Tasuta

Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.

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Capitel 9.
Der erste Kampf

Die Kunde von den neuen Gewaltthätigkeiten der Franzosen lief aber auch, wenn es selbst die Bewohner von Papetee noch nicht zu einem Ausbruch trieb, mit fabelhafter Schnelle über die ganze Insel, und das Volk fing jetzt zum ersten Mal an einzusehn, was die Entfernung seiner Flagge eigentlich bedeutet, was der Ferani beabsichtigte, als er das Bündniß mit den Häuptlingen schloß, und seine Priester ihnen herüberbrachte. Dumpfe Gerüchte folgten dem zu gleicher Zeit, daß die Feinde sich aller ihrer Häuptlinge bemächtigen wollten, die nach dem Lande der Ferani's geschafft werden sollten, und wenn das Volk bis jetzt noch nicht daran gedacht hatte zu rüsten, begann es jetzt. Waffen tauchten überall auf, Munition wurde vorgesucht, der Gebrauch der Muskete von den einzeln zwischen ihnen zerstreuten Europäern gelernt und geübt, und ein Eifer zeigte sich plötzlich in der Bevölkerung, eine Regsamkeit, die einen ernsten Widerstand, selbst unter den Kanonen des Feindes, keineswegs als eine Unmöglichkeit erscheinen ließ. Nur an einem wirklich thätigen Grund zum Beginn fehlte es noch, einem ersten Ausschlagen irgend einer Parthei; das Geschütz war geladen, es bedurfte nur noch der Lunte es zu entzünden, und wie sich die Völker jetzt entgegenstanden, konnte das nicht lange auf sich warten lassen.

Es war an einem Sonnabend (wie bekannt der frühere Sabbath der Bewohner von Tahiti) Nachmittag – und Bruder Dennis hatte an diesem Tage Gottesdienst auf der Halbinsel Tairabu gehalten. Die Bewohner dieses freundlichen Distrikts lebten allerdings zu entfernt von dem Schauplatz wirklicher Feindseligkeiten, ihr ruhig patriarchalisches Leben schon aufgegeben und zu den Waffen gegriffen zu haben, zu nahe aber auch sie gleichgültig an sich haben vorübergehn zu lassen, und wenn auch äußerlich noch Nichts den Geist verrieth, der in den Bewohnern anfing sich zu regen, waren unter der Hand die Rüstungen mit vielleicht nicht weniger Eifer betrieben worden, als in der unmittelbaren Nähe Papetee's.

Schon während der Predigt selbst war an diesem Tag ein fremdes Französisches Kriegsschiff, die jetzt dort an der Küste täglich auf- und abkreuzten, in ihren Hafen eingelaufen, und hatte die Sabbathfeier dadurch wesentlich gestört und die Aufmerksamkeit der Gemeinde natürlich von dem Geistlichen ab, dem viel interessanteren Schiffe zugewandt. Harte Worte waren es denn auch gewesen die der fromme Mann gegen die »Papisten und Sabbathschänder« sprach, die Herzen seiner Zuhörer mehr noch mit Zorn und Entrüstung füllend.

Nichtsdestoweniger blieben die gelandeten Bootsmannschaften, die sich ziemlich sorglos zwischen die Gruppen am Ufer mischten, unbelästigt, und wenn ihnen die Eingebornen wohl auch oft finstre Blicke zuwarfen, und die Mädchen besonders, die sie nach altgewohnter Weise anfassen und mit ihnen scherzen wollten, zornig den Rücken drehten und mit verächtlichem Ruf die Lenden schlugen, geschah Nichts was die Freiheit ihrer Bewegungen, ja durch den Widerstand der Schönen zuletzt gereizt, selbst ihrem Uebermuth, hätte irgend eine Grenze gesteckt.

Die Trupps der Soldaten und Matrosen begnügten sich übrigens damit am Ufer, oder in der Nähe desselben umherzuschwärmen; nur ein einzelnes kleines Piquet, von etwa zehn Mann marschirte, als der Gottesdienst schon lange vorüber war und sich die einzelnen Familien in ihre Wohnungen zurückgezogen hatten, einer Patrouille gleich, aber nur theilweis bewaffnet, durch den kleinen Ort durch und an dem nächsten Hügelhang hinauf, wo nur einzelne Häuser zerstreut unter vorhängenden Palmen lagen, und der schmale Pfad sich zwischen fruchtbaren Gärten und kleinen Guiavendickichten hinaufzog.

Vor dem ersten dieser Häuser saß eine kleine Gruppe sorgloser fröhlicher Indianer lachend und singend auf einem offenen von hohen Brodfruchtbäumen und Palmen dicht beschatteten Platz, die Frauen als am Sabbath mit keiner Arbeit beschäftigt, hie und da eine sogar auf ihre Matte ausgestreckt und auf den zusammengefalteten Armen liegend, um in einer großen aufgeschlagenen Tahitischen Bibel zu buchstabiren, während die Männer untereinander plauderten und erzählten, oder auch wohl zu Vieren oder Fünfen kurze Verse einzelner Hymnen mit vollkommen richtiger Eintheilung der Stimmen sangen. Ein Zuschauer hätte hier nie geahnt daß sich dies muntere, glückliche, sorglose Volk am Vorabend eines Krieges befände, und den Feind unter sich wußte, der es schon geärgert und gereizt, und jeden Augenblick weiter gehn und zum Angriff schreiten konnte.

Zwischen den Frauen waren drei reizende junge Mädchen, zwei von Tairabu, und eine, ein Gast in ihrer Mitte von Papetee, und auf feingeflochtene reinliche Matten gelehnt, ihre Hände in denen der beiden Jungfrauen, die sich lächelnd zu ihr hinüberneigten, erzählte die Fremde den Freundinnen von der Stadt an der andern Seite der Insel, von den frechen Wi-Wis die ihre Waffen und Kanonen an Land geschafft, und die Herren sein wollten der ganzen Insel, aber mehr noch von ihren komischen Sitten und Gebräuchen, von ihren großen Bärten und heißen Kleidern, von der wunderlichen Sprache – wie oft und schnell hintereinander sie das Wi-Wi sprächen, das ihnen den Namen gegeben, und wie sie – fuhr die Jungfrau leise und schüchtern fort, den Mädchen nachstellten und ihnen stets von ewiger Liebe sprächen, und sie dann wieder verließen wo sie ein anderes junges Gesicht gesehn.

Es war ein liebliches zauberschönes Bild, diese drei jungen Kinder der Insel mit den blitzenden sprechenden Augen und üppigen Formen, denen die Bronzefarbe der Haut nur womöglich einen noch höheren Reiz verlieh. Und dicht hinter ihnen saß ein alter Mann, in seinen Tapamantel eingeschlagen, und an den Stamm an einer hochwüchsigen mit goldgelben Früchten dicht umschlossenen Papaya gelehnt, finster vor sich niederbrütend, und doch dabei dem Schwatzen des holden Mädchens lauschend. Es war der alte trotzige Häuptling Fanue, dem das heiße Blut die Zornesader an der Stirn hoch aufschwellte, als er den Uebermuth der frechen Fremden von rosigen Lippen lachend bestätigt hörte, und der die Faust fest unter dem Mantel ballte wenn er daran dachte, wie sie die Schmach schon so lange ertragen, und immer und immer noch nicht losgeschlagen hätten in das Herz des Feindes hinein.

Lautes Geräusch, Rufen und Lachen, fremde Stimmen und Worte tönten zu ihnen von unten herauf, und ein junger Bursch kam gesprungen der die Nachricht brachte, die gelandeten Wi-Wis stiegen auch jetzt, die Mädchen neckend und die Männer ärgernd, bis zu ihnen herauf.

»Die Wi-Wis« – die Mädchen drängten sich neugierig vor, ob sie nicht irgend wo auf dem freien Pfad eine der feindlichen wunderlichen Gestalten erkennen könnten, schüchtern aber dabei und bereit zu augenblicklicher Flucht, wenn das wirklich der Fall gewesen wäre. Trommeln wirbelten indessen unten im Thal, aber nicht der bekannte fröhliche Laut zum jubelnden Tanz, sondern in kurz abgebrochenem schroffen Takt, und Hörner und Trompeten klangen herauf die von der munteren Soldateska mit herüber genommen waren die Herzen der Hörer zu gewinnen.

Fester Tritt und lautes Lachen schallte da näher und deutlicher zu ihnen herüber, und unten am Hang, in den Gärten schon wo die Reihen sorgfältig gepflanzter Bananen und süßer Kartoffeln standen, wurden die bunten Uniformen der Fremden sichtbar, die an den Fruchtbäumen, wenig sich um den Eigenthümer kümmernd, herumgingen, reife Früchte zu suchen und zu pflücken.

Die Mädchen welche aufgesprungen waren und rasch mit einander geflüstert hatten, wollten fliehen, aber Fanue's finstres Wort hielt sie zurück. Was hatten sie zu fürchten an seiner Hütte? glaubten sie daß der Fremde es wagen dürfe, einen der Seinen ungestraft zu beleidigen? Die Mädchen schämten sich ihrer Furcht und nahmen ihren alten Sitz auf der Matte ein, nur die Fremde wollte nicht bei ihnen bleiben, und sie faßten sie endlich halb mit Bitten halb mit Gewalt an ihrem Kleid, und zogen sie wieder zu sich nieder. Es war ihnen selber so schon nicht recht daß sie dableiben mußten, und nun wollte das Mädchen von Papetee sie auch noch dazu allein lassen – das ging unter keiner Bedingung an.

Die Franzosen, von denen einige mit ihren Seitengewehren bewaffnet waren, drei oder vier sogar ihre schweren Musketen trugen, andere jedoch in die leichte Tracht der Europäer auf den Inseln, weite Hosen und Jacken und breiträndigen Strohhut gekleidet gingen, kamen indeß näher und näher und steuerten, als sie die bunten Kleider der Mädchen vor dem Haus erkannten, gerade auf die kleine hier befindliche Gruppe zu.

Die Männer oben hörten dabei auf zu singen, und blickten finster auf die ungebetenen Gäste, die hier die Heiligkeit des Sabbath sowohl wie des eigenen Hauses störten, und die Mädchen rückten enger zusammen, und flüsterten ängstlich miteinander, denn die Feranis kamen gerade auf sie zu, und blieben lachend und plaudernd vor ihnen stehen. Sie wagten nicht einmal zu ihnen aufzuschaun. Nur der alte Fanue verharrte, die Arme fest auf der Brust gekreuzt, in seiner Stellung, und sah die Fremden ernst und fragend an.

»Hallo Waihine's!« rief da der Eine der Franzosen in ihrer Sprache – »auf mit den Köpfchen, was haltet Ihr das Kinn auf der Brust und das Näschen im Schultertuch – aufgeschaut Dirnen und laßt ein vernünftig Wort mit Euch reden. – Vor Allem sollt Ihr mir eine Frage beantworten, und ich weiß Ihr könnt, wenn Ihr wollt.«

Die beiden Töchter Fanue's wandten ihr Antlitz trotzig ab, und nur die Fremde senkte ihr Köpfchen tiefer und tiefer, und glühendes Roth schoß ihr über Wange und Stirn und färbte ihr den Nacken selbst bis unter das Oberkleid. Der alte Fanue aber, die Verlegenheit der Mädchen bemerkend und kaum noch im Stand den Zorn zurückzuzwingen der in ihm kochte und gährte, sagte finster, die Feinde seines Vaterlandes mit den Augen messend:

»Und was habt Ihr für Fragen zu stellen und zu einem Haus zu kommen, zu dem man Euch nicht das hare mai gerufen hat? – fort mit Euch wohin Ihr gehört auf Euere Schiffe, und mit denen weiter über das blaue Wasser nach den Lee-Inseln; unsere Augen schmerzen von Euerem Anblick.«

 

»Dir wird bald noch etwas anderes schmerzen, alter Bursche, wenn Du so unverschämte Reden führst!« rief Einer der Bewaffneten drohend; »übrigens hat kein Mensch mit Dir gesprochen, sondern mit den Dirnen hier, so warte hübsch bis Du gefragt wirst – hallo hier Waihine, gieb Antwort mein Kind, und vor allen Dingen mir einen Kūß« und sich niederbeugend zu ihr, legte er seinen rechten Arm um ihren schlanken zitternden Körper, während sie sich ihm mit lautem ängstlichem Ruf zu entziehen suchte.

Der alte Fanue sprang in grimmer Wuth empor, zu gleicher Zeit hatte aber auch Einer der Franzosen das Mädchen von Papetee erkannt, und den Arm nach ihr ausstreckend rief er in freudigem Staunen:

»Nahuihua – bei Allem was da lebt – die Perle die ich suchte; da bist Du ja, Mädchen!«

»Zurück – Le-fe-ve« – rief aber die Schöne mit zornfunkelnden Augen – »zurück falscher Wi-Wi – todtmüde auf der Matte liegt drin im Haus Aumama – und sie hat den Fluch über Dich gesprochen.«

»Aumama?« rief Lefévre etwas bestürzt, »sie ist hier?« jede weitere Unterhandlung wurde aber rasch und plötzlich durch den greisen Häuptling selber abgeschnitten, der mit zornfunkelnden Augen zwischen die Fremden sprang und Lefévre, denn dieser war es wirklich, an der Schulter faßte und zurückschleuderte von dem Mädchen. Er hatte den Namen gehört und dachte in dem Augenblick nicht an die Folgen.

»Fort mit Dir!« schrie er und sein Auge blitzte – »fort mit Dir falscher Wi-Wi, oder diese Hand greift noch einmal nach der Kriegskeule und dem Speer, nach dem es mich lange und lange gejuckt hat; fort mit Dir, meineidiger feiger Huapareva11 oder Du sollst den Tag verfluchen der Dich zu unserem Leid an diese Küste gebracht!«

»Teufel!« schrie aber Lefévre in toller Wuth, der von der kräftigen Hand des Alten seitab geschleudert wirklich Augenblicke brauchte sich im Gleichgewicht zu halten daß er nicht zu Boden fiel – »Teufel!« und sich in wildem Grimm auf ihn werfend, wollte er einen Schlag nach ihm führen, aber der Alte kam ihm zuvor, warf seinen Arm zur Seite und traf ihn mit kräftiger Faust dermaßen gegen die Stirn, daß er betäubt einen Schritt zurücktaumelte.

»Rebellion!« schrie da Einer der Bewaffneten, und den Hahn spannend und die Flinte emporreißend, schlug er auf den ihm trotzig gegenüberstehenden Häuptling an und feuerte. Die Kugel wäre dem alten Mann auf die kurze Entfernung auch jedenfalls verderblich gewesen, hätte nicht Nahuihua, während die beiden anderen Mädchen flüchteten, selber den Lauf des Gewehres gerade noch zur rechten Zeit emporgeschlagen, das tödtliche Blei durch das Dach des Hauses zu senden.

Jetzt aber sprangen auch die andern Männer empor, an dem beginnenden und in der That nicht mehr zu vermeidenden Kampfe Theil zu nehmen; Lefévre nur, der sich rasch von dem Schlag erholte, kümmerte sich nicht weiter um den Alten, auf den sich schon zwei der Soldaten geworfen hatten, ihn nieder zu reißen und als Gefangenen mitzunehmen, sondern sprang mit einem Satz auf die zusammenschreckende Maid, die in Todesangst der Schwester Namen rief, faßte sie mit unwiderstehlicher Gewalt in seine Arme, hob sie, trotz allem Sträuben und Wehren vom Boden auf, und floh mit ihr den Pfad hinunter, den Strand und mit ihm sein Boot zu erreichen, und seine Beute in Sicherheit zu bringen.

Mehre Schüsse wurden indessen oben gefeuert und unter dem Zeterschrei der Frauen stürzten zwei der Insulaner, der Eine schwer verwundet, der Andere todt, zur Erde nieder. Auf der Schwelle der Hütte aber erschien, gleich nach dem ersten Schuß, eine andere Frau, ein junges schönes Weib, die Haare aber wild und ungeordnet um Stirn und Schläfe hängend, das Schultertuch selbst gelöst und nur von der linken Hand zusammengehalten, wild und verstört wie sie aufgesprungen aus festem Schlaf nach langer Wanderung und Ermattung. Aber nur einen Blick warf sie auf die Kämpfenden, ihr Auge suchte ein anderes Ziel, und mit der Schwester Hülfeschrei erkannte sie kaum die Gestalt, in deren Arm sie sich sträubte, als sie auch, alles Andere um sich her vergessend, vorsprang sie zu retten – sich selber zu rächen.

Dicht vor ihr rang Einer der Soldaten mit einem Insulaner, und der Indianer hatte dessen Gewehr gepackt, das er ihm zu entwinden suchte, sein kurzer Degen aber hing in der Scheide, ihrem Griff frei, und mit Gedankenschnelle die Waffe an sich reißend, floh sie den Hang nieder. Das Schultertuch flog ihr von den Achseln, die Haare flatterten wild hinterdrein, aber was achtete das die Rasende – wie eine zürnende Göttin ihres Waldes, und so schön wie zornig, flog sie dahin, die Füße kaum den Boden berührend, und ehe noch der Räuber den Waldrand erreicht war sie dicht hinter ihm.

»Le-fe-ve!« hauchte sie, und kaum brachte sie das Wort über die Lippen, aber der Fliehende hörte es und es traf ihn wie ein Stoß in's Herz – »Le-fe-ve!« und er wandte den Kopf, ließ aber auch in dem nämlichen Moment die Gefangene frei, die ihm unter den Händen fort und in die Büsche glitt, während das zürnende Weib mit geschwungener Wehr gegen den erschreckt Zurückfahrenden ansprang.

»Dieb!« schrie sie mit heiserer fast erstickter Stimme, »falscher schurkischer Dieb!« und wäre die schwache Hand gewohnt gewesen eine Waffe zu führen, der Schlag mit dem sie nach dem Haupt des Verräthers niederschmetterte, hätte für diesen keinen zweiten nöthig gemacht. Selbst so traf er den rechten Arm, den er schützend vorgestreckt, daß er kraftlos an seiner Seite niederfiel, und Lefévre wagte nicht dem zweiten Hieb, wagte nicht länger dem zürnenden Auge der von ihm so schändlich verrathenen Frau zu trotzen, und floh in feiger Angst, rücksichtslos wohin die Flucht ihn brachte, in den Wald hinein und den Hang nieder, zum Strand zurück.

Von dort aber stürmten indeß die Franzosen gleich nach dem ersten Schuß in wilder Eile bergauf, dem Schauplatz des Kampfes zu, wo sich indeß die Sachlage wesentlich verändert hatte.

»Sind wir Hunde?« schrie der alte Fanue in grimmer Wuth den, ihm zu kurzem, Athem verlangenden Waffenstillstand gegenüberstehenden Feinden zu – »daß Ihr uns so behandelt? – wir waren ein ruhiges Volk, wir wollten Frieden, aber Ihr laßt uns nicht Ruhe, Ihr reizt uns bis in das innerste Herz hinein, so nehmt denn auch die Folgen!«

»Die Bestie droht noch!« schrie ein Soldat, »so, das für Dich, Du rothe Giftkröte!« und auf ihn anschlagend zielte er ihm auf den Kopf und drückte ab; aber die Kugel zischte ihm dicht am Ohr vorbei, das sie leicht streifte, und schlug in den hinter ihm stehenden Brodfruchtbaum. In demselben Augenblick hatte sich aber auch der alte Häuptling auf ihn geworfen, und ein kleines Handbeil hoch geschwungen in der Hand, traf er damit die Stirn des Unglücklichen daß er, mit dem Todesröcheln auf den Lippen leblos zusammenbrach.

»Nieder mit den Verräthern!« schrieen die Franzosen, »hierher Kameraden – hierher zu Hülfe!« und einzelne Schüsse fielen; aber aus dem benachbarten Orangendickicht, während eine Schaar von französischen Soldaten den Pfad heraufstürmte, brach ein dunkler Haufe von Eingebornen, nicht unbewaffnet, sondern mit blitzenden bayonnetbewehrten Musketen in der Hand, und den Franzosen gerade gegenüber feuerten sie mitten hinein in den Schwarm, der sich also überrascht und bestürzt in der Flanke angegriffen sah. Der gellende Kriegsschrei tönte zugleich von den Lippen der Insulaner, und wurde von allen Seiten her beantwortet. Die Franzosen aber merkten jetzt wohl daß sie es in kurzer Zeit mit einem, ihnen weit überlegenen Feind würden zu thun bekommen, während sie sich hier höchst leichtsinniger Weise zu weit von dem Strand entfernt hatten, und in dem dichten Gebüsch dem schlauen Gegner viel eher in die Hand gegeben waren. Fest deshalb zusammenrückend, und jetzt nur auf Vertheidigung bedacht, feuerten sie ihre Gewehre gegen die Angreifer ab und zogen sich dann, ihnen die Bayonnette entgegengestreckt und die Unbewaffneten in ihre Mitte nehmend, den Weg zurück den sie gekommen. Die Insulaner aber, voll Grimm und Wuth über das vergossene Blut der ihren, und durch den Rückzug des Feindes nur noch mehr ermuthigt, warfen sich in toller Todesverachtung ihnen entgegen, und manche schwere Wunde wurde noch gegeben und empfangen, ehe die Franzosen den offenen Strand wieder erreichten.

Hier von den ihrigen unterstützt, wollten sie einen neuen Angriff machen, theils die Insulaner zu züchtigen, theils einzelne ihrer Verwundeten, die sie hatten nach dem ersten Anprall zurücklassen müssen, zurück zu erobern, und nicht gefangen, wer wußte welchem Schicksal, zu überlassen; aber das was sie fanden war mehr als Widerstand, es war der endlich losgebrochene Grimm eines mißhandelten Volkes, und mit dem alten Fanue an der Spitze, der schon aus vier oder fünf Wunden blutete, warfen sich die Eingebornen dem viel besser bewaffneten Feind mit solcher Hartnäckigkeit und Todesverachtung immer auf's Neue entgegen, daß dieser zuletzt in voller Flucht die Boote suchen und nach dem Schiffe zurückrudern mußte. Dieses eröffnete jetzt, da die eigenen Leute den Kugeln nicht mehr im Wege standen, ein unregelmäßiges aber von wenig Erfolg begleitetes Feuer auf die Eingebornen, die sich dabei wieder in den Wald zurückzogen, und die Corvette, mit keiner Ordre hier einen wirklichen Kampf zu beginnen, der sogar höchst unsicher schien da die Eingebornen wider alles Erwarten reichlich mit Feuerwaffen versehen waren, lichtete ihren Anker und suchte so rasch sie konnte wieder nach Papetee aufzukreuzen, dorthin die wohl schon erwartete, aber jedenfalls höchst unwillkommene Nachricht von dem Aufstand der Insulaner zu bringen.

An Todten und Verwundeten hatten sie bei diesem ersten Kampf zwischen vierzig und fünfzig verloren, von denen sie nur einen Theil im Stande waren wieder auf ihre Boote in Sicherheit zu bringen; fast alle Todte und viele der Verwundeten blieben in der Gewalt der Feinde.

Von Papetee wurde, sobald die Nachricht dort eintraf, augenblicklich ein Kriegsdampfer, und die Jeanne d'Arc mit den nöthigen Marinesoldaten abgeschickt, die Insurgenten zu züchtigen und zu zerstreuen, während die Eingebornen um Papetee, die noch rascher durch abgeschickte Läufer Kunde von dem Beginn der Feindseligkeiten erhalten, ebenfalls zu den Waffen griffen und sich in nicht unbedeutenden Schwärmen in der Nähe der jetzt vollständig befestigten Stadt, wo man jeden Augenblick einen Angriff erwartete, sammelten. Die Lage der Franzosen in Papetee wurde dadurch denn auch zu einer keineswegs angenehmen, da die Uranie, wie mehre andere Kriegsschiffe, den Hafen erst ganz kürzlich verlassen hatte, einen temporären Westwind benutzend, die Marquesas zu erreichen. Die Besatzung, durch das Auslaufen der übrigen, irgendwo an der Küste verlangten Fahrzeuge, blieb deshalb fast allein nur auf sich selber angewiesen, und war sich der Gefahr in der sie, einem wirklich ernsten Angriff der Eingeborenen gegenüber, schwebte, recht gut bewußt.

11Das Ei des Vogels Pareva das oft in der See, auf altem Schilf schwimmend gefunden wird, und womit die Insulaner Personen von unbekannter dunkler Herkunft vergleichen.