Tasuta

Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Das Nähere darüber mit dem Consul Pritchard zu besprechen, suchte er diesen auf, und fand ihn schon vollständig angezogen, mit auf dem Rücken gekreuzten Armen mit großen Schritten in seinem Zimmer auf- und abgehend; eine Einleitung wurde ihm übrigens schon durch dessen Anrede erspart.

»Sie kommen mir zu erzählen, daß die Franzosen freundlich unserer an den Straßenecken gedacht haben?« sagte er, mit einem eigenthümlichen Lächeln um die feingeschnittenen Lippen vor ihm stehen bleibend.

»Allerdings Bruder Pritchard« erwiederte Mr. Rowe mit in die Höhe gezogenen Augenbrauen und gefalteten Händen, »die Sache wird bedenklich, und diesen tollen Papisten gegenüber, die nun einmal keine andere Autorität auf und über der Erde anerkennen, als ihre Waffen, wäre es allerdings an der Zeit auf einen anständigen Rückzug zu denken. Ich fürchte besonders daß gerade Sie dabei gefährdet sind.«

»Bah, bah« sagte der frühere Geistliche, den die Missionaire noch gerne »Bruder« nannten, verächtlich – »was können, was dürfen sie mir thun? – ich habe keinen offenen Aufruhr gepredigt, ich habe nur das gesagt was ich, nicht allein als Consul ihrer Britannischen Majestät, nein auch als Mensch verantworten konnte, und sie mögen sich ärgern darüber, aber sie dürfen nicht wirklich etwas anderes gegen mich unternehmen, als vielleicht – was wahrscheinlich geschehen wird – von meiner Regierung verlangen daß sie mich abberuft; statt dem Befehle kommt dann vielleicht eine Flotte.«

Mr. Rowe schüttelte bedenklich mit dem Kopf.

»Ich habe mich selber« sagte er, »früher solchen phantastischen Träumen hingegeben, und auch mein Möglichstes, selbst bis noch auf die neueste Zeit gethan, diesen Glauben bei den Insulanern aufrecht zu erhalten, muß aber doch gestehn daß ich jetzt anfange mißtrauisch gegen meine eigenen Prophezeihungen zu werden, die unsere Regierung keineswegs, nicht einmal mehr durch eine einfache Demonstration zu unterstützen scheint. Seit der würdige Capitain des Talbot diese Ufer verlassen hat thun diese nichtswürdigen Feranis vollkommen ungehindert was ihnen eben gut dünkt, und einzelne Kriegsschiffe unserer Nation, von denen wir immer gesprochen, kommen, sehen sich die Sache an, hören auch, geduldig oder ungeduldig was wir ihnen zu klagen haben und – segeln einfach wieder aus der Bai, ohne selbst einmal Joranna zu sagen. Ich kann wohl gestehn daß die Bibel von Alt-England hier zum ersten Mal auf eine höchst befremdende Weise im Stich gelassen wird, während es uns selber in die größte Verlegenheit bringt, einestheils die zu unserer eigenen Erhaltung nöthigen Schritte zu thun, und andrerseits auch wieder unserem Grundsatz treu zu bleiben, und uns nicht in die politischen Verhältnisse des Staates in dem wir freundlich aufgenommen wurden, zu mischen.«

»Da kommen wir auf den faulen Fleck« sagte der Consul finster, seine Hände ineinander reibend und seinen Spaziergang im Zimmer wieder beginnend, in dem er nur manchmal bei der Bestärkung irgend eines Satzes, vor dem Missionair stehen blieb und ihn auch wohl leise bei einem Knopf faßte – »es ist das alte Sprichwort: »wasch mich und mach' mich nicht naß; – wir haben stets etwas darin gesucht mit etwas zu prahlen, das an und für sich ein Unding ist, und Sie werden mir bezeugen können wie ich selber mich von je dagegen aufgelehnt. Als Missionair bei einem vollkommen uncivilisirten Volke muß ich mich auch mit den politischen Verhältnissen desselben beschäftigen, ich muß sie ordnen und sichten, ich muß die bestehenden Gesetze, so weit sie mit dem Christenthum vereinbar sind, diesem anpassen; ich muß die Strafen in dem Verhältniß bestimmen, wie es uns von der Heiligen Schrift angegeben wurde, und das ist die Stelle wo die Religion in die Politik eines Landes, in dem ich eine Gleichstellung vor dem Gesetz fordere, hineingreift und hineingreifen muß, wenn unsere ganze Arbeit nicht eben eine vergebene soll gewesen sein. Dabei ist es hier nicht wie in einem civilisirten Staat, wo die Gesetze nur brauchen gegeben zu werden um in Kraft zu treten durch die bestimmten Executoren derselben, wir müssen sie hier auch in Kraft halten, und das können wir nur wenn der Einfluß nicht nachläßt, den wir, durch unsere Stellung gerade als Lehrer und Gesetzgeber, auf die Häuptlinge ausüben. Wir sind nun einmal ihnen an Geist überlegene Geschöpfe, denen die Regierung zusteht, ob wir hier auf diesem Boden geboren sind und ihre Farbe haben oder nicht.«

»Damit kommen wir aber nicht durch« sagte Mr. Rowe kopfschüttelnd – »sobald wir das offen bekennen schreien sie Zeter über uns, und nennen es einen Mißbrauch den wir mit der Heiligen Schrift, irdischen Ehrgeizes und Gewinns wegen trieben. Selbst andere Nationen würden sich dann in das Missionswesen mischen, und gleich von vornherein protestiren oder gar störend dazwischen treten, wo fromme Männer das Kreuz hintrugen und das Gesetzbuch aufschlugen.«

»Fremde Nationen mischen sich doch hinein« sagte der Consul, »wie wir den Beweis hier haben, und wer weiß ob Frankreich je so entschieden gegen diese Indianische Königin auftreten dürfte, hätten wir die Sache gleich von vornherein in die Hand genommen als Gesetzgeber und Richter. Von uns konnten sie wenigstens einen Schadenersatz für die papistischen Priester nie erpressen, und das Land wäre dann nicht verantwortlich dafür gewesen. Doch sei dem wie ihm sei,« fuhr er rascher fort, »das ist vorbei, und jetzt bleibt uns Nichts weiter zu thun übrig, als die Sache auch ernst und männlich durchzuführen.«

»Wie aber, wo wir nicht die Gewalt in Händen haben?« frug Mr. Rowe, »der Cormorant liegt wieder da draußen, als ob er blos hergeschickt wäre eine Ladung Perlmutterschaalen und Cocosnußöl abzuholen, keineswegs aber, als ob hier die Interessen Englischer Bürger und die Rechte der Heiligen Schrift unter die Füße getreten würden, und uns selber sind die Hände total gebunden.«

»Ich hoffe viel von der möglichen Einigkeit der Häuptlinge« sagte der Consul, »wenn zu keinem anderen Zweck, imponirt es den Franzosen und wir gewinnen Zeit. Graf Aberdeen hat mir für einen solchen Gewaltschritt des Feindes feste Hülfe zugesagt und versprochen – er wird uns, kann uns nicht im Stich lassen.«

»Und willigt der Capitain des Cormorant ein, die Versammlung der Häuptlinge an seinem Bord zu halten?«

»Ich habe schon die halbe Zusage, und will eben hinüberfahren die Zeit genau zu besprechen.«

»Nehmen Sie sich in Acht, Bruder Pritchard« sagte aber der Missionair ernst, »daß Ihnen der Franzose nicht doch noch, trotz aller Autorität, einen Stein in den Weg legt; das Anheften der Plakate hat auf mich einen höchst ungünstigen, niederstimmenden Eindruck gemacht; ich kann mich irren, aber es kam mir vor wie eine Vorausentschuldigung gegen einen Akt der Gewalt; die Leute sind wirklich zu Allem fähig.«

»Aber klug genug zu wissen wie weit sie gehn dürfen, England gegenüber.«

»Wie weit?« sagte Bruder Rowe achselzuckend, »das ist eine sehr unbestimmte Größe, auf die ich mich, für meine eigene Person, gerade nicht verlassen möchte; aber Sie sind gewarnt, und werden am Besten wissen was Sie zu thun haben. Apropos, haben Sie Nichts von Bruder Ezra gehört und was über ihn beschlossen ist? Ich habe mir die größte Mühe gegeben, zu ihm zu gelangen, bin aber immer hartnäckig abgewiesen.«

»Mir ist auf meine förmliche Protestation gar keine Antwort gegeben« erwiederte der Consul, »es scheint übrigens daß Bruder Ezra klug genug gewesen ist, trotz seiner Bibel in der Tasche hartnäckig zu leugnen, und wenn ich recht unterrichtet bin, hält man ihn jetzt nur noch zurück, um ihn mit dem nächsten nach Atiu segelnden Kriegsschiff dort hinüber aus dem Weg zu schicken.«

»Sie möchten uns Alle lieber gern auf ein Kriegsschiff packen und nach irgend einer entlegenen Insel schicken« sagte Bruder Rowe; »die Katholischen Priester würden dann wenigstens für ihre unausgesetzten Bemühungen doch auch auf eigenen Erfolg rechnen können.«

»Wir werden sehr umsichtig jetzt zu wachen haben, daß der in, von Bayonnetten aufgewühlten Boden gestreute Unglaube, nicht um sich greift und bleibende Wurzel schlägt,« sagte der Consul.

»Wir sind allerdings da in nicht unbedeutender Gefahr« erwiederte Mr. Rowe seufzend, »und eine Familie hier besonders ist es, die mir große Sorge macht, und gerade in diesem Augenblick meine ganze Thätigkeit in Anspruch nimmt; – aber Sie wollen ausgehn, wie ich sehe?«

Mr. Pritchard hatte seinen Hut aufgegriffen und seine Handschuh genommen und sagte:

»Ja, nur an Bord des Cormorant, dort das Nähere zu besprechen.«

»Haben Sie schon ein Boot?«

»Es liegt an der Landung und wartet auf mich; wollen Sie mich begleiten?«

»Ich danke herzlich« erwiederte der Missionair, »aber mich rufen gerade in diesem Augenblick heilige Pflichten, die ich nicht versäumen darf – ich habe einen höchst interessanten Fall mit einem alten bis jetzt verstockten Häuptling, dessen Herz erst seit wenig Tagen von dem Licht unserer Kirche erleuchtet ist, und der jetzt zu seinem Entsetzen, aber hoffentlich noch nicht zu spät, den Abgrund erkannt, der vor seinen Füßen gähnt, und auf den ich ihn aufmerksam gemacht habe. Wie das aber wohl oft in solchen Fällen geschieht, gehen diese Unglücklichen da leicht von einem Extrem zum andern über, und ich habe jetzt die größte Mühe ihn an einem Verbrechen zu verhindern, das er begehen will seine unsterbliche Seele zu retten; er behauptet nämlich sein Kopf sei so lange verstockt gewesen, seine Ohren zu hören, seine Augen zu sehen, seine Zunge zu sprechen, daß er ihn sich abschneiden müsse, auf Gottes Altar die Sünde damit zu sühnen, denn wie er endlich die Strenge und Furchtbarkeit Gottes begriffen hat, zweifelt er an dessen Liebe und Allbarmherzigkeit.«

»Möge ihn der Herr erleuchten« erwiederte Mr. Pritchard mit einem frommen Blick nach oben, und wandte sich dabei das Haus zu verlassen – »so thun Sie Ihre Pflicht, lieber Rowe, ich gehe indessen an ein weniger erfreuliches Werk!« und dem von ihm Abschied nehmenden Geistlichen, der ihn unten an seiner Verandah verließ, freundlich mit der Hand winkend, schritt er durch den Garten oder vielmehr Hofraum, der von einer Reihe niederer stumpfer Pallisaden umgeben wurde, nach der kleinen Ausgangsthür zu, öffnete diese und schritt dann quer über den, vielleicht achtzig oder hundert Fuß breiten Strand hinüber, einem kleinen in See hinausgebauten Werft zu, dort das für ihn liegende Boot zu besteigen, und an Bord hinüberzufahren, als er rasche Schritte hinter sich hörte. – Er wandte den Kopf danach um und sah zu seinem Erstaunen einen Französischen Beamten, der, von einigen Soldaten gefolgt, rasch auf ihn zusprang.

 

»Halt!« rief ihm der Erstere, noch eine Strecke von ihm entfernt, schon entgegen – »halt Monsieur!«

»Was wollen Sie?« sagte der Consul, zwar erstaunt aber doch ruhig stehen bleibend und den Franzosen mit zusammengezogenen Brauen erwartend – »was wünschen Sie von mir?«

»Sie sind mein Gefangener, im Namen des Königs!« rief der Polizeibeamte und deutete auf die ihm folgenden Soldaten.

»Ich verstehe Sie nicht« sagte der Consul gleichgültig, und wollte sich abdrehen; der Franzose aber ergriff seinen Arm und den Soldaten winkend, die den Gefangenen an beiden Seiten umgaben, zog er den entrüsteten Mann, der gegen solche Willkür einem Englischen Consul gegenüber, protestiren wollte, rücksichtslos und ohne Weiteres fort mit sich, in das Wach- und Polizeilokal, von wo der Consul, ohne weitere Rücksicht auf sein Amt oder seine Stellung zu nehmen, bald darauf nach einem, schon allem Anschein nach für ihn bereit gehaltenen Gefängniß abgeführt wurde.

Und Papetee blieb ruhig. Die Bedeutung, die der Consul einer Europäischen Macht im Ausland haben sollte, ja gewissermaßen auch seine Unverletzlichkeit, verstanden die Insulaner nicht; der Gefangene war ihnen auch immer mehr als Missionair wie als Consul wichtig und lieb gewesen, denn Nutzen hatte er ihnen in letzterer Eigenschaft doch nicht gebracht, noch sie gegen die Uebergriffe und Forderungen der Franzosen schützen können. Daß aber die Feranis es wagten einen Mitonare einzustecken, überstieg ihre Begriffe, und jetzt zum ersten Mal fürchteten die Häuptlinge für ihre eigene Sicherheit.

Die Missionaire selber erwarteten, nachdem selbst die Consulnwürde von den Eroberern nicht geachtet wurde, das Aeußerste, und wandten sich nun in ihrer Rathlosigkeit an die arme, selbst unmächtige Königin, wandten sich an das Volk, sie zu schützen und nicht zu gestatten daß die Feranis mit ihnen machten was sie wollten.

Aber die Geduld des Volkes war noch lange nicht erschöpft, oder wenigstens seine Gleichgültigkeit, wie sein Widerwillen gegen irgend eine außergewöhnliche Anstrengung noch nicht besiegt, und zu der gehörte jedenfalls ein Krieg, zu dem sie noch immer keine richtige Veranlassung sahen. Man hatte einen Französischen Soldaten ermordet, und darüber waren die Feranis böse, schickten eine Menge Soldaten an Land, die aber für Alles bezahlten was sie verzehrten, und sperrten einen rothen Mitonare, der in Verdacht stand an dem Mord betheiligt zu sein, wie einen weißen, der besonders auf sie geschimpft hatte, ein. Das war vielleicht unrecht in ihren Augen, aber immer noch keine Ursache einen ordentlichen Krieg anzufangen; ja die Insulaner beschlossen jetzt ernstlicher als je mit der ganzen Sache nichts weiter zu thun zu haben, und wenn auch einzelne feurige Köpfe, wie besonders Fanue und ähnliche, einen Angriff auf die »Feinde ihres Vaterlandes« offen predigten, so verhielten sich doch die einflußreicheren, wie Tati und Utami, noch immer ruhig, ja Paofai und Hitoti verkehrten sogar öffentlich und auf höchst freundschaftliche Art mit den Feranis, und beschlossen deshalb auch einen günstigern Zeitpunkt, das heißt eine wirkliche Ursache abzuwarten, die Feindseligkeiten zu beginnen, und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben – bis dahin aber sich vollkommen ruhig zu verhalten und ebensowenig die Waffen zu ergreifen, als den Eindringlingen auch noch Proviant zu liefern, ihnen das Leben hier auf der Insel so angenehm als möglich zu machen.

Lieutenant Hunt, der Befehlshaber des kleinen Kriegsschiffes Basilisk sowohl, wie der Capitain des Cormorant hatten allerdings augenblicklich gegen die an dem Englischen Consul verübte Gewaltsmaßregel protestirt, konnten aber weder seine Befreiung erwirken noch etwas an seiner Lage bessern, und Monsieur d'Aubigny erließ ein Plakat, worin Mr. Pritchard, wenigstens indirekt, der Mord der Schildwache zugesprochen, und er ebenfalls als die Ursache des trotzigen Betragens der Eingeborenen, die er täglich und täglich wieder aufgereizt habe, angesehen wurde. Seine Gefangennahme sei aus dem Grunde geschehn und er selber solle für alle weiteren Folgen verantwortlich gehalten werden.

Mit vieler Mühe gelang es endlich dem Capitain des Cormorant die Freiheit des Gefangenen, aber auch nur unter der Bedingung zu erwirken, daß er ihn an Bord seines eigenen Dampfers von Tahiti fortnahm, und sich dabei verbindlich machte ihn an keiner Insel dieser oder der Nachbargruppe wieder an Land zu setzen. Die Franzosen betrachteten diesen Mann als die einzige Ursache der nicht unbedingten und augenblicklichen Unterwerfung der Indianer, und glaubten und hofften durch seine Entfernung jedes weitere Hinderniß ihrer Festsetzung und unbestrittenen Oberherrschaft auf den Inseln, vollständig beseitigt zu haben.

Capitel 8.
Pomare's Flucht

René's kleiner Haushalt befand sich indeß in wilder ungemüthlicher Verfassung; Alles war gepackt gewesen, und nur gezwungen hatten sie im Anfang das Nothdürftigste wieder herausgenommen, immer noch hoffend daß sich die unangenehme Sache freundlich erledigen würde; aber Tag nach Tag verging ohne daß eine Entscheidung kam, und René seines Wortes, Tahiti nicht zu verlassen, entbunden worden wäre. Er war selber mehrmals bei Mons. Bruat, dem jetzt ernannten Gouverneur und wurde von ihm artig empfangen; dieser behauptete aber die Untersuchung unter keiner Bedingung aufgeben zu können, bis er zu einem Resultat gekommen sei, und René stände als Eigenthümer des Grundstücks wo die Waffen geschmuggelt wären, ja als zeitweiliger Eigenthümer sogar des Schooners, der Sache zu nah, sein Zeugniß, falls etwas auftauchen sollte was Licht darin geben könnte, zu entbehren. »Augenscheinlich« setzte er dann zwar höflich aber ziemlich bestimmt hinzu, »wisse er auch mehr über die Waffen, als er für gut finde, vielleicht durch seine enge Verwandtschaft mit den Eingebornen dazu veranlaßt, auszusagen, und wenn es seinem bekannten Charakter nach auch nicht wahrscheinlich wäre, daß er selber irgend etwas Feindseliges gegen seine eigenen Landsleute unternehmen, oder auch nur dulden würde, so lange er es eben verhindern könnte, sei die ganze Verhandlung noch keineswegs klar genug, so rasch und vollkommen wieder aufgegeben zu werden; das aber müsse in der That geschehn, wenn er ihn jetzt seines Wortes entbinden wolle.« Uebrigens bot auch Gouverneur Bruat, wie vor ihm der Kommandant d'Aubigny dem jungen Mann an in Französische Dienste zu treten, wodurch er ihm besonders zu beweisen hoffte, daß gegen seine Person nicht der mindeste Verdacht vorliege. Zu gleicher Zeit machte er ihn besonders darauf aufmerksam, welch wohlthätigen vermittelnden Einfluß er da oft werde im Stande sein auf einzelne Verhältnisse auszuüben: René erklärte aber bestimmt, hier in Tahiti nie einen Degen gegen die Eingebornen führen zu wollen, und das sei am Ende bei einem Ausbruch der Insulaner, sobald er wirklich eingetreten wäre, nicht zu vermeiden, lehnte deshalb auch das Anerbieten zwar dankbar, aber doch bestimmt ab.

Das Belard'sche Haus hatte er aber noch nicht wieder betreten – ja sogar auf das Aengstlichste vermieden nach Papetee zu kommen. Er fühlte welche Gefahr dort für ihn lag, die er jetzt nicht einmal mehr vor sich selber verbergen konnte; ja auch Susanna mußte durch seinen Abschied, und die Worte die er in der furchtbaren Erregung des Augenblicks gesprochen, gesehen haben welchen Eindruck sie auf ihn gemacht, und wie ihre Nähe den Frieden seines Hauses, seines Lebens zu stören, zu untergraben drohe, wenn er nicht mit fester männlicher Kraft dagegen ankämpfe, und die Leidenschaft niederhalte, die zwei Wesen zu verderben drohte. Monsieur Belard hatte ihn allerdings schon mehrmals auf der Straße getroffen, wo ihn Geschäfte in das Gouvernements-Gebäude riefen, er erklärte aber jeden Augenblick die Erlaubniß zu erwarten Tahiti zu verlassen, und wolle den Abschied von ihm so lieb gewordenen Freunden nicht zum zweiten Male durchleben, da er einmal überstanden. Mons. Belard lachte dazu, und meinte er spreche von einem solchen Abschied als ob er auf's Schaffot solle, und nicht nach einer nur wenige Meilen entfernten Insel überzusiedeln gedenke, hatte aber immer zu viel Geschäfte dabei im Kopf, lange auf dem Thema zu verweilen, und kam bald, von René rasch dabei unterstützt, auf irgend etwas Anderes, Gleichgültigeres zu reden.

Recht wilde trübe Zeiten waren das für ihn, und mehr und mehr drängte es ihn dann nach Hause zurück, wo Sadie, sein liebes treues Weib mit unermüdlicher Liebe schaffte und sorgte, ihm wenigstens daheim das Alles vergessen zu machen, was ihm die Menschen draußen weh gethan. Das, glaubte sie auch, drücke ihm das Herz, er wäre ja sonst nicht immer so traurig und verstimmt zu Haus gekommen und bleich und schwermüthig geworden, gar nicht in seiner Art, wo ihm ja doch das Liebste wohnte was er sein nannte auf dieser Welt. Aber sie scheuchte auch die Wolken von seiner Stirn und rief das Lächeln wieder auf seine Lippen, wie in alter Zeit; und wenn die Kleine dann auf seinem Schoos spielte und sie sich an ihn schmiegte, plauderte sie ihm von Atiu und den lieben Plätzen die sie dort wieder besuchen würden; von dem stillen Sitz an dem Palmenhang; von dem Ihiamoea oben im Dickicht, wo er die böse Nacht verbracht; von der kleinen Veste auf der Hügelspitze wo er sie zuerst gesehn und sie ihn fortgeführt hatte in das friedliche Missionshaus an der Bai – und von den seligen, seligen Stunden die sie da verlebt.

René lauschte, das glückliche Weib an seinem Herzen, wie in einem Traum, der all die lieben Bilder wieder heraufbeschwor vor sein inneres Auge; aber immer und immer wieder mußte er sich zwingen dazu, das Alles keinen Traum zu nennen, wo der Wiedergewinn ja fast im Bereiche seines Armes lag, und doch ein Schatten aufstieg zwischen dem Bild und seinem Herz. Und daß er das fühlte, daß er das erkannte machte ihn unglücklich. »Du sündigst« flüsterte es in seiner Brust mit rastlosem, nimmer endendem Klang, »Du sündigst« sprach jeder Liebesblick aus den Augen seiner Sadie, »Du sündigst« drängte ihm vorwurfsvoll das unschuldliebe Lächeln seines Kindes entgegen, »Du sündigst« donnerte die Brandung, die ihn einst in Schlaf gesungen, in Liebe und Glück.

Wie um vor sich selbst zu flüchten, hatte er den Vater Conet wieder aufgesucht, der in zarter Rücksicht bis dahin sein Haus lange Zeit nicht betreten, weil er fürchtete daß seine Stellung zu den Protestantischen Geistlichen Uneinigkeit säen könne in stilles häusliches Glück; er forderte ihn jetzt selber auf sie zu besuchen, oft zu besuchen, so lange er noch auf Tahiti sei, und er hoffte Trost in dem Umgang des freundlichen verständigen Mannes zu finden. Aber der Muth gebrach ihm wirklich dem Freunde, der sogar nach seiner Religion berechtigt war eine solche Offenheit zu fordern, das zu gestehen was ihm das Herz erfüllte, was es quäle, und Alles das trug er fest in sich verschlossen und allein, und kämpfte still und männlich dagegen an. Es war ein Kampf der Verzweiflung Fuß an Fuß, und in der Gefahr nur wuchs ihm erst die Kraft.

Auch Bertrand hatte ihn in der letzten Zeit häufiger besucht, aber fast nur ihm zuzureden der Einladung des Gouverneurs zu folgen, und wieder in eine Stellung im Leben einzutreten, die seinem Geist und Herzen doch auch mehr bot als eine bloße Existenz, die ihm eine Aussicht auf spätere Zeiten bahnte, ehrenvollere Stellung einzunehmen auf dieser Welt, als eben nur das Bewußtsein zu haben daß man ist und athmet. Auch Vater Conet stimmte darin dem jungen Officier vollkommen bei, René sei, wie gar keinem Zweifel unterliege, noch viel zu jung, auch nur daran denken zu können sich von der Welt ganz zurückzuziehn, die ebenfalls ihre Forderung an ihn habe und sich ihr Recht dann doch einmal über kurz oder lang zu wahren wisse. Beide bestritten ebenfalls, daß ihm das Leben der Inseln auf die Länge der Zeit genügen würde und könne, und wie sich alle seine Landsleute für später solche Aussicht offen gelassen – eine Aussicht die bei Allen fast, mit nur sehr wenigen Ausnahmen eine Hoffnung wurde – so werde auch er einmal den Drang wieder in sich fühlen nach Frankreich zurückzukehren, an dessen weit geselligeres Leben sich dann auch Sadie, schon jetzt mit den Sitten, der Sprache des fremden Volkes bekannt und befreundet, leicht und gern gewöhnen würde.

 

Sadie schüttelte bei solchen Reden recht ernst und ängstlich mit dem Kopf; sie hatte genug von Französischem Leben hier auf Tahiti gesehn, sich nicht weiter da hineinzusehnen, und in einem Lande zu leben wo sie weiter gar Nichts mehr sehen sollte als fremde unbekannte Gestalten, wo ihr die lieben Palmen fehlten und das fröhliche Lachen der fröhlichen Kinder ihres sonnigen Vaterlands? – Nein, nein, dahinein paßte sie nicht, und sie würde und müßte vergehen dort, in Sehnsucht und Heimweh.

Auch René hatte dagegen seine heimlichen Bedenken, Gedanken die in ihm laut wurden und Form gewannen, er mochte sich dagegen stemmen und wehren so viel er wollte.

Mata Oti, der Bursche, war ebenfalls mit Bruder Ezra von den Französischen Behörden eingezogen worden, etwas mehr aus ihm herauszubringen über jene Nacht, als ein bloßes aita vau i ite – ich weiß es nicht – und Sadie hatte dafür ein Mädchen zu sich genommen, die ihr die Dienste des Knaben ersetzen sollte. Nai Nai war über die Blüthe der Jahre hinaus, wenn auch noch gar nicht so alt, und obgleich sie vor sechs oder acht Jahren noch ein recht hübsches Mädchen gewesen sein sollte, doch jetzt abgefallen, mager und selbst häßlich geworden. Eine eigene Wuth die sie dabei hatte Europäische Kleider und besonders Hüte zu tragen, zeigte sich nicht im Stande ihre Reize zu erhöhen, und Sadie lachte darüber, aber auf René machte es einen peinlichen Eindruck, so peinlich daß er zuletzt Sadie bat sie wieder fortzuschicken, wenn er ihr auch keinen Grund dafür anzugeben vermochte. Sadie versagte ihm nie einen Wunsch, wenn es in ihren Kräften stand ihn auszuführen, und Nai Nai wurde wieder hinüber nach Imeo geschickt, von wo sie gekommen, und von einem hübschen jungen Mädchen ersetzt.

Wenige Wochen waren solcher Art nach den im vorigen Capitel beschriebenen Vorgängen verflossen, und wenn sich auch die Insulaner schon ziemlich über den Verlust ihres Missionairs und Consuls beruhigt hatten, sollte bald wieder ein Gewaltstreich der Fremden diesem scheinbaren Frieden ein Ende machen.

Die Reine blanche war wieder gesegelt und Monsieur Bruat hatte Alles versucht die Eingebornen in Güte dazu zu bringen, ihnen die nöthigen Provisionen zu liefern, aber umsonst. Wie die Franzosen behaupteten, von den Missionairen aufgereizt, jedenfalls auf den Befehl ihrer eigenen Häuptlinge, hielten sich die Insulaner in ihren Wohnungen und brachten nicht eine Brodfrucht mehr zu Markte, ja das Gerücht verbreitete sich sogar, sie seien gesonnen Alles was sie nicht von Früchten und überhaupt Lebensmitteln nothwendig selber brauchten, in die Berge und den Feranis aus dem Weg zu schaffen.

Dem zu begegnen schritt der Französische Kommandant zu einem Gewaltstreich, lockte vier der einflußreichsten Häuptlinge, unter ihnen Terate, Avei und Nane ini an Bord eines Schiffes, wo er sie gefangen hielt, und hätte sich fast auch noch eines andern Trupps bemächtigt, wäre diesem nicht noch zeitige Warnung geworden, daß er in die Berge fliehen konnte.

Bald darauf erschien eine Proclamation vom Gouverneur Bruat unterzeichnet, die im Namen des Königs von Frankreich und als Gouverneur der Französischen Besitzungen, dem Volke von Tahiti erklärte daß die vier Häuptlinge Taaniri, Raheahu, Potowai und Teraitane, da sie auf das Wort des Friedens nicht hatten hören wollen, für Rebellen erklärt und ihr Eigenthum mit Beschlag belegt werden sollte.

»Acht Tage« hieß die Proclamation weiter – »sind ihnen noch gegeben sich zu unterwerfen. Der Distrikt der ihnen Schutz giebt soll, nach seiner Wichtigkeit, unter eine entsprechende Contribution gelegt werden. – Die dem Frieden und dem Gesetz freundlich gestimmten Personen bleiben ruhig unter dem Protectorat Frankreichs – die Strenge der Gesetze soll die Schuldigen treffen.

Bruat.«

Jetzt zum ersten Mal schien das Volk zu fühlen daß es wirklich unterjocht werden sollte, da man sich nicht allein begnügte die Englischen Missionaire feindlich zu behandeln, sondern auch sogar Hand an ihre eigenen Häuptlinge legte, und ein wilder Schrei des Zorns und der Entrüstung ging durch das ganze Land.

Pomare war zu gleicher Zeit von den Missionairen feste Hülfe von England versprochen, und selbst alle dort lebenden Engländer bestätigten das, da Britanien nie dulden werde, daß Einer seiner Consuln auf solche Weise behandelt werde; nur verzögern mußte sie einen Ausbruch des Volks, damit der Franzose nicht neuen Grund bekam zu neuen Uebergriffen, und sich indeß ihr Recht wahren, als souveraine Königin.

Dem Sinne folgend schrieb sie einen Brief8 an die Häuptlinge, worin sie dieselben zum treuen und geduldigen Ausharren ermahnte, aber sie auch zugleich indirekt darin aufforderte in ihrer Widersetzlichkeit gegen die Feranis standhaft zu bleiben, und dieser Brief wurde, wie es heißt, von Gouverneur Bruat so aufgefaßt, als ob er die Eingeborenen in der »Rebellion gegen ihre gesetzmäßige Regierung« bestärken und bekräftigen solle.

Der ehrwürdige Mr. Rowe bekam, wahrscheinlich selbst von Französischer Seite, einen Wink, daß der Königin in Folge dieses Briefes Gefahr für ihre persönliche Sicherheit drohe, und verlor, durch Mr. Pritchards Gefangennehmung überdies noch aufgeregt und eingeschüchtert, dermaßen den Kopf, daß er auf der Stelle zu ihr zu eilen beschloß, sie auf das Dringendste zur Flucht zu mahnen.

Pomare war allein, als ihr der Missionair gemeldet wurde, und Bruder Rowe mußte lange draußen warten ehe er vorgelassen werden konnte. Selbst ihre Einanas hatte die Königin von sich entfernt; die Mädchen saßen und lagen draußen auf der Verandah herum und flüsterten leise miteinander – sie wagten nicht laut zu reden. Nur eine von ihnen ging hinein die Gebieterin von der Ankunft des Geistlichen zu benachrichtigen, und kam dann zu den Uebrigen zurück, denen sie mit halblauter Stimme etwas zuflüsterte.

»Hast Du Pomare meinen Namen genannt, Waihine?« frug der Geistliche endlich, dem der Boden anfing unter den Füßen zu brennen – »weiß sie daß ich hier bin und sie sprechen muß?«

»Ja, Mitonare!« lautete die leise Antwort.

»Und was hat sie gesagt?«

»Mitonare soll warten« – das Gespräch war wieder abgebrochen.

»Mitonare soll warten« – und die Zeit verfloß indeß, die ihr vielleicht noch geblieben, und mit der Königin waren auch alle ihre Rathgeber gefährdet – wer weiß was sie vielleicht in ihrem weibischen Trotz Alles aussagte und – gestand.

Der Missionair ging mit raschen ungeduldigen Schritten wieder draußen auf und ab.

»Sie muß mich vergessen haben« rief er aber endlich, nicht länger im Stande seinen Unmuth zu verbergen, indem er wieder vor der Einana stehen blieb – »fort mit Dir, Waihine – sage noch einmal daß ich da bin, und Pomare sprechen muß, denn ich hätte ihr Wichtiges – sehr Wichtiges mitzutheilen.«

»Pomare hat gesagt Mitonare soll warten,« sagte aber das Mädchen, und Bruder Rowe sah sie erstaunt und mißtrauisch an – so hatten die Einanas noch nie gewagt mit ihm, oder einem aus seiner frommen Schaar zu sprechen – »und kam diese Sinnesänderung von oben herab?«

Er sollte aber nicht länger Zeit zum Ueberlegen behalten; die Königin, ob sie die ungeduldige Stimme des Missionairs gehört, oder selber es für Zeit fand ihn hereinzulassen, rief, ein paar von den Mädchen sprangen auf, den Besuch zu geleiten, und Bruder Rowe betrat wenige Minuten später das kleine Gemach, in dem Pomare auf einer ausgebreiteten Matte auf der Erde saß.

8Pomare's Brief lautete wörtlich: »Gesundheit Euch Allen; ich mache Euch bekannt daß unser Kriegsschiff uns bald verlassen wird; der Admiral verlangt es nach Oahu zurück. Ein kleines Kriegsschiff liegt hier, über uns zu wachen, ein anderes wird kommen. Horcht nicht auf die Männer die Euch entmuthigen wollen mit der Nachricht daß wir nicht unterstützt würden. Britanien wird uns nicht verlassen. Laßt uns uns gut betragen, bis die Depeschen eintreffen. Dies ist mein Wort an Euch – laßt unter keiner Bedingung etwas Unrechtes geschehen, behandelt ja nicht die Feranis schlecht; habt große Geduld. Nehmt mich zum Muster und folgt mir, und laßt uns Alle brünstig zu Gott flehen, daß er uns von unserer Prüfung befreien möge, wie einst Hezekiah. Frieden sei mit Euch. Pomare.«