Tasuta

Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.

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»Die Indianer kommen!« jubelte eine Stimme, und bald antwortete ein wildes, tobendes Jauchzen dem Meldungsruf von da drüben. – Das aber brachte die tapferen Schaaren von Concepcion, die sich hier überhaupt sehr in der Minderzahl sahen, ganz außer Fassung.

»Die Indianer kommen?« Hatten diese verzweifelten Schwarzen auch noch die wilden Horden des Innern zu ihrer Hülfe herbeigerufen?

»Señor,« rief der Alkalde den alten Neger ängstlich an, »ich mache Sie für jedes Blutvergießen hier verantwortlich. – Wir sind als friedliche Boten des Gesetzes zu Ihnen gekommen – «

»Der ist verantwortlich,« sagte der alte Mann ruhig, »der den ersten Schuß abfeuert, oder die erste Lanze wirft.«

»Aber Sie haben unsere Canoes wegnehmen lassen.«

»Zu Ihrer Abreise stehen Ihnen dieselben immer wieder zur Verfügung,« lächelte der Alte – »aber wer kommt da?« unterbrach er sich plötzlich rasch und selber erstaunt, als sein Blick nach dem jenseitigen Ufer hinüberflog – »Soldaten?«

»Das sind die Truppen des General Franco!« rief der Alkalde von Concepcion jubelnd aus – »Viva Franco! Viva Franco!« schrie er dabei, aber ziemlich vereinzelt, denn beide Parteien waren in diesem Augenblick gleich gespannt, ob sie von dorten her Freund oder Feind zu erwarten hätten.

Das Dickicht da drüben wurde in der That in diesem Augenblick lebendig, und Gewehre blitzten in der Sonne – und braune, aber uniformirte Burschen sprangen die Uferbank hinab, und in das seichte Wasser hinein, um den Fluß zu durchwaten.

»Viva Franco!« schrie der Alkalde noch einmal in einem Uebermaß von Entzücken. – »Das sind die Truppen des tapferen Generals!«

»Viva Flores!« donnerte aber in dem Augenblick von dort drüben der Gegengruß herüber, daß der Magistratsperson das letzte Wort vor Angst in der Kehle stecken blieb. – »Franco, der schuftige Dieb, ist verjagt, Flores el viva!«

»El viva!« jubelten da die Neger, die sich von allen Seiten zum Ufer drängten – »el viva! – el viva!«

Und »Flores el viva« schallte es jetzt sogar aus den Reihen der Concepcionsleute selber, die gar nicht daran dachten, die usurpirten Rechte des Mulattengenerals zu vertheidigen, wo sie noch dazu die Uebermacht auf Flores Seite sahen.

Der Alkalde war indessen rasch gefaßt. Was konnte ihm hier geschehen? Huldigte das Volk der, wie es schien, siegreichen Quitenischen Regierung, welchen Grund hätte er dann gehabt, sich dem nicht anzuschließen? Und wie er sich nur von seinem ersten Erstaunen erholt hatte, Quitenische Soldaten von dieser Seite her marschiren zu sehen, wo er jene furchtbare Wildniß wußte, stimmte er plötzlich lustig in den Ruf mit ein.

Alles drängte indessen dem Ufer zu, das die durch das Wasser watenden Soldaten jetzt erreicht hatten, und dabei sehr erfreut schienen, hier keine Feinde, sondern Bundesgenossen zu finden. Da erhob sich plötzlich am unteren Theil des Flusses ein Lärm, der aber nur von ein paar einzelnen Menschen ausgehen konnte.

»Caracho!« hörten sie eine Stimme in wildem Fluch – »was haltet Ihr mich fest? – was habe ich mit Euch zu schaffen?«

»Du mit uns wohl nichts, mein Schatz,« lachte dagegen des kleinen Italieners Stimme; »aber wir dagegen so viel mehr mit Dir. Was hast Du denn ausgefressen, daß Du auf einmal Fersengeld geben willst?«

»Was ist dort? – Wen habt Ihr da?« frug jetzt der Quitenische Offizier, der seine Leute rasch gesammelt hatte, weil er noch immer nicht recht wußte, wie er mit den Bewohnern dieser Gegend stand. Das Vivarufen allein hielt er noch für keine genügende Bürgschaft.

»Weiter Niemanden, Señor,« sagte da der kleine, herbeikommende Schneider, während seine vier Neger den Gefangenen schon fest gefaßt, und ihm in aller Eile die Hände auf dem Rücken zusammen geschnürt hatten – »als einen Herrn, der sich für einen Franco'schen Offizier ausgiebt, und unter der Firma einen ganzen Haufen voll Unheil angerichtet hat.«

»Señor Cerro,« rief aber der fremde Offizier erstaunt, »das ist ja ein eigenes Zusammentreffen. Also Sie sind ein Franco'scher Offizier?«

»Ich kenne Sie nicht, Señor,« sagte der Gebundene finster; »aber wenn Sie wirklich Quitenischer Offizier sind, so verlange ich wenigstens als Kriegsgefangener behandelt, und nicht in den Händen dieser Schufte gelassen zu werden.«

»Hoho, Señor,« schrie Rigoli lebendig, »wir werden Dir gleich Deinen Schädel weich klopfen, wenn Du Deine Zunge nicht im Zaume hältst.«

»Ich glaube, Sie sind in ganz richtiger Verwahrung, Señor,« erwiderte aber kalt der Quitener. – »Das ist kein Offizier, compañeros,« wandte er sich dann an die Leute, »sondern ein Schuft, der in Guajaquil, als eine Art Kammerdiener des Mulattengenerals, einen bedeutenden Diebstahl beging, und dann flüchtig wurde. Durchsucht ihn doch einmal, vielleicht finden wir noch eine Anzahl Juwelen bei ihm, die damals vermißt wurden.«

»Sieh einmal an,« lachte der Italiener – »das Geldsäckchen der armen Eva hatte er auch noch, das habe ich aber schon in Sicherheit gebracht – nun, vielleicht finden wir noch mehr.«

Cerro machte einen verzweifelten Versuch, seine Banden zu zerreißen, aber die Neger hielten ihn wie in einem Schraubstock. Er wurde zu Boden geworfen, und bald fand sich denn auch, daß er in einem um den Leib geschnallten Geldgürtel eine Anzahl werthvoller Steine und Golddoublonen versteckt trug.

Indessen hatten die Bewohner von Concepcion Kunde aus dem Innern von den Neugekommenen, wie auch von den sie begleitenden indianischen Lastträgern erfragt, und als sie jetzt die Bestätigung erhielten, daß der kleine Tyrann Franco schon vor drei Wochen aus Guajaquil verjagt und zu Schiff getrieben, das ganze Land aber in den Händen des Quitenischen Generals Flores, und der Bürgerkrieg wirklich beendet sei, kannte der Jubel keine Grenzen.

Natürlich war jetzt von einer Verfolgung oder Bestrafung José's keine Rede mehr. Der »Señor Cerro« blieb gebunden in den Händen der Polizei, um ihn in den nächsten Tagen durch den Sumpf nach Ibarra, und von da nach Quito zu schaffen, wo er den ordentlichen Gerichten übergeben werden sollte. Der würdige Alkalde von Concepcion aber war ebenfalls machtlos geworden, und die Bürger der kleinen Stadt luden den Offizier mit seinen Leuten jetzt auf das Herzlichste ein, mit ihnen nach Concepcion hinab zu fahren, und dort den Sieg der gerechten Sache solenn zu feiern.

Rigoli war einer der lebhaftesten bei dieser Einladung, und ruhte auch nicht eher, bis er den Offizier, um den Zug mit ihm zu eröffnen, allein und an der Spitze seiner Flotte in seinem Canoe hatte, das er jetzt mit einer, in dem dortigen Laden zusammengekauften und rasch genähten ecuadorianischen blau, roth und gelben Flagge schmückte.

Aber er vergaß in seinem Jubel auch nicht das arme, junge Paar, das so viel Leid ausgestanden. Noch in der nämlichen Woche kehrte er nach Cachavi zurück, und vier Wochen später bezogen José und Eva einen kleinen, reizenden Rancho, unmittelbar unter der Stelle, wo der Cachavi in den Bogota mündet, mit Orangenbäumen vor dem Hause, und ein paar wehenden Cocospalmen, wie einem schon angepflanzten Platanar. Die Hochzeit aber wurde in Cachavi ausgerichtet, und Rigoli tanzte darauf, zum Jubel der Neger, die sich über den kleinen fidelen Burschen vor Lachen ausschütten wollten, mit der jungen Frau die erste Marimba.

Der Tiger

Es war an einem jener wundervollen Abende, wie wir sie wirklich nur in den Tropen finden, daß ich auf Java mit Herrn Phlippeau zu seiner Kaffeepflanzung nach Lembang hinauf fuhr. Lembang liegt außerdem schon etwa 4500 Fuß über der Meeresfläche, von drei bis sechs Uhr Abends war der gewöhnliche, fast immer von Gewittern begleitete Schauer gefallen, der die Erde abgekühlt und die Bäume und Pflanzen mit seinem erfrischenden Segen überschüttet hatte, und die Luft kühl und labend. Hoch am Himmel stand das südliche Kreuz, und ein wunderbarer Blüthenduft wehte von den Fruchtbaum-Oasen der einzelnen Kampongs oder Dörfer zu uns herüber.

Die Theeplantage von Tjoem Boeloeit hatten wir schon lange hinter uns, und der Weg zog sich ziemlich steil an dem Berghang empor, aber die vier munteren Macassarhengste zogen den leichten Wagen rasch bergan, und unsere Cigarren rauchend und im Fond zurückgelegt, genossen wir mit voller Lust den wahrhaft wundervollen Abend.

So erreichten wir endlich die Höhe des Berges, auf dem das Wohnhaus mit den Kaffeegebäuden, Mühlen und Trockenhäusern lag, von denen wir selber etwa noch sechshundert Schritt entfernt sein mochten, als ich einen eigenen dumpfen Ton zu hören glaubte, und in demselben Moment auch die Pferde unruhig wurden und von dem Kutscher kaum konnten in der Straße gehalten werden.

»Was ist?« fragte Herr Phlippeau, sich rasch im Wagen aufrichtend. —

»Tau, Tuwan!« sagte der Bursche mit seinem singenden Ton und achselzuckend – aber wir sollten nicht lange darüber in Zweifel bleiben, denn kaum waren die Thiere, wenn auch noch schnaubend und blasend, wieder dazu gebracht worden anzuziehen, als plötzlich das laute, donnerähnliche Gebrüll eines Tigers an unser Ohr schlug und die Pferde jetzt so wild und erschreckt zurückfuhren und in die Höh' bäumten, daß uns nur eben Zeit blieb aus dem Wagen zu springen und ihnen in die Zügel zu fallen.

Es gelang auch endlich sie wenigstens so weit zu beruhigen, daß sie still standen, aber an ein Weiterfahren war vor der Hand nicht zu denken, da sie sich alle im Geschirr verwickelt hatten, und ehe wir das in der Dunkelheit lösen und in Ordnung bringen konnten, ertönte ein neues Brüllen der verwünschten Bestie, worauf sie es ärger als zuvor trieben. Der eine kleine Hengst besonders begann so furchtbar hinten auszukeilen, daß der malayische Kutscher gar nicht mehr in seine Nähe wollte; ebensowenig war dieser aber zu bewegen, nach dem kaum zweihundert Schritt entfernten Kampong zurück zu laufen und Hülfe von dort herbeizuholen, denn bis jetzt hatten wir alle Hände voll zu thun die Pferde zu verhindern, daß sie nicht den Wagen seitwärts vom Weg abschoben und zertrümmerten.

 

Herr Phlippeau redete dabei heftig und ärgerlich in malayisch auf ihn ein; da er aber sehr rasch sprach, verstand ich nicht, was er sagte, und halb lachend, halb fluchend wandte er sich endlich gegen mich und rief:

»Jetzt fürchtet sich der Esel vor dem Tiger, den er selber jeden Morgen füttert.«

»Dem Tiger?« —

»Allerdings; ich habe ihn ja neben meinem eigenen Haus in einem Käfig. Das ist aber schon das zweite Mal, daß es mir die Bestie so macht, und ich muß sie todtschießen, denn die Pferde wollen mir Nachts gar nicht mehr in die Nähe der Häuser und scheuen schon, wenn der Wind nur von dort herüberweht und ihnen die Witterung zuträgt.«

Es gelang uns endlich die Pferde los und frei zu machen, daß der Wagen wenigstens nicht mehr gefährdet war, und ich sprang jetzt selber nach dem Kampong hinüber, um ein paar der dortigen Einwohner herbeizurufen, damit sie die Pferde einzeln führen konnten. Wir selber wollten natürlich viel lieber die kurze Strecke nach dem Hause zu gehen, als daß wir uns noch einmal der Arbeit mit den scheuen Thieren unterzogen.

Der Tiger schien sich beruhigt zu haben, kaum aber hatten die herbei gerufenen Malayen die Thiere gefaßt, als das Gebrüll von neuem begann und die kleinen Hengste toller als je zu schnauben und auszuschlagen begannen. Das aber war jetzt der Malayen Sache, mit ihnen fertig zu werden, wir selber schritten rasch auf dem breiten, gut gehaltenen Weg den Häusern zu, und erfuhren am andern Morgen, daß die Eingeborenen wirklich gestern Abend noch mehrere Stunden gebraucht hatten, um die erschreckten Pferde in ihre Umzäunung zu bringen.

Herr Phlippeau war aber fest entschlossen die unbequeme Bestie, die ihm denselben Streich schon einmal gespielt hatte, als er vor einigen Tagen mit seiner Frau zurück nach Hause wollte, abzuschaffen, was eben nicht anders geschehen konnte, als sie todt zu schießen. Der Transport nach Batavia hinab, wo er den Tiger hätte gut genug an eines der heimkehrenden Schiffe verkaufen können, war zu lang und unbequem, auch kostspielig, und ich selber wurde zum Executor bestimmt.

Am nächsten Morgen nahm ich deßhalb meine Büchse und ging zu dem Käfig, oder Kasten, der mitten auf einem offenen Platz, etwa vierzig Schritt von den Häusern der malayischen Diener entfernt, und zwischen diesen und den Wohngebäuden stand. Der Kasten war gar nicht von starker Art und nur aus etwa 4 Zoll starken Stäben von Arenpalmen-Holz gemacht. Dieses Holz eignet sich aber vortrefflich dazu wilde, störrische Bestien zu halten, denn erstens ist es zäh, und dann splittert es, wenn diese hineinbeißen wollen, und sticht sie in das Zahnfleisch, so daß sie selten mehr als einen oder zwei Versuche machen, ihr Gefängniß zu durchbrechen.

Die Malayen selber waren aber sehr froh, als sie hörten daß der Tiger getödtet werden sollte, denn ihrer Behauptung nach hatte er die letzte Nacht so furchtbar gewüthet und an seinem Käfig gerüttelt, daß sie gefürchtet zu haben schienen, er würde sich wirklich frei machen, und dann ihnen zuerst einen Besuch abstatten, ehe er sich in seinen Wald zurückzog. – Der Tiger mußte jetzt übrigens den Zorn und die Ungeduld, die er die Nacht gefühlt, überwunden haben, denn er lag lang ausgestreckt und ruhig in seinem Käfig und leckte seine Tatzen mit der stachligen Zunge.

Es war noch ein junges, vielleicht zweijähriges Thier, schlank und geschmeidig, mit glattem, wundervoll gezeichnetem Fell. Wie ich aber auf ihn zu und dicht an seinen Käfig trat, hörte er mit Lecken auf, duckte sich womöglich noch dichter auf den Boden nieder, legte die Ohren zurück, fletschte die Zähne und knurrte leise und tief, wie ein ärgerlicher Hund. So lag er eine lange Weile – seine Augen waren ordentlich grün geworden und leuchteten unheimlich, und wie ich einen Arm nach seinem Käfig ausstreckte, als ob ich ihn berühren wollte, fuhr er plötzlich mit einem wilden Satz und weit geöffnetem Rachen gegen die Stäbe an. Aber er biß, von früher her wahrscheinlich gewitzigt, nicht hinein, sondern schien sich damit zu begnügen, mir nur anzuzeigen, daß ihm meine Gegenwart unbequem sei.

Einige zwanzig Arbeiter vom Platz hatten sich indessen ziemlich dicht um den Käfig versammelt, und nur die Frauen wichen scheu zurück, als das gereizte Thier empor fuhr. Der Tiger aber, wie damit zufrieden gestellt, daß er uns seinen Muth und seine Kampfbegier gezeigt, war wieder in seine alte Stellung zurückgefallen, und nur der tückische Blick blieb mir seitwärts zugewandt, als ob er in mir seinen schlimmsten Feind ahnte. Wäre er frei gewesen, so bin ich auch fest überzeugt, daß er mich, vor allen Anderen, angenommen hätte. – So freilich mußte er sich das vergehen lassen; der kleine aber starke Käfig hielt ihn sicher genug.

Der Kasten war in der That kaum breit genug, daß das so geschmeidige Thier im Stande schien sich darin umzudrehen, und er lag jetzt mit dem Gesicht nach vorn und den Rücken der schmalen Thür zugedreht, die mit einem hölzernen Zapfen verschlossen gehalten wurde, vollkommen bequem zu einem sicheren Schuß.

Da ich ihn noch abstreifen wollte, ehe es zu heiß wurde, zögerte ich auch nicht lange, und ließ die Malayen von der anderen Seite zurücktreten, weil ich nicht wußte, ob meine Spitzkugel, die ich damals noch führte – ich bin auf der Jagd aber vollkommen davon zurück gekommen – nicht doch vielleicht durch den Schädel schlagen und auf der anderen Seite noch Unheil anrichten konnte. Die neugierigen Burschen waren aber kaum fern zu halten, so wollten sie alle, ganz in der Nähe, den Tod des Raubthiers betrachten, und wie ich nur wenigstens vor der Kugel freien Raum hatte, trat ich dicht an den Käfig, hielt dem Raubthier die Mündung des Büchsenlaufs vor das Ohr und drückte ab.

Der Tiger zuckte nicht einmal zusammen; der halb und tückisch nach mir gehobene Kopf fiel auf seine Tatzen nieder, und die Malayen sprangen jetzt zu ihm heran. Wie ich selber aber nun den Schuß gefeuert hatte, gab ich mein Gewehr dem Nächsten zum Halten, trat hinten an den Kasten, zog den Pflock heraus und öffnete die kleine Thür. Das aber hatten die Malayen nicht gedacht. Auf den Tiger war allerdings ein Schuß gefallen, aber daß er todt sei und keinem Menschen auf der Welt mehr schaden könne, wußte ich nur allein, die Malayen schienen wenigstens von einem so raschen und nicht von der geringsten Bewegung begleiteten Tod noch keineswegs überzeugt, und kaum hatte ich die Klappe geöffnet, ja wie ich nur den Pflock herauszog, stoben sie alle in wilder Flucht und mit lautem Geschrei auseinander und ihren Hütten zu.

Es war ein höchst komischer Anblick, und vergebens mein Rufen, daß der Tiger todt und unschädlich sei. Erst als ich mich nicht weiter um sie kümmerte und den Tiger beim Schwanz ergriff, aus dem Käfig zog und anfing ihn abzustreifen, kamen sie wieder schüchtern näher und lachten nun selber, in ihrer gutmüthigen Weise, über ihre Furcht. Keiner aber legte mit Hand an, und sie ließen mich meine Arbeit ganz allein vollenden. Erst als ich die Haut vollkommen herunter hatte und mir nun von Einigen dünne Bambusstäbe bringen ließ, um sie auszuspannen und dann in der Sonne rasch zu trocknen, machten sich ein paar von ihnen daran den Körper aufzuschlitzen.

Im Anfang wußte ich allerdings nicht, zu welchem Zweck das geschah, denn daß sie das Fleisch des Tigers nicht essen, hatte ich schon oft bestätigen hören. Sie nahmen aber auch nur das Herz des Raubthiers heraus, das sie in kleine Stücke schnitten und unter einander vertheilten. Wie ich ihnen noch erstaunt zusah, verschluckten auch ein paar von ihnen ihren Antheil gleich roh an Ort und Stelle, und nur mein letzter Führer auf der Rhinocerosjagd, ein Bursche, der auch nicht einen Funken von Courage besaß und bei dem Ausreißen vorher der Schnellfüßigste gewesen, verschwand mit seinem Stück und kehrte erst nach einigen Minuten ohne dasselbe zurück.

Er sollte mir jetzt erklären, was dieser Gebrauch bedeute, denn zum Sattessen hatten sie das Fleisch keinesfalls genossen, dazu waren die Bissen zu klein gewesen. Er kam dann endlich, wenn auch etwas verschämt, mit dem Bekenntniß heraus, daß die Javanen, wenn sie ein Stück von dem Herzen des Tigers verzehren, auch einen Theil von dessen Muth bekämen. Rasch setzte er aber hinzu, daß er nichts davon gegessen habe, das solle ich nicht glauben – und dabei saß ihm das frische Blut noch in den Mundwinkeln.

Merkwürdiger Aberglauben, den die Leute haben, nicht wahr? – Und machen wir civilisirten Christen es etwa besser, haben wir nicht eine Menge von Dingen, die andere Völkerschaften für ebenso unhaltbar und thöricht halten, wie wir jenen Gebrauch? Es ist und bleibt dieselbe Geschichte, und wir wollen nur nicht selber eingestehen, das wir Alle Balken im Auge tragen.

Thöricht ist der Gebrauch aber schon aus dem Grund, weil die Leute mit dem Stück vom Herzen den Muth des Tigers gewinnen wollen; es giebt nämlich auf der Welt keine, zwar blutgierigere, aber auch feigere Bestie, als gerade den Tiger. Er reißt Menschen nieder, ja, aber nur, wenn er sie aus dem Hinterhalt überfallen kann, nie und nimmer offen und Gesicht in Gesicht. Heimlich schleicht er herbei und liegt auf der Lauer, um irgend ein Stück Wild oder auch vielleicht ein Rind zu erbeuten, aber schon das Geräusch des nahenden Menschen schreckt ihn empor und treibt ihn in die Flucht, und wenn man in Java wirklich von Menschen hört, die er überfallen hat, so sind es fast immer nur Frauen und Kinder, an die er sich gewagt.

Schon seine ganze Jagd beweist, wie wenig Muth er besitzt, denn er muß getrieben und umstellt werden, ehe man ihn zum Schuß bekommen kann, und nur schwer verwundet oder in der Verzweiflung sich überlistet zu sehen, nimmt er, wenn er nicht länger fliehen kann, den Kampf an, und dann freilich ist er ein gefährlicher Gegner, ja vielleicht der gefährlichste von allen wilden Bestien, weil seine Gewandtheit seiner furchtbaren Kraft gleich kommt.

Es ist vorgekommen, daß ein Tiger eins der kleinen Javanischen Pferde aus einer fünf Fuß hohen Umzäunung geraubt hat, ohne den Zaun zu durchbrechen, und er muß es, wenn er nicht damit hinüber gesprungen ist, doch wenigstens hinübergehoben haben, wozu kaum vier Menschen im Stande gewesen wären – und draußen trug er es im Rachen fort. Aber Märchen sind es auch wieder, wenn man behauptet, daß ein einziger Schlag seiner Tatze einen Büffel betäube und zu Boden werfe. Nur wenn er ihm auf den Nacken springen kann, ist der einzelne Büffel verloren, und den dortigen bantings oder wilden Rindern mit ihren spitzen Hörnern, die sich stets in Trupps halten, soll er scheu aus dem Wege gehen, und nur wo das ungestraft geschehen kann, auf ein Kalb fahnden.

Es giebt in Java viel Tiger, und man findet sogar in den Walddistrikten hie und da sogenannte »todte Kampongs«, die von den Bewohnern der vielen Tiger wegen früher verlassen und deren Stätten von der gewaltigen Vegetation schon lange überwuchert wurden, so daß nur die früher dort gepflanzten Cocos- und Arecapalmen die Stellen bezeichnen, auf denen sie gestanden. Und doch wird von dem Jäger nur in höchst seltenen Fällen, und dann selbst nur durch Zufall, ein Tiger im Wald angetroffen und erlegt, denn der Tiger hält eben nicht Stand. Nur in Gruben wird er gefangen, oder hie und da benutzt auch wohl ein Europäer ein von der Bestie zerrissenes und aufgefundenes Stück, um Nachts dabei anzusitzen und sie auf dem Anstand zu erlegen. Alle von den Eingeborenen erbeuteten Felle müssen dabei an die Regierung eingeliefert werden und der Eigenthümer bekommt dafür eine vom Staat festgesetzte Prämie von früher fünfzehn jetzt zwanzig Gulden.

Der Tiger spielt aber, trotz seiner Feigheit, bei den Javanen eine große Rolle und besonders seinen Krallen – außer der Wirkung, die das frisch verzehrte Herz ausüben soll – trauen sie noch eine besondere Kraft zu, oft sehr zum Aerger der Europäer, die sich dort angekaufte oder sonst gewonnene Felle gern vollständig erhalten wollen. Die Eingeborenen stehlen nämlich diese Krallen, wo sie ihrer nur irgend habhaft werden können, und auch an dem Fell, das ich an jenem Tag abstreifte und zum Trocknen in die Sonne hing, fehlten sie schon an dem nämlichen Abend sämmtlich.