Tasuta

Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Capitel 7.
Unterwegs

René betrat rasch das kleine sonst so freundliche jetzt aber nur von einer einzigen düster brennenden Lampe kaum erleuchtete Gemach – eine eigene Angst, über die er sich eigentlich keine Rechenschaft zu geben wußte, preßte ihm das Herz zusammen, und nur zum Theil beruhigte es ihn, als ihm Sadie entgegen kam und beide Hände für ihn ausstreckte. Er zog sie leise an sich, und sie schmiegte ihr Köpfchen fest, fest an seine Schulter, ohne ein einziges Wort zu sagen, ohne einen Laut auszustoßen.

»Arme Sadie,« flüsterte er leise, und küßte sie auf die heiße glühende Stirn – fester drückte sie sich an ihn, aber sie athmete kaum, und René fühlte wie sie in seinem Arm zitterte.

»Wir wollen zu Hause gehen, mein süßes Lieb,« sagte er flüsternd zu ihr niedergebeugt, und sie nickte heftig an seiner Brust, aber ohne zu reden – das Herz war ihr so voll – so voll und so weh. Schweigend nahm er seinen Hut, den Madame Belard schon für ihn zurechtgestellt, und seinen Arm um ihre Schulter legend, sie zu stützen zugleich und zu führen, verließ er mit ihr das erleuchtete, Luft und Leben athmende Haus, durch eine Hinterthür das Freie suchend, da vorn, den hellen Fenstern gegenüber, hundert von Eingeborenen standen und lagen, den Tönen der Instrumente, den wunderlichen Melodien lauschend, bis hie und da eine Aehnlichkeit im Takt durch die Glieder Einzelner zuckte, und sie zum Tanz antrieb aus freier Hand, mitten auf der Straße draußen.

Durch den Garten, unter den thauigen Bananen und Orangen schritten sie hin, langsam und schweigend den schmalen Pfad entlang, auf den der Mond nur mühsam durch Palmenkrone und Brodfruchtwipfel einzelne seiner Strahlen konnte niederwerfen. Eine schmale Pforte führte auf die äußere Straße, und dieser folgend erreichten sie bald den düsteren Palmenhain, der vom Fuß der Hügel ab bis dicht an den Strand reichte und von dessen Wellen selbst seine Wurzeln bespühlen ließ.

»Du solltest Dich freuen an unseren Sitten und Vergnügungen,« sagte endlich René leise, als sie schon lange schweigend neben einander hingeschritten und René nur ängstlich bemüht gewesen war, die dicht an ihn angeschmiegte Gestalt des jungen Weibes vor allen Unebenheiten des Weges zu bewahren. »Du solltest tanzen und fröhlich sein, und hast nur Schmerz dort gefunden und Herzeleid.«

Sadie wollte sprechen; René fühlte wie sie sich von seinem Herzen halb emporrichtete, aber es war auch als ob ihr die Kraft oder das Wort dazu fehle.

»Bist Du mir böse, Sadie?« sagte René endlich nach langer Pause, und suchte dabei ihr Antlitz zu sich emporzuheben.

»Nein René,« flüsterte die Frau leise und schüttelte langsam den Kopf – »nein, nicht böse – aber – aber eine Bitte hätte ich an Dich.«

»Und nenne sie mein Herz.«

»Du warst so glücklich in Atiu« – fuhr Sadie nach kurzem Zögern fort, – »kein Schmerz, kein Weh drohte unseren Frieden zu stören. Dort – waren keine weißen Männer und Frauen weiter,« fuhr sie mehr Muth gewinnend, aber doch immer noch schüchtern fort, »dort warst Du Einer der Unseren geworden, Alle hatten Dich lieb, und ich selbst – war ein Kind des Bodens und fand dort meine Heimath. Hier sind wir fremd, und der Charakter des Landes ist, durch Deine Landsleute, wie auch durch die Engländer ein anderer geworden. Die weißen Menschen dünken sich besser in ihrer Farbe,« fuhr sie wieder leiser fort, »als wir, denen die Sonne dunklere Haut gegeben. Sage mir Nichts dagegen, René, ich weiß es, und so weh es mir thut, ich wollte es gern ertragen um Deinetwillen – wenn ich nicht eben Deinetwillen Dich bitten müßte wieder mit mir fort von hier zu ziehen.«

»Meinetwillen, Sadie?« sagte René, aber es war ihm nicht Ernst mit der Frage und Sadie wußte es.

»Wenn Du es nicht selber fühlst, René,« sagte sie traurig, »mit Worten kann ich es Dir nicht beschreiben; ich kann Dich auch nur versichern daß ich die Ueberzeugung habe wie wir Beide recht, recht unglücklich werden würden, wenn wir hier blieben.«

»Aber mein Geschäft,« sagte René.

»Trägt nicht die Cocospalme Milch im Ueberfluß,« bat Sadie, sich fester an ihn schmiegend, »hängt nicht die Brodfrucht voll und reif am Zweig, und die Orange bietet Dir die Frucht, indem sie ihre duftenden Blüthen auf Dich niederschüttelt; hast Du nicht mich – Dein Kind? – liegt nicht der Frieden Gottes auf jenem stillen kleinen Inselreich, das Seine Huld mit Allem ausgestattet was lieb und schön und gut und fruchtbar ist? Sieh René,« setzte sie lauter, fester hinzu, »ich habe Alles gethan was Du von mir verlangt; ich habe mir Deine Sitten angeeignet, so weit es in meiner Macht stand, ich trage Euere Kleidung, ich spreche Euere Sprache, ich habe mein Herz Dir gegeben, Dir, nur Dir allein – und meinem Kind. Nur – nur die Farbe konnt' ich nicht ändern, die Gott meiner Haut gegeben – ich bin ein Kind dieser Inseln, und als solches hast Du mich lieben gelernt, und zu Deinem Weib genommen. Aber meine Schwestern hier auf Tahiti sind anderer Art – nicht mit so treuer Sorgfalt erzogen wie ich, leben sie meist wüst und wild in den Tag hinein – und Deine Landsleute tragen viel die Schuld. Du hast heute erfahren in welcher Achtung die Insulanerin bei ihnen steht – willst Du noch länger Zeuge sein wie sie mich kränken und niederdrücken? – und doch hast Du nicht den zehnten Theil von dem gesehen was mir wie Messer in die Seele schnitt, nicht die kalten verächtlichen Blicke einzelner Frauen – nicht die leichtfertigen Worte gehört, die mir, heimlich oft, oft ohne Furcht und Scheu in die Ohren geflüstert wurden, und das Blut in die Wangen jagten. Ich gehöre nicht unter jene Menschen, ich passe auch nicht für sie, sie nicht für mich, und willst Du hier bleiben auf Tahiti, magst Du Dich nicht trennen von dem jetzt vielleicht lieb gewonnenen Leben, so laß mich daheim bei meinem Kind, René, dorthin gehör' ich, den Platz füll' ich aus, und unsere Hütte mag Dir selber eine Heimath werden – aber Atiu wird es uns doch nie ersetzen. – O zögest Du zurück, René.«

René erwiederte Nichts; schweigend schritten sie neben einander hin, und tolle Bilder zuckten ihm durch Sinn und Hirn, denen er nicht Form, nicht Deutung zu geben vermochte. Das geschäftige, wenn nicht gesellige Leben Papetees war ihm schon theilweis zum Bedürfniß geworden, dem er nicht gern entsagen, das er sich aber noch weit weniger gestehen mochte, und doch auch wieder fühlte er in unbestimmter Ahnung die Gefahr, die seiner häuslichen Glückseligkeit hier drohen könne. Er sah sich in Kampf und Streit mit Europäern, von den Indianern angefeindet seiner Religion und Abstammung, von den Europäern verachtet seiner Heirath wegen, und durch das Alles, wie ein blendender neckischer Strahl, zuckte das weiße, wunderschöne Antlitz des fremden Mädchens, das kalt und höhnisch auf ihn niedersah und seiner Angst und Qual da unten nur zu spotten schien. Jetzt gerade sollte er Papetee verlassen, wo sie hier erschienen war, daß sie wohl gar nachher sich rühmte, er sei vor ihr geflohen? – bah – was war sie ihm? – ihre Schönheit konnte ihn nicht locken, Sadie war schöner – und ihr Geist? – ihr fehlte die milde Weiblichkeit die der Geliebten jenen unendlichen Reiz verlieh. – Und ihre Farbe – blindes thörichtes Menschenvolk, den Werth eines Herzens nach der Schaale oder Farbe zu schätzen, und die süße Frucht gar deshalb zu verachten, weil sie von der Sonne etwas mehr gebräunt. Und doch war gerade das jetzt dem jungen ehrgeizigen Mann ein bitteres schmerzliches Gefühl, daß sie mit jenem kalten Lächeln auf ihn niedersehen konnte; der Gedanke wurde ihm zur Qual, und ein Seufzer hob seine Brust. Es war zum ersten Mal der Wunsch daß die Geliebte seiner Farbe wäre, und Sadie hörte und verstand den Seufzer, denn sie senkte das Köpfchen und schritt lautlos neben ihm hin.

So erreichten sie den stillen freundlichen Platz der ihre Heimath war, das matte gedämpfte Licht das aus dem einen verhangenen Fenster quoll, beleuchtete den Schlaf ihres Kindes, die Palme die ihren breiten Wipfel darüber hing, rauschte leise und feierlich, und es war als ob sie dem Schlaf des Lieblings lausche und ihm bunte freundliche Träume zuflüstere über sein kleines Bett.

Fast unwillkürlich blieben die beiden Gatten stehen, und wie ihr Blick auf dem friedlichen Dache ruhte, das ihnen das Theuerste umschloß, als René der tausend glücklichen, seligen Stunden gedachte, die er schon dort mit seinem trauten Weib verlebt, und nun auch die frühere Zeit – die erste Zeit seiner Liebe, seiner Hoffnungen, des errungenen, so schwer errungenen Glücks in vollen lebendigen Farben emporstieg vor seinem inneren Geist, wie er damals den Augenblick gesegnet in dem er dieses Paradies zuerst betrat, da überkam ihn ein recht weiches, reuiges Gefühl, und sein Weib, sein treues braves Weib fest an sich ziehend, preßte er seine Lippen an ihre glühende Stirn, und das Liebeswort »Sadie« erstarb in dem langen, heißen Kuß.

»Komm,« flüsterte sie endlich, und entzog sich leise seiner Umarmung – »komm!« und seine Hand ergreifend, führte sie den Gatten an das Bett des Kindes.

Oh wie so süß der kleine Liebling ruhte; die Lampe, von einem breiten Bananenblatt verdeckt, warf nur den matten grünen Schein über den schlummernden Engel hin; die langen seidenen Wimpern lagen voll und dicht auf den von Schlaf gerötheten blühenden Wangen, und ein liebes herziges Lächeln spielte um die fein und zart geschnittenen Lippen. Engel flüstern mit dem Kind, wenn es im Schlafe lächelt, und das Mutterherz sieht des Schutzgeistes Fittiche ausgebreitet über dem Liebling.

Komm lieber Leser, komm – siehst Du die Gruppe dort, das Herz des Weibes an des Mannes Brust, Mutter- und Vaterliebe dem Schlaf der Unschuld lauschend und Gottes Segen niederflehend auf das Haupt des schlummernden Kindes? – Und darüber die rauschende Palme, das Bild des Friedens? um sie her aber den stillen rauschenden Wald, und der Sterne blitzende Schaar die Zeugen des erneuten Bundes? – komm, leise, leise daß Du es mir nicht störst, das freundliche Bild. – Wohin? – nach dem Strand führ' ich Dich – hörst Du die Brandung rauschen über die Riffe hin? – sie donnert ihre alte ewige Weise unverdrossen fort, aber doch heimlicher, ruhiger heut' Nacht, als ob sie selber sich scheue den heiligen Frieden zu stören, der auf der wunderschönen Insel ruht, und wie des Mondes Scheibe dort oben über den Gebirgshang herübersteigt und sein Licht über die See gießt, blitzt ihm die Brandungswelle im weiten silbernen Streif den Strahl zurück. Komm, dort unten liegt mein Canoe, und jenes freundliche Licht leuchtet uns auf unserer Bahn. So, steig nur ein und fürchte sein Schwanken nicht, der Luvbaum schützt es vollkommen vor jedem Umschlagen, jeder weiteren Gefahr, und durch die Corallenriffe hin steuere ich Dich in dem scharfgebauten Kahn über das Mond beleuchtete Wasser anderen, wenn auch nicht so friedlichen Scenen zu.

 

Klares Wasser unter uns – tief, tief liegt es dort unten in »purpurner Finsterniß« und lichte glühende Punkte ziehen und blitzen durch die geheimnißvolle, dem Menschenauge noch unerschlossene Welt. Dort unten baut der Korallenbaum nach rechts und links hinüber seine Wälle und Dämme, gegen die Jahrtausende die wilde Brandung schlägt, und im Innern dort hat er sich sein stilles Haus gebaut und sein cristallenes Dach gewölbt, und jetzt bei Nacht entzündet er die grünen Lichter alle, und wie ein Feeendom blitzt es und strahlt's zu Dir hinauf.

»Die Sterne, wenn sie alt werden und sterben, fallen sie in's Meer,« sagt Dir der Indianer, »und dort feiern sie ihre Wiedergeburt und tanzen und werden wieder jung« – aber glaub's ihm nicht; tief unten in dem Corallenwald, dessen eng und dicht verschlungene Zweige neidisch das ihnen anvertraute Geheimniß wahren wollen, tanzt das fröhliche Nixenvolk, das eigene Haar von blitzendem Licht durchflochten, den frohen Reigen, huscht unter den Bäumen hin, herüber und hinüber, und fährt hinauf und hinunter oft wie ein zündender leuchtender Strahl. Und der träumende Fischer oben, der in seinem Canoe liegt und staunend niederschaut in die ihm fremde wunderbare Welt, sieht die Lichter und folgt ihrem Zucken und Schießen mit den Augen, und glaubt auch manchmal daß er unter, neben sich – doch nein, hätt' er die Geister wirklich je belauscht, er würde nie zum Strande wiederkehren; nur an der Schwelle darf er stehen, wie die Natur uns Alle auf der Schwelle läßt, und keinen Blick erlaubt in ihr geheimes wunderbares Wirken.

Weiter – schau nicht zu lang hinab, Dich schwindelt; und siehst Du den lichten Streif da drüben, der schon zweimal herüber und hinüberschoß, und dort zu Hause scheint, wo der Corallenhang die weiten Arme aufwärts wirft – das ist ein Hai, der unserem Kahne lauernd folgt – ein Wächter seinen Gebietern da unten.

Sieh, am Bug kräuselt und zischt die Fluth und aus dem silberglühenden Schaum blitzt sie Diamanten gleich funkelnde knisternde Lichter aus über das ruhige Wasser, auf dem sie eine Weile rasten und dann zerfließen. Mehr und mehr schwindet das Ufer zurück, und wir sehen den Schatten der Palme nicht mehr in der klaren Fluth, wie sie den Wipfel weit weit hinüberreicht sich zu spiegeln, und Morgens die Thautropfen niederzuwerfen in ihr eigenes Bild. Der Berg mit seinen gewaltigen Umrissen tritt massenhaft hervor, und links von uns donnert und schäumt die Brandung und springt höher empor, und rollt lauter und heftiger, als ob sie sich unserem Nahen widersetzen und uns zurückscheuchen wolle aus ihrer Nähe.

Dicht an der Corallenbank hin gleiten wir – so dicht, daß wir mit dem Ruder die hochaufzackenden starren Zweige berühren und Seeigel und Stachelei in ihren schimmernden strahligen Betten im matten Phosphorschein können liegen sehen – schärfer kräuselt das Wasser am Bug und einen Gluthstreifen zieht hinter dem Canoe die aufgerührte Welle. Weiter – von düsterer Nacht gedeckt, auf dem der Mond wie ein Silberschleier liegt, und nur den eigenen Strahl zurückzublitzen scheint, dehnt sich das waldbewachsene Ufer aus an unserer Rechten, mit seinen dunklen Orangen- und Guiavenschatten, seinen fächerblätterigen Pandanus und wehenden Palmen.

Weiter – die aufgescheuchte Möve, die im raschen Kreisschwung über die Fluth streicht stößt nieder nach dem dunklen Schatten des Canoes, flattert zurück, kehrt wieder, und abschweifend in weitem gewaltigen Bogen verschwindet sie in dem dämmernden Zwitterlicht, und nur der scharfe Schrei tönt noch aus dunkler Ferne zu uns her, die Bahn verrathend der sie jetzt folgt.

Sieh wie düster das Vorgebirge sich da hinauslagert in See, einem riesigen Ungeheuer gleich das vom Gebirge niedergestiegen und sich hier hineingeworfen in die klare Fluth, die heißen Flanken zu kühlen und den lechzenden Schlund – und das Brausen des Wassers – ist es doch fast als ob das schwere Athmen des Kolosses herübertöne in langen gewaltigen Pausen.

Daran hin gleitet der Kahn; so dicht – durch die Palmen am Ufer kannst Du das südliche Kreuz erkennen, wie es sich um des Südpols Axe dreht – und dort drüben die Lichter? dort liegt die Grenze unserer Poesie – die Compaßlichter sind's der im Hafen ankernden Schiffe, und in den offenen Luken liegen eherne Feuerschlünde, wie schlafend jetzt im Bau, jeden Augenblick aber bereit die eisernen Todesboten hinüberzusenden an diese stillen Ufer.

Unter jenem stolzen Schiff fahren wir hin – der Talbot ist's – und der Mann dort, der das Kinn auf den Arm gestützt, träumend nach uns herüberschaut der wachthabende Matrose, der schon lange das nahende Boot beobachtet hat, und heimlich den Kopf schüttelt was die stillen Ruderer hier draußen in der Bai thun so spät in der Nacht. Wie stolz und symmetrisch die Masten, mit ihrem spinnewebartigen Gewirr von Tauen und Stagen scharf und klar abzeichnen gegen das hellere Firmament, und wie leicht und elastisch der stattliche Bau auf dem Wasser ruht, der Möve gleich die schlummernd die weiche Woge gesucht, sich in Schlaf zu schaukeln durch die stille Nacht.

Und da drüben? – der schlanke wespenartige Bau kündet ein anderes Kriegsschiff, die Jeanne d'Arc, bedroht wie es fast scheint von dem Talbot hier und dem Vindictive da drüben, jenem gewaltigen Koloß, der die Mündungen seiner Kanonen auch hier herüber gerichtet hält; aber die Zähne gerade so weisend wie der stärkere Feind und mit entschlossenem Trotz liegt die Corvette still und ruhig in so gefährlicher Nachbarschaft, und mit der Morgensonne grüßt nicht rascher der erste Strahl die stolzen Flaggen Albions, als ihre drei Farben lustig im Winde flattern.

Welch ein eigenes wunderliches Bild in der Fluth da unten, wie die Schatten der dunklen Raaen herüber und hinüberziehen, und die Sterne ihr Bild daneben suchen in dem unheimlich düsteren Wasserspiegel.

Horch auf dem Kriegsschiff tönen die Schläge einer Glocke, »sechs Glasen« schlägts, es ist elf Uhr, und kaum hat die Glocke der Ankerwinde, vorn auf dem Vorcastle des Vindictive dem Compaßschlag geantwortet, als in rascher Reihenfolge, die Jeanne d'Arc mit dem Talbot zu gleicher Zeit, und nach ihnen alle Schiffe in der Bai die Stunde schlagen. Alles ist wieder still und ruhig wie vorher, so lautlos liegt die Nacht auf dem kaum athmenden Meer, daß man den Schritt der einzelnen Wache auf dem nächsten Deck des französischen Kriegsschiffs deutlich hört, und das leichte Summen einer heimischen Melodie tönt leise, mit dem regelmäßigen Gang, zum Takt über das Wasser. Da beginnt noch ein Schiff die versäumte Zeit langsam nachzuschlagen – die französische Schildwacht lacht, und zählt, mit Singen einhaltend, die schläfrigen rauhen Schläge einer gesprungenen Glocke.

Von dort her kommen sie, von dem Wallfischfänger der gerade in unserer Bahn liegt, und der Mann der die Wacht hatte schlief so sanft in Lee vom Boot und träumte so süß, als das Schlagen der Glocken wieder und immer wieder zu ihm herübertönte. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – erst fein und dann tief – er zählte sie von allen Schiffen, und als wieder Alles still und ruhig geworden, und er in seinem Halbschlaf lange gewartet hatte daß die klappernden Töne seines eigenen faulen Schiffes, der einst so rüstigen Kitty Clover, wie immer den Nachtrab aufbringen sollte, da erst fiel es ihm ein daß er selber heute das Amt habe die alte lebensmüde Glocke sprechen zu machen, und mit einem leise gemurmelten Fluch suchte er sich zusammen, stand auf und den Klöppel anziehend daß er im Mißton sechsmal gegen die geborstene Seite dröhnte, brummte er bei jedem traurigen Schlag:

»Verdamme Dich – altes – geborstenes – klapperndes – schnarrendes – Lärmeisen Du! S'ist ein Skandal für die ganze Nachbarschaft,« setzte er dann knurrend hinzu, als er den Lagerplatz wieder suchte unter dem Boot, den Mondstrahlen wenigstens aus dem Weg zu gehen, und nicht aufzuwachen am andern Morgen mit geschwollener Physionomie.

Der Mond fällt jetzt voll und licht gegen die Flanke des schmutzigen, von Rauch und Theer geschwärzten, thranigen Fahrzeugs der Kitty Clover – die Segel die gestern zum Trocknen gelöst worden, hängen halbaufgegeit, die breiten Theerstreifen der Reefer zeigend8 an den Raaen; die kurzen Masten mit dem breiten Sitz für den Ausguck darauf, die Boote aufgezogen und mit Cocosblattmatten dicht bedeckt, die heiße Sonne über Tag davon abzuhalten, das zerfetzte Kupfer am Bug, das Zeichen einer langen Reise, Alles kündet das Geschäft des Wallfischfängers, und doch liegt er hier träge und faul, mitten fast in der guten Jahreszeit, zu ruhen und träumen, statt im Norden oben den Fischen aufzulauern und seinen Rumpf zu füllen.

Dicht unter seinen Krahnen gleiten wir hin, und freier dehnt sich die Bai hier vor uns aus. – Siehst Du da drüben die kleine Palmen bewachsene Insel, links der Einfahrt zu? – Motuuta ist's, der Königssitz der Pomaren, der stille Zeuge ihrer früheren Macht und häuslichen Glückseligkeit. – Vorbei; so ist die Zeit der Pomaren, vorbei; ihre Macht ist zum Spott geworden zwischen Engländern und Franzosen; zum Spiel, um das beide Nationen vielleicht mit Kanonenkugeln würfeln, oder es auch dem einen Gegner, als nicht der Mühe werth des Streits, freiwillig überlassen.

Weiter – aus den dunklen Schiffen heraus, deren düstere Rumpfe lange Schatten werfen, und das weiche Mondlicht um sich her einzusaugen scheinen, gleiten wir vor. Funken sprühend ordentlich in der elektrischen Fluth, schießen wir dahin, das leichte Ruder den scharfgebauten Kahn fast über die Welle hebend die ihn trägt. Da drüben liegt der Strand – weit und silbern dehnt sich der mondbeschienene Muschelkies und blitzt und funkelt, und die Woge quillt auf dagegen und saugt und breitet darüber hin, zurückweichend nur den funkelnden Schaum ihm lassend, der in Atome auseinanderfließt.

Erreicht haben wir jetzt das lange niedere, palmenbewachsene Land, den rechten Arm der Bai, die ihn schützend vorhält gegen den Passat, und kleine hochgebaute Gerüste laufen ein Stück hier in See hinaus, von dem sandigen Strand ab, Seebooten auch bei niederem Wasserstand die Anfahrt zu gestatten.

Aber was braucht das Canoe solcher Hülfe, das schattige Ufer zu erreichen? – risch hin, mehr über wie durch das Wasser schießt's auf der klaren Fluth, und das Ruder das es vorwärts treibt, hebt es und zwingt es, selbst über Coralle und Sandbank fort, dem weißen Muschelkies entgegen. Bambusstäbe sind hier überall dem Grund eingestoßen, ein Zeichen für Fischer und Boote von tieferem Wasser; mitten zwischen ihnen durch springt das Canoe, und wie die aufgebogene Spitze in vier Zoll Wasser den Sand berührt, hebt sich das schlanke Boot und sitzt fest. – Nur hinaus, ob uns das warme salzige Naß den Fuß auch netzt, am Cocosbasttau ziehen wir den Kahn hoch hinauf auf's trockene Land, daß ihn die rückkehrende Fluth nicht hebt und fortführt, und durch der Gärten schattiges Grün, durch die der Mondenstrahl nicht einmal zur Erde dringt, führe ich Dich einen Schleichweg hinauf zu heimlichem Platz.

Reich' mir die Hand hier, denn der Pfad ist schmal, und dort gleich hinter der Bananen letzte Reihe, denen der Brodfruchtbaum noch Schatten giebt, beginnt das Dickicht der Guiaven, und über dem Pfad reichen die niederen Büsche sich die Zweige traulich herüber und schlingen die Arme fest in einander, tiefer und tiefer niederdrückend in den Weg, bis des Menschen Hand, mit scharfem Stahl bewehrt, wieder eine neue Bahn abzwingt den zudringlichen. Weiter – halte Dich fest an mich und hebe den Fuß, denn alte niedergebrochene Cocosnüsse und Hülsen decken den Boden und – was Du zertratst, und was unter Deinem Fuße wich? – reife Guiaven sind's, die den Boden hier decken, kehre Dich nicht an sie, über und neben Dir wachsen mehr, und jetzt – siehst Du das Licht dort durch die Zweige blitzen? hörst Du die gellenden Töne keifender Menschenstimmen? – wir sind am Ziel und ich führe Dich jetzt ein bei Mütterchen Tot.

 
8Die Wallfischfänger, um Nachts nicht zu viel Fortgang mit ihren Schiffen zu machen, und Fischen vielleicht vorbeizulaufen, reefen meist Abends ihre Segel, und da die Leute den Tag über Thran auskochen und voll Fett sind, so machen sie auch Fettflecke in die Segel, auf denen sie zum Einbinden liegen.