Tasuta

Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.

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Die Worte hallten deutlich von dort herüber.



»Diable!« murmelte Baptiste vor sich hin. – »Mit zwei Rudern kommen wir nicht aus der Stelle. Señor, Sie müssen mit helfen. Rasch, greifen Sie ein Ruder auf, um Ihr Leben. Oder können Sie steuern? Ich habe mehr Kraft.«



»Ich kann steuern,« sagte da die junge Frau, die vor Aufregung zitternd die letzten Vorgänge beobachtet, aber noch nicht gewagt hatte, eine Frage zu thun, ein Wort laut werden zu lassen. Wie ein Traum kam ihr das Ganze vor, und der Uebergang von dem furchtbarsten erdenkbaren Elend und Jammer zu Freiheit und Leben war ihr so überraschend schnell, so unerwartet, nie mehr gehofft gekommen, daß sie noch immer nicht daran glauben mochte. Jetzt aber, wo ihre eigene Kraft und Geschicklichkeit ihnen nützlich werden konnte, brach sie das Schweigen.



»Brav, Señora, brav!« rief Baptiste jubelnd aus. »Das giebt uns ein Ruder mehr. Und jetzt, Teresa, hierher! Weiter zurück, mein Schatz! Der Bug drückt vorn zu viel nieder und wir gehen deshalb zu schwer. Du kannst das Kind nehmen.«



»Teresa?« fragte die Frau erstaunt, aber Freudenthränen weinend und doch in zitternder Angst kroch das arme Mädchen über die aufgethürmten Betten hinweg zu ihrer Herrin, vor der sie niederfiel und ihre Knie umfaßte.



»Weg mit den Thränen, Schatz! Weg mit den Thränen!« rief Baptiste lachend. »Dazu ist nachher Zeit. Wir werden da draußen Salzwasser genug in's Boot kriegen. – So recht, Pedro, lege Dich tüchtig hinein! Es soll Dein Schaden nicht sein und wir wollen doch sehen, ob wir in Ecuador nicht noch etwas Besseres aus Dir machen können als einen lumpigen Soldaten. Wir sind jetzt Kameraden, und ich lasse Dich nicht im Stich.«



Dadurch, daß das Mädchen zurückkommen mußte, hatte das Boot viel an leichterer Fahrt gewonnen, denn der Bug hob sich. Des Seemanns scharfes Ohr hatte aber auch bereits das Einsetzen der Ruder vom Schiffe her gehört, wenn sie den Schooner selber auch schon nicht mehr auf dem dunklen Hintergrunde des Manglarenwaldes erkennen konnten. Nur die rothen Lichter leuchteten noch herüber.



»Nun für unser Leben!« rief er, sein eigenes Ruder aufgreifend, während die Señora das Steuer genommen und nicht zu viel versprochen hatte, als sie versicherte, sie könne es regieren. »Halten Sie den Bug jetzt noch immer auf jenen hellleuchtenden Stern zu – es ist die Venus, und mag er uns Glück bedeuten heute Abend.«



Von jetzt an wurde kein Wort mehr gesprochen. Die vier Männer ruderten schweigend, aber aus Leibeskräften, denn sie wußten, daß nur größere Schnelligkeit sie retten konnte.



Da fielen rasch hinter einander drei Schüsse von dem verfolgenden Boot.



»Großer Gott, sie schießen!« rief die Frau. »Lege das Kind auf den Boden des Bootes, Teresa.«



»Nicht hierher,« beruhigte sie Baptiste, da er, mit dem Rücken nach vorn im Boot sitzend, das Abblitzen der Gewehre hatte sehen können. »Es ist unmöglich, daß sie uns hier schon erkennen, wenn nicht die hellen Betten zu sehr leuchten.«



»Werft sie über Bord!« bat Ramos.



»Bewahre!« lachte der Franzose, »lieber den Comisario. Erst müssen wir finden, daß sie uns zu schwer sind. Decke jenen dunklen Poncho darüber, der auf dem Sitzbrett liegt, Teresa. Er gehört freilich dem Herrn Commissair, aber zu dem Zweck wird er ihn uns wohl leihen.«



»Aber was bedeuten die Schüsse?«



»Nichts Gutes,« sagte Baptiste finster. »Es sind Signale für das Boot an der anderen Seite der Insel, um dasselbe herbeizurufen, und wenn es wirklich in der Nähe ist, kann es uns den Weg abschneiden. Aber caramba!« setzte er mit fest zusammengebissenen Zähnen hinzu. – »Wir haben auch Gewehre im Boot und im schlimmsten Falle können wir ihnen einen wärmeren Empfang bereiten als sie jetzt wohl denken.«



»Aber keine Munition.«



»Pedro hat doch gewiß seine Patronentasche mit. Wie viel Patronen sind darin?«



»Zwanzig, Señor.«



»Bravo, und sechs geladene Gewehre, die Festung ist armirt.«



»Und mit dem Boot hinter uns?«



»Ah bah!« sagte Baptiste, sich in sein Ruder legend. – »Die Sache ist allerdings fast zu interessant, um angenehm zu sein, aber hol's der Teufel! – Entschuldigen Sie, Señora, auf See lernt man ein rohes Sprechen, ohne manchmal etwas dabei zu denken – ich hoffe doch noch, daß wir die hohe See gewinnen sollen und wenn sie uns da hinaus folgen, nun, dann formiren wir mit den Matratzen eine kleine Festung um den schwachen Theil der Besatzung und wehren uns eben unserer Haut. Vorwärts jetzt! – Mit dem Reden geht Kraft verloren.«



Wieder wurden hinter ihnen drei Schüsse abgefeuert und Baptiste sah zu seinem Schrecken, daß sie diesmal nicht in die Luft schossen, sondern hinter ihnen her. Aber die Entfernung war noch zu groß, nur wenn sie hoch gehalten hätten, wäre vielleicht eine oder die andere Kugel bis zu ihnen geschlagen. So fielen sie alle zu kurz und er hütete sich wohl ein Wort darüber zu sagen, um die Frauen nicht unnützer Weise zu beunruhigen.



Das Boot flog rasch durch das Wasser und eine Zeit lang wurde kein Wort weiter gewechselt. Der Commissair war wieder zur Besinnung gekommen und wand sich krampfhaft am Boden des Bootes, aber er konnte keinen Schaden thun und Baptiste, neben dem er lag, behielt ihn auch scharf im Auge.



»Wenn wir uns ein klein wenig mehr rechts hielten,« sagte Ramos endlich, – »die Gefahr wäre dort geringer, einem der anderen Boote zu begegnen.«



»Wir dürfen nicht,« erwiderte Baptiste, – »wenn sie uns nachher den Paß zwischen der Punta Manglares und der Insel verlegen, so treiben sie uns weit in See hinaus und dort steht jetzt ein tüchtiger Südwind, von dem wir hier nur noch nichts fühlen, weil wir durch das südliche Land gedeckt sind. Vorwärts! Hier ist die Spitze der Insel! In wenigen Minuten muß es sich entscheiden! Bis jetzt war Gott mit uns, er wird uns nun auch nicht verlassen.«



Das hinter ihnen folgende Boot hatte jedenfalls etwas an sie gewonnen, man konnte die Ruderschläge desselben deutlicher hören, aber ihre Ruder knarrten und machten dadurch zu viel Geräusch.



»Teresa,« sagte Baptiste, »nimm Lappen oder Tücher, was Du gerade hast, Schatz, tauche sie in's Wasser und lege sie uns unter die Ruder, verstehst Du? So! Ich habe mir schon geholfen,« fuhr er fort, indem er sein Taschentuch in die Ruderdolle brachte, – »nur für die Anderen.«



Das war bald geschehen und sie hatten nun den Vortheil, wenigstens geräuschlos zu fliehen.



Auf Baptiste's Wunsch ließ die junge Frau das Boot jetzt noch ein wenig dem Land zu abfallen. So nahe befanden sie sich jetzt am Ufer, daß die auf der Backbord-Seite Rudernden mit ihren Riemen schon den Sand fühlen konnten. Sie durften nicht wagen, näher hinan zu halten. Da hörten sie plötzlich laute Stimmen und Fluchen, dicht an ihrer Linken.



Fast unwillkürlich hielten Alle mit Rudern ein und wie ein dunkler Schatten glitt das Boot, von der Ebbe und Strömung des Mira begünstigt, über die Oberfläche.



»Seco!« sagte da eine deutliche Stimme. »Caracho, Basilio! Ich sagte Dir es gleich, daß wir hier auf den Grund rennen würden. Nun sitzen wir fest. Hinaus mit Euch, daß wir den faulen Kasten wieder flott bekommen.«



»Sie sitzen fest! Vorwärts!« jubelte Baptiste mit vorsichtig gedämpfter Stimme – und wieder trafen die Ruder in's Wasser, immer noch die vorherige Richtung haltend, um wenigstens aus dem Bereich der Schußwaffen zu kommen. Die in dem anderen Boot hatten wirklich in dem Augenblick zu viel mit ihrer eigenen Lage zu thun, um nach etwas Anderem auszuschauen. Sie waren jedenfalls über Bord gesprungen, um das dadurch erleichterte Boot vom Sand abzuheben und wieder in tieferes Wasser zu schieben. Deutlich konnten die Flüchtigen das Plätschern und Fluchen der Leute hören. Aber so dicht mit den Köpfen über dem Wasserspiegel mochte doch wohl einer oder der andere der Leute das vorbeigleitende Boot bemerkt haben. Plötzlich war Alles ruhig und eine Stimme rief gleich nachher:



»He da! Ist das nicht ein Boot?«



Keine Antwort folgte.



»Caracho! Warum antwortet Ihr nicht? – Schieß, Pablo!«



»Vorwärts um der heiligen Jungfrau willen!« drängte Baptiste. – »Sie sind noch nicht flott. Jeder Ruderschlag bringt uns weiter aus dem Bereich ihrer verdammten Flinten.«



Es dauerte wohl zwei Minuten, bis sie den scharfen Blitz eines abgefeuerten Gewehres sahen, aber gute Schützen sind diese spanischen Abkömmlinge nicht, schlechte Gewehre hatten sie ebenfalls und im Dunkeln auf den Schatten eines Bootes zu halten ist ein schwieriges Ding. Die Kugel schlug wenigstens vier oder fünf Ellen rechts von den Fliehenden auf das Wasser. Und kein zweiter Schuß folgte. Die Mannschaft wollte sich wahrscheinlich nicht auf das unsichere Feuern verlassen und lieber ihr Boot rasch wieder flott bekommen.



Dann antworteten wieder einige Schüsse von dem verfolgenden Boot, und die Burschen des gestrandeten schrien als Antwort so laut sie konnten.



»Jetzt links hinüber, Señora!« rief da Baptiste. – »Immer an den Manglaren hin! Dort ist tiefes Wasser, bis wir an die nächste Punta kommen. Sie ist nicht mehr weit, und haben wir erst die zweite Mündung des Mira hinter uns, dann sind wir gerettet.«



Die Leute arbeiteten mit Anspannung aller ihrer Kräfte und selbst Pedro leistete Außerordentliches, denn es schien ihm selber nicht viel daran zu liegen, in den eben erst verlassenen Kriegsdienst zurückzukehren.



Deutlich konnten sie jetzt noch einmal die Zurufe von den verschiedenen Booten unterscheiden; auch die Ruder hörten sie wieder knarren, aber die Verfolger, mit dem Terrain kaum genau bekannt, schienen unsicher geworden zu sein, welche Richtung das flüchtige Boot genommen habe. Vielleicht fürchteten sie auch mit der Ebbe hinaus in See genommen zu werden.



Eine Viertelstunde später herrschte Todtenstille auf dem Wasser, die nur durch das leise Plätschern der Ruder unterbrochen wurde. Sie waren gerettet.

 



Letztes Capitel.

Im Pailon

Sie waren gerettet, immer aber noch arbeiteten die Ruderer wacker vorwärts, und das Boot glitt an dem dunklen Ufer rasch dahin. Jetzt hatten sie die Mündung des Mira erreicht, und in der Dunkelheit war es fast, als ob es das offene Meer sei. Don José hielt auch wirklich mit Rudern inne und frug, ob sie sich nicht jetzt links am Lande halten müßten.



»Wenn wir Fluth hätten, oder in einem Canoe säßen, ja, Señor,« sagte Baptiste, immer noch mit unterdrückter Stimme, obgleich schon lange mehr kein Laut der Verfolger zu ihnen gedrungen war. »Mit dem Boote hier dürfen wir aber getrost wagen um die Punta Manglares zu fahren, denn gegen den Mira hätten wir sonst ein tüchtiges und schweres Stück anzurudern. Vorwärts, Señorita! Gerade hindurch, bis wir den Wald wieder erreichen, den Sie dort wie einen dunklen Streifen vor sich sehen. Nur ein kleines Stück dann noch weiter, und wir kommen in die offene See.«



»Und kennen Sie den Weg?«



»Wie meine Tasche.« —



Wieder ruderten sie schweigend weiter, denn unter dem Schatten der Manglaren wollte sie Alle noch nicht das unruhige Gefühl verlassen, als ob an jeder Ecke ein anderes Boot der Verfolger auftauchen, und ihnen den Weg zur Rettung abschneiden könnte. Aber sie hatten Nichts mehr zu fürchten, und kaum eine halbe Stunde später trug sie die rasch abströmende Ebbe zwischen einer mit Manglaren bewachsenen langen Insel und der dort vorspringenden Landzunge hindurch, und wenige Minuten noch und ihr Boot schaukelte auf den langen getragenen Wogen des stillen Oceans.



Glücklicher Weise trafen sie hier nicht mehr den scharfen Süder, den Baptiste gefürchtet, und der sie gezwungen hätte die Fluth abzuwarten und wieder zurück in den letzten Mira-Arm einzulaufen, um von dort aus den Canal zu suchen. Der Wind hatte sich vollständig gelegt, und nur die See wogte noch und hob sich und sank mit dem darüber hingleitenden Boot.



Zur Linken öffnete sich ihnen ein wunderbarer Anblick, so daß Aller Blicke unwillkürlich dorthin flogen, denn dort schäumte bei fast niedrigstem Wasserstand die Brandung über und gegen die freigelegten Sandbänke an, und warf ihre phosphorglühenden Wogen, deren weiße Kämme wie flüssiges Gold schimmerten und leuchteten, donnernd gegen den Strand. – Und immer und immer erneute sich das Bild! sowie die eine Sturzsee in tausend blitzende Funken zerfloß, bildete sich weiter zu ihnen eine neue, die mehr und mehr anschwoll und von glitzernden Gluthenstreifen durchzogen zu sein schien, bis sie sich hob und brach und dann einen wahren Feuerregen umhersprühte.



»Wie furchtbar schön ist das!« hauchte die Frau, das großartige Schauspiel aber doch mit scheuen Blicken betrachtend, denn wenn sich eine neue Woge hob, war es, als ob sie näher und näher zu ihnen kam, und sie unmerklich aber sicher, wie in einer gewaltigen Strömung dort hinüber reißen müßte. »Werden wir dort nicht hinein treiben?«



»Nein, Señora,« sagte Baptiste freundlich. »Haben Sie keine Angst! Die Elemente sind gnädiger mit uns als die Menschen. Ich fürchtete einen scharfen Süder, bei dem wir allerdings Schwierigkeiten gehabt haben würden hier vorbei zu laufen, aber statt dessen erhebt sich, wie ich eben fühle eine leichte Seebrise, und mit der können wir es uns bequemer machen, als wir es bis jetzt gehabt haben. Bitte führen Sie nur noch kurze Zeit das Steuer – nur nicht weiter in die See hinaus, nur immer in der nämlichen Entfernung von den Brandungswellen, wie wir uns bis jetzt gehalten, ich werde jetzt das Boot ein wenig behaglicher herrichten.« Er legte sein Ruder nieder, stieg über die Sachen hinweg, die er in der Mitte so eng als möglich zusammenpackte, und eine der Matratzen vorn im Boote ausbreitete, daß sie eine Art von Mulde bildete.



»So Señora,« sagte er dann freundlich, indem er zurück stieg und ihr die Hand reichte, »jetzt klettern Sie hier vorn herüber. – Haben Sie keine Angst, ich halte Sie. Das Kind gebe ich Ihnen dann nach, und legen Sie sich da vorn ganz unbesorgt zum Schlafen nieder. Sie bedürfen der Ruhe und die arme kleine Adriana auch.«



»Aber wer sind Sie,« sagte die Frau jetzt, indem sie seinen Anordnungen folgte, »daß Sie Ihr Leben für uns wagten und jetzt auch noch so freundlich Sorge tragen?«



»Wenn wir Tageslicht bekommen, erkennen Sie mich vielleicht wieder,« lächelte Baptiste. »Jetzt überlassen Sie uns nur die Sorge um das Boot.«



Aus seinem Ruder richtete er nun einen kleinen Mast her, aus einem der Betttücher machte er ein Segel, ein anderes Ruder gebrauchte er zum Ausholer, und als er die Schote befestigt hatte und anzog, fühlten sie bald, daß der Wind in die Leinwand schlug und anzog. Ziemlich so rasch wie vorher mit den Rudern, aber völlig geräuschlos, und sanft wie von einer Schaukel gehoben und fortgeführt, glitt das Boot über die Fluth und die junge Frau, ihr schlummerndes Kind im Arm, war, von den Aufregungen der letzten Nacht zum Aeußersten erschöpft, bald in einen sanften Schlaf gefallen.



Pedro, der arme Teufel, der für sein Leben gerudert hatte, fühlte sich ebenfalls so todesmatt, daß er, als ihm Baptiste den Befehl gab sein Ruder einzunehmen, zurück mit dem Kopf gegen die Matratze sank und augenblicklich einschlief.



Und immer weiter, jetzt gerade nach Süden, dann ein wenig zum Osten zurückhaltend, steuerte Baptiste das Boot. Neben ihm wand sich aber der unglückselige Commissair in solchen augenscheinlichen Schmerzen, daß Ramos endlich selber Mitleiden mit dem Verräther fühlte und leise sagte:



»Dürfen wir ihm nicht jetzt wenigstens den Knebel aus dem Munde nehmen? ich fürchte, er erstickt.« —



»Schade wär's nicht um ihn,« sagte Baptiste trocken, »aber meinetwegen. Er wird ja ohnedieß klug sein und das Maul halten, oder wir machen kurzen Proceß mit ihm und werfen ihn über Bord. Es wäre überhaupt das Beste, ihn hier an einer oder der anderen Manglarenspitze auszusetzen, dort könnte er sich amüsiren und die zahllosen Mosquitos füttern.« Aber er bog sich doch, noch während er sprach, zu dem Gefangenen über und nahm ihm das Tuch aus dem Mund. Fosca athmete tief und schwer auf, aber er gab keinen Laut von sich. Die Drohung hatte gewirkt, denn ein Aussetzen in den Manglaren

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  Die Manglaren oder Mangrovebäume sind ein Seegewächs, denn sie stehen nur da am Land, wo die Fluth der See ihre Wurzeln bespühlen kann. Ihr Boden ist Schlamm und kein lebendes Wesen hält sich zwischen ihnen auf als Krabben und Mosquitos.



 wäre ein sicherer und furchtbarer Tod für ihn gewesen.



So fuhren sie langsam weiter. Die Brise blieb schwach, aber doch immer stark genug, um das Boot, das sie von der Seite fing, vorwärts zu treiben, bis endlich am östlichen Horizont, den der niedere Laubgürtel des flachen Landes bildete, die Wolken anfingen sich zu lichten. Der Tag brach an, aber die Atmosphäre ist in diesem Himmelsstrich fast nie rein und ungetrübt, wenigstens nur in sehr seltenen Fällen Morgens.



Ein leiser Duft ruhte auf dem Walde, durch die feuchten Schwaden erzeugt, die ihm unausgesetzt entstiegen. Aber vor ihnen lag die Mündung des Pailon, die erste und nördlichste Ansiedlung in Ecuador – an der linken Landspitze (eigentlich einer Insel); bald konnten sie die einzelnen Häuser der dort wohnenden Fischer erkennen. Die Fluth stieg dabei wieder, und von ihr geführt liefen sie mit dem ersten Morgengrauen in den breiten herrlichen Canal ein, der an beiden Seiten von, ihre Zweige bis zum Wasser niederhängenden Manglaren dicht begrenzt, gerade nach Süden hinab dem kleinen Fischerdorf San Lorenzo zuführte.



Die Frau war erwacht und mit dem stillen Frieden um sich, mit dem Gefühle vollkommener Sicherheit hob sich ihr Herz zu Gott, und ihr Kind, ihre liebe Adriana an sich pressend, betete sie leise aber brünstig zu dem Allerbarmer —



Aber welch ein wunderbarer Ton um sie her? Wie ferner Orgelklang traf er ihr Ohr, leise summend in vollen melodischen Akkorden! Und als sie erstaunt den eigenthümlichen Klängen horchte, war es ihr fast, als ob sie aus der Meerestiefe zu ihr heraufdrangen. – Es konnte keine Täuschung sein! Dicht unter dem Boot klang es vor, jetzt rechts ein wenig, jetzt links, und als sie sich über den Rand des Bootes bog, wurde der Laut voller und deutlicher. Da ging dort drüben, über dem grünen Laubmeer, die Sonne auf und goß ihr Licht über die funkelnde, spiegelglatte Bai.



»Hören Sie den Orgelklang, Señora?« frug Baptiste.



»Was, um Gottes Willen, ist das?«



»Das sind die singenden Fische des Pailon,« lachte der junge Franzose, »die gerade ihr Morgenconcert zu halten scheinen.«



Als er sich aufrichtete, fiel der Sonne Licht voll auf seine freundlichen edlen Züge, und der Blick der Frau heftete fragend an ihnen.



»Und kennen Sie mich noch nicht, Señorita?« fragte der junge Mann herzlich. »Auch Sie nicht, Señor Ramos? Hab ich mich so entsetzlich verändert, oder ist die Erinnerung an den armen kranken Matrosen, den Sie in Ihrem Haus in Buenaventura so treulich pflegten, ganz Ihrem Gedächtniß entschwunden?«



»Don Batista!« rief Ramos, seine Hand ergreifend und herzlich schüttelnd. »Wie sollen wir Ihnen das j