Tasuta

Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Sie hatte sich in das einfachste Zimmer ihres Hauses zurückgezogen; weder Tisch noch Stuhl stand in dem leeren Raum, vor dessen Fenster, das einzige Zeichen des neueingeführten Luxus, weiße gemusterte Gardinen hingen und in dem Zug der offnen Flügel hin und herwehten. Nur Matten, nebst einigen mit roher Pflanzenwolle gestopften Kissen lagen im Zimmer zerstreut umher, eben so viele Sitze bildend, und ein an der Wand befestigtes Seitenbret trug drei oder vier Bücher, eine reich vergoldete Obertasse mit abgebrochenem Henkel, und eine gewöhnliche Cocos Poe-Schale.

Der ehrwürdige Mann blickte etwas erstaunt umher, denn gerade in der letzten Zeit hatte Pomare weit eher gesucht sich mit Europäischem Glanz zu umgeben, als sich solcher Art in ihre Einsamkeit zurückzuziehn; aber die Königin selber zog seine Aufmerksamkeit bald auf sich allein, denn sie sah bleich und abgehärmt aus, und die Spuren frischer Thränen waren noch in ihren Augen.

»Was bringst Du mir?« sagte sie mit halb abgewandtem Antlitz, als ob sie sich dieses Zeichens von Schwäche schäme – »was wollt Ihr von mir? ich habe Nichts mehr zu befehlen hier auf Tahiti – meine Sonne ist untergegangen und meine Nacht bricht an – Ihr müßt von jetzt an für Euch selber sorgen – Pomare Waihine hat kaum noch den einzigen Brodfruchtbaum behalten, der vor ihrer Thüre steht.«

»Und doch bist Du noch frei, Pomare,« sagte der Missionair mit traurigem, mitleidigem Blick – »hast noch Dein Volk um Dich und den blauen Himmel über Dir – «

»Und wer kann mir das nehmen?« rief Pomare schnell, und ihr mißtrauischer Blick haftete forschend an dem Auge des Priesters.

»Der Feind hat jetzt die Macht« entgegnete finster der Missionair, »und seine Bosheit ist groß.«

Pomare erwiederte Nichts und sah den Unglücksboten nur ruhig und sinnend an, dann langsam aufstehend trat sie zu ihm, legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte leise:

»Was ist vorgefallen, Bruder Rowe? – sag es mir gleich heraus und leg Dich nicht erst in den Hinterhalt – Du thust mir weh damit.«

»Es ist auch keine Zeit mehr zu verlieren, Pomare,« erwiederte der Priester ernst – »Du weißt was die Feranis mit Piritati gemacht haben.«

»Piritati war ein Beretani« rief die Königin schnell – »er gehörte nicht in dieses Land – sie konnten das wagen – sie dürfen nicht Hand an Pomare legen.«

»Dürfen?« sagte Mr. Rowe achselzuckend – »wir sind ein friedliches Volk und können uns nicht zur Wehr setzen.«

»Und wessen Schuld ist das?« frug die Königin rasch und mit einem Zornesblick im Auge – »wer anders als Ihr, die Ihr uns von England die Religion gebracht habt, die Ihr eine Religion der Liebe nennt, und die jetzt Haß und Tod unter mein Volk bringt, wer anders hat den Bewohnern dieser Inseln ihre alten Kriegsspiele verboten, und die Führung der Waffen für sündhaft erklärt? wer eiferte früher dagegen, daß meine jungen Leute ihr Cocosöl und ihre Perlmutterschalen gegen Gewehre und Pulver eintauschen sollten wie es mein und ihr Wunsch war, und erklärte es gegen Gottes Gebote, während Ihr Oel und Muscheln für Eure eigenen Zwecke sammeltet und nach Beretani schicktet?«

»Es geschah das um Gottes Wort auch auf andern Inseln zu verbreiten – auch andern Völkern den Segen der christlichen Religion zu bringen« sagte mit milder freundlicher Stimme der Geistliche.

»Ich habe das gute Buch durchgelesen von Anfang bis Ende« erwiederte die Königin finster – »und nirgends darin gefunden daß Jesus Christus gesammelt hat für andere Völker.«

»Damals war es noch nicht nöthig, Pomare« erwiederte Mr. Rowe, etwas verlegen – »und nicht wohl ist es gethan, das Schwert zu nehmen, denn Jesus selber hat gesagt, »wer das Schwert nimmt, der soll durch's Schwert umkommen.«

»Geh, geh!« sagte aber Pomare traurig mit dem Kopf schüttelnd – »Du hast für Alles einen Vers aus Deinem Buch und die Beretanis, die Du sagst daß sie gute Christen wären fahren eben so mit Kriegs-Canoes auf der See herum wie die Feranis, sie nehmen das Schwert und sie kommen nicht um, und ich habe das Schwert nicht genommen und verliere mein Reich – Was willst Du jetzt von mir? – was soll ich thun? – gehe zurück zu Deinen Landsleuten und sage ihnen daß ich Euch hier nicht mehr schützen kann. Ich danke ihnen daß sie mir die Bibel gesandt, aber mein Volk ist zerstreut, meine Macht ist gebrochen – wenn ich wieder Königin bin, will ich Euch wieder in mein Land nehmen.«

»Nicht meinethalben kam ich hierher, Pomare« sagte aber der Geistliche ernst, »nicht für mich Schutz oder Hülfe zu erbitten von Dir, Du schwergeprüfte Königin, sondern Dich selber wollt' ich warnen, Dich einer Gefahr zu entziehn, die über Deinem Haupte schwebt, und Dich in der nächsten Stunde schon vielleicht erreichen kann.«

»So sprich!« rief Pomare, »schon seit Du das Zimmer betreten, sehe ich Dein Unheilkündendes Gesicht, und mein Herz ist von Angst erfüllt – was ist es?«

»Vor einer Stunde etwa« nahm der Geistliche wieder das Wort, »bin ich gewarnt worden, daß die Feranis, böse über Deinen Brief den Du an die Häuptlinge geschrieben, Dich ebenso wollten gefangen nehmen und in Gewahrsam halten, wie Terate und die Andern, damit Du die Eingebornen nicht aufwiegeln könntest gegen sie. Die wahnsinnigen Menschen behaupten jetzt die rechtmäßigen Eigenthümer Tahitis zu sein, und erklären uns selber für Rebellen wenn wir gegen sie reden.«

Ein zorniges Lächeln flog über Pomares Züge, als sie die Worte hörte und sie antwortete finster:

»Mich gefangen nehmen? und wo bleiben jetzt Euere Schiffe? wo die Kanonen die Ihr mir zu meinem Schutz verspracht? – Euere Kriegsschiffe haben, ein kleines Schiff ausgenommen, die Bai verlassen, Euer Consul ist gefangen, Euere Fahne verschwunden – wo bleiben Euere Predigten, Euere Worte? Als ich Sandelholz hatte und Cocosöl, da war ich Königin, da kamen die Capitaine und sprachen schöne Worte und brachten Geschenke – jetzt da ich arm und verlassen bin, kommt Niemand mich zu unterstützen. Und wohin soll ich fliehen?«

»Es liegt ein Englisches Kriegsschiff im Hafen das Dich aufnehmen wird, und unter Englischer Flagge bist Du sicher« rief der Missionair.

»An Bord eines fremden Schiffes? nie« – zürnte die Königin, »wär' ich nicht dort Gefangene wie da?«

»Und doch ist es das Einzige« seufzte der Missionair – »dorthin reicht der Arm der Feranis nicht, und wer weiß ob Du heut Abend selbst noch zu dem Schritt Raum und Zeit behältst.«

»Ich kann mich nicht allein in den Schutz der fremden Männer geben« sagte Pomare, doch jetzt unruhig werdend über den besorgten Ernst des sonst ihr so freundlich gesinnten Mannes – »ich kann nicht allein an Bord eines Kriegsschiffs fliehn.«

»Dein Gatte und zwei Deiner Einanas müssen Dich begleiten« sagte Mr. Rowe, »Pomare Tane9 ist ja von Imeo zurückgekehrt, und wird sich nicht weigern Dir an Bord zu folgen.«

»Weigern?« sagte die Königin zürnend, und ein verächtliches Lächeln spielte um ihre Lippen – »aber meine Kinder? – was würde aus denen?«

»Wohin die Mutter geht, gehn sie auch, und Capitain Hunt ist ein Gentleman, der sich glücklich schätzen wird einer armen verrathenen Frau und Königin Schutz mit den ihren zu gewähren.«

Pomare ging, die Hände krampfhaft gefaltet, das Haupt gesenkt, mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab, als draußen Stimmen laut wurden und gleich darauf Eine der Einanas den Häuptling Tati meldete, der Pomare dringend zu sprechen wünsche.

»Tati?« rief Pomare, erstaunt vor dem Mädchen stehn bleibend – »Tati? was will er von mir in jetziger Zeit? oder haben ihn die Feranis geschickt, seine Königin abzuholen ins Gefängniß – send' ihn fort, er gehört zum Feind; Pomare will ihn nicht sprechen.«

»Wenn der Feind Dein Vaterland ist, Pomare, dann hast Du recht« sprach in diesem Augenblick die tiefe klangvolle Stimme des Häuptlings, der dem Mädchen auf dem Fuß gefolgt, und auf der Schwelle stehn geblieben war, bis seine Ankunft gemeldet worden – »schicke mich nicht noch einmal fort von Dir, denn ich bringe ein Freundeswort.«

»Schickt Dich der Ferani?« frug die Königin, ihn mit einem finstern Blick betrachtend – »haben sie Dir wieder neue Versprechungen gemacht, oder soll ich vielleicht noch einen Vertrag unterzeichnen, der mir auch die Füße bindet, wie der erste die Hände, und mich hier hält in ihren bewaffneten Häusern, als Geißel für die Unterwürfigkeit meines armen Volkes?«

Tati zog die Brauen finster zusammen und sein Blick suchte den Missionair, als ob er dort den Grund solcher harten Anklage vermuthe, aber das gute Element in ihm gewann die Oberhand und mit ruhiger fast herzlicher Stimme sagte er:

»Du hast Grund uns zu zürnen, Pomare, denn wenn auch absichtslos, gaben wir dem Ferani den Halt an dieses Land, den er jetzt benutzt, es zum Abgrund niederzureißen, aber vielleicht bin ich im Stande Dir heute zu beweisen daß es Tati redlich mit Tahiti, redlich mit Dir meint, und kleinliche Eifersucht seinem Herzen fremd ist, in der Stunde der Noth. Du bist in Gefahr und mußt Papetee verlassen.«

»Ich weiß es, ich weiß es« rief Pomare schnell – »der ehrwürdige Mann hier hat mich schon gewarnt, und das Schiff der Beretanis wird mich und die Meinen aufnehmen, ehe ich mich den Feranis gefangen gebe.«

»Das Schiff der Beretanis?« rief Tati, fast ebenso sehr erschreckt als erstaunt – »und was hast Du bei den Beretanis zu thun? sind sie nicht Fremde, so gut als Jene? O Pomare, wann wirst Du aufhören Dich auf Fremde zu verlassen?«

»Der Häuptling Tati spricht, als ob unsere Nation dem Tahitischen Stamme je noch feindlich gewesen wäre« sagte der Missionair, »ich dächte wir hätten bewiesen, daß wir unsere Tahitischen Brüder lieben.«

 

»Genug – genug« sagte der Häuptling abwehrend – »nicht um mit Worten zu streiten bin ich hierhergekommen; die Zeit zum Handeln ist gekommen, und Du, Pomare, sollst jetzt beweisen, ob Du würdig bist das Tahitische Volk zu regieren, wo dann Tati und alle Andern sich freudig Deiner Herrschaft beugen werden.«

»Und soll ich mit meiner Flucht solchen Beweis beginnen?« frug die Königin bitter.

»Allerdings« rief Tati rasch, »aber nicht wenn Dich die Bahn nach einem fremden Schiffe führt.«

»Und wohin denn? – wo hast Du Schutz für mich?«

»Bei Deinem Volk, Pomare!« rief der Häuptling rasch und während die Königin finster und wehmüthig mit dem Kopfe schüttelte, fuhr er von seiner Sache begeisterter, wärmer werdend, fort – »schüttle nicht so zweifelnd das Haupt, die Führer fast aller Partheien, die sich vereinigt haben in der gemeinsamen Noth des Landes senden mich, und rufen, ja fordern Dich auf, ihrem Schutze Dich anzuvertrauen und mit ihnen in die Berge zu ziehn. Dort pflanzen wir die eigene Fahne auf, und Tod den Feinden, wenn sie es wagen sollten uns dorthin zu folgen, wo wir uns fest und freudig um Dich geschaart.«

»Nur bei dem Versuch in die Berge zu entkommen« warf hier kopfschüttelnd der Geistliche ein – »wäre Pomare fast der gewissen Gefahr ausgesetzt, von den Feranis angehalten und gefangen zu werden. Sie würden es nimmer dulden etwas geschehn zu lassen, was ihnen die Eingebornen zu so viel gefährlicheren Feinden machen müßte.«

»Gefahr und Dulden!« rief der Häuptling, mit dem Fuße stampfend, »ein einzig Zeichen durch die Stadt von mir und fast drei Viertel der Bewohner schaaren sich mit einem Jubelschrei um ihre Königin. Laßt das Volk wissen daß Tati und Utami, Hitoti und Paraita mit Pomaren sind, und kein Arm der noch einen Bogen spannen und einen Speer schleudern kann, bleibt daheim, das Ende schmachvoll abzuwarten. Nein Pomare, nicht Furcht jetzt, nicht Gefahr, darf Dich abhalten davon, Dich an die Spitze Deines Volks zu stellen. Die Fremden haben jetzt deutlich genug gezeigt was ihre Absicht ist, und uns bleibt keine andere Wahl, als Unterwerfung oder Kampf.«

»Uns bleibt die Wahl Britischen Schutz zu suchen« rief der Missionair, neben Pomare tretend, »uns bleibt der Schutz der Bibel und wenn auch spät, die Hülfe bleibt nicht aus; so langsam sie kommt, so sicher wird sie kommen.«

Tati wollte heftig gegen den Priester auffahren; aber er bezwang sich, er fühlte die Wichtigkeit dieser Stunde und sagte ernst und ruhig:

»Pomare, der Augenblick ist gekommen, wo Du zu wählen hast zwischen Deinem Volk und den Fremden, zwischen Deiner eigenen Herrschaft oder der, Beretanischer oder Feranischer Priester; – gieb Dich wieder in ihre Hände, und Deine Macht ist gebrochen für ewige Zeiten – wirf sie von Dir, und wir erkämpfen Dir die Freiheit oder uns Allen einen ehrenvollen Tod. Sieh, daß die Häuptlinge mich senden, mag Dir ein Beweis sein wie wir denken – jeder Partheistreit sei vergessen, jeder kleinliche Gedanke an Eigennutz zerstört, das Vaterland ist in Gefahr und wie der fremde Ferani schlau und tückisch seinen Vortheil zog aus dem Zwiespalt der Partheien, so pflanze die eine Macht jetzt siegreich ihr Banner auf in den Bergen.«

Die Königin stand unschlüssig; das Herz schlug ihr heftig und ihr Blick flog ängstlich von den schönen belebten Zügen des Häuptlings nach dem bleichen Antlitz des Priesters hinüber.

»Und was wird aus Pomare Tane?« frug sie leise.

Tati biß sich die Lippe —

»Er mag mit Dir gehn« sagte er endlich leise, »aber wenn er ein Mann wäre hätte er selber schon das Schwert aufgegriffen und sein Volk zu den Waffen gerufen – oh daß Dein Vater lebte, Pomare.«

»Und was dann, wird aus den Lehrern dieses Volks, was wird aus uns und unseren Häusern?« rief der ehrwürdige Mr. Rowe. »Vertrauungsvoll sind wir an Eueren Strand gekommen, Euch den Frieden und die Liebe zu bringen, und sollen wir jetzt als Geißeln in den Händen der Feinde zurückbleiben? So lange Du unter Britischem Schutz stehst, Pomare, wird ebensowohl Dein Eigenthum hier geachtet werden, denn die Feranis fürchten unseren Stamm, mögen sie jetzt hier so trotzig auftreten wie sie wollen, einmal aber erst in die Berge geflüchtet, als erklärter Feind und mit den Waffen in der Hand, so ist nach den Gesetzen des Kriegs Alles dem verfallen, der das Feld behauptet.«

»Und denkt Ihr an Euch jetzt allein?« rief Tati zornig, »wo das Schicksal des ganzen Landes am Rande des Abgrunds steht?«

»Viel weniger an mich« – erwiederte ruhig der Missionair, »als an alle meine Brüder hier auf den Inseln, ja an das Schicksal der Mission selber, die damit ihrem gewissen Untergang entgegen zöge. Sobald Pomare jetzt offenkundig den Krieg beginnt, liegt die Vergangenheit abgeschnitten hinter ihr, und die Gewalt der Waffen allein entscheidet wer künftig und welche Religion herrschen soll. Wird sie besiegt, so ist es der Sieger, der die Bedingungen schreibt und denen sie sich fügen muß, indeß sie jetzt noch immer Englands Hülfe sich erhält, seine Vermittlung die stets nur auf Seiten der Bibel sein kann.«

»Zum Abgrund mit der Bibel!« schrie aber der im Herzen noch immer den alten Göttern zugethane Häuptling jetzt, bei dem der Zorn über den egoistischen Geistlichen die Ueberhand gewann – »es gilt hier nicht das dicke Buch, es gilt das ganze Land, es gilt hier für Pomare die Herzen ihres Volks, die jetzt noch mit ihr, doch wer weiß wie lange sind. Tati läßt auch Alles zurück was er sein eigen nennt, ebenso Utami – wir wollen uns selber, wollen unsere Ehre, unser Reich retten, mag der Feind die Brandfackel in unsere Hütten werfen und unsere Brodfruchtbäume niedermähn; die Berge tragen Feis, der Wald Orangen und Guiaven und tausend andere Früchte, und Gottes Sonne glüht und leuchtet da oben so rein und frisch, wie hier im Thal.«

»Ich will auf das Schiff gehn, Tati« sagte aber jetzt Pomare, die bis dahin unschlüssig und ängstlich gestanden – »der Mitonare hat recht; so lange ich unter Englischem Schutz bin und nicht gegen sie kämpfe, werden sie unser Eigenthum achten und nicht zerstören, und das fromme Werk der Mission, das mir von Gott überantwortet ist, wird nicht zu Grunde gehn; ich will nicht das Schwert nehmen, ich bin eine Frau und meine Kinder sollen ihre Krone nicht vergossenem Blute zu verdanken haben – wenn Andere Unrecht thun will ich nicht selber sündigen. Und auch Du Tati, schaudere vor dem Abgrund zurück an dem Du stehst, denn Du verachtest die Bibel und sie ist Deine einzige Rettung.«

»Pomare – laß uns nicht in dieser Stunde um ein Wort, um eine Meinung zanken,« bat aber der Häuptling – »schicke mich nicht fort von Dir mit solcher Antwort; noch bist Du Königin und will Dich England schützen, wird es das eher thun, wenn Du Dir Achtung von ihm erzwingst, durch Königliches Handeln, als wenn Du feige auf eines ihrer Schiffe flüchtest, von vorn herein gleich erklärend, ich bin zu schwach, ich kann nicht Königin sein.«

»Da kommt Bruder Brower in großer Eile« rief Mr. Rowe da, der einen Blick durch das Fenster geworfen – »was wird er bringen?«

»Unheil diesem Haus« sagte Tati düster, der in den Augen Pomare's schon seine Antwort las, und nicht mit Unrecht befürchtete der zweite Mitonare würde den Ausschlag geben. Er sollte darüber nicht lange in Zweifel bleiben; mit ängstlicher Miene brach der kaum angemeldete Priester ins Zimmer, und nur einen mißtrauischen Blick auf den Häuptling werfend, dessen Parthei den Interessen Pomare's bis dahin selten freundlich gewesen, rief er aus:

»Die Noth ist groß Pomare, größer aber die Gefahr, denn soeben höre ich daß die Französische Regierung beschlossen hat Dich zu fangen und zu halten, bis zu Abschluß des Friedens. Glücklicher Weise aber war das Boot des Basilisk hier an Land – sein Officier ist von mir in Kenntniß gesetzt und liegt am Ufer, dicht hier vor dem Haus, Dich unter dem Schutz seiner Flagge sicher fortzuführen – aber der Augenblick drängt, Du hast keine Viertelstunde mehr zu Deiner Verfügung.«

»Eben so rasch entkommst Du in die Berge, Pomare« rief da Tati noch einmal, den letzten Versuch zu machen, die Königin ihrem Lande zu erhalten – »über die Straße hinüber beginnen die Guiaven, und mein Kopf bürge Dir für Deine Sicherheit.«

Pomare Tane brach in diesem Augenblick in's Gemach; es war ein junger bildschöner Mann, wohl sechs oder acht Jahr jünger als die Königin, aber mit weichen, weibischen Zügen, die Oelgetränkten Haare mit Blumen geschmückt und die Finger mit Ringen besteckt. Auch seine Züge waren jetzt angstentstellt, und die Männer nicht beachtend die im Zimmer standen rief er laut:

»Flieh Pomare, flieh – an den Bergen haben die Feranis Soldaten mit geladenen Gewehren stehn und das Volk schreit, sie kämen Dich zu fangen und zu binden.«

»Das Boot liegt am Strand, in fünf Minuten bist Du frei,« drängte da Mr. Rowe.

»Tati, Du wirst Dich an die Spitze meiner Krieger stellen« bat Pomare – »der Allmächtige wird Dir seinen Schutz verleihen und den Sieg in unsere Hände geben.«

»Verdorren soll der Finger der sich für Deine Sache regt wenn Du ihr selbst den Rücken kehrst;« – rief aber der Häuptling trotzig und finster – »Pomare – hah, was ist mir der Name? dem Vaterlande hätt' ich mein Blut geweiht, und jeden feindlichen Gedanken, jede Idee von Uneinigkeit draus fern zu halten, selbst Deinem Stamm gehorcht. Du bist aus edlem Blut entsprossen und das Land hätte, so von jedem Partheienhaß befreit, seiner Königin zugejauchzt und sich für sie mit Freuden in den Kampf geworfen – das ist vorbei, die schwarzen Männer haben Dich wieder in ihrer Gewalt und Tati ist für Dich verloren.«

Noch stand Pomare zögernd, da schallte ein kurzer Trommelwirbel, eine vorbeiziehende Patrouille vielleicht, an ihr Ohr.

»Der Feind!« rief Pomare Tane, riefen die Missionaire – »sie kommen Dich zu holen.«

»Wo sind meine Kinder« flehte die arme Königin jetzt selber von der Angst der Uebrigen eingeschüchtert – »meine Kinder!«

»Hier im Zimmer bei den Einanas« beruhigte sie Mr. Brower – »ich ließ sie selber hier zusammenkommen, jetzt fort – in wenigen Minuten bist Du an Bord – schon im Boot bist Du sicher und ungefährdet« und ihre Hand ergreifend, die sie ihm willig überließ, folgte sie ihm hinaus.

»Meine Kinder« rief die Königin.

»Hier, hier – Ihr Mädchen da rasch mit den Kindern in's Boot das am Strande liegt – fort mit Euch.«

»Aber meine Matten, meine Kleider – «

»Alles wird Dir nachgeschickt Pomare,« rief Mr. Rowe rasch – »wir selber wollen Dein Eigenthum schützen, das der Ferani nicht wagen darf anzutasten.«

Pomare, durch das erneute Trommeln nur noch mehr außer Fassung gebracht, folgte fast willenlos den Führern, und mit den Kindern voran floh der kleine Zug über den schmalen Strand dem zum augenblicklichen Abstoßen bereiten Englischen Boote zu. Eine Französische Patrouille kam gerade zufällig am Wasserrand nieder, aber der Officier, der auch wahrscheinlich gar keinen Befehl dazu hatte, hinderte das Einschiffen der recht gut gekannten Königin nicht, ja es ist leicht möglich, daß die Franzosen sehr zufrieden damit waren einer unangenehmen Ueberwachung Pomares solcher Art vollkommen überhoben zu sein. Sie bekamen dadurch viel freiere und ungestörtere Hand in der Stadt, und hatten gewissermaßen eine Verantwortlichkeit weniger.

Unbelästigt erreichte die Königin das Boot, wohin ihr ihr Gemahl mit den Kindern und zweien der Einanas folgte, und während die Brüder Rowe und Brower am Ufer standen und mit einem dankenden Blick nach oben die Rettung Pomare's feierten, schoß das scharfgebaute Boot mit seiner kostbaren Ladung blitzesschnell dem nahen kleinen Kriegsschiff10 zu, wo die seltenen Schützlinge von dem Englischen Capitain auf das Zuvorkommendste und Freundlichste empfangen und, so gut als der enge Raum des Fahrzeugs es erlaubte, untergebracht wurden.

So ruhig sich aber die Bewohner von Papetee bis jetzt verhalten hatten, und so gelassen sie der, vor ihren Augen geschehenen Occupation zugesehn, eine Ruhe die nicht einmal durch die Gefangennahme ihres ersten Missionairs gestört werden konnte, so heftig erschütterte dagegen das Gerücht: Pomare hat fliehen müssen vor den Feranis, jedes Gemüth, und wer nur jetzt irgend glaubte den Zorn der nichts heilig achtenden Fremden auf ein oder die andere Art gereizt zu haben, flüchtete in die Berge, ihrer Rache zu entgehn, und sich zum Widerstand zu rüsten. Halb Papetee stand einsam und verlassen, während die Eroberer, damit gar nicht unzufrieden, Besitz von den geräumten Häusern nahmen, und sie theils zu Kasernen und Wachen, theils zu eigenen Wohnungen herrichteten, zugleich aber auch mit vereinten Kräften daran gingen den Wall und Graben um die Stadt zu beenden und mit Kanonen zu besetzen, wie überhaupt Alles zu thun, was sie im Fall eines wirklichen Angriffs gegen eine Ueberzahl der Feinde schützen konnte.

 

Nichtsdestoweniger blieb die Stadt ruhig – kein wirklicher Ueberfall geschah, ja die einzelnen Franzosen die sich hie und da noch immer sorglos zwischen den Eingeborenen herumtrieben, wurden nicht belästigt noch beleidigt, wenn ihnen auch die finsteren Blicke der Männer deutlich genug verriethen, wie gern sie hier gesehn wurden.

9Der Gemahl Pomare's geht unter dem Titel »Pomare's Mann.«
10Der »Basilisk«, nur eine sogenannte »catch« von circa 200 Tons.