Die Jungfrauen Sammelband

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Ich hatte meine Mutter, also die einzige Person, die mich je geliebt hatte, verloren und war in einen Haushalt gezogen, der mir zwar eine nette Umgebung, Essen und Gesellschaft geboten hatte, aber keine Liebe. Oft sehnte ich mich nach dem, was hätte sein können, wenn meine Mutter gelebt hätte. Charles war gestorben und obwohl es mich bedrückte, dass er schon so früh dahingerafft worden war, so hatte ich bei seinem Tod auch eine gewisse Erleichterung empfunden. Ich hatte ihn nicht geliebt, ihn nicht begehrt, wie es hätte sein sollen. Ich hatte mich nach dem Warum gefragt und viele schlaflose Nächte damit verbracht mich zu fragen, ob ich frigide oder beschädigt oder einfach unfähig war, zu lieben.

Aber jetzt wusste ich, dass ich einfach nur warten musste. Warten, bis Maddox zu mir kam. Unsere Verbindung war das Großartigste überhaupt und ich wollte, dass es niemals aufhörte. Ich wollte nicht mehr ohne Maddox sein. Das war der Grund, warum ich jetzt in Sorge war.

Er war losgezogen, um Neron zu konfrontieren, einen außerirdischen Gangster, der Maddox dermaßen hasste, dass er ihn tot sehen wollte. Tot! Und ich hatte Maddox einfach gehen lassen, war wie ein braves Mädchen zurückgeblieben und hatte meinen Mann alleine in die Schlacht ziehen lassen.

Maddox hatte darauf bestanden, aber mir gefiel es nicht. Ich bewunderte seine Entschlossenheit, Nerons Geisel zu retten. Es war sein … gutes Herz, in das ich mich so sehr verliebt hatte, weswegen ich ihm total vertraute. Ich konnte ihm diesen Teil von ihm nicht absprechen und so hatte ich ihn gehenlassen. Widerwillig und mit einem sehr frustrierenden Kuss.

Er hatte mir versichert, dass ich auf dem Schiff sicher war, dass die Wände undurchdringbar waren. Nur die anderen Jäger konnten sich Zutritt verschaffen. Das beruhigte mich zwar, aber sobald ich aus den Fenstern blickte, sah ich meine Welt. Mein grasendes Pferd, die Bienen, die um die Wildblumen herum summten—alles wirkte so friedlich. Das vertraute Grasland. Die zerklüfteten Berge. Der hellblaue Himmel und die Vögel.

Sicher, perfekt, und eine Illusion. Gefahr lauerte.

Die Landschaft war mir dermaßen vertraut und doch gehörte ich nicht länger zu ihr. Ich gehörte jetzt zu Maddox. Gerne sogar. Sicher, die Vorstellung die Erde zu verlassen war beängstigend. Es war beängstigend mir vorzustellen, dass dieses Raumschiff vom Boden abheben und wie ein Adler durch die Luft fliegen würde. Ich wusste nicht, wie das überhaupt möglich war, aber ich stellte es nicht länger infrage. Das Wunder des ReGen-Stabs verstand ich ebenso wenig, aber das bedeutete nicht, dass es nicht funktionierte oder nicht echt war und ich fragte mich, welch andere Wunder ich auf Maddox’ Welt noch entdecken würde.

Aber solange Maddox nicht Neron beseitigt und diese arme Frau gerettet hatte, würden wir nirgendwo hingehen. Ich verspürte keinerlei Reue, weil ich Neron den Tod wünschte. Ich musste nur abwarten, also studierte ich die Landkarte, die wie von Zauberhand an der Wand erschienen war. In dieser neuen Umgebung fiel es mir zwar schwer mich zu konzentrieren, aber ich wusste noch, wie man eine Karte las. Ich würde mich nicht abschrecken lassen, nur weil sie statt auf Papier gezeichnet auf einer glatten Oberfläche angezeigt wurde.

Alles an diesem Raumschiff war äußerst merkwürdig. Stimmen kamen direkt aus den Wänden. Das Wasser kam heiß und kalt direkt aus dem Wasserhahn, ohne dass irgendwo eine Pumpe zu sehen war. Ihre Karten erschienen nicht auf Papier, sondern hinter Glas.

Es dauerte eine Weile, bis ich mich auf der Karte zurechtfand und den Berglinien folgte, bis ich den Norden und dann das ausgetrocknete Flussbett entdeckte. Nerons Standort war ziemlich weit entfernt vom Schiff, aber ich fürchtete nicht, dass Maddox es nicht rechtzeitig schaffen würde. Ich fürchtete, dass Maddox schnurstracks in eine Falle lief und sterben würde.

Bei dem Ort handelte es sich um eine enge Schlucht, die zu beiden Seiten steile Felswände hatte. Ein oder zweimal war ich mit Charles dort gewesen. Maddox konnte die Schlucht nur vom Süden her betreten und er würde entweder umkehren müssen oder fast fünf Meilen weiter nordwärts reiten, um an eine Stelle zu gelangen, an der er sein Pferd aus dem Canyon reiten konnte. Es gab keine Deckung. Keine Bäume. Keinen Schutz. Es musste eine Falle sein. Ich bezweifelte zwar nicht, dass Neron eine Frau als Köder benutzt hatte, allerdings hatte er noch sehr viel mehr geplant als seine Geisel zu verletzen. Er wollte Maddox Schaden zufügen.

Mein Herz geriet vor Angst ins Stolpern, meine Hände wurden klamm. Neron würde meinen Partner umbringen. Meine Markierung pulsierte, sobald ich an ihn dachte. Ich hatte ihn eben erst gefunden und konnte ihn nicht sterben lassen. Ich musste ihn warnen, ihn überzeugen, damit er seine Freunde dazu rief und wartete, bis sie ihm helfen konnten. Er hätte nicht alleine losziehen dürfen.

Ich blickte auf die Kommunikationstafel. Er war vor weniger als einer Stunde aufgebrochen. Vielleicht konnte ich ihn erreichen und ihn zum Umdenken bringen.

Da waren so viele Knöpfe, so viele Dinge zum Drücken und der Anblick war überwältigend. Ich war gerade dabei zu lernen, wie man das Licht anschaltete und die Zimmertüren öffnete, wie man mit einem Handschlag warmes Wasser aus der Wand fließen ließ. Eine Spülkommode—das war der Ausdruck, den Maddox für das Möbelstück verwendete.

Er hatte erwähnt, dass er sich mit den anderen Männern unterhalten konnte, mit seinem Kommandanten Thorn. Vielleicht konnte ich auch mit Maddox reden, aber wie?

Ich drückte die Knöpfe und redete mit der Wand: “Hallo? Maddox? Hörst du mich?”

Lichter wechselten die Farbe. Blaue, rote, grüne Lichter. Aber nichts bewirkte, dass Maddox’ Stimme aus der Wand kam.

Ich erstarrte, als dasselbe Piep-Piep-Piep von vorher ertönte.

“Maddox!” rief ich und legte die Hände auf die glatte schwarze Tafel. “Maddox!”

Nichts.

Das Piepen ertönte erneut. Dann erinnerte ich mich, wie Maddox einen Knopf gedrückt hatte—diesen hier—, um das Gespräch zu initiieren.

“Maddox?” sprach ich erneut.

“Hier ist Thorn.”

Es war zwar nicht Maddox, aber ich seufzte erleichtert, als ich den vertrauten Namen hörte. Ich redete mit jemandem, der dieses Schiff kannte, der Maddox kannte und wusste, wie ich behilflich sein konnte.

“Hier ist Cassie.”

“Bist du allein? Ist Maddox wieder auf Jagd?”

Ich nickte, dann entsann ich mich daran, dass er mich nicht sehen konnte. “Ja.”

“Na schön. Danke, Cassie. Ich werde ihn direkt kontaktieren.”

“Nein! Warte,” rief ich und versuchte die Ruhe zu bewahren. Diese Weltraumsachen verwirrten mich und so langsam war ich dabei den Überblick zu verlieren. Ich wollte einfach nur Maddox zurück und nicht mit einer Wand reden müssen. “Ich muss mit ihm reden.”

“Fühlst du dich unwohl?”

Ich hörte die aufrichtige Sorge in Thorns Stimme, aber mir fehlte die Geduld dafür. “Nein. Ich muss mit Maddox reden. Er läuft in eine Falle.”

“Erkläre,” sprach Thorn.

“Neron … hat das Schiff angerufen. Durch diese Wand hindurch, genau wie du gerade. Er hat eine Frau als Geisel genommen und er tut ihr weh. Er hat die Frau benutzt, um Maddox zu zwingen, zu ihm zu kommen.”

Ich hörte ein leises Fluchen.

“Hat Maddox dich schon erobert?”

Ich drückte mich von der Wand weg und starrte sie an. “Wie bitte?”

“Hat Maddox dich erobert?” wiederholte er.

“Das geht dich nichts an,” schnaubte ich.

Darauf lachte er. “Ich werde Jace und Flynn zum Schiff schicken, aber solange du nicht entsprechend verpartnert bist, können sie nicht in deine Nähe kommen.”

Ich runzelte die Stirn und betrachtete meine Handfläche.

“Wieso nicht?”

“Maddox ist zwar dein markierter Partner, aber ledige Everianer können die Anwesenheit einer markierten Frau spüren. Hier auf der Erde würde ihnen so eine ganz gelegen kommen, denn wir sind weit weg von Zuhause. Sie würden dich zwar nicht für sich beanspruchen, schließlich gehörst du zu Maddox, aber sie würden dir nur schwer widerstehen können und Maddox würde sie ohne Zweifel umbringen.”

Ich machte große Augen. Ich wusste, dass unsere Verbindung mächtig war, dass Maddox überaus eifersüchtig war, aber nicht so.

“So hat Neron mich gefunden?”

“Wahrscheinlich. Er muss eine markierte Frau gespürt haben und neugierig geworden sein. Er ist zwar ein grausamer Mistkerl, aber sein Interesse für dich muss stärker gewesen sein als seine Pläne für Maddox.”

“Er weiß, dass ich Maddox’ Partnerin bin,” entgegnete ich und biss mir die Lippe. “Er hat davon geredet, als er durch die Wand gesprochen hat.”

“Jace und Flynn werden zum Schiff zurückkehren und bei dir bleiben. Ich werde Maddox helfen. Mein Standpunkt erscheint jetzt auf deinem Monitor. Du wirst meine Bewegungen verfolgen können. Jace und Flynn werden sich ebenfalls ins Ortungssystem des Schiffs einloggen.” Fasziniert sah ich, wie auf der Karte ein kleiner blauer Punkt mit Thorns Namen erschien, zusammen mit einigen Zahlen, die mir nichts sagten. Ich fragte mich, warum Maddox nicht dasselbe getan hatte.

Die Antwort darauf fiel mir sofort ein. Ich wäre wie besessen dem kleinen blauen Punkt über die Karte gefolgt und hätte mir mit jedem seiner Schritte Sorgen gemacht.

Ich atmete tief durch. Hilfe war unterwegs— “Du bist auf der anderen Seite der Bergkette. Du wirst es niemals rechtzeitig zu ihm schaffen.”

“Schick mir den Standort.”

Ich blickte auf die Karte, dann blickte ich auf die vielen Knöpfe. “Ich weiß aber nicht wie.”

Thorn gab mir Anweisungen und ich befolgte sie genau. Ein paar Momente der Stille folgten, als ich ihm die Karte geschickt hatte und dann hörte ich Thorn fluchen.

 

“Wann trifft Maddox sich mit Neron?”

“Neron hat ihm zwei Stunden gegeben. Danach will er die Frau töten.”

“Du hast recht, Cassie. Ich werde nicht rechtzeitig da sein. Jace oder Flynn auch nicht. Aber Maddox ist ein hervorragender Jäger, einer der besten. Er wird schon zurechtkommen.”

“Nein. Ich kann ihn nicht alleine lassen. Ich werde zu ihm gehen. Ich weiß, wo Neron steckt, ich kenne das Land.”

“Auf gar keinen Fall. Das verbiete ich dir.”

Er wollte es mir verbieten? “Ich befolge nicht deine Befehle, Thorn. Maddox läuft gerade in eine Falle! Er braucht Hilfe und ich bin die einzige hier.”

“Du bist nicht in der Lage, Neron zu besiegen. Du hast keine Waffen und du weißt nicht, wie man mit unseren umgeht.”

“Da täuschst du dich.” Wie berauscht erinnerte ich mich an das Gewehr, das ich mitgebracht hatte. Statt mich zu verabschieden, wischte ich mit der Hand über das Glas, genau wie Maddox es getan hatte.

Thorn fluchte, als ich das Gespräch beendete. Ich stürmte sofort durch den Flur und bog in Maddox’ Zimmer ab. Dort, auf dem Boden, lag mein Gewehr. In der tiefen Satteltasche an der Wand waren Kugeln. Ich schnappte mir beides, betätigte den Knopf, mit dem Maddox die Rampe geöffnet hatte und marschierte aus dem Schiff, um mein Pferd zu satteln.

12


Maddox

Auf den letzten Metern vor der einfachen Struktur stieg ich aus dem Sattel. Ich aktivierte meinen Netzhautmonitor, als ich mich für den Ernst der Jagd bereitmachte und suchte nach Wärmespuren, elektrischen Signalen und allem, was mir einen Hinweis auf Nerons Aufenthaltsort geben könnte. Wenn er einen Tarnanzug hatte, würde er sich verstecken können, nicht aber seine Geisel.

“Danke, Junge.” Ich tätschelte meinem Pferd den Hals, band es aber nicht an einem der knorrigen toten Äste fest. Es gab kein Gras zu fressen, kein Wasser. Sollte ich nicht zurückkehren, wollte ich nicht, dass das Tier hier festsaß und leiden würde.

Und wenn ich überleben sollte, würde es bis zum Schiff zwar ein langer Marsch werden, aber das war nichts, womit ich nicht fertig werden könnte, besonders da Cassie auf mich wartete.

Cassie. Allein schon ihr Name ließ meine Markierung mit Hitze aufflackern. Sie war so zart und empfindsam gewesen, ihre straffe Pussy hatte sich so heiß angefühlt und sich perfekt um meinen Schwanz geschlossen. Nach der anfänglichen Eroberung hatte ich sie immer wieder genommen. Sie hatte mich genauso geritten wie ihre Stute, hatte sich nahtlos auf meine Hüften gesetzt und meinem Schwanz in sich aufgenommen. Ich hatte ihre Brüste umfasst, als sie sich auf mir gehoben und gesenkt und sich bedient hatte. Ich hatte sie sogar gegen die Wand gefickt, von hinten und dann noch einmal mit ihren Beinen um meine Lenden geschlungen, während ich ihre Schreie weg geküsst hatte. Der Esstisch war auch zum Zuge gekommen, ebenso wie die Badewanne. Sie war genauso unersättlich wie ich.

Obwohl wir uns so nah wie möglich standen, lag Gefahr in der Luft. Neron trübte unsere Gemüter, unseren Geist. Ich wusste, dass sie Angst hatte. Verdammt, ich hatte auch Angst. Aber auf der Aurora war sie sicher, der Mistkerl konnte nicht an sie heran. Das war alles, was für mich zählte. Ich konnte es kaum glauben, dass ich sie gefunden hatte und jetzt, als es vollbracht war, zog ich völlig verändert in den Kampf. Ich hatte nicht die Absicht, Neron einzufangen und ihn nach Incar zurückzubringen. Ich würde ihn ein für allemal ausschalten. Über mich oder meine Familie würde er keine Macht mehr haben. Ich würde Maddies Tod rächen und mit der Vergangenheit abschließen. Ich würde sicherstellen, dass er meine Zukunft nicht gefährden konnte. Cassie.

Diesmal hatte ich etwas zu verlieren.

Angst um sie schnürte meine Brust zu, als ich meinen Tarnanzug aktivierte und verschwand, denn meine Panzerung machte mich fürs bloße Auge und die meisten Sensoren unsichtbar. Ich vermutete, dass Neron ebenfalls einen trug, was mich nur weiter anspornte, ihn zu finden.

Die Jagd. Ich war dafür geboren worden. Das war es, wofür ich zur Erde gekommen war. Dank unserer Anzüge wurde das Ganze zu einem Katz- und Mausspiel, einem Test der Sinne. Wer die besseren Fähigkeiten hatte. Geräusche. Gerüche. Instinkt. Der Feind war nicht zu sehen.

Hätte er nicht eine Erdenfrau als Geisel genommen, wäre ich zuversichtlich, dass ich Neron besiegen würde. Aber sie würde in diesem Kampf meine Schwachstelle sein und Neron wusste es. Das war es, was der Mistkerl beabsichtigt hatte; ein Ungleichgewicht—seine einzige Chance um mich eventuell zu schlagen. Aber das würde er nicht. Oh nein.

Diese mysteriöse Frau würde wohl meiner Schwester ähneln, einfach, weil Neron es lieben würde, mich mit der Erinnerung an die Leiche meiner Schwester zu foltern. Das sah ihm ähnlich.

Lautlos näherte ich mich der Hütte, mein Anzug ließ mich mit der Umgebung verschmelzen. Neron hatte behauptet, er würde die Frau in einer Holzhütte festhalten. Der Karte nach stand diese auf einer Anhöhe neben einer steilen Schlucht. Leider war sie aber nur aus einer Richtung zugänglich und Neron wusste, dass ich kommen würde.

Ein kurzer Scan der Hütte zeigte zwei Körper in der Struktur, ihre Wärmesignatur leuchtete rot und orange auf meinem Netzhautmonitor auf. Ein Körper war groß und eindeutig männlich, ähnlich massiv wie ich mit breiten Schultern und stämmigen Beinen. Die andere Person, also die Frau, die er entführt hatte, saß mit im Schoß gefalteten Händen an einem Tisch. Ich ging davon aus, dass sie gefesselt war, dass ihre Hand- und Fußgelenke zusammengebunden und ihre Bewegungen eingeschränkt waren. Schlimmstenfalls würde Neron sie direkt am Stuhl festgebunden haben, sodass sie sich überhaupt nicht bewegen konnte.

Als ich kurz vor der Haustür war, schloss Neron sie auf und trat nach draußen; als ob er meine Anwesenheit spüren konnte. Ich erstarrte und wusste, dass er mich mit bloßem Auge nicht sehen konnte. Aber er kam wie ich von Everis, er war ein geborener Jäger und ich war nicht überrascht über seine scheinbar übersinnliche Wahrnehmungskraft.

Er schien keine Panzerung zu tragen und war immer noch wie ein Mensch gekleidet. Er hatte eine Ionenpistole gezückt und hielt sie auf die Frau im Inneren der Hütte gerichtet. Sein Blick allerdings war auf die Landschaft gerichtet, auf die untergehende Sonne. Er konnte mich nicht sehen und ich war sicher, dass er nach mir suchte.

“Maddox, ich weiß, dass du hier bist,” rief er und seine Stimme hallte durch die windstille Luft. “Ich kann dich spüren.”

Ich antwortete nicht und blieb regungslos, denn ich wollte nicht das geringste Geräusch machen. Die endlosen Übungsstunden machten sich bezahlt, als ich meine Atmung zu einer fast unmerklichen Bewegung meiner Lungen beruhigte und meinen Herzschlag zu einem ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus verlangsamte. Sollte ich näherkommen, würde er mich hören, denn seine Sinne waren wohl genauso geschärft wie meine eigenen. Wir waren zusammen aufgewachsen, hatten zusammen trainiert.

Er seufzte und der Laut war ein übermäßig dramatischer Versuch mich zu provozieren, aber ich war kein Anfänger, der von Wut und Adrenalin beherrscht wurde. Ich war alt genug, um zu wissen, wann es sich anbot zuzuschlagen und wann es besser war, abzuwarten.

“Maddox, entweder du zeigst dich oder ich töte sie. Ein Schuss, genau ins Herz.” Er ballerte einmal durch die Tür hinter ihm, mit gesenkter Waffe, nur um seine Glaubwürdigkeit zu demonstrieren. Die Frau drinnen schrie vor Angst. Ich war erleichtert, denn das Geschrei bedeutete, dass sie bei Bewusstsein war und möglicherweise in der Lage zu flüchten, sollte ich Neron von ihr weglocken können.

Aber nicht für lange. Neron würde nicht zögern sie zu töten, wenn er mich so zwingen könnte mich zu zeigen. Er war ein krankes Stück Scheiße und das musste ich einfach mit in Betracht ziehen. Schweren Herzens lenkte ich meinen Blick auf das visuelle Kontrollzentrum in meinem Auge und deaktivierte den Tarnmechanismus meiner Panzerung. Die wechselnden Farben meiner Körperpanzerung erstarrten zu einer gesprenkelten Mischung, die dem Boden und den Pflanzen in meiner Nähe entsprachen. Ich war jetzt getarnt, aber nicht mehr unsichtbar. Seine Waffe konnte meiner Panzerung kaum etwas anhaben, aber sein Netzhautmonitor würde sofort meine Anwesenheit anzeigen.

“Lass sie gehen. Du hast es auf mich abgesehen.” Ich trat einen Schritt näher.

Neron grinste hämisch und nickte, als er mich entdeckte. “Da bist du. Gerade noch rechtzeitig. Elizabeth hat langsam angefangen mich zu langweilen.”

“Was willst du, Neron?” Ich betrachtete ihn. Als Junge war er immer etwas größer gewesen als ich, aber jetzt, nach monatelanger Schufterei in den Minen von Incar war er monströs und seine Schultern waren deutlich breiter, als ich sie in Erinnerung hatte. Er trug menschliche Kleidung, braune Hosen und ein einfaches Hemd, aber sein einst goldenes Haar war jetzt stumpf und hatte dieselbe Farbe wie das verfärbte Gebiss eines alten Mannes, der jahrelang schwarzen Rindentee getrunken hatte. Seine Züge waren schon immer scharf gewesen, ein Raubtiergesicht, aber seine Wangen waren jetzt leicht eingesunken und seine fast schwarzen Augen traten etwas weiter aus den Augenhöhlen hervor. Seine Lippen waren blass und schmal. Er wirkte verhärtet, gemeiner als zuvor und noch gefährlicher.

Er ließ mich schauen. Als mein Blick wieder zu seinem wanderte, sprach er: “Ich will was jeder Mann begehrt. Rache.” Er blickte über seine Schulter und krümmte den Finger. “Komm her. Sofort.”

Augenblicke später trat die Frau durch die Tür. Ihre Augen suchten hektisch die Gegend ab, dann verweilten sie auf mir. Sie waren weit aufgerissen vor Furcht. Sie war groß, größer als der Durchschnitt auf der Erde. Während Cassie Neron nur bis zur Schulter reichen würde, brauchte diese Frau nicht einmal den Kopf in den Nacken legen, um in Nerons schwarze Augen zu blicken. Sie war statuesk, ihre langen Arme und Beine waren elegant aber kräftig. Ihre Haltung hatte eine Vehemenz wie ich sie selten bei einer Frau gesehen hatte. Ihr langes, dunkelrotes Haar war zu einem schlichten Zopf gebunden, der zwischen ihre Schulterblätter fiel. Selbst von hier aus konnte ich das Temperament in ihren weichen braunen Augen sehen. Auf der Nase hatte sie Sommersprossen, die einen Kontrast zu ihrer sonst so blassen Haut bildeten.

Ihr Äußeres war großzügig, nicht zierlich. Ihre Figur war üppig, mit großen Brüsten und runden Hüften unter ihrem dunkelblauen Kleid. Ihr Haar hatte sich teilweise aus dem Zopf gelöst. Es verriet, wie grob er sie behandelt hatte und Blut quoll aus einem Schnitt an ihrer geschwollenen Unterlippe. Abgesehen davon hatte sie keine sichtbaren Verletzungen. Ich konnte nur hoffen, dass er sie nicht vergewaltigt hatte oder ihr innere Verletzungen zugefügt hatte.

Ihre Hände waren vor ihr mit einem Lederband zusammengebunden. Statt sie nach unten hängenzulassen, hielt sie sie gegen ihr Abdomen gepresst und rieb sie aneinander, als ob sie ihr Schmerzen bereiteten. Ich sah kein Blut an ihrem Kleid oder an ihren Händen, keine Anzeichen von Schmerzen in ihrem Gesichtsausdruck. Nur Angst, schließlich hatte Neron es schon immer genossen, Frauen psychologisch zu foltern, ehe er ihren Körper zerstörte. Wie es aussah, war sie sich dieser Tatsache bereits bewusst.

Als er neben sich auf den Boden deutete, hob sie trotzig das Kinn und stellte sich dorthin, wo er sie haben wollte. Sie machte keine Anstalten und sie weinte auch nicht; sie war sehr tapfer. Mit einer eher unsanften Hand zwischen ihren Schulterblättern schubste er sie vorwärts und zwang sie zu der Reling vor der Hütte, an der sonst die Pferde festgebunden wurden. Die Frau stolperte und er packte sie grob am Arm und zog sie wieder hoch. Als sie den Kopf hob, blickte sie direkt zu mir und ich sah keinerlei Schrecken in ihren Augen. Ich sah Wut.

“Lass sie gehen,” sprach ich erneut.

Neron zwang die Frau in die Knie, seine Ionenpistole stocherte gegen ihre Schläfe und wie ein Hund zu seinen Füßen band er sie an der Reling fest. Dort blieb er stehen, dann blickte er zu mir und verzog den Mund zu einem kranken Lächeln. Er war in seinem Element. Er liebte es, diese Frau zu verhöhnen, mich zu verhöhnen.

“Leg deine Panzerung ab, Mad, und lass uns das auf die alte Art regeln.”

 

“Du willst ohne Waffen gegen mich kämpfen?” Am liebsten wollte ich die kurze Distanz zu ihm schließen und ihn ausschalten. Ich würde diese Option überleben, nicht aber die Frau. Zorn brodelte in mir auf und ich knirschte mit den Zähnen, um ja keine Dummheit zu sagen. Neron hatte mich schon seit Jahren nicht mehr Mad gerufen, seit wir damals im opulenten Haus seines Vaters herumgetobt waren und Mädchen gejagt und Ärger gestiftet hatten. Wenn es damals Streit gab, würden wir ihn mit nackten Fäusten austragen und später, als wir älter und besser ausgebildet waren, im Nahkampf.

“Ja. Zieh deine Panzerung aus und komm. Kämpfe mit mir. Sei kein Feigling.”

“Nur ein Feigling benutzt eine Frau als Schutzschild,” konterte ich.

Neron war zwei Jahreszeiten älter als ich und schon immer einen Tick größer, schneller, stärker. Er war ein brutaler und niederträchtiger Kämpfer, der es bei jeder Gelegenheit auf meine Augen oder meine Eier abgesehen hatte. Der Kampf hatte immer blutig und mit einem Besuch auf der Krankenstation geendet, aber wir beide konnten uns so von unseren Aggressionen befreien. Ich hatte die Ungewissheit geliebt, denn ich würde nie wissen, ob ich siegreich sein oder quälende Schmerzen erleiden und zum Arzt eilen würde, um eine Schnittwunde oder einen Knochenbruch versorgen zu lassen.

Ich war ein Junge von acht Sommern gewesen, als mir klar geworden war, dass Neron es genoss, mir wehzutun. Aber sein Vater hatte zusammen mit meinem im Rat der Sieben gedient, der höchsten Regierungsinstitution des Planeten und von uns beiden wurde erwartet, dass wir gewissen … Standards gerecht wurden. Söhne der Sieben durften keine Schwäche zeigen. Wir heulten nicht rum. Wir kämpften.

Jahrelang.

Als ich nun dastand und mir überlegte, wie ich die Frau retten konnte, kam es mir plötzlich vor, als ob Kämpfen das einzige war, was ich je getan hatte. Ich hatte es satt.

“Sie hat ihren Zweck erfüllt. Sie hat dich hierher gebracht.” Neron lachte, das Geräusch grenzte an Hysterie und ich wusste, dass mein Freund von damals komplett verschwunden war. An seiner Stelle stand ein Verrückter. “Wenn du sie tötest, indem du dich mir verweigerst, wirst du sie auf dem Gewissen haben. Dein fehlgeleitetes Ehrgefühl war schon immer deine Schwäche.”

“Dann zeig deine Stärke, Neron. Hör auf dich hinter ihr zu verstecken.”

“Zieh deine Panzerung aus,” wiederholte er.

“Warum?”

“Weil ich dich mit bloßen Händen töten will.”

Als ich zögerte, vergriff er sich am Haar der Frau und zerrte ihren Kopf zurück. Feste.

“Lass mich in Ruhe, du durchgeknallter Mistkerl!” brüllte sie und verzog das Gesicht, er aber lachte nur und zog so feste, bis sie aufschrie, diesmal vor Schmerz.

“Komm schon, Maddox. Zieh ihn aus. Lass uns nochmal wie Kinder kämpfen.”

Ich wägte meine Optionen ab. Ich war schnell, er allerdings auch. Ich könnte zwar an ihn herankommen, aber die Frau würde er bis dahin getötet haben. Dazu brauchte er keine Ionenpistole, denn er konnte ihr buchstäblich im Handumdrehen das Genick brechen. Sollte ich mich zurückziehen oder meinen Tarnanzug wieder betätigen, würde er sie erst leiden lassen und sie dann langsam umbringen, damit ich ihre Schreie hörte.

“Wenn ja, woher weiß ich dann, dass du mich nicht einfach erschießen wirst und sie so oder so umbringst?” fragte ich.

Seine dunklen Augen kniffen sich zusammen und das Funkeln in seinem Blick war alles andere als zurechnungsfähig. “Ich schwöre es bei Maddies Seele.”

Ich sah rot. Rot, genau wie Maddies Blut, als es aus ihrem Körper sickerte. Roter Zorn ließ mich aufknurren, aber sein Blick blieb ungerührt. Er hatte sie fanatisch geliebt, war wie besessen von ihr gewesen. “Warum hast du es getan, Neron? Du hast Maddie geliebt. Warum hast du sie umgebracht?”

Er hob seine Hand und riss sich das Hemd von der Brust, sodass die Knöpfe der Erdentracht vor ihm auf dem Boden landeten. Er deutete auf seine rechte Hand, genau unter dem Knochen dort und mein Herz setzte einen Schlag aus. Nein. Das konnte nicht wahr sein. Ich weigerte mich zu glauben, was er da andeutete.

Neron nickte bereits. “Ja, Maddox. Sie gehörte mir. Meine markierte Partnerin. Wir gehörten zusammen und trotzdem hat dein Vater sich geweigert, unsere Verbindung anzuerkennen. Sie hat mir alles versprochen und dann hat sie mich verraten.”

Ich dachte an Cassie, an meinen instinktiven Drang sie zu besitzen, an meinen Hunger nach ihrem Geschmack, ihrem Duft und ihren Schreien, wenn sie kreuz und quer auf meinem Schwanz kam und verstand schließlich, was meinen Kindheitsfreund in den Wahnsinn getrieben hatte. “Das wusste ich nicht, Neron.”

Er hisste. “Niemand wusste es. Dein Vater hat sie einen Eid schwören lassen, damit sie mich abserviert. Wären wir je an die Öffentlichkeit gegangen, als offizielle Partner, hätte dein Vater seinen Sitz im Rat verloren.”

Alles was Neron da sagte, ergab Sinn. Die herrschende Elite hätte es nicht gern gesehen zwei so mächtige Familien zusammenzuführen. Neron und Maddies Beziehung hätte zu politischen Unruhen geführt und folglich hatte mein Vater das getan, was er immer tat; er hatte sich darum gekümmert. Er hatte die heilige Verbindung zwischen markierten Partnern ignoriert und nur die Politik im Kopf gehabt.

Bei der Vorstellung, dass man mir Cassie verbieten könnte, wurde mir schlecht, aber ich wusste, dass das niemals ausreichen würde, um mir jegliches Ehrgefühl abhandenkommen zu lassen. Abserviert zu werden würde keinen kaltblütigen Killer aus mir machen.

“Tut mir leid, alter Freund, aber nichts kann deine Morde entschuldigen. Was du geworden bist.”

“Zieh die Panzerung aus.” Er wollte nichts davon hören. Er war nicht mehr zu retten.

Es wurde Zeit. Neron war nicht mehr zu helfen, dieser Erdenfrau allerdings schon.

Er sah zu, wie ich meine Panzerung ablegte und dann meine Kleider. Bald stand ich nur noch in der hellgrauen Hose da, die ich eigentlich unter meine Jagdmontur trug. Ich warf alles andere beiseite und vertraute darauf, dass sein Schwur bei der Seele meiner Schwester und seine abartige Liebe für sie dafür sorgen würde, dass Nerons krankes Hirn sein Versprechen halten und mich nicht mit der Pistole töten würde. Als ich fertig war, stand ich vor ihm und wartete ab. Meine Atmung war zwar weiterhin ruhig, mein Herz aber hämmerte nur so vor lauter Adrenalin in meinen Adern, als ich mich auf einen Kampf auf Leben und Tod einstellte.

“Mach zehn Schritte vorwärts.”

Das tat ich und er ließ sofort die Haare der Frau los. Sie sackte auf dem Boden zusammen und er warf seine Ionenpistole in den Staub. Er kam auf mich zu, trat aus seinem zerfetzten Hemd heraus und warf es weg. Seine Pupillen waren geweitet, sein Blick war auf mich fixiert. “Maddie gehörte mir und dein Vater hat alles kaputt gemacht,” raunte er.

“Also hast du sie umgebracht.” Ich verspannte mich, als er näher kam und ging auf die Fußballen, um eine Kampfstellung einzunehmen. Ich konnte es mir bildhaft vorstellen. Meine Schwester, vollkommen erschüttert über den Erlass unseres Vaters, wie sie im Haus meiner Eltern auf ihrem Lieblingssessel neben dem Fenster saß. Neron, wie er sich hineinschlich und sich ihr zu Füßen warf. Und Maddie? Sie war reinstes Feuer gewesen, mit einer ungebändigten Seite und einer gnadenlosen Zunge. “Warum?”

Neron stand jetzt genau vor mir, seine Haltung ähnelte meiner. Aus der Nähe konnte ich seinen Hass, seinen Zorn, seinen Kummer aus ihm strömen sehen. Die Schwärze verdarb die Luft, genau wie sie ihn verdorben hatte. “An dem Tag, an dem sie mir gesagt hat, dass es aus war, hat sie mich zuerst noch gefickt. Sie hat mich gefickt und unsere Markierungen aufeinander gelegt und mir gesagt, sie wollte nur einmal die wahre Verbindung eines Partners spüren, ehe sie einem anderen überreicht wurde.”

Seine Worte schmerzten, aber ich bezweifelte nicht, dass er die Wahrheit sprach. Ich liebte meine Schwester, aber sie war schon immer etwas stur gewesen. Ihr und meinem älteren Bruder war immer eingetrichtert worden, dass die Pflicht wichtiger war als das Vergnügen. Wenn mein Vater sie einem anderen versprochen hatte, dann hätte sie das respektiert und selbst ihren markierten Partner abgewiesen. Aber zuerst hätte sie sich alles genommen, was sie konnte. Einschließlich Nerons Seele.