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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Und jetzt geht es Ihnen gut? – Sie befinden sich wohl hier?«

»Ich glaub's« sagte der Bauer schmunzelnd – »ich hatte in Deutschland ein kleines ärmliches Gütchen, das seinen Mann freilich eben nährte, aber ich mußte mich abquälen und plagen, wie ich eben nur hier die beiden ersten Jahre gearbeitet habe, ohne, was vor mich zu bringen. Mein Grundstück fiel dabei eher im Werth als daß es stieg, Abgaben und Steuern, von denen die Herren im Gericht zuletzt gar nicht mehr wußten wie viel sie fordern sollten, eine Masse unnützes Gesindel zu füttern die wir nicht brauchten, die uns aber haben mußten zum Zahlen, und dann noch holzgrob dabei waren, wuchsen von Jahr zu Jahr, und wenn's mir und der Alten auch schwer wurde von daheim fortzugehn, jetzt gereut mich's doch nimmermehr, und ich möchte nicht wieder zurück.«

»Und was haben Sie für Ihre Farm gezahlt?« frug Hopfgarten.

»Viertausend Thaler hab' ich, nach Abzug meiner Passage, mit herüber gebracht« sagte der Mann, »um zweihundert etwa hatten sie mich noch in Deutschland geprellt beim Geldwechseln, und vierhundert bin ich nachher hier an meine Landsleute losgeworden. Für die Farm, mit achtzig Acker Land, und dem Bischen Vieh was drauf war, und den Gebäuden, in denen aber ein Christenmensch gar nicht existiren konnte, zahlte ich dann dreitausend fünfhundert Dollar, zweitausend gleich baar an, und das übrige in jährlichen Raten, und dabei befinde ich mich vortrefflich, denn mit noch eben so viel beinah, was ich jetzt nach und nach hineingesteckt habe, ist der Platz in der Zeit das vierfache werth geworden, und selbst dafür gäb' ich ihn jetzt nicht wieder her. Aber Land genug ist noch hier herum zu bekommen« setzte er dann rasch hinzu, »wenn Ihr Euch etwa hier ansiedeln wolltet. Die Amerikaner, mögen sie einen noch so guten Platz haben, wenn sie einen Profit bekommen, verkaufen Alle aus; einem Amerikaner ist auch Alles feil was er an sich hat. Es sind Euch närrische Kerle, sie verkaufen das Hemd vom Leibe, wenns Einer haben will, die Stiefel von den Füßen, und beim Pferdehandel betrügen sie den eigenen Vater – wenn er nicht selber klug genug ist – ohne daß sie sich gerade, was Böses dabei denken.«

»Hm hm« sagte Hopfgarten nachdenkend vor sich hin, als er mit ihm zum Haus zurückging – » Sie befinden sich nun hier so wohl, Ihnen geht es so gut, und Sie sehen dabei wie sich Alles vorwärts arbeitet und besser wird, und andere Leute klagen wieder über das Land, schimpfen darüber und warnen vor Auswanderung.«

»Das sind die Hungerleider« lachte der Bauer, »ich habe auch schon ein paar Mal solche bei mir gehabt; die kommen herüber und wollen Anstellungen haben, wo sie eben so wenig dabei zu thun brauchen wie in Deutschland, und vom Bauer dabei gefüttert werden, und wenn's damit nachher nicht geht, wenn das Geld alle ist, und die Kosthäuser nicht weiter borgen wollen, dann heißt's »wir müssen arbeiten« und dann kommen sie in Handschuhen heraus und fragen nach »Beschäftigung« wie sie's nennen. Von denen schick' ich aber keinen fort,« schmunzelte er dabei, »die stelle ich nur an einen richtigen Baumstumpf zum Ausroden, und nach drei Stunden haben sie solche Blasen in den Händen, daß sie keine Radehacke mehr heben können. Nachher essen sie bei mir zu Mittag, ziehen ihre Handschuh wieder an, gehen nach Cincinnati zurück und schreiben Bücher über Amerika.«

»Apropos, was ich Sie fragen wollte« rief da Hopfgarten, »Sie haben doch freie Jagd hier überall – schießen Sie viel?«

»Schießen? – ich möchte wissen was« sagte der Bauer – »es giebt ja hier Nichts wie so eine kleine Art Rebhühner, ein Bischen größer wie bei uns die Wachteln, und Kaninchen und Eichkätzchen. Die Eichkätzchen thun im Felde viel Schaden und hinter die machen wir manchmal Feuer, und die Rebhühner fangen wir im Winter in Schneehauben, wie wir's in Deutschland manchmal heimlich gemacht haben; sonst sollte Einer schöne Zeit versäumen, wenn er mit der Flinte draußen herumliefe und meinen Jungen mache ich das schon gar nicht weiß. Ein Bauer der auf die Jagd geht ist immer schon ein halber Lump.«

Hopfgarten mußte noch die neuaufgeführten und in der That trefflich gebauten Scheunen und Ställe bewundern, wohin ihn Rohrberger »den nächsten Weg« über eine frisch geackerte Stürze führte, damit der Fremde doch auch sähe was er für wackere Pferde hätte, und wie brav seine Jungen ackerten, dachte aber dann auch wieder an den Aufbruch, um noch mehr vom inneren Land zu sehn, und seinen Ritt so auszudehnen, daß er wenigstens erst gegen Abend nach Cincinnati zurück kam.

Als er seinen freundlichen Wirthen für ihre Gastfreundschaft gedankt hatte, und in der Thür von ihnen Abschied nahm, kam auch die Alte hinter dem Spinnrad vor, gab ihm die Hand, sah ihm eine Weile scharf und forschend in's Gesicht und sagte dann:

»Ihr seid wohl nicht in der Gegend von Sohlfeld zu Hause?«

»Nein liebe Frau, ich weiß nicht einmal wo der Ort liegt.«

»Seid auch in Muschenberge nicht bekannt?«

»Auch nicht im mindesten.«

»Hm, hm« murmelte die Frau vor sich hin und humpelte langsam, ohne weiter ein Wort zu sagen, zu ihrem Spinnrad zurück.

Der Junge hatte »Bless« indessen wieder vorgeführt, und Rohrberger gab dem Fremden die Richtung an, die er am bequemsten nehmen könnte einen hübschen Ritt zu machen, und doch zu Abend wieder in der Stadt zu sein. Dort würde er auch unterwegs noch eine Menge deutsche Farmen und Gärten finden, und »wenn er sein Pferd am sieben Meilen-Haus vorbeibrächte« wo er aber wahrscheinlich wieder auf kurze Zeit halten müßte, des Braunen wegen, sollte er auf der nächsten Farm die rechts am Wege läge einsprechen.

Hopfgarten grüßte noch einmal freundlich zurück, und sprengte dann rasch auf seinem jetzt vollkommen zufrieden gestellten Braunen, die Straße hinauf.

Capitel 8
Professor Lobenstein als Farmer

Herr von Hopfgarten fühlte sich nur halb befriedigt durch seinen Ritt. Das Land selber ließ allerdings nichts zu wünschen übrig, und war in einer Art cultivirt die er »soweit westlich« wirklich kaum für möglich gehalten hatte. Reges Leben herrschte dabei auf den Straßen, Fuhrwerke gingen nach allen Richtungen, überall waren Bauten im Werk, wurden Schienenwege gelegt, das Land auch vom Strome ab in seinen Hauptplätzen mit einander zu verbinden, und ein rastlos thätiges Leben herrschte wohin das Auge traf, aber von Romantik war auch keine Spur dabei zu finden. Alles ging seinen festen praktischen Gang, Hals über Kopf zwar, aber in gleichen Bahnen fort, als ob das ganze Amerika schon ein einziger Schienenweg geworden, und selbst die Gespräche der verschiedenen Leute mit denen er verkehrte, drehten sich um Nichts anderes als Handel und Geschäfte, Preise der verschiedenen Produkte, Eisenbahnaktien, und wo wirklich einmal irgend etwas Außerordentliches, Außergewöhnliches geschehen war, so wurde der »ferne Westen« als der Ort genannt.

Der Westen genirte ihn überhaupt; nach der Landkarte hatte er sich schon Cincinnati als einen ungemein westlich gelegenen Punkt gedacht, einen Binnenort Amerikas, der gewissermaßen schon den Charakter der Backwoods vertreten müsse; hier angelangt fand er aber zu seinem Erstaunen, daß von backwoods, wie die Wälder des Westens genannt werden, auch nicht die Spur mehr zu finden sei, und selbst da wo noch Wald existirte, kleine Farmen überall hindurchgestreut lagen, und Wege ihn überall durchkreuzten.

Weiter westlich beschloß er also zu ziehen; der Osten interessirte ihn nicht weiter, denn um große Cultur aufzusuchen war er nicht nach Amerika gekommen; ihm lag daran, die noch wenig civilisirten Stellen kennen zu lernen, er wollte das Amerika aufsuchen das er sich gedacht, und das fand er in und um Cincinnati und überhaupt in einem Staat nicht, wo die Cultur schon solche Fortschritte gemacht, daß es wirklich nur noch der schon fast beendeten Eisenbahnen bedurfte, sie vollkommen zu nennen.

Hierbei so wenig als möglich Zeit zu versäumen, beschloß er nach Lobensteins Farm zurückzukehren, dort seinen Koffer zu lassen den er sich, in New-Orleans wieder angekommen, jede Woche konnte nachschicken lassen, und nur seinen Reisesack mit auf die nächste Wanderung zu nehmen, wodurch er in den Stand gesetzt wurde im Wald zu Wagen oder auch zu Pferd, ja wenn es möglich war in einem Canoe seine Reise, unbehindert durch Gepäck, fortzusetzen.

Einmal einen Entschluß gefaßt, und der kleine energische Mann ließ mit der Ausführung auch nicht lange auf sich warten; Dampfboote, den Strom hinunter, gingen jetzt an jedem Tage fünf oder sechs ab, und eins derselben benutzend, landete ihn dieses bald wieder am Fuß des Grahamstown Werftes, das noch eben so still und öde in der Sonne lag, als an dem Tag wo sie es zuerst betreten.

Ezra Ludkins war aber nicht zu Hause, sondern wie man ihm eben sagte, nach St. Louis in Geschäften gegangen, er hielt sich auch deshalb gar nicht in der Stadt auf, sondern miethete nur ein Pferd, das ihn selber trug, wie einen Mann, der ihm sein Gepäck nach »Lobensteins« – oder wie sie den Platz hier schon nannten, der »deutschen Farm« hinausschaffen sollte, und galopirte bald darauf die ihm wohlbekannte Straße entlang, sein Ziel noch vor Sonnenuntergang zu erreichen.

Er fand Lobenstein's auf ihrem neuen Besitzthum, und wurde von ihnen mit einer Herzlichkeit begrüßt, als ob er selber mit zur Familie gehörte. Sie hatten sich hier schon so gut eingerichtet, wie das eben in der kurzen Zeit möglich gewesen; aber das Innere des Hauses, mit seinen kahlen, rohbehauenen Balken, der unbedeckte Erdboden, nur theilweise mit Stücken alten Teppichs belegt, die zum Umpacken gedient hatten, die noch zur Hälfte ungeöffneten Kisten, die in dem anderen Gebäude nicht hatten sämmtlich untergebracht werden können, und hier zum Theil mit zu Bettstellen benutzt wurden, sahen keineswegs wohnlich und behaglich aus. Dazu paßte der schöne Mahagony-Flügel ebenfalls nicht, der mit den Messing-Rollen in die Erde hineingegraben in der einen Ecke stand, und den knappen Raum der Wohnung nur noch mehr beengte; aber man hatte ihn nirgends anders trocken unterbringen können, und seine obere Decke mußte jetzt, wo an Spielen doch nicht gedacht werden konnte, zum Sammelplatz aller leichteren, Raum wegnehmenden Dinge, wie Hutschachteln etc. dienen, von denen ein ganzer Berg auf ihn gehäuft war.

 

Mit den Arbeiten ging es dagegen, wie ihn der Professor versicherte, rüstig vorwärts; er hatte außer der Weberfamilie noch acht eben von »drüben herüber« gekommene Deutsche gemiethet, ihm die nöthige Einrichtung, den nächsten Hausbau wie das Bestellen der Felder beenden zu helfen – die Leute campirten jetzt alle zusammen mit in der Hütte des Webers, dessen Frau für sie kochte – und nur das eine vermißte er bis jetzt noch, daß er kein deutsches Dienstmädchen bekommen konnte, ihnen in den Hausarbeiten, die meistentheils auf den Töchtern lasteten, beizustehn. Mit den Amerikanerinnen war Nichts anzufangen, sie machten enorme Forderungen und wollten Nichts arbeiten, und der Professor äußerte sich, daß er gesonnen sei in nächster Woche selber nach Cincinnati zu fahren, um sich von dort ein paar Dienstboten zu holen. Wenn er das vorhergewußt, hätte ihnen Herr von Hopfgarten gleich eine oder zwei von dort mitbringen können.

»Aber des Webers Frau?« —

»Lieber Gott, die hatte jetzt alle Hände voll mit Kochen und Waschen zu thun.«

»Und wo war Eduard?« Hopfgarten hatte ihn noch nicht gesehn.

»Eduard – oh, der fühlte sich ganz glücklich in diesem neuen Leben und hatte, das Land und die Umgegend ein wenig kennen zu lernen, die Doppelflinte und Botanisirtrommel auf den Rücken genommen, und war schon seit zwei Tagen 'im Innern', mußte aber jetzt jeden Augenblick zurückkommen.«

Dem Professor gefiel es ungemein hier, wo er ein ganz neues frisches Feld für seine Thätigkeit gewonnen, und in Stand gesetzt war, das, was er bis dahin in Deutschland nur theoretisch betrieben, endlich einmal im praktischen Leben ausführen zu können. Er versprach sich dabei Außerordentliches von den hier neueinzuführenden Systemen, mit denen er den Amerikanern, die nur so oberflächlich in's Blaue hineinarbeiteten, einmal beweisen wollte wie man eine solche Farm, nach allen Zweigen und Richtungen hin, ausbeuten und verwerthen könne. Er hatte großartige Pläne in dieser Mannigfaltigkeit, über die er sich aber jetzt noch nicht näher auslassen und Herrn von Hopfgarten damit überraschen wollte, wenn derselbe sie im nächsten Sommer, wie er das fest versprochen, wieder besuchen würde. Bis dahin mußte schon viel in Angriff genommen und geschehn sein.

Die Frau Professorin war leidend; sie hatte sich in dem ungewohnt luftigen Aufenthalt sehr erkältet. Dazu war der Ärger mit einem kürzlich in's Haus genommenen und gleich wieder fortgeschickten Amerikanischen Mädchen gekommen, dessen Eltern sich jetzt gekränkt glaubten, und dem Vater schon einige unangenehme Auftritte gemacht hatten; sie hütete deshalb das Bett, um sich in dem jetzt eintretenden kälteren Wetter keinem Rückfall auszusetzen.

Hopfgarten beabsichtigte, als er Cincinnati verließ, ein paar Tage bei Lobensteins zuzubringen, ehe er seine Reise fortsetze; er hatte die Familie lieb gewonnen, und nahm wirklich Theil an ihrem Wohlergehn. Wie er aber jetzt hier die Zustände fand, mit kaum Platz für sich selber die Nacht zu schlafen, hielt er es doch für besser schon am andern Tag wieder aufzubrechen, und seinen Besuch lieber das nächste Mal, wenn sie vollständig eingerichtet sein würden, länger auszudehnen.

Zu gleicher Zeit konnte er sich aber auch eines unbehaglichen Gefühles, dem er trotzdem keinen rechten Ausdruck zu geben wußte, nicht erwehren; die ganze Art, wie der Professor seine Ansiedlung in Angriff nahm, schien ihm nicht die rechte; die vielen deutschen Arbeiter, die so wenig von der hiesigen Art zu bauen und Feld zu bestellen wußten, und nebenbei ein schmähliges Geld kosten mußten; die vielen Pläne, die der gewiß sehr gelehrte, aber vielleicht gar nicht so praktische Mann auf einmal hatte; das Spatzierengehn des Sohnes selbst, eine Kleinigkeit an und für sich, aber doch von Bedeutung hier, wo es im Hause eben noch Alles zu thun gab – er sträubte sich gegen das Gefühl so viel er konnte, aber es war ihm immer als ob da nicht Alles so in Ordnung sei, wie z.B. bei dem deutschen Bauer Rohrberger, den er bei Cincinnati getroffen, und konnte nur jetzt hoffen daß er sich irre, und Professor Lobenstein die Sache viel besser verstehe als er es ihm, wenn er recht aufrichtig sein wollte, zutraute.

Nur Marie war heiter wie immer, lachte über die Masse von kleinen Unbequemlichkeiten die sie auszustehen hatten, und freute sich wie ein Kind auf die nächste Zeit, wo ihre Hühnerzucht heranwachsen und ihr Garten erst in Ordnung sein würde. Bis dahin hatte sie freilich noch ein wenig zu thun; aber der nächste Sommer mußte das, nach Vaters Versicherung, auch Alles beendet sehn. Wenn nur erst einmal das Haus stand, denn das war für jetzt die Hauptsache, und in der That auch der Punkt, um den sich jede weitere Hoffnung für Bequemlichkeit und Wohnlichkeit drehen mußte.

Marie hatte übrigens, trotz all dem Wirwarrr in dem sie Hopfgarten antraf, doch Zeit gefunden den versprochenen Brief an Clara Henkel zu schreiben. Eine nähere Adresse wußte sie freilich nicht darauf anzugeben, als das St. Charles Hotel, das Henkel selber dem Professor als sein nächstes Domicil, bis er eine eigene Wohnung würde in Stand gesetzt haben, bezeichnet hatte; das genügte aber auch, und war er von da wirklich schon ausgezogen, so konnte er weiter erfragt werden. Überhaupt mußte ja auch die Firma selber leicht aufgefunden werden können.

Übrigens wünschte Hopfgarten die Reise nach St. Louis nicht gern, wie er gekommen, zu Wasser fortzusetzen; es lag darin etwas gar zu monotones, und er bekam auch auf die Weise das Land wirklich gar nicht zu sehen; aber wie das anders anfangen? Reiten sagte seiner Constitution nicht besonders zu; er hatte sich an dem einen Tag bei Cincinnati schon einen solchen Denkzettel im Sattel geholt, daß er drei Tage danach nicht ordentlich gehen konnte, und war deshalb auch nicht im Stande eine längere Tour auszuhalten – zu Fuß wäre noch viel weniger möglich gewesen und Eisenbahnen existirten noch nicht; was nun anfangen? – Der Professor erzählte ihm da, daß er unter anderen Annehmlichkeiten seines Platzes auch die hätte rühmen hören, in kaum fünf Meilen von der Farm eine nach St. Louis vorbeigehende Postverbindung zu haben, die eben all die kleinen, im Inneren liegenden Orte berührte, und eigentlich nach Vincennes am Wabasch bestimmt schien, von wo aus sie dann weiter durch Illinois, gerade West nach St. Louis lief, und auch wohl, wenn er nicht sehr irre, schon theilweise mit einer Eisenbahn in Verbindung stand.

Hier war eine Aushülfe, auf einer Amerikanischen Post zu fahren überdieß schon etwas Neues und Interessantes, und ging dieselbe vielleicht gar mehrmals die Woche, konnte man auch leicht an einem, des Bleibens werthen Platz ein paar Tage anhalten, von da kleine Ausflüge in die Nachbarschaft machen, und mit der nächsten Post weiter fahren. Die nächste Poststation war also Hollowfield, etwa fünf Meilen von Lobensteins Farm gelegen; die Postkutsche selber lief, als Speculation eines Privatunternehmers, von irgend einer kleinen Stadt am Ohio nach Vincennes hinauf, wo sie mit der Vereinigten Staaten Post, die von Cincinnati nach St. Louis ging, zusammentraf und wieder zurück fuhr, während die letztere die mitgekommenen Passagiere weiter zu befördern hatte. Sein Koffer konnte indeß, wie er sich das auch gedacht, hier stehen bleiben bis er selber wieder in New-Orleans angekommen war, die nothwendigsten Sachen hatte er auch schon in einen Reisesack gepackt, und der Professor, der ihn unter den jetzigen Umständen gar nicht nöthigen konnte länger bei ihm zu bleiben, versprach ihm am nächsten Morgen zwei Pferde mit einem Mann zu besorgen, der ihn, nebst seinem Reisesack sicher nach Hollowfield geleiten konnte.

Als Hopfgarten am nächsten Morgen nach eingenommenem Kaffee die Farm verließ, sah er die Deutschen draußen beschäftigt theils im Wald abgesägte Stämme mit Ochsen herbeizuschaffen, theils schon hergebrachte zu behauen. Er blieb, bis die Pferde gebracht wurden, bei ihnen stehn und schaute ihnen zu, aber Alles was sie anfaßten ging ihnen nur langsam von Händen; sie arbeiteten, wie es schien, sehr akkurat, aber mit keiner Idee von dem Werth der Zeit hier in Amerika. Es waren Tagelöhner, die nur eben auf anständige Weise ihren Tag von Mahlzeit zu Mahlzeit durchzuschleppen hatten, und jede Anstrengung, die sie dabei ihrem Körper ersparen konnten, galt natürlich für reinen Gewinnst; daß der Professor ihnen dabei ihren vollen Lohn bezahlte, verstand sich von selbst.

Der Weber, als auf dem Schiff gelernter Zimmermann, hatte die Leitung des Ganzen überkommen und that allerdings sein Möglichstes; der Professor hielt mit Recht große Stücken auf ihn. Dem Weber waren aber auch im Anfang die vielen verschiedenen Arbeiter nicht recht gewesen, die Einem ja, seiner Äußerung nach, »die Haare vom Kopf fräßen« – wann hätte aber da das Haus fertig werden sollen? —

Als Hopfgarten endlich im Sattel saß, und sein Führer den Eingang zur Fenz niedergelegt hatte, daß die Reiter hinauskonnten, standen Lobensteins in der Thür ihres Hauses, und winkten ihm noch ein letztes Lebewohl nach. Marie war schon an der Arbeit gewesen und stand hochaufgeschürzt, mit aufgestreiften Ärmeln, neben dem kleinen Viehhof in dem ihre Melkkühe eingesperrt waren.

»Und grüßen Sie mir Clara viel tausendmal!« rief sie ihm nach.

»Und sie soll recht, recht bald schreiben,« bat Anna noch.

»Ich werde Alles bestellen,« winkte Hopfgarten zurück, schwenkte noch einmal den Hut gegen sie, und galopirte dann, seinem Thiere die Sporen eindrückend, rasch den schmalen Weg entlang, der gen Hollowfield führte.

Der Brief Mariens, den er in seiner Brieftasche für Clara mit sich trug, lautete:

»Meine liebe gute Clara!«

»Wenn Dich diese Zeilen erreichen, hast Du Dich hoffentlich ganz wieder erholt, und bist wieder das frohe, heitere Wesen, das Du warst, als wir zusammen das Schiff betraten.«

»Uns geht es hier recht gut; Vater hat eine Farm in Indiana, nur einige englische Meilen von dem schönen Fluß Ohio gekauft, und wenn wir uns auch jetzt noch ein wenig behelfen müssen, wird es später desto freundlicher werden.«

»Früher hatten den Platz Amerikaner inne, aber Du glaubst gar nicht, Clara, wie ihn die zugerichtet hatten; mit Körben und Schaufeln haben wir den, überall in die Ecken gekehrten Schmutz zum Hause hinaus und auf das Feld getragen, und unter dem Dach auf den Queerbalken, wo einzelne Breter lagen, fanden wir den Staub fingerdick und schon ganz hart geworden. Vater läßt aber jetzt ein anderes bauen; von den Arbeitern, die wir angenommen haben ist Einer Maurer, und will uns das Ganze ordentlich herstellen.«

»Wir besitzen jetzt schon zwei Pferde, vier Zugochsen, acht Kühe, drei Kälber, elf Hühner und vier Truthühner; Anna, die das Milchwesen überkommen, hat schon einmal gebuttert, und in vierzehn Tagen denken wir unsere erste Butter nach der Stadt – freilich ein kleines erbärmliches Nest – zu verkaufen. Wir haben zwar noch eine andere Stadt, Hollowfield – die erste heißt Grahamstown und liegt am Ohio – irgendwo im Lande drin in der Nähe, die wird aber auch nicht besser sein als die erste, und der Weg dorthin soll sehr schlecht sein. Wir arbeiten jetzt aber sehr viel; um fünf Uhr wird aufgestanden, und da haben wir vollauf zu thun bis es dunkel wird; ja die Tage vergehn uns dabei nur immer noch zu schnell. Anna hat sich hier recht erholt und ist munterer als sie auf dem Schiff war, auch Camilla wird dick und fett, und muß ebenfalls schon mit zufassen, die Hühner füttern, in der Küche mit aufwaschen helfen, und allerlei kleine Arbeiten thun. Wir haben allerdings die Webersfamilie, die zufällig auf demselben Dampfboot mit uns stromauf ging, in Dienst genommen, und auf ein Jahr engagirt, und eigentlich sollte uns die Frau die Küche besorgen; die hat aber jetzt so viel mit den Arbeitern zu thun, und mit Scheuern und Waschen, daß sie noch nicht dazu kommt. Wenn wir nur erst einmal weniger Arbeiter brauchen wird das schon besser werden.«

»Eduard fühlt sich ganz glücklich hier; er ist jetzt auf einen Entdeckungszug, wie er es nennt, in das Innere; wenn er aber zurückkommt muß er auch tüchtig mit zufassen; denn faule Leute können wir hier nicht brauchen – hier muß Alles arbeiten.«

»Die Lage unserer Farm ist reizend; in einem kleinen Thalkessel, von nicht sehr hohen aber dicht bewaldeten Hügeln umgeben, liegen wir wie mitten in der Wildniß, und sind doch ganz dicht an civilisirten Gegenden. Ein kleiner Bergbach mit klarem Wasser läuft kaum zwanzig Schritt am Haus vorbei. In dem allerdings sehr verwilderten Garten stehen dabei eine Menge junger Pfirsich- und Quitten- und Apfelbäume, die einmal später gute Früchte tragen werden, im Walde wachsen eine Unmasse wilder Brombeeren, und überhaupt viele andere Fruchtbäume mit wildem Wein, die ich Dir in meinem nächsten Briefe näher beschreiben werde, denn jetzt hab' ich sie selber noch nicht aufsuchen können.«

 

»Mit unserem Englisch geht es noch sehr schwach, und die Nachbarn, der Eine in Grahamstown ausgenommen der uns den Platz verkaufte und ein Pennsylvanier ist, sprechen gar nichts Anders wie Englisch, und wir radebrechen dabei schön mit ihnen herum; da wir aber lauter deutsche Arbeiter haben, können wir das Englisch jetzt noch eine Weile entbehren.«

»Mutter ist leider die letzten Tage unwohl gewesen und hat das Bett hüten müssen; das ganz neue fremde Leben hat sie auch wohl mehr angegriffen als uns, die wir noch jung sind und uns gerade keine Sorgen machen. Im Anfang hat sie sogar immer verweinte Augen gehabt – wenn sie es auch vor uns verbergen wollte, wir haben es doch gemerkt. Jetzt aber, da sie sieht daß es vorwärts geht, findet sie sich schon besser hinein, und im nächsten Jahre wird hoffentlich Alles gut sein.«

»Vater ist jetzt ganz glücklich; er ist von früh auf bei der Hand, und zeichnet und mißt aus und ordnet an, und wenn er sich auch manchmal mit den Leuten zankt, die Vieles nicht so machen wollen wie er es für gut befindet, so bekommt ihm die kleine Aufregung doch ganz gut, denn er wird dick und fett dabei, und sieht wohl und munter aus.«

»Aber jetzt genug von uns; mich und uns Alle drückt die Sorge wie es Dir in Deinem neuen Leben geht, mein Herz, und ob Du Dich von Deiner Krankheit vollständig erholt. Herr von Hopfgarten, der Dir viel von uns erzählen wird, hat uns freilich versprochen Dich selber aufzusuchen, und uns genauen Bericht abzustatten, aber wir möchten auch von Dir selber es schriftlich sehn daß es Dir gut geht, bis Dein lieber Mann sein Wort hält, und Dich zu uns bringt. Wir freuen uns unendlich darauf, und bis dahin sind wir auch schon besser eingerichtet als jetzt. Unsere Adresse schreibe ich Dir hier unten ganz genau. Wie geht es denn Hedwig, ist sie froh und gesund?« —

»Doch ich muß jetzt schließen, draußen kommen die Leute mit der einen Kuh, die uns fortgelaufen war, und nach der sie schon den ganzen Tag gesucht haben, in der Küche ist auch so viel zu thun, daß ich nicht länger hier sitzen darf; ich wollte Dich nur wenigstens wissen lassen wie es uns geht. So lebe recht wohl, grüße Deinen lieben Mann und Hedwig recht freundlich von uns Allen, wie mir auch Alle für Dich viel tausend Grüße aufgetragen haben, und gedenke manchmal freundlich

Deiner Marie.«