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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band

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Hopfgarten machte ihm darüber Vorstellungen – er hielt, seiner Meinung nach, viel zu viel theuere Arbeiter, und trotzdem sei eigentlich in der ganzen langen Zeit noch verhältnißmäßig wenig geschehn, auf dem Platz. Das Haus stand allerdings, wenn auch noch nicht ganz fertig, aber was Hopfgarten bis dahin von Amerikanischen Bauten gesehn, so war er fest überzeugt, und sagte das auch dem Professor, daß ordentliche Amerikanische Arbeiter ihm für denselben Lohn, wahrscheinlich aber in dem dritten Theil der Zeit das Gebäude, wie es dastand, aufgerichtet hätten, und daß es wohl recht hübsch sei Deutsche zu beschäftigen und ihnen Brod zu geben, wenn man eben das Geld dazu habe, Jeder aber auch sich selbst der Nächste sei, und mit überhaupt schwachen Geldmitteln vor allen Dingen darauf sehen müsse, Arbeitslohn zu sparen und, was man nicht eben gleich selber thun könne, noch ein klein wenig ruhen zu lassen, bis die Zeit dazu komme.



Der Professor lächelte stillvergnügt in sich hinein, während Hopfgarten, die Arme auf dem Rücken, langsam neben ihm her und einen schmalen Fahrweg hinschritt, der hinauf nach dem neuen Lusthäuschen führte.



»Mein lieber Herr von Hopfgarten,« sagte er aber endlich, als Jener schwieg, während er neben ihm stehn blieb, und ihm die Hand dabei auf seine Achsel legte – »das verstehn Sie nicht – Sie nehmen mir das nicht übel, aber – das zu beurtheilen, dazu fehlt Ihnen der Überblick.«



»Lieber Herr Professor, ich will mir gar nicht anmaßen. – «



»Nein, nein ich weiß schon,« lachte der Professor, wohl gutmüthig, aber doch auch wieder nicht ganz ohne Schärfe – »Sie behaupten nicht gerade unbedingt, daß Sie recht haben, aber Sie glauben nur, weil Sie so viel im Land umhergereist, und so vielen Menschen dabei über die Fenzen in die Felder gesehn hätten, müßten Sie auch nothwendig die Sache aus dem Grunde verstehn. Laien urtheilen überhaupt schnell über solche Sachen; es giebt aber wohl kaum ein Fach, oder einen Beruf in der ganzen Welt, der mehr, und fast alleinig so auf Erfahrung basirt ist, als gerade die Landwirthschaft, und wie bei einem künstlichen Gewebe, so einfach und glatt das Ganze aussieht, die einzelnen Fäden alle ineinanderschießen und sich durchziehn, und keines fehlen, oder zur unrechten Zeit darf eingesetzt werden, so müssen auch in unserem Fach die einzelnen Beschäftigungen und Gewerke ganz systematisch ineinander greifen, und sich ergänzen, sich unterstützen. Da kann nicht der Eine auf den anderen warten bis der und jener seine Arbeit vollendet; wollte der, der Mais gebaut hat, nachher erst die Scheune dazu aufrichten, wann würde die fertig werden, und was würde aus dem, indessen lang gereiften Mais? Nein, lieber Freund, das gerade tadle ich an den Amerikanern, daß sie nicht vielseitig genug sind, nicht an mehren Ecken und Zipfeln zugleich anfassen; darum kommen sie so selten, wenigstens so langsam zu was; darum wächst ihnen die Arbeit dermaßen über den Kopf, daß sie zuletzt vor Angst nicht wissen mehr wohin, und die Axt dann gewöhnlich in die Ecke, die Büchse über die Schulter werfen, und in den Wald laufen, wie sich bei uns Jemand aus Verzweiflung betrinkt. Ich habe die Sache anders angefangen, lieber Hopfgarten,« setzte er, vertraulich und wärmer werdend, und dessen Arm in den seinen ziehend fort, »ich habe die Sache an allen vier Ecken zu gleicher Zeit angegriffen, und während das Ausroden und Fenzriegelspalten fortging, als ob ich erst eine Niederlassung gründen wollte, bestellte ein Theil das Feld, ein anderer grub die Stelle aus, wo ich im Herbst die Mühle hinsetzen will, ein dritter ebnete einen Platz für meine, hoffentlich schon im nächsten Jahr zu beginnende, und nach den einfachsten Prinzipien entworfene Zuckerfabrik, ein anderer baut mir nach einer von mir selber erfundenen Construction einen Ofen, Talg und Seife auszukochen, mit denen ich schon um Weihnachten herum einen bedeutenden Export zu bewirken hoffe, und daß wir selbst das Angenehme nicht über dem Nützlichen versäumt haben,« setzte er lächelnd hinzu, »davon mag Sie Eduard überzeugen, der mit dem jungen Theobald hier sehr fleißig beschäftigt gewesen ist eine kleine Stammburg anzulegen.«



Sie hatten indessen wirklich den Platz erreicht, wo von den beiden jungen Leuten eine Art Eremitage, aber mit hohem Balkon und einem sehr niedlich darüber angebrachten Rindendach errichtet war, und Theobald sich gerade damit beschäftigte, die letzte Bekleidung von geschälter Hickoryrinde über die Sitze und das Tischblatt zu nageln, während Eduard lange Stangen geschnitten hatte, der Treppe ein festes Geländer zu geben.



»Wir werden richtig heute noch fertig!« rief ihnen Eduard schon von weitem entgegen, »und können Morgen zu Mariens Geburtstag den Nachmittags Kaffee hier oben trinken – kommen Sie nur einmal herauf, Herr von Hopfgarten, und sehn Sie sich die wundervolle Aussicht an!«



Die beiden Männer kletterten die schmale, etwas schwanke Treppe hinauf, wo die beiden jungen Leute in der That ein reizendes Plätzchen hergerichtet hatten, das auf der einen Seite, eine durch die Wipfel geschnittene Aussicht nach den Hügeln zu gewährte, und auf der anderen, über das niedere Unterholz weg nach dem flacheren Lande hin zeigte. Im Hintergrund trat dabei noch die breite Lichtung einer Nachbarfarm, mit ihrem großen Viereck von grünem Mais, und den regelmäßig darum gezogenen Fenzen, den kleinen wie silbergrau schimmernden Gebäuden, und dem gerade und blau daraus aufsteigenden Rauch gar so freundlich hervor, und bot einen in der That wundervollen Blick dorthin.



»Das ist recht hübsch – wirklich recht hübsch angelegt,« sagte Hopfgarten, »und verräth viel Geschmack – viel Sinn für Naturschönheit; aber – «



»Und Sie glauben gar nicht was es uns für Mühe gekostet hat, die rechten Wipfel und Äste zum Ausschneiden zu treffen,« unterbrach ihn Theobald, »der Mann, den wir dazu hatten, mußte wohl zwanzig Mal in die verschiedenen Bäume hinauf, bald da, bald dort noch etwas wegzuschneiden was, im Anfang versehen, den ganzen Eindruck gestört hätte, und ein paar Bäume mußten wir zuletzt ganz fällen, um sie nur aus dem Weg zu bekommen. Wir haben uns doch über drei Wochen mit dem kleinen unscheinbaren Ding da herumgequält.«



»Die Einweihung soll aber auch feierlich genug werden; es ist prächtig, daß Sie gerade so zu rechter Zeit eingetroffen sind,« rief Eduard, »und wenn ich heute Nachmittag oder Abend noch Glück habe, schieß' ich auch den Hirsch, der nun schon seit über zwei Monaten von den Nachbarn in unserer Gegend gesehn ist, und dem ich mehr als zwanzig Mal, immer vergebens, zu Gefallen gegangen bin. Ganze Tage habe ich auf dem Anstand gesessen, und einmal hätt' ich ihn beinah bekommen. Jetzt kenn' ich aber seinen Wechsel, und diesen Abend müßte es mit was Anderem zugehn, wenn er mir nicht vor's Gewehr liefe.«



Die jungen Leute ergingen sich dann, während ihnen der Professor lächelnd zuhörte, noch in einer Menge von Plänen und Ideen, wie dieser kleine Platz, den sie ihr

sans souci

 nennen wollten, nach und nach zu einem kleinen »Taschenparadies« umgeschaffen werden solle, den Amerikanern in der Nachbarschaft auch einmal zu beweisen, wie sich die Schönheiten des Landes, nicht nur immer die Ackerkrume, ausbeuten und verwerthen ließen. Hopfgarten, der eigentlich im Sinn gehabt hatte, sie darauf aufmerksam zu machen, daß doch wohl jetzt, im ersten Beginn einer Farm, Wichtigeres und Nothwendigeres zu thun bleibe, als auf die Verschönerung des Platzes zu denken, schwieg und hörte ihnen, langsam, aber lange nicht selber überzeugt, mit dem Kopfe dabei nickend zu. Der Professor, der seine eigenen Verhältnisse am Besten kannte, mußte doch jedenfalls auch am Besten wissen, ob er jetzt Zeit, Geld und Menschenkräfte, drei sehr wichtige Dinge bei einer neuen Ansiedlung und in Wirklichkeit die drei Hauptadern des Ganzen, darauf verwenden durfte, solche – er hatte nicht gleich in seinen Gedanken einen anderen Namen dafür – Allotria zu treiben.



Während die jungen Leute noch mit ihrem

sans souci

 beschäftigt blieben, ging der Professor mit Hopfgarten den Weg wieder zurück, und um die Farm herum, auch die anderen Arbeiter an ihren verschiedenen Plätzen zu besuchen, und kamen zunächst zu der kleinen Lichtung, wo Georg eben damit beschäftigt war, mit einem anderen Deutschen die ersten Pfosten für die beabsichtigte Mühle einzugraben. Die Leute arbeiteten hier fleißig und aus allen Kräften, hatten das Holz schon sämmtlich behauen und herbeigeschleppt, Schindeln gespalten und aufgehäuft, daß sie vor der Benutzung nicht faulen möchten und es fehlte nur eben noch am Aufrichten, was gerade heute begonnen werden sollte.



»Es ist mir recht lieb, daß Sie herkommen, Herr Professor,« sagte Georg nach der ersten Begrüßung und als sein Principal zu den gegrabenen Löchern getreten war, ihre Tiefe anzusehn, »das Wasserrad ist doch noch nicht fertig, und das Aufrichten können wir in einigen Tagen beenden, so wollten wir Sie fragen, ob wir die Stützen nicht lieber noch ein wenig weiter hinausrücken dürften; wir haben Schindeln genug und die Querbalken sind auch noch nicht abgeschnitten.«



»Weshalb?« frug der Professor, sich rasch nach ihm umwendend.



»Mir kommt das Ganze im Innern ein wenig zu eng vor,« sagte Georg leicht erröthend.



»Ihnen kommt es zu eng vor, lieber Donner?« wiederholte der Professor zwar freundlich, doch mit einem leisen Anflug von Ironie im Ton, »aber ich habe den Plan gemacht und nach sorgfältiger Berechnung das Angegebene für gut befunden. Sie haben doch den Plan.«



»Allerdings, aber – «



»Nun gut, was wollen Sie mehr; richten Sie sich nur nach dem.«



»Ich verstehe allerdigs nichts von dem Bau,« sagte Georg tiefer erröthend, »als was ich eben bei Amerikanern davon gesehn, aber demnach kam es mir vor, als ob der Platz im Inneren zu sehr beschränkt würde, noch dazu, da die Mühle für den Sommer ja auch so eingerichtet werden soll, daß sie mit Pferdekraft getrieben werden kann. Überdies hätten wir nicht einmal weitere Arbeit damit, als jetzt ein paar andere Löcher zu graben, und vielleicht einen einzigen neuen Querbalken abzuschlagen, während bei einer späteren Änderung – «

 



»Thun Sie mir den Gefallen, lieber Donner,« sagte der Professor ruhig, »stellen Sie die Sache auf, wie ich es Ihnen angegeben, und machen Sie sich keine weitere Sorge darüber. Jeder Punkt ist berechnet, die Berechnung stimmt, was wollen Sie mehr? daß meine Mühle nicht so sein wird, wie die Amerikanischen, weiß ich vorher, das liegt aber auch gar nicht in meinem Plan; ich habe hier eben die Raum verschwendende Amerikanische Einrichtung auf ihr nöthiges aber auch hinreichendes Maaß zurückgeführt, und Sie sollen einmal sehn, die Amerikaner werden, wenn sie klug sind, meinem Beispiel folgen. Es wird übrigens bald Essenszeit sein und sie kommen lieber mit zum Hause,« setzte er freundlicher hinzu, als er sah, wie bereitwillig sich der junge Mann dem ausgesprochenen Bescheide fügte.



Capitel 7

Mariens Geburtstag

Am nächsten Morgen, als einem Sonntag, mit Sonnenaufgang, wo die Frauen allerdings schon im Haus beschäftigt, aber noch nicht sichtbar waren, machte Hopfgarten einen kleinen Spatziergang allein in den Wald, seinen eigenen Gedanken wieder einmal ungestört nachhängen zu können, als er Jemanden Holz hauen hörte und den jungen Donner fand, ein paar Hickoryäste für das Kaminfeuer in Lobensteins Haus zu schlagen.



Hopfgarten hatte den jungen Mann von allen Zwischendecks-Passagieren immer am liebsten leiden mögen, und sein jetziges ganzes Benehmen bestätigte ihm die gute Meinung, die er früher von ihm bekommen, nur noch mehr.



»Nun, lieber Donner,« sagte er, sich ihm gegenüber auf einen von ihm gefällten Baum setzend, »wie ist es Ihnen die Zeit über gegangen? – wir haben noch nicht einmal ein vernünftiges Wort mitsammen reden können und – ich möchte doch Manches von Ihnen erfragen.«



»Gut, Herr von Hopfgarten,« sagte der junge Mann, sich lachend auf seine Axt stützend und zu dem früheren Reisegefährten hinüberschauend, – »gut, wenn auch manchmal ein wenig bunt. Das Amerika ist ein wunderliches Land, und wer da 'nicht mitschiebt, wird geschoben'.«



»Allerdings, allerdings,« lächelte Hopfgarten, »also Sie haben mitgeschoben?«



»Aus Leibeskräften,« lachte Georg. »Zuerst, nur um mein Brod zu verdienen, wurde ich Feuermann auf einem Dampfboot – ein Hundeleben, bei Gott, aber doch ein Leben, bei dem ich wenigstens dreißig Dollar den Monat verdiente, eben keine Ausgaben weiter hatte, und ein tüchtiges Stück von Amerikanischem Leben und Treiben, wie von dem Lande selbst zu sehn bekam. Auf die Länge der Zeit griff es aber doch meinen Körper zu sehr an, und um nicht etwa gar krank zu werden, gab ich es auf und wurde Holzschläger am Mississippi, wo ich nicht ganz so viel verdiente, denn ich bekam 75 Cent für die Klafter aufzusetzen, und mußte die Woche noch einen Dollar Kost für Speck und Brod zahlen. Aber auch hier trieb mich das Sumpffieber, das hier sogenannte

ague

 oder kalte Fieber fort, und ich fuhr, dem vor allen Dingen einmal gründlich aus dem Weg zu gehn, nach Norden hinauf. Vorher wollte ich es allerdings noch erst einmal mit der Jagd versuchen, denn allerlei romantische Beschreibungen, die ich darüber gelesen, hatten den Amerikanischen Wald für mich mit einem gewissen Zauber übergossen, dem ich doch nicht ganz widerstehen konnte. Ich bin aber von je her viel zu wenig Jäger gewesen, allein in der Jagd selber auch meinen ganzen Lohn für alle die entsetzlichen Strapatzen und Beschwerden zu finden, wie ich sie da ertragen mußte; Nutzen war auch nicht daraus zu ziehen, denn wo es wirklich Wild gab, wie mir das schon früher ein Freund bestätigt, bekam man Nichts dafür, und wo ich Wildpret und Haut hätte gut verkaufen können, war ich nicht im Stande genug zu schießen, mich nur am Leben und in Kleidung zu halten. Hier eben angelangt, arbeitete ich dann ein paar Monate bei einem Amerikaner auf einer Farm, machte dabei eine sehr glückliche Kur an seiner Frau, und wäre auch dort so leicht nicht fortgegangen, wenn nicht der Mann selber, mit seinem Pferd stürzend, den Hals gebrochen hätte, wonach die Frau die Farm verkaufte, und zu ihren Verwandten nach New-York zurückging.«



»Das war etwa funfzehn Miles weiter den Ohio hinab, und dort hörte ich denn auch in jener Zeit, daß Professor Lobenstein mit seiner Familie sich hier niedergelassen, eine ziemlich bedeutende Farm gekauft habe und viel deutsche Arbeiter beschäftige. Lobensteins hatten sich an Bord immer schon so hübsch benommen,« setzte er nach einigem Zögern hinzu, »daß ich beschloß, ihnen meine Dienste anzubieten und – da bin ich.«



»Aber warum um Gottes Willen folgen Sie nicht lieber Ihrem Beruf, in dem ich Ihnen vollkommen genügende Geschicklichkeit zutraue recht Gutes zu leisten?« rief Hopfgarten; »Sie wollen doch nicht Bauer bleiben Ihr Lebelang?«



»Und warum nicht?« sagte Georg, nach einigem Zögern – »habe ich doch dabei zuerst die Hoffnung selbstständig werden zu können.«



»Weshalb prakticiren Sie nicht?«



»Aufrichtig gestanden,« rief der junge Mann, »weil ich den Muth nicht dazu habe. Jeder hergelaufene Arzt, er mag seine Sache verstehn oder nicht, jeder Chirurg, der daheim Nichts anderes betrieben als Aderlassen und Schröpfen, jeder wandernde Krämer selbst, der sich für ein paar Dollar Pulver und Pillen in seinen Kasten gepackt, wird hier zum Arzt, verschafft sich auch wohl, wenn es Noth thut ein Diplom, und kurirt, unüberwacht, unbestraft darauf los nach Herzenslust. Das Publicum ist nicht mehr im Stande den guten von dem schlechten Arzt zu unterscheiden, und wendet sich dem zu, der den meisten Spektakel von sich macht oder machen läßt. Die Marktschreierei ist deshalb hier auch wirklich auf ihren Gipfelpunkt gestiegen, und man braucht nur die Anzeigen in den verschiedenen Tagesblättern zu lesen, um einen völligen Ekel davor zu bekommen. Ich selber passe nicht dazu, mich zwischen das Gesindel zu mengen, ich habe nicht – Selbstvertrauen genug und will lieber den sicherern, einfacherern Weg einschlagen, mir erst ein kleines Eigenthum zu gründen. Kann ich es dann später damit vereinigen, an dem Ort wo ich mich niedergelassen, und zu dem ich jedenfalls einen gut besiedelten Platz wählen würde, auch vielleicht zu prakticiren, desto besser, geht das nicht, dann weiß ich, daß ich als Farmer nicht allein durch, sondern mit Fleiß und nur etwas Glück auch vorwärts komme, und das genügt mir.«



»Bravo!« sagte Hopfgarten, freundlich mit dem Kopfe nickend – »recht brav – Sie werden auch schon durchkommen, lieber Donner, dafür ist mir nicht bange – wenn ich nur mit allen anderen Leuten so sicher wäre – « setzte er nach einer kleinen Pause recht tief aufseufzend und vor sich niedersehend hinzu.



Donner schwieg ebenfalls kurze Zeit und begann wieder langsam an dem Holz zu schlagen, das vor ihm lag, hieb dann die Axt in den Stamm, und sah Hopfgarten forschend an.



»Sie meinen den Professor,« sagte er endlich.



Hofgarten erwiederte Nichts darauf, nickte aber schweigend mit dem Kopfe und Georg fuhr jetzt lebendiger, wie selber froh, sich einer Last entladen zu können, die er auf dem Herzen habe, fort:



»Lieber Herr – Sie – Sie stehn der Familie näher wie ich – sind mit ihr befreundet und Ihr Wort gilt, ich weiß es, viel; ich bin nur Arbeiter auf der Farm und als solcher dem Professor selber, was eben die Arbeit betrifft, am wenigsten zugänglich. Bleiben Sie noch einige Zeit hier bei uns – beobachten Sie das ganze Wesen und Treiben, die ganze Behandlungsart, den Aufwand, mit dem Alles an Zeit und Arbeitskräften geschieht, und sagen Sie dann selber, ob ich nicht recht habe, wenn ich behaupte, das ganze Wesen der Farm, die Leitung des Ganzen sei nicht in guten Händen, und könne auf die Länge der Zeit so nicht fortbestehn, wenigstens nicht zu einem Resultate führen, wie wir es ja doch wohl Beide den sonst so guten lieben Menschen wünschen.«



»Ich fürchte, lieber Donner, Sie haben recht,« sagte Hopfgarten, der indessen mit seinem kleinen Spazierstock die in dem Gras vor ihm liegenden gelben Blätter aufgespießt und fortgeschnellt hatte – »ich fürchte, Sie haben recht; der Professor ist nicht praktisch.«



»Der unpraktischeste Mensch unter der Sonne!« rief Donner, »und jetzt von dem überspannten Gesellen, dem Dichter, noch mehr verdorben, der ihm fortwährend Weihrauch streut, und immer vor Erstaunen außer sich ist über die »Musterwirthschaft«. – Wie lange soll das aber dauern?«



»So lange baar Geld da ist,« sagte Hopfgarten, fast mehr mit sich selbst, als zu dem jungen Manne redend.



»Und auch das scheint auf die Neige zu gehn,« sagte Donner leise.



»Wie so? – was wissen Sie davon?« rief Hopfgarten, rasch zu ihm aufsehend.



»Anstatt seinen Viehstand zu vermehren, hat er wieder zwei von seinen Kühen fast unter dem Preis verkauft,« sagte Donner, »er hofft dabei fortwährend auf die hohen Maispreise und die baldige Erndte sowohl, wie auf den Ertrag der Mühle und seine Talg- und Seifensiederei. Was er noch an Capitalien liegen hat, weiß ich nicht; möglicher Weise sind diese bedeutender als ich jetzt glaube, und ich will es zu seinem Besten hoffen, aber seine letzte Reise nach Cincinnati hat wenigstens einen Theil davon wieder flüssig gemacht, der aber bei den jetzigen, im Verhältniß zu der Farm viel zu großen Auslagen, auch nicht so lange anhalten kann. Er beschäftigt eine Menge Arbeiter – das gerechnet was sie ihm leisten – für nicht viel mehr, als sie eben zu beschäftigen, und so gern ich arme Deutsche in dem fremden Lande unterstützt sehe, thut es mir doch in der Seele weh, Zeuge sein zu müssen, wie ein Haufen faules Gesindel, die Güte und – um ganz aufrichtig zu sein, denn lieber Gott, ich will ja dem wackern Manne nichts Böses nachsagen – die Unerfahrenheit des Professors benutzt, so wenig wie möglich zu arbeiten und seinen Lohn allwöchentlich regelmäßig einzustecken. Läßt er sich dann noch dazu nicht davon abbringen die Zuckerfabrik, von der er keinenfalls genug versteht einen Anfang in einem neuen Lande damit zu machen, zu beginnen, so bin ich überzeugt, daß er sein Vermögen dabei, und wenn er noch über viele Tausende zu gebieten hätte, geradezu zum Fenster hinauswirft, und seinen Reden nach scheint er erst von allen diesen Einrichtungen ein Einkommen, die jetzigen bedeutenden Auslagen zu bestreiten, zu erwarten.«



»Schlimm, sehr schlimm, wenn Sie recht hätten,« seufzte Hopfgarten, » – und ich fürchte fast, daß dem so ist.«



»Auch mit dem Ankauf der Farm ist er schmählich betrogen worden,« fuhr Donner fort – »ich habe Gelegenheit gehabt mich nach dem Preis derartiger »

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,« wie man solch halbwilden Fleck noch überall nennt, zu erkundigen, und weiß, daß er um die Hälfte des Geldes, einen günstiger gelegenen Ort gefunden haben konnte wie dieser ist. Er hat sich darin übereilt, und wird noch lange hinaus dafür büßen müssen, da er, der bedeutenden Transportmittel wegen, gar nicht im Stande ist, in dem Preis seiner Produkte, z. B. mit den dicht am Ohio liegenden Farmen zu concurriren. Aber was geschehen ist, ist geschehn; wenn er denn nur jetzt wenigstens Alles thäte, die einmal begangene Übereilung wieder gut zu machen; doch er hört und sieht nicht, und hat sich selbst schon einige Mal mit dem Weber, der wirklich ein tüchtiger fleißiger Mann, und wenn auch gleichfalls unpraktisch, doch wenigstens Alles in seinen Kräften stehende thut, den Nutzen seines jetzigen Herrn zu wahren, ganz ernsthaft gezankt und ihm Undankbarkeit, und Gott weiß, was sonst noch, vorgeworfen. Mich selber fortzuschicken ist er schon drei oder vier Mal auf dem Punkt gewesen, während er gegen den eigenen Sohn, der seine Zeit geradezu aus dem Fenster wirft, an Blindheit grenzend, nachsichtig ist. Eduard würde ein ganz tüchtiger braver Junge werden, wenn er unter ordentlicher Aufsicht stände; so wird ein Vagabund aus ihm, und den zu vervollkommnen, ist jetzt Herrn Theobald's eifrigstes Bestreben. Weiß es Gott,« fuhr Georg, der einmal im Zuge war, und dem es wohlthat, sein Herz endlich einmal gegen Jemand auszuschütten von dem er wußte, daß er es auch gut mit der Familie meinte – »wäre es nicht der Frauen wegen, die von einer unbeschreiblichen Liebenswürdigkeit und Herzensgüte sind, und dabei arbeiten, als ob sie von Kindheit auf nichts Anderes gekannt hätten wie Magddienste zu verrichten, ich hätte mein Bündel schon lange wieder geschnürt, weiter zu ziehn, denn es thut mir in der Seele weh, den Professor, und sie mit ihm, wenn auch langsam, doch ganz unvermeidlich, einer recht trüben Zeit entgegen gehn zu sehn.«



»Ich will mit ihm reden,« sagte Hopfgarten, entschlossen von seinem Sitze aufstehend – »recht ernsthaft will ich mit ihm reden, und sehn, was sich thun läßt aber – ich fürchte fast, es wird vergebens sein. Der Professor, so seelensgut und rechtschaffen er sonst sein mag, ist Einer der Leute, die sich ihre Systeme selber aufbauen, und was sie einmal in einem Buch lesen, und von einem wildfremden, ihnen vollkommen gleichgültigen Menschen lesen oder hören, zehntausend Mal lieber befolgen, als was ihnen ihre besten Freunde, Menschen von denen sie überzeugt sein müssen, daß sie es gut mit ihnen meinen, rathen. Ich weiß über seine früheren Verhältnisse wenig oder gar Nichts, aber es sollte mich nicht im Mindesten wundern zu erfahren, daß ihn das auch von Deutschland weggetrieben hat, und es würde ihm nicht das Geringste schaden, wenn er erst einmal durch Schaden klug werden sollte – hätten die armen Frauen nicht dann gerade am Meisten darunter zu leiden; eine solche Klugheit könnte nachher am Ende, wenn Alles verloren ist, sogar zu spät kommen.«

 



»Das wollen wir nicht hoffen,« sagte Georg leise – »es wäre ja doch zu traurig, wenn die armen Frauen die Schuld des Vaters und Gatten büßen müßten; von vorn beginnen wieder, in Amerika – in einer Wildniß dann, auf billigem Grund und Boden und von allen Hülfsmitteln entblößt, von denen ihnen jetzt schon lange nicht alle früher gewohnten zu Gebote stehn, wie sollten sie es da ertragen, und welche Vorwürfe müßte sich der Mann dann selber machen.«



»Noch wollen wir das Beste hoffen, lieber Donner,« sagte Hopfgarten ernst, »aber es giebt viel, viel Elend hier in dem weiten Reich, mehr als ich früher selber eine Ahnung davon gehabt, und so kurze Zeit ich auch hier bin, hab' ich doch schon entsetzlich viel davon gesehn; und überall kann man doch nicht helfen. Ich baue hier aber viel auf Sie,« fuhr er, dem jungen Mann die Hand hinüber reichend, fort – »guter redlicher Willen kann Manches ablenken, was sich drohend heraufziehen sollte, und der Professor ist dann doch nicht blind. Reitet er sich mehr und mehr in Verlegenheiten hinein, wird er auch um so williger nach der Hand greifen, die sich fest und männlich nach ihm ausstreckt, und die falschen von den rechten Rathgebern wohl unterscheiden lernen.«



»Wenn er die rechten dann nur nicht vor der Zeit von sich stößt,« sagte Georg seufzend.



»Dann geschiehts ihm eben recht,« polterte Hopfgarten ärgerlich heraus – »wem nicht zu rathen ist, ist selten zu helfen, wenigstens jetzt noch nicht, und er muß dann eben durch Schaden klug werden.«



»Lieber Herr von Hopfgarten,« brach in diesem Augenblick der junge Mann das Gespräch ab, oder lenkte es wenigstens nach anderer Richtung, indem er zugleich seine Arbeit wieder aufnahm, das Holz fertig zu hauen und zum Haus zu schaffen – »ich glaube Sie haben Briefe von Henkels mitgebracht – wie geht es der Madame Henkel?«



»Kennen Sie Henkels genauer?« rief Hopfgarten rasch und aufmerksam werdend, denn er hoffte, hier schon wieder, und ganz unerwarter Weise, eine Spur zu finden.



»Nicht genauer als vom Schiff,« sagte aber der junge Donner ruhig – »leider hörte ich zu spät in New-Orleans, daß die arme junge Frau recht ernstlich krank geworden und mich habe suchen lassen. Ich war damals gerade im Begriff stromauf zu gehen, und habe sie, wie ich nach New-Orleans zurückkehrte, wie eine Stecknadel in der ganzen Stadt gesucht, ohne im Stande zu sein, sie aufzufinden.«



»Ich habe sie jetzt gesehn.«



»Und es geht ihr gut?«



»Besser wenigstens als früher; sie ist nach Europa zurückgekehrt.«



»So? – schon jetzt? ich glaubte nicht, daß Henkel seine Geschäfte so rasch hier beenden würde.«



Hopfgarten zögerte einen Augenblick mit der Antwort, aber er durfte auch keine Mittel versäumen Nachricht von dem Mann, wenn er irgendwo wieder auftauchen sollte, zu bekommen; so nach einigem Zögern sagte er langsam:



»Henkel selber ist noch hier – es sind – es sind Sachen vorgekommen, die – die seinen längeren Aufenthalt; – aber zum Teufel auch, ich sehe nicht ein weshalb ich Ihnen ein Geheimniß aus einer Sache machen soll, die eigentlich überdieß kein Geheimniß mehr ist. Henkel ist ein nichtswürdiger Schurke, der seinen Schwiegervater auf das Scheußlichste bestohlen und betrogen, seine Frau dann eben so schändlich verlassen hat, und den aufzufinden ich jetzt in den Staaten die Kreutz und Quere schon Monate lang herum gefahren bin. Da haben Sie die ganze Geschichte, und wenn Ihnen jemals dieser Schuft in den Weg laufen sollte, so wissen Sie vor allen Dingen, woran Sie mit ihm sind, und dann thun Sie mir einen ungeheuern Gefallen, wenn Sie mir augenblicklich nach dem St. Charles Hotel in