Resilienzcoaching für Menschen und Systeme

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II Resilienzpraxis mit dem Resilienzquadrat

Resilienzfähigkeit ist nicht trivial. Es ist die Fähigkeit, sich schwierigen Situationen zu stellen. Das Resilienzquadrat zeigt vier Gruppen von Resilienzfaktoren mit Perspektiven, die für das Thema wichtig sind. Sie enthalten externe und interne Ressourcen eines Menschen, ebenso die übergreifenden Themen Sinnfindung und Körper-Geist-Verbindung.


Abb. 2: Das Resilienz-Quadrat

Resilienzfaktor I: Externe Ressourcen
Social Support

Das Spannende an der persönlichen Resilienz ist, dass sie gerade nicht nur persönlich ist, sondern über die Person deutlich hinausgeht. Resilienz hängt ab von der Einbettung ins System. Der wichtigste Resilienzfaktor der Einzelperson ist die Unterstützung durch andere. Damit ist Resilienz immer systemisch. Dieser Beziehungsaspekt, das »Du« und das »Wir«, ist zentraler als die »Ich«-Fähigkeiten. Die Ich-Eingrenzung ist aufzugeben. »Heraus aus der Ich-Eingrenzung«, fordert Willigis Jäger (Jäger 2010). Und genau damit funktioniert Resilienz. Die Unterstützung durch andere Menschen, letztlich das Aufgehoben-Sein bei anderen Menschen, ist ein zentraler Resilienzgedanke. Der Einzelne ist alleine nichts. Alles, was er darstellt, ist durch andere bedingt. Entgegen aller Individualisierungsideologie, mit der die Konsumgesellschaft den Menschen zu beeinflussen versucht, ist Bescheidenheit angesagt. Wir sind angewiesen auf andere. Gerade in und nach potenziell traumatischen Situationen, die Resilienz erfordern, ist dies klar. Es wirkt auch mit den anderen Faktoren, etwa dem Sinn, zusammen. Der Bezug auf und zu anderen Menschen ist wesentlich. So hat sich etwa Viktor Frankl, der bekannteste Sinnforscher, der als KZ-Insasse in Buchenwald war, mit dem Gedanken an seine Frau am Leben erhalten. Tragischerweise stellte sich im Nachhinein heraus, dass seine Frau schon lange ermordet worden war.

Wesentlich ist mithin die Erkenntnis der natürlichen Ressourcen, die man in seinem Leben hat, und deren Pflege. Die Schweizer Resilienzforscherin Rosemarie Welter-Enderlin nennt positive Lebensmodelle, also Vorbilder und die Entwicklung von guten Beziehungen zu Vertrauenspersonen, die auf Gegenseitigkeit beruhen sollten, als Resilienzfaktoren (Welter-Enderlin 2010, 20). Allerdings macht sie auch Folgendes ganz deutlich: »Die Annahme, dass die wichtigsten Unterstützungsquellen in der Herkunftsfamilie liegen, ist oft falsch« (ebd., 18).

Also nicht Vater und Mutter, sondern die im weiteren persönlichen Umkreis gegebenen Menschen und die Natur sind die wichtigen Faktoren. Dies bedeutet auf der anderen Seite auch eine kritische Distanz zu den Dingen, die vermeintlich als Glücksbringer käuflich angeboten werden. Die Devise heißt also: Menschen und Natur hinein und unnötige Konsumdinge heraus. Die Konzentration gilt dem Wesentlichen. Man hat selten gehört, dass ein Mensch, der von einer schweren Krankheit oder einem Unfall gerettet wurde, Börsenspekulant wurde. Was eher passiert, ist, dass Menschen sich nach einer solchen Erfahrung anderen Menschen zu- und vom Konsumterror abwenden. Über den Bezug zum Konsum hat Harald Welzer (2013) in seinem Buch Selbst denken beschrieben, wie die Orientierung auf einen vertretbaren Konsum aussehen kann. Es reicht nicht, »consumer power« zu zeigen und von Shell zu Aral zu wechseln, um gegen den Unfall am Bohrturm Brent-Spar zu protestieren. Sondern es gilt das laufende Verwickelt-Werden in die Konsum-, Arbeits- und Freizeit-Industrie wahrzunehmen und das eigene Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf dieser Basis kann man dann sein Engagement in den Rollenwelten steuern: Privatwelt, Konsumwelt, Gemeinwesenwelt, Professions- und Organisationswelt (vgl. Mohr 2015).

Übung »Rollenwelten«

Überlegen Sie, wie Sie die Balance der eigenen Rollenwelten neu ordnen können.

• Organisationswelt: Welchen Stellenwert in meinem Leben gebe ich der Organisation, für die ich arbeite? Wieviel Verantwortung (etwa eine Führungsaufgabe) will ich dort übernehmen?

• Professionswelt: Welche Kompetenzen habe ich im Leben und welche möchte ich noch lernen?

• Privatwelt: Wie möchte ich meine privaten Beziehungen leben? Was bringe ich ins Familiensystem ein?

• Gemeinwesenwelt: Für welche Fragestellungen und wo möchte ich mich (ehrenamtlich) engagieren?

• Konsumwelt: Welche Konsumdinge brauche ich wirklich und welche dienen etwa nur zur Kompensation von Stress?

Übung: »Unterstützer«

Überlegen Sie, welche drei Personen Sie außerhalb Ihres engeren Familienkreises haben, mit denen Sie über Ihre Probleme sprechen können. (Es sollten Menschen sein, die zuhören können, keine schnellen Ratschläge geben und Interesse an Ihnen haben.)


Abb. 3: Fünf-Rollenwelten-Modell

Natur als Resilienzfaktor

Das gefühlte Verhältnis der Menschen zur Natur hat sich sehr verändert. Lange Zeit war die Natur für die Menschen der unbezähmbare Gegner, dem man weitgehend hilflos gegenüberstand, dem man göttliche Qualitäten zuwies und den man durch Opfergaben versuchte gewogen zu machen. Heute ist die Natur im Bewusstsein vieler ein zartes Etwas, dessen Weiterbestehen sehr von unserem Verhalten abhängt. Beide Einschätzungen sind nicht falsch, aber einseitige Perspektiven. Es gilt, die Natur wirklich zu erfahren, wenn man sie als Resilienzfaktor nutzen will. Eine ganz gute Orientierung zum Erleben von Natur vermittelt der Amerikaner Henry David Thoreau, der im 19. Jahrhundert über seine persönliche Begegnung mit der Natur (»Leben aus den Wurzeln«) und insbesondere die Bescheidenheit, die sie ihn lehrte, Auskunft gibt. »Ich machte oft die Erfahrung, dass selbst der größte Menschenfeind und Melancholiker die holdeste und zärtlichste, die unschuldigste und eine höchst aufmunternde Gesellschaft in einem Gegenstand der Natur finden kann. Wer inmitten der Natur lebt, kann nicht ganz in Schwermut verfallen.« (Thoreau 1997, 57)

Mit Kinhin Natur erleben

Im Benediktushof in Holzkirchen bei Pater Willigis Jäger habe ich Kinhin gelernt, das langsame und das zügige meditative Gehen sowie den Tag morgens mit Gehen zu beginnen. Dort geht man im Kreis; etwa eine halbe Stunde lang. Dies war ein erster Impuls für mich, den ich in mein Leben einbaute. Aber ich entwickelte meine eigene Variante. Und zwar gehe ich durch Wald und Flur, aber zwei Stunden lang und in der Frühe um 5 Uhr. Ich legte einen eigenen Pilgerweg an, auf dem ich sukzessive Plätze tiefer Kraft entdeckte. So erfahre ich die Natur tagein tagaus: zunächst war das Wetter sehr präsent: Kälte, Regen, Wärme. Dann war immer der Kontakt mit den Tieren da. Nachts im Wald sein, bedeutet, in das Reich der Tiere einzudringen. Das muss mit Respekt passieren. Meist sehe ich die Wildtiere nicht, aber ich weiß, sie bemerken mich. Zu bestimmten Zeiten des Jahres sind etwa die Wildschweine sehr aktiv. Meist sind es nur einzelne oder zwei. Im Sommer und Spätsommer sind sie dann in größeren Gruppen in der Rotte mit ihren Frischlingen unterwegs. Dann gilt es schon einmal Lärm zu machen, damit kein Tier angreift, wenn man zu nahe kommt. Auch die Reviertiere wie der Fuchs oder der Rehbock zeigen sich manchmal, um ihr Herrschaftsgebiet zu behaupten. Der Mensch ist das gefährlichste Raubtier der Erde, das hat sich wohl hier auch herumgesprochen. Die Bussarde oder auch der Falke wurden mir ebenfalls sehr vertraut. Ich bin mit mir und mit der Natur.

Viele Menschen berichten Ähnliches. Nachdem sie die Natur als einen Erfahrungsbereich in ihr Leben hineingenommen haben, fühlen sie sich mit dem Leben enger verbunden. Wichtig ist hier, dass es um Wahrnehmung und Achtsamkeit geht, nicht um ein begriffliches Kategorisieren; es geht nicht darum, Wissen über die Natur anzusammeln. Wer durch den Wald geht und permanent kategorisiert, welche Pflanzen er kennt und benennen kann und was er alles weiß, nimmt nicht wirklich das Außen war, sondern nur seine eigenen Gedanken. Sicherlich hilft die Natur durch ihre Präsenz auch unbewusst den Menschen, sich zu innerlich zu reinigen und zu klären. Ich hatte einmal das Vergnügen, auf dem Jakobsweg immer wieder eine Gruppe Italienerinnen zu treffen. Man konnte sie schon von weitem hören. Sie unterhielten sich lautstark über ihre persönlichen, familiären Beziehungen, über Politik und alles Mögliche und widmeten der Natur keine Aufmerksamkeit – und dennoch war ich sicher, dass die Natur ihnen half. Festzuhalten bleibt: Neben dem Unterstützungssystem durch andere Menschen, dem Netzwerk, wie es neudeutsch genannt wird, ist die Natur als ein weiterer Faktor sehr nützlich, um Resilienz zu entwickeln.

Resilienzfaktor II: Die Körper-Geist-Verbindung
Embodiment

Der Körper rückt auch bei psychologischen Themen immer mehr in die Betrachtung. Der »Embodiment«-Ansatz betrachtet die Repräsentation psychischer Themen im Körper. Insbesondere Ereignisse mit hohem Stress- oder Bedrohungsgehalt für Menschen greifen sofort auf die emotionalen Zentren des Gehirns wie das limbische System durch. In potenziell traumatischen Situationen – und um diese geht es bei der Resilienz – ist das Alarmsystem des Gehirns aktiviert. Ist die Situation außerordentlich bedrohlich, kommt ein Mensch in den sogenannten Überlebensmodus (Brom 2014). Diesen Modus merkt sich der Körper unabhängig vom Kognitiven sehr genau. Es ist danach erst einmal eine tiefe Erinnerungsspur vorhanden. Der Körper ist in der Behandlung von Traumata genauso zu adressieren wie externe Ressourcen und innerpsychische Prozesse. Eine Geübtheit im Arbeiten mit der körperlichen Seite ist entsprechend auch für Resilienz sinnvoll.

 

Zunächst reagiert der Körper vor allem in Stresssituationen erst einmal automatisch. Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass es auch langfristig gut ist. Er reagiert so, wie es in ihm durch die Evolution angelegt ist und wie er es gelernt hat. Bestimmte Reize lösen bei ihm Reaktionen aus, und das können durchaus konditionierte Reize sein, wie es viele automatisch ablaufende Angstreaktionen bei wenig objektiv bedrohlichen Situationen zeigen. In der Körper-Psyche-Beziehung sind zwei Hypothesen falsch: Die erste ist, Körper und Psyche seien unabhängig voneinander, so wie es vielleicht extreme Denkfans behaupten und dafür Descartes »cogito ergo sum« (ich denke also bin ich) heranziehen. Zum zweiten ist falsch, dass es eine 1:1-Beziehung von Körper und Psyche gebe. Alles, was in der Psyche ist, schlage sich direkt im Körper nieder und umgekehrt. Unbemerkte Krankheiten werden in der Psyche erst einmal nicht registriert. Thesen, dass ein Mensch das Vorhandensein einer schlimmen Krankheit wie Krebs im Unbewussten »wisse«, halte ich nur dafür geeignet, den Betroffenen ein schlechtes Gefühl einzureden. Was in einer solchen Situation niemand gebrauchen kann.

Die Body-Mind-Connection ist jedoch eine wichtige Ebene. Theoretisch lassen sich also Körperempfindungen und Gefühle wie Angst, Ärger, Freude, Zuneigung unterscheiden. Allerdings verbindet man schnell mit den Gefühlen bestimmte Körperzustände und natürlich umgekehrt. Auch gesamte Stimmungen wie Niedergeschlagenheit oder Euphorie gehören dazu. Im »Embodiment«-Ansatz werden Gefühle auch immer mit einer körperlichen Entsprechung angenommen.

Der Körper ist gerade in Bezug auf das Umgehen mit stark ins Leben eingreifenden Situationen sehr wichtig. Die Verbindung von Körper über Empfindungen hin zu Gefühlen macht Erfahrungen. Dann erst werden dazu entsprechend auch Gedanken und Gedankenkonstrukte entwickelt, mit denen man sich einen Reim auf das Erfahren macht. Diese Denkkonzepte haben dann wieder Rückwirkung auf die Stimmung. Die Bewertungen, die wir für Situationen haben, bestimmen unsere Gefühle. Das Ergebnis zahlreicher psychologischer Studien zeigt, dass, wenn man Menschen für eine Situation sehr unterschiedliche Erklärungen gibt und damit ihre Bewertungen beeinflusst, für die Einzelnen sehr unterschiedliche Gefühle resultieren. Die CBT (Cognitive Behavioral Therapy – kognitive Verhaltenstherapie) knüpft gerade an Letzteres an. Aaron Beck und Albert Ellis, die Klassiker der CBT, versuchten schon die Gedankenmuster (die Kognitionen) wegen ihrer Auswirkungen auf die Gefühle zu verändern.

In Bezug auf die körperliche Seite der Resilienz haben die Leipziger Hirnforscherin Tanja Singer und ihr Mitarbeiter in Untersuchungen festgestellt, dass lange Meditationserfahrung tatsächlich zu anderen Gehirnleistungen in den Alarmregionen führt (Singer / Lamm 2009). Die Amygdala und das mit ihr verbundene Alarmsystem sind bei Menschen mit langer Meditationserfahrung bedeutend weniger aktiv. Meditation macht »cooler«.

Langes Sitzen im Zazen, im Vipassana oder auch in der christlichen Kontemplation ist für die Resilienzentwicklung empfehlenswert. Eine schöne Darstellung zur Vipassana-Erfahrung liefert der Reisejournalist Andreas Altman (2010), der sich als Westeuropäer dieser für die meisten ungewohnte Form der Sitz-Meditation annahm. Er beschreibt sowohl die Leiden, die das mit sich bringt, als auch die kleinen Freuden, wenn man das eigene Gedankenfeuerwerk ausgehalten hat. Freude hat er auch empfunden, wenn die von ihm für unverwüstlich gehaltenen Inder vor ihm aufgeben mussten. Ein sportliches Durchhalten ist zwar nicht das Entscheidende, aber diese Art Berichte sind für jeden ein guter Hinweis, auf was er sich einstellen muss und was die Tiefenschichten der Psyche produzieren können, um einen von der Erkenntnis abzuhalten. Die leider viel zu jung verstorbene Psychologin Michaela Özelsel (1993) hat ihre Erfahrungen mit einem 40-tägigen Sufi-Retreat aufgeschrieben. Sie beschreibt, wie ihr in dieser Zeit alles, wirklich alles aus ihrem bisherigen Leben begegnet ist.

In den vier Verankerungen der Achtsamkeit unterscheidet schon Shakyamuni zwischen vier Achtsamkeitsebenen (Thich Nhat Hanh 1999): Körper, Gefühl, Geist, Geistesobjekte. Er empfiehlt differenzierte Meditationen all dieser Bereiche – und das vor 2600 Jahren. Schon damals hatte man die wesentlichen Ebenen der menschlichen Psyche erkannt. Die Übungen, die Thich Nhat Hanh im Buch mit dem irreführenden deutschen Titel Umarme die Wut beschreibt, sind zum Teil sehr drastisch. Man soll sich den Körper sowohl von seinem inneren Funktionieren in allen Aspekten als auch in seinem späteren Verfall, sogar noch nach dem Tode vorstellen. Das Leben soll ganzheitlich wahrgenommen werden. Die Empfehlung, über den Körper die Gefühle zu beeinflussen, ist in der Psychologie also schon sehr lange bekannt. Das schon erwähnte »Gefühle-Ausfühlen« hört sich einfach an, bedeutet allerdings ein völliges Fernhalten der Gedanken. Denn Gedanken halten Gefühle oder innere Konzepte stabil. Doch das Fernhalten der Gedanken ist nur mit sehr viel Übung möglich. Die »Emotionskompetenz«, die man gerade durch das Durchlebt- und Bewältigt-Haben von belastenden Gefühlen erlangt, ist eine wesentliche Resilienzfähigkeit. Einen anderen Aspekt berühren Storch und Tschacher (2014). Sie bezeichnen Affekte auch einmal als Affekteinstellungen. Also auch die Gefühle sind von Einstellungen und damit Gedanken im praktischen Erleben nur schwer zu trennen, obwohl es für das Lernen von Resilienz wichtig ist, die Ketten aus Bedürfnissen, Primärgefühlen (Verletztheit), Gedanken (»Das muss gerächt werden«), Sekundärgefühlen (Ärger) und Verhalten (Angriff), wie sie beispielsweise Marshall Rosenberg in seinem Buch zur »Gewaltfreien Kommunikation« (2001) beschreibt, genau anzuschauen. Rosenberg empfiehlt zu lernen, bei den Primärgefühlen zu bleiben.

Resilienz lernen besteht also darin, Einfluss auf seinen Körper zu nehmen. In vielen Methoden wird daher die Körpersensibilität gefördert. Übungen zum Körperbewusstsein wie etwa der »Bodyscan« leiten meist von den Füßen beginnend zu einer Reise durch den Körper und fragen nach den Empfindungen. Das von John Kabat-Zinn zusammengestellte Acht-Wochen-Programm Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) mit Elementen von Achtsamkeit, Yoga, psychologischen Ratschlägen wird mittlerweile flächendeckend angeboten. Es kann allenfalls ein Anfang sein, da es mit Kurzprogrammen hier nicht getan ist. Ein geeignetes Selbstlernprogramm mit entsprechenden CDs liegt von Maren Schneider vor (Schneider 2012). Ähnlich ist die Vorgehensweise im Yoga in der sogenannten »Tiefenentspannung«. Yoga als Gesamtkonzept ist heute ein sehr verbreiteter Ansatz, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit zu verbessern. Allerdings gibt es sehr viele Herangehensweisen, um den Körper in Betracht zu ziehen, zu sensibilisieren und zu entwickeln. Der kanadischdeutsche Weisheitslehrer Eckhart Tolle spricht in seinem Programm »Jetzt!« vom »Schmerzkörper«, der die Einschränkungen des Menschen, die er durch Gesellschaft und Erziehung erfährt, enthält. Es gelte, den Schmerzkörper aufzugeben (Tolle 2002). Auch der Leiter des Zentrums für west-östliche Weisheit im Benediktushof bei Würzburg, Alexander Poraj, spricht von der Kontraktion, die der Mensch in jungen Jahren erfahren hat und die ihn später an der unmittelbaren Wahrnehmung der Welt hindert (Poraj 2016). Hier sei Bewusstheit zu schaffen, Meditation zu üben und auf diesem Wege ein verändertes Herangehen an die Welt zu erreichen. Wieweit solche Metaphern (»Schmerzkörper«, »Kontraktion«) hilfreich sind, ist sicher von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Festzuhalten bleibt, dass für Resilienz sowohl in Richtung Traumabewältigung als auch zur Prävention die Körper-Geist-Verbindung eine Rolle spielt. Am besten ist es, wenn die Körper-Geist-Verbindung als ein tägliches Übungsprogramm in das Leben integriert wird.

Yoga oder Krafttraining

Persönlich habe ich sehr lange Yoga betrieben und meine Beweglichkeit verbessert. Lange Body Scans, ausgedehnte Imaginationsreisen über die Körperregionen von den Füßen bis zum Kopf ließen mich kurzfristig etwas wahrnehmen, aber sehr schnell verpuffte der Effekt. Allerdings konnte ich meine Körperwahrnehmung durch ein anderes Vorgehen verbessern. Zugegebenermaßen hatte ich dies lange aus eher »ideologischen« Gründen abgelehnt, aber dann doch ausprobiert. Die Steigerung des Körperbewusstseins gelang mir durch Krafttraining. Ich merkte, dass das »In-die-Kraft-Gehen« bei meinem Körper mit Entspannung verbunden war. Ähnlich wie für manche Menschen die Vorstellung von Ruhe und Schwere wie im Autogenen Training günstig ist, für andere aber das Abwechseln von Spannung und Entspannung im Jacobsen-Training, musste ich meinen Weg finden. Die Muskeln zu spüren und Kraft zu empfinden, war für mich ein großer Schritt. Beweglichkeit war ein Thema, aber Kraft war das für mich wichtigere.

So gilt es für jeden, seine ihm gemäße Form zu finden. Sicher gibt es in verschiedenen Lebens-Phasen unterschiedliche Herangehensweisen. Dennoch sollte man für sich eine eher kontemplative Variante (Autogenes Training, MBSR-Bodyscan, Yoga-Tiefenentspannung usw.) genauso wie eher mit Spannung und Entspannung arbeitende Methoden wie Jacobsen-Training oder auch Krafttraining ausprobieren.

Empathie macht Beziehungen möglich

Empathie, das gefühlsmäßige Mitschwingen, ist eine wesentliche Komponente für Resilienz, weil dadurch erst Beziehungsfähigkeit möglich ist. Es richtet sich auf die andere Person, Fremdempathie genannt, und auf die eigene Person. Selbstempathie bedeutet, in sich hineinhören und gleichzeitig unterscheiden zu können, was wirklich wichtig und nötig ist. Und dies zu unterscheiden von dem, was aus Gewohnheit oder sogar aus dem Unbewussten, dem früh entschiedenen unbewussten Lebensplan (Skript), aus einem hervorkommt. Beispielsweise das drängende Gefühl »das muss jetzt unbedingt gesagt werden« ist in der Regel ein Ausdruck eigener rigider Gewohnheitsmuster (Skript), weil Optionen dann meist fehlen. Das Autonomie-Kriterium der Flexibilität ist dann meist nicht erfüllt. Fremdempathie ist das Hineinversetzen-Können in die andere Person. Dies setzt wiederum ein echtes Interesse an dieser Person voraus. Man könnte sogar von Sympathie sprechen.

In den letzten Jahren ist ein echter Gefühlshype entstanden. Etwas kritisch sind Positionen zu sehen, die die Spiegelneurone, die das gefühlsmäßige Mitschwingen mit dem anderen körperlich abbilden, zu einer Ideologie machen. Auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte muss man sich eher fragen, wie die Spiegelneurone so schnell ausgeschaltet werden können. Sonst passt der tagsüber Menschen misshandelnde und mordende KZ-Wächter nicht mit dem treusorgenden Familienvater zusammen. Der Mensch scheint extrem systemisch zu funktionieren: jeweils nach der naheliegenden Kontextinterpretation kann er sehr unterschiedlich sein. Die Experimente von Milgram und Zimbardo, bei denen Menschen Gefängniswärter spielen durften und die allesamt wegen sich entwickelnder Gewaltneigung abgebrochen werden mussten, zeigen dies ebenso.

Dennoch sind Gefühle das Zentrale des Menschen. Alle Vorstellungen von cogito, ergo sum, die das Denken in den Vordergrund stellen, werden dem Menschen nicht gerecht. Rationalität und Logik werden gerne als Legitimation für Entscheidungen gewählt. Schaut man genauer dahinter, ist die Entscheidung durch Gefühle entstanden. Empathie schützt vor überzogenem Verhalten, vor Risiken, vor unethischem Verhalten anderen gegenüber und vielem mehr. Es ist kein Wunder, dass Menschen, die keine Empathie haben, Menschen mit einer sogenannten dissozialen Persönlichkeitsstörung, zu den schlimmsten Gewalttaten anderen gegenüber fähig sind.

Zur Empathie und ihrer Entwicklung gibt es mittlerweile eine Menge Wissen. Sie wird heute vorwiegend unter dem Stichwort »Mentalisierung« betrachtet. Mentalisierung bezieht sich sowohl auf das reflexhafte Handeln – wenn man jemanden sieht, der gähnt, muss man automatisch auch gähnen, wenn man jemanden sieht, der sich verletzt, sagt man »Aua« – als auch auf das reflektierte, kognitive Hineinversetzen in die Situation eines anderen. Die erste, automatische Form ist die frühere, quasi angeborene. Die zweite ist mehr gelernt. Diese zwei Formen der Empathie sind beide sehr wichtig, wie Sabine Herpertz in ihrem »neurowissenschaftlichen Blick auf die Mentalisierung« beschreibt (Herpertz 2015). Der Mensch schwingt durch seine Spiegelneuronen mit anderen mit.

 

Übung »Meditation einüben«

Sie ist ein Weg, das innere Gedankenfeuerwerk zur Ruhe zu bringen. Aber sie ist nicht zu berechnen. Hier ist Achtsamkeit geboten. Denn es passiert beim Üben zunächst oft ein Abgleiten in Gewohntes, da die gewohnten Gedankenvorstellungen zunächst noch sehr aktiv sind. Meditation ist nicht das Bemühen, das sehr angestrengt und wie eine Sportart betrieben werden sollte. Denn ein solches sportliches Training produziert nur Mehr des Vorhandenen. Man kann zwar erreichen, dass man schneller in die Versenkung fällt, mehr Ausdauer beim Sitzen erreicht, aber etwas Neues entsteht dadurch noch nicht. Doris Zölls weist in Zazen im Alltag darauf hin, dass es nicht Ziel ist, bei jeder Meditationseinheit nur darauf zu warten, dass die Glocke für das Ende läutet (Zölls 2014). Es braucht Geduld und braucht eine innere Haltung, das, was innerlich erscheint, willkommen zu heißen. Wichtig ist, sich Zeit zum Innehalten zu nehmen, die dann Meditation einleiten kann.

Übung »Alltagsmeditation nützen«

Es gibt immer wieder Situationen der Alltagsmeditation, in denen das Denken ausgeschaltet ist, man auf einmal versunken dasitzt und Ideen einfach auftauchen. Diese Situationen sind bewusst zu befördern und vielleicht dadurch vermehrt zu erleben. Meditative Situationen sind einfach da, entstehen im Alltag unverhofft. Es gilt sie willkommen zu heißen. Hinzu kommt ein körperlicher Prozess. Aus der Forschung zur Meditation wissen wir, wie gesund die begleitenden körperlichen Zustände sind. Beispielsweise arbeitet dann das Immunsystem besser, auch die psychoimmunologische Verknüpfung ist in den Stadien der Meditation sehr effektiv.

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