeten Porcellains und gestickter Sachen überstreuten Raums, die Büchse mit eisernen Fingern fest gepackt, und wie unschlüssig, ob er die Waffe gebrauchen solle oder nicht.

Am nächsten Morgen um elf Uhr etwa, verließ ein kleiner, mit einem Pferd bespannter Karren »Olnitzkis Farm«. Der Pole steckte den Pflock von Außen vor die Thür und schlug ihn mit der Axt, die er dann wieder in den Karren legte fest, schulterte seine Büchse und stand dann, des Begleiters harrend, der vier wackere Pferde die Olnitzki selbst gezogen, immer zwei und zwei zusammenkoppelte, und dann den eigenen Rappen bestieg. Das Pferd, das Olnitzki gestern geritten, war heute mit den Thieren zusammengekoppelt, die Soldegg an der Leine führte; ein junges braunes Pferd hatte er in den kleinen Wagen gespannt, auf dem, unter dem darüber gespannten aber vorn etwas zurückgeschlagenen Leinen ein weicher Sitz von den Betten für die Frau hergerichtet worden.

»Hast Du Alles Sidonie?« sagte Olnitzki, der heute bleich und angegriffen aussah, aber die Worte wenigstens nicht unfreundlich an die Frau richtete, »und kann ich fortfahren?«

»Olnitzki, ich beschwöre Dich bei Allem was Dir heilig ist, laß mich nicht ohne Abschied von der Schwester ziehn – raube mir nicht, wenn ich Dir denn in die Wildniß folgen muß, den letzten Trost – Du bringst mich doch nicht hin, und wirst mich schon unterwegs begraben müssen – oh daß ich bei meinen Kindern schlafen könnte.«

»Du denkst Dir die Sache viel schlimmer als sie ist, liebes Kind,« sagte der Mann finster – »Deine Schwester hat Dir den Unsinn wahrscheinlich eingeblasen; aber nach Jack Owens Haus, wo sie jetzt wohl steckt, könnt' ich nicht einmal mit dem Karren hinüber, selbst wenn ich wollte – es führt kein Fuhrweg hin, und – ich will auch nicht. Sie hat keinen Frieden in unser Haus gebracht und wir brauchen sie nicht zwischen uns. Nun Soldegg, zum Henker, seid Ihr denn endlich mit Eueren Thieren fertig? Ihr geht so ungeschickt damit um, als ob ihr im Leben noch mit keinem Pferdefleisch zu thun gehabt.«

»Hol der Böse die Bestien!« zischte Soldegg zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch, indem er sich mit dem eigenen Thier zwischen den noch scheuenden und zurückschreckenden Pferden herumtummelte – »wenn ich sie nur erst in der breiten Straße habe will ich sie schon kriegen. So, das wird's thun. Fahrt nur voran, Olnitzki, die Pferde folgen dann leichter; seid Ihr in Ordnung?«

»In Ordnung!« wiederholte der Pole finster, noch einen Blick auf den Platz, der seine Heimath gewesen, zurückwerfend, und dann entschlossen sich zum Gehen wendend – »Komm Brauner, zieh – wir haben einen langen Weg vor uns, und je eher wir damit fertig werden, desto besser!«

Ein leiser Schlag brachte das Pferd zum Anziehn und Olnitzki sprang ihm vor, und schritt in dem schmalen Pfad, während das treue Thier ihm in den Fährten folgte, rasch voran. Er hatte den linken Arm, dessen Hand sein Kinn stützte, über den Büchsenkolben geworfen, und blickte in düsterem Schweigen vor sich nieder. Die zusammengekoppelten Pferde folgten auch in der That besser, als der Wagen erst einmal in Gang war, und der kleine Zug hatte eben die Gründornflat durchschnitten und auf dem höheren Land einen etwas besseren, wenigstens breiteren Weg erreicht, als Olnitzkis Pferd laut aufwieherte und der Pole emporschauend, überrascht fünf oder sechs Männer – Nachbarn von sich aus der nächsten Gegend – erkannte, die ihre Pferde am Zügel, auf ihre Büchsen gelehnt, gerade auf der Straße standen, die er passiren wollte, und ihn fast zu erwarten schienen.

Olnitzki stutzte einen Augenblick, und seine linke Hand umspannte fest den Kolben des schweren Rifles, während sein Auge rasch und forschend die Gruppe überflog – aber es war auch nur ein Moment; ein trotziges wildes Lächeln zuckte um seine Lippen und seinen Weg verfolgend, als ob die Männer eben nicht darauf ständen und ihn versperrten, schritt er rasch weiter und gerade auf sie zu bis er, ihnen fast gegenüber, durch ein lautes aber entschiedenes »Halt!« des alten Rosemore, in seiner Bahn gehemmt wurde.

Der alte Mann stand mitten im Weg, aber in keiner drohenden Stellung, nur auf seine lange Büchse gelehnt, den Zügel des eigenen Pferdes um den linken Arm, wie er da gerade abgestiegen, und neben ihm Bill Jones sein Schwiegersohn mit noch zwei oder drei andern Männern aus der Nachbarschaft. Nur Jack Owen war seitwärts, etwa zehn Schritt vom Wagen getreten, seine Büchse auf der Schulter, die rechte Hand in die Seite und auf das Heft des langen Bowiemessers gestützt, das er dort trug.

»Nun was soll das?« rief aber Olnitzki jetzt seine Büchse herunternehmend und den Kolben auf den weichen Boden stoßend; »für einen Scherz bin ich nicht aufgelegt, und im Ernst möcht ich den sehen, der mir ein Halt entgegenrufen dürfte. Was wollt Ihr von mir? – kurz, denn ich habe weder Zeit noch Lust mit Euch hier zu plaudern.«

»Wir denken nicht daran, Euch aufzuhalten, Olnitzki,« nahm der alte Rosemore ruhig das Wort, »Ihr seid nie ein besonderer Nachbar gewesen, und alter Zeiten gedenken könnte uns gerade nicht freundlicher gegen Euch stimmen. Geht mit Gott, und möge Euch in einem andern Staate das werden, was Ihr bei uns nicht gefunden; aber – es hat Jemand um Hülfe bei uns nachgesucht, dem wir sie nicht verweigern können – eine Frau – Eures Weibes Schwester hat das bestätigt was wir von Euch schon von früher wissen – daß Ihr Euere Frau mishandelt – und was mehr ist, daß Ihr die Todtkranke und durch das Hinscheiden ihres jüngsten Kindes so schon schwer geprüfte Mutter mit Gewalt von hier fort, und ohne Mittel sie zu erhalten, in eine Wildniß schleppen wollt, und da glaubten wir denn in unserem schwachen Verstand daß wir das, wenn sich die Sache wirklich so verhält, nicht dulden dürften.«