Freche Fee und lustiger böser König. Märchen

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»Es lebe die gute Tante Hexe!«

Dann schob er rasch seinen Bonbon wieder zwischen die Zähne.

Der Kalendermann zog tief seinen Hut vor der alten Ginsterhexe und der jungen Prinzessin und rief seine Schar zusammen.

»Nun schnell nach Hause mit euch, lose Gesellschaft,« sagte er, »daß nur ja niemand merkt, daß ihr heute alle zusammen in der Welt herumlauft!«

Der Herr Jahr holte seine Jungen zusammen und die Frau Woche die ihren.

Nur der Dienstag mit seinem Holzschwert und der Juni mit den Mohnblumen im Haar brauchten nicht mit nach Hause zu gehen, weil die beiden gerade Dienst hatten. Sie faßten sich unter den Arm und sprangen munter in den Wald hinein.

»Daß du mir ja pünktlich um zwölf Uhr zu Hause bist!« rief der Kalendermann dem Dienstag nach.

Die Prinzessin Fanfrilla aber stand zwischen den Ginsterbüschen und warf dem kleinen Volk viele gelbe Blüten nach.

Im Winter, als alle sieben Quellen vereist waren und die Ginsterbüsche schwer unter dem blanken Schnee sich beugten, saß die Prinzessin Fanfrilla eines Abends am Kamin und packte das Filetschürzchen, das gerade fertig geworden war, in schönes rosa Seidenpapier ein.

Da hörte sie, wie die Tante Hexe ihre dicken Bücher zuklappte und aufstand. Sie hatte kaum Zeit, das Filetschürzchen in ein Pappkästchen zu stecken, weil es doch eine Geburtstagsüberraschung sein sollte, als auch die Alte schon auf sie zukam.

»Zieh dich an, Fanfrilla!« rief die Tante Hexe. »Du sollst in die Stadt fahren, den Papa besuchen!«

»Was?« rief die Prinzessin und sperrte Mund und Augen weit auf. – »Wir haben ja keinen Schlitten und keine Pferde! – Wie soll ich denn fahren?«

»Das wirst du schon sehn,« antwortete die Ginsterhexe. »Zieh dich an! Zieh dich an!«

»Was soll ich denn anziehen?« fragte Fanfrilla. »Das rosa Hängerchen oder das grüne Kleidchen mit den Schleifen oder das – – «

»Gar keins von denen!« unterbrach sie die Alte. »Du sollst ein ganz neues Kleidchen anziehen.«

Sie klatschte dreimal in die Hände, da flog die Türe auf und eine große Eule flatterte ins Zimmer. Sie trug im Schnabel eine Schachtel, die legte sie vor die Prinzessin auf den Boden.

Fanfrilla machte schnell die Schachtel auf und fand ein wunderschönes weißseidenes Kleidchen mit kurzen Ärmeln und mit großen weißen Pompons besetzt. Dabei lag eine hohe spitze Mütze und entzückende weiße Seidenschühchen und Strümpfchen.

»Ach, liebste Tante Hexe!« jubelte die Prinzessin. »Ist das für mich?«

»Gewiß! Gewiß!« sagte die Ginsterhexe. »Nun zieh dich nur schnell an!«

Fanfrilla zog sich an, so rasch sie nur konnte. Kaum war sie fertig, als die Alte wieder dreimal in die Hände klatschte. Da erklang draußen ein lustig Schellengeläute. Die Alte warf der kleinen Prinzeß einen dicken Pelzmantel über, dann gingen sie hinaus. Vor der Türe stand ein wunderhübscher Schlitten, der mit zwölf starken Füchsen bespannt war. Auf dem Bock saß ein kleiner Kerl, der die Zügel hielt, man konnte aber gar nichts von ihm erkennen, da er ganz in einen dicken Otterpelz eingemummt war. Die Ginsterhexe hob die Prinzessin Fanfrilla in den Schlitten und deckte sie mit einer großen Decke warm zu.

»Fahr zu!« rief sie dem kleinen Kutscher zu, dann trat sie rasch wieder in ihr Haus zurück.

Der kleine Kutscher ließ die Peitsche lustig knallen und wie der Wind ging es durch die helle Mondnacht. Die silbernen Schlittenschellen läuteten durch den Wald, daß überall die Hirsche und Rehe und Hasen herbeiliefen und neugierig dem fröhlichen Gefährt nachschauten.

»Kling – Kling – Kling – – «

An dem Abende aber saß der dicke König Krökel I. in dem größten Saale seines Schlosses. Er gab ein Fest und hatte viele Leute eingeladen, aber er langweilte sich furchtbar. Und alle andern, die um die große Tafel herumsaßen, langweilten sich ebenso sehr.

Der König Krökel gähnte. Und der Kanzler von Sanftmut gähnte. Und die Minister gähnten und alle Leute, die am Tische saßen, und sie langweilten sich so sehr, daß dem einen ein Hühnerbein und dem andern ein Stück Brot und dem dritten ein Teltower Rübchen im Halse stecken blieb.

Da schallte von draußen ein lustiges Schellengeläute und ein helles Peitschengeknalle in den Saal hinein.

»Sehen Sie doch mal, was da los ist, lieber Sanftmut!« sagte der König zu seinem Kanzler.

Der Kanzler sprang rasch auf und lief ans Fenster.

»Da draußen vor dem Schloßtore steht ein merkwürdiges Gespann!« rief er. »Ein silberner Schlitten mit zwölf Füchsen bespannt. Mit richtigen Füchsen, denken Sie mal, Herr König!«

»Wer sitzt denn in dem Schlitten?« fragte König Krökel.

»Es sitzt etwas drin,« antwortete der Kanzler, »aber das ist so vermummt, daß man gar nicht erkennen kann, was es ist. – Der Kutscher ist ein ganz kleiner Bursch in dickem Pelzmantel, er ist gerade abgesprungen und befestigt kleine silberne Räder unter dem Schlitten.«


»Warum denn?« fragte der König Krökel.

»Das weiß ich nicht,« antwortete der Kanzler von Sanftmut. »Jetzt steigt er wieder auf den Bock und fährt vor das Schloßtor. – Nein, so was! Er schlägt mit der Peitsche dagegen und die beiden Flügel springen auf! Nun fährt er hinein!«

Man hörte jetzt das Schellengeläute auf der Treppe und gleich darauf einen lustigen Peitschenschlag gegen die Tür des Saales, die weit aufsprang.

In dem Augenblick, als das Gefährt in den Saal rollte, warf der kleine Kutscher seinen Pelzmantel ab und die Prinzessin Fanfrilla folgte seinen Beispiel. Die zwölf roten Füchse hoben die Ruten hoch und jagten was sie konnten in den Saal hinein. Sie liefen rund um die große Tafel herum und alle die silbernen Schellchen klingelten, daß es eine Lust war. Der kleine Kutscher auf dem Bock trug ein gelb-weiß-grün-rotes Mützchen, dessen goldene Schellen mit denen am Schlitten um die Wette läuteten. – Vor dem König Krökel zog er die Zügel fest an, sofort blieben die zwölf Füchslein stehen. Die Prinzessin Fanfrilla sprang aus dem Wagen heraus, lief auf den König zu, umarmte ihn und küßte ihn mitten auf die Nase. Dabei rief sie:

»Papa König! Wie gehts?«

König Krökel war ganz überrascht über den plötzlichen Besuch seiner Tochter.

»Ich weiß gar nicht,« wandte er sich an seinen Kanzler, »ob sich das eigentlich schickt.«

Da stieg der kleine Kutscher auch aus dem Wagen, lief schnell hinter den König, faßte seinen Zopf und kletterte flugs daran in die Höhe. Dann sprang er über seinen Kopf weg und stellte sich mitten auf den Tisch vor ihm auf.

»Helau!« rief er. »Helau!«

Der König und seine Minister machten sehr dumme Gesichter und die Prinzessin Fanfrilla guckte den Kleinen erstaunt an.

»Kennst du mich denn nicht mehr, Prinzessin?« rief der Kleine. »Ich bin ja der Februar! Und das hier,« fuhr er fort, indem er seine Mütze in der Luft schwenkte und mit der Pritsche klapperte, »das ist das Geschenk von der lieben Tante Hexe! Damit mache ich alle Welt heute lustig und vergnügt!«

Er sprang auf den König Krökel zu und schlug ihm mit der Pritsche mitten vor den Bauch. Da fing der fürchterlich zu lachen an. Der kleine Februar lief aber über den ganzen Tisch herum und schlug die Gäste mit der Pritsche oder klingelte ihnen mit seiner Schellenmütze in die Ohren. Die schönen Damen und die edlen Herren, die sich vordem noch so gelangweilt hatten, wußten gar nicht, wie ihnen geschah, sie wurden plötzlich so fidel und so guter Dinge, daß sie am liebsten die ganze Welt abgeküßt hätten.

»Sieh mal, was unten im Schlitten liegt!« rief der kleine Februar der Prinzessin Fanfrilla zu.

Die ging hin und fand auf dem Boden des Schlittens eine große Menge von bunten Holzpritschen und seidenen gelb-grün-weiß-roten Mützchen. Sie hob ihr Röckchen hoch, nahm alles hinein und brachte es dem kleinen Februar hin.

Der schlug mit seiner Pritsche an eine große Weinflasche und rief:

»Helau! Seid mal still, ich will eine Rede reden! – Ich bin der Februar, auch der Prinz Fasching genannt. Ich bin gekommen, Euch von all Euren Sorgen und Grillen und allem dummen Griesgram zu befreien! Da! Setzt Euch die Mützen auf und klappert mit den Pritschen und seid vergnügt und lacht und schreit alle zusammen: – Helau!«

Damit warf er die Mützen und Pritschen den Festgästen zu. Die Prinzessin Fanfrilla nahm die allergrößte Mütze und stülpte sie dem Papa König auf den Kopf, dann gab sie ihm die Pritsche in die Hand, die am meisten klapperte.

König Krökel sprang auf und schrie so laut er konnte:

»Helau!«

Und alle andern sprangen auch auf und schrien und jubelten:

»Helau! Helau! Helau!«

Dann machten sie einen großen Rundzug durch den Saal. Zuerst kam König Krökel, der trug den kleinen Februar huckepack. Ihm folgte die Prinzeß Fanfrilla, die sich wieder in den hübschen Rollschlitten gesetzt hatte und nun selbst die Füchse kutschierte. Hinter ihr ging stolz der Kalendermann in seinem Sonntagsrock und dann kamen alle die andern. König Krökel schritt auf seinen Thron zu und setze sich, der kleine Prinz Fasching aber kletterte oben auf die Lehne.

»Kalendermann!« rief der König. »Komm einmal her!«

Der Kalendermann nahte sich und machte eine tiefe Verbeugung.

»Kalendermann!« sagte König Krökel. »Eigentlich sollte ich dich erst aufhängen und dir dann den Kopf abschlagen lassen, weil du mir nie etwas von den ausgezeichneten Talenten des kleinen Februars gesagt hast. – Aber weil ich ein gnädiger König bin und weil der Kleine ein gutes Wort für dich eingelegt hat, so will ich dir statt dessen den großen Stern des närrischen Mondkalbordens erster Klasse mit Eichenlaub und Schwertern verleihen.«

 

Der König winkte; der Kanzler trat vor und heftete dem überglücklichen Kalendermann den großen Orden an die Brust.

»Ich aber,« fuhr der König fort, »König Krökel der Erste von Ulalume bestimme hiermit und verordne, daß von nun an jedes Jahr auf drei Tage der kleine Februar, unter dem Namen Prinz Fasching, mein Reichsverweser sein soll, und schalten und walten darf, wie er will!«

Da zog der Kleine den dicken König wieder am Zopf und sagte ihm ins Ohr:

»Reich mir doch die Prinzessin Fanfrilla herauf, Onkel König!«

König Krökel beugte sich herab und hob das Prinzeßchen, das zu seinen Füßen saß, hoch auf den Arm. Der Kleine aber faßte sie in die schwarzen Locken und küßte sie mitten auf den roten Mund.

Dann rief er laut in den weiten Saal hinein:

»Helau! Ich bin der Prinz Fasching, und das ist meine schöne Prinzessin!«

Da rief die ganze Versammlung:

»Es lebe der Prinz Fasching und seine schöne Prinzessin! Helau! Helau! Helau!«

Und alle lachten und jauchzten und jubelten, daß es eine Lust war.

So kam es, daß der arme kleine Februar zu hohen Ehren kam, und noch heute der schönste Monat ist im ganzen Jahr!

Aber nur in Ulalume, in Torelore und Thule und in ein paar andern Landen am Rhein und an der Isar.

Die alte Postkutsche

Eines Tages sagte Jupp zu Otto:

»Wenn du Mut hast, können wir solche Abenteuer, wie sie die Großmutter erzählt, selbst erleben, ich wüßte auch, wo! Draußen auf dem Felde liegt eine alte Postkutsche, da müssen wir hineinkriechen. – Ich war schon ein paarmal dort!«

Am nächsten Samstage zogen die beiden Jungen aufs Feld hinaus. Sie hatten auf Jupps Rat alles mitgenommen, was nötig war, um Abenteuer zu erleben; erstens Schinkenbrote (die hielt Jupp bei allen Gelegenheiten für sehr notwendig), dann ein großes Stück Schnur, ein Taschenmesser, ein kleines Fernrohr, das Otto von seinem Hauslehrer bekommen hatte, und endlich ein Pistölchen, das Jupp von einem anderen Jungen gegen drei Glaskugeln eingetauscht hatte.

In der Nähe des Waldes lag auf dem Felde eine alte gelb angestrichene Postkutsche. Sie hatte nur noch zwei Räder, und kein Mensch wußte, wie sie dahingekommen war. Dort hinein krochen die beiden Jungen und streckten sich auf dem Heu aus, das Jupp schon bei früheren Gelegenheiten in großer Menge hereingeschleppt hatte.

Dann begannen sie ihre Butterbrote aufzuessen. Das sei immer die erste Vorbereitung zu allen Zauberabenteuern, meinte Jupp, – hinterher müsse man sich dann der Länge lang ausstrecken und sich ein wenig ausruhen.

Das taten sie, und bald schliefen beide ein.

Nach einer Weile war es Otto, als ob Jupp ihn anstoße; er hatte das Fernrohr in der Hand und hielt es ihm hin.

»Hier!« sagte er. »Damit wollen wir uns ganz klein machen, damit wir durch die Löcher hinein können, die in das Wunderland führen.«

Otto nahm das Fernrohr und betrachtete es von allen Seiten, dann sagte er:

»Aber wie kann man sich damit klein machen?«

»Sehr einfach! So wie es die beiden Prinzen machten, von denen unsere Großmutter erzählt! Ach, die Geschichte kennst du noch nicht? – Paß auf, ich will dirs zeigen! – Guck mal aus dem Wagenfenster! Was siehst du dort?«

»Vorne die Landstraße mit den Bäumen.«

»Nun nimm das Fernrohr; was siehst du nun?«

»Ganz dasselbe, aber alles viel größer!«

»Nun dreh das Fernrohr um.«

»Jetzt sehe ich alles ganz klein und winzig.«

»Also,« fuhr Jupp fort, »das ist der ganze Witz! Du drehst das Fernrohr um und siehst mich an, dann bin ich ganz klein.«

Otto blickte durch das Fernrohr auf Jupp – und wirklich, der war plötzlich nicht größer wie ein Daumen! Er erschrak sehr und ließ entsetzt das Fernrohr fallen; da sah er, wie Jupp, so rasch er konnte, durch das Heu zu dem Fernrohre hinkletterte. Aufheben konnte er es nicht mehr, dazu war er viel zu klein, aber er schob es so zurecht, daß er durch dasselbe auf Otto sehen konnte. – Und siehe da! Im selben Augenblicke schrumpfte auch Otto zusammen.

Otto war ganz entsetzt; er frug seinen Freund, wie man nun wieder groß werden könnte?

»Sehr einfach,« sagte Jupp. »Dann brauchen wir nur wieder von der richtigen Seite durchs Fernrohr zu sehen!«

Otto wollte das gleich probieren; aber Jupp lachte und erklärte, es fiele ihm gar nicht ein, jetzt hindurchzusehen, sie wollten erst Abenteuer erleben, und da Otto allein sich ja nicht größer machen konnte, so mußte er sich wohl oder übel in sein Schicksal fügen.

Die beiden Jungen betrachteten sich. Ihre Sachen waren mit ihnen kleiner geworden, ihre Kleider, Taschenmesser, Glaskugeln, alles, was sie bei sich trugen.

»Es ist gut, daß wir die Butterbrote vorher aufgegessen haben, sonst wären sie auch so klein geworden,« sagte Jupp. »So, nun wollen wir nachsehen, ob hier irgendwo ein Loch ist.«

»Warte, Jupp!« rief Otto, »ich muß mir nur eben noch die Nase putzen!«

»Fatzke!« murmelte Jupp.

Otto suchte in allen Taschen, doch sein Taschentuch war nicht da. Plötzlich sah er es nicht weit von ihnen auf der Erde liegen; aber es schien so groß wie ein Bettuch! – Er hatte es aus der Tasche fallen lassen, ehe sie durch das Fernrohr gesehen hatten, und da war es natürlich nicht mit klein geworden.

»Wir nehmen es nachher mit, wenn wir wieder groß sind,« erklärte Jupp; denn es war jetzt so groß, daß sie es kaum vom Boden wegziehen konnten. – Sie knieten sich beide hin und schnaubten sich noch einmal die Nase, dann kletterten sie durch das Heu.

Sie mochten so gut eine Weile in die Höhe geklettert sein, als sich der Heuberg senkte; vor ihnen war ein tiefes, ziemlich steil abfallendes Loch, so tief, daß sie kaum auf den Grund blicken konnten.

Vorsichtig stiegen sie hinab, wobei sie sich an den einzelnen Halmen festhielten. Aber merkwürdig! je tiefer sie kamen, um so unergründlicher schien der Heuschacht; auch wurde er immer steiler. Es war fast unmöglich, tiefer hinabzudringen; so setzen sie sich so gut es ging, nieder, um zu überlegen, was nun zu tun sei. – Plötzlich fühlten sie, wie das Heu, auf dem sie saßen, zu rutschen anfing, erst langsam, dann immer schneller, zuletzt ging es mit solcher Schnelligkeit hinunter, daß ihnen Hören und Sehen verging. Die beiden Jungen schrien so laut sie konnten; aber das nutzte ihnen natürlich nichts. Sie hatten die Augen geschlossen und sich an den Händen gefaßt – wupp! saßen sie unten!


Trotzdem sie noch immer auf ihrem Heu saßen, waren sie doch ziemlich hart angekommen. Sie befühlten sich gegenseitig Glied für Glied, ob nichts zerbrochen sei; aber es war noch alles, Gott sei Dank, heil und ganz. – Dann erst sahen sie sich um, wo sie eigentlich wären.

Sie befanden sich in einem großen Garten. Vielleicht war es auch nur ein kleiner Garten und erschien ihnen nur so groß, weil sie ja selbst so winzig klein waren. Was sie erst für große Bäume angesehen, erkannten sie bald als Blumen und Kräuter, die freilich viel, viel größer waren, als sie selbst. Sie gingen ein Stück den Weg entlang; da trafen sie auf dem breiten Blatte eines Wegerich einen großen Ohrwurm, der gemütlich dasaß und eine Zigarre rauchte.

Als er die beiden Jungen sah, rief er ihnen zu:

»Gebt mir ein Streichholz!«

Die beiden hatten kein Streichholz, und Otto entschuldigte sich deshalb bescheiden. Jupp, der etwas kecker war, frug:

»Wozu brauchen Sie denn ein Streichholz, Herr Ohrwurm? Ihre Zigarre brennt doch?«

»Dummer Junge!« sagte der Ohrwurm, »man braucht immer ein Streichholz, ich sammle welche! Ich habe schon fünf Billionen sechshundertdreiunddreißig Streichhölzer.«

»Wo haben Sie denn alle die Streichhölzer?« frug Otto.

»Dummer Junge,« sagte der Ohrwurm, »in der Tasche natürlich!«

Und damit zog er ein Streichholz nach dem anderen aus der Tasche und warf sie auf den Boden. Der ganze Boden lag schon voll von Streichhölzern, und Jupp rief:

»Es ist genug, Herr Ohrwurm, wir glauben es ja, daß Sie so viel Streichhölzer haben.«

»Dummer Junge,« sagte der Ohrwurm, »ich habe noch viel mehr.« Und wieder warf er ein Streichholz nach dem anderen auf den Boden.

Plötzlich standen die Streichhölzer auf und fingen an zu tanzen. Sie faßten die beiden Jungen an den Händen und sprangen mit ihnen zusammen um den Ohrwurm herum.

Das ging so eine Weile, bis dem Ohrwurm seine Zigarre ausging. Da bückte er sich und ergriff eins der Streichhölzer, dem alles Weinen, Schreien und Zappeln nichts nutzte. Er strich das arme Streichhölzchen mit dem Kopfe an der Schachtel; aber da es so schrecklich weinte, so war es ganz naß von Tränen und fing daher kein Feuer.

Der Ohrwurm warf es fort und rief: »Kommt einmal her, Jungen, ich will euch anstreichen.«

Die beiden hatten aber keine Lust, dem Ohrwurm als Streichhölzer zu dienen, sie liefen Hals über Kopf weg, so schnell sie nur konnten.

Sie blieben nicht eher stehen, als bis sie gar nicht mehr voran konnten und ganz außer Atem waren.

Da hörten sie ein ganz kleines, feines Stimmchen sagen:

»Helft mir doch ein bißchen!«

Sie sahen vor sich auf dem Boden eine kleine Ameise, die an einem Stückchen Holz schleppte, das sie kaum weiterbringen konnte.

»Was willst du denn damit?« frug Otto.

»Ich will es zum Bau tragen,« sagte die Ameise. »Wir bauen einen neuen Palast für die Königin.«

Sie sprach so leise, daß die beiden Jungen sich knien mußten, um sie überhaupt zu verstehen.

»Sprich doch ein wenig lauter, kleine Ameise,« sagte Otto.

»Aber ich strenge mich ja gerade so sehr an!« wisperte die Ameise. »Noch lauter kann ich nicht schreien.«

Otto nahm das Stückchen Holz auf und trug es zu dem Bau, während die Ameise neben ihnen herlief.

»Kannst du uns nicht den Palast und die Königin zeigen?« frug er.

»Ihr seid ja so schrecklich groß, daß ihr gar nicht durch die Wege im Bau gehen könnt,« sagte die Ameise.

»Das nennst du groß, dumme Ameise?« lachte Jupp. »Da solltest du uns einmal sehen, wie wir gewöhnlich sind; da sind wir sicher noch tausendmal größer als jetzt.«

Da bekam die Ameise Angst und lief so schnell wie möglich in ihren Bau herein.

Jupp rief, sie solle wieder herauskommen; aber die Ameise kam nicht. Da nahm er einen kleinen Zweig, der auf dem Wege lag, und stocherte damit in dem Ameisenhaufen herum.

»Wir wollen sie schon heraustreiben,« rief er.

Die Ameise kam auch, aber nicht allein. Mit ihr kamen viele hundert andere Ameisen, und jede trug einen feinen spitzen Degen. Die erste stach Jupp ins Bein, der vor Schrecken laut aufschrie und seinen Stock fallen ließ. Die beiden Jungen flohen schleunigst und kletterten auf einen großen Sauerampfer hinauf. Oben setzten sie sich auf ein Blatt, brachen kleine Zweige ab und hielten sich damit die Ameisen, die immer nur zu wenigen den Stamm heraufklettern konnten, vom Leibe. – Als die Ameisen sahen, daß sie auf diese Weise nichts erreichen konnten, führten sie einen anderen Plan aus. Sie wühlten und gruben in der Erde, um den Sauerampfer auszugraben. Die kleinen Jungen sahen es und erschraken sehr. Wenn sie es auch leicht mit ein paar Dutzend Ameisen aufgenommen hätten, so waren doch so viele Hundert der sichere Tod für sie.

»Was wollen wir tun?« frug Otto.

»Wir wollen versuchen, auf den Wegerich zu kommen, der neben unserem Sauerampfer steht; ein Zweig hängt gerade hinüber. Vielleicht merken es die Ameisen nicht.«

Sie kletterten vorsichtig auf den Zweig, der sich auf den Wegerich hinüberbog. Schon waren sie auf dem letzten Blatte angekommen, als Otto entsetzt hinunterwies. Jupp blickte hinab: da saß ein großer, mächtiger Frosch, der sein breites Maul weit aufriß, als ob er sie beide verschlingen wollte.

»Vorsichtig!« rief Jupp, »daß wir nicht hineinfallen.« Aber es war zu spät! Die Ameisen hatten die Wurzel gelockert, der Sauerampfer schwankte und plumps! fielen sie hinunter, gerade dem Frosch ins offene Maul.

Der machte einen einzigen Schlucker, da saßen sie alle zwei in seinem Bauche.

»Das ist ein guter Fraß,« sagte der Frosch, »wirklich ein guter; jetzt will ich zum Nachtische noch eine Fliege fangen!«

 

Die beiden Jungen saßen eng zusammengepreßt in dem Froschbauche und wußten nicht, was sie tun sollten; sie fingen bitterlich zu weinen an und heulten, so laut sie konnten.

»Seid doch ruhig,« sagte der Frosch, »damit ich euch besser verdauen kann.« Dann machte er wieder schwapp! und tat einen Schlucker; da kam eine Fliege hinunterspaziert.

»So, nun habe ich genug für heute abend,« fuhr der Frosch fort, »nun will ich ein Liedchen singen.« Und er sang so laut er konnte; Quak, quak, quak, quak, daß der ganze Bauch ordentlich dröhnte und die Jungen sich die Ohren zuhalten mußten.

Es war ganz dunkel in dem Froschbauche; nur wenn der Frosch das Maul aufriß, kam von oben etwas Licht herein. Als die Fliege ihre Leidensgefährten sah, setzte sie sich still dicht neben Jupp und fing auch zu weinen an.

»Nicht drängeln!« sagte Jupp, »es ist sowieso schon eng genug hier! Wahrhaftig, ich habe noch nie in meinem Leben einen so engen Froschbauch gesehen!«

Ihm war das Weinen schon langweilig geworden, und er sann nach, wie sie wohl wieder herauskommen könnten.

»Was machen wir nun?« frug er die Fliege.

Die Fliege wischte sich mit ihrem Taschentuche die Tränen vom Auge und sprach:

»Wir werden verdaut!«

»Ist das angenehm?« frug Otto.

»Ich weiß es nicht, ich bin noch nie verdaut worden,« sagte die Fliege, »aber ich glaube, es ist sehr schlimm.«

»Ihr seid beide bange!« erklärte Jupp. »Wir müssen versuchen, hier herauszukommen. Wir wollen ihn mal kitzeln, vielleicht niest uns der Frosch aus.«

Alle drei fingen nun an, den Frosch zu kitzeln; aber der quakte ruhig sein Liedchen weiter. Dann fingen sie an, herumzutrampeln; da schrie der Frosch:

»Seid doch ruhig da drinnen, ihr stört ja meinen Gesang!«

Endlich nahm Jupp seine Knallpistole heraus und schoß sie ab. Es gab einen tüchtigen Knall, und der Frosch bekam eine Beule in seinen Bauch. Das war ihm denn doch zu stark.

»Warte, ich werde euch helfen!« rief er und spie alle drei aus.

Als sie vor ihm auf dem Grase lagen, sah sie der große Frosch böse an und begann schrecklich zu schimpfen.

»Ihr wollt ein ordentliches Abendessen sein und benehmt euch so? Schämen sollt ihr euch! Ein ganz ungebildetes Pack seid ihr, das nicht einmal weiß, wie man sich anständig verdauen läßt! Marsch, weg mit euch! Zur Strafe werdet ihr jetzt gar nicht gegessen!«

Die drei ließen sich das nicht zweimal sagen, sie machten, daß sie aus dem Staube kamen.

»Puh, sind wir schmutzig,« sagte Otto. »Es war sehr unangenehm in dem Froschbauche!«

»Ich weiß, wo wir uns waschen können,« rief die Fliege vergnügt und führte sie einen kleinen Hügel hinauf, wo eine Menge gelber Butterblumen standen. In jeder der Blumen war ein großer Tautropfen, so daß sie gerade wie Waschschüsseln aussahen. Otto und die Fliege fingen sogleich an, sich ordentlich abzuwaschen. Jupp wollte zwar erst nicht mittun, wusch sich aber schließlich doch, weil er sich vor der Fliege genierte, die sehr reinlich war.

Mittlerweile war es Abend geworden; die Sonne sank immer tiefer hinab. – Als die Jungen das merkten, wünschten sie sehr, nach Hause zu kommen – Otto, weil er fürchtete, Schelte zu bekommen, und Jupp, weil er Hunger hatte. Sie schauten ringsum aus, wo wohl die Postkutsche wäre; sie konnten aber wegen des dichten Grases gar nichts sehen.

»Weißt du nicht, wo die Postkutsche ist?« frugen sie die Fliege.

»O ja! die ist aber weit von hier! Da ihr nicht fliegen könnt, will ich euch mein Pferdchen rufen, dann könnt ihr hinreiten!«

Sie brummte dreimal laut; da kam ein großes grünes Heupferd in langen Sätzen dahergesprungen. Im Maule hatte es einen Zügel und zwei Sättel auf dem Rücken.

Die beiden Jungen stiegen auf und bedankten sich sehr bei der guten Fliege. Die wollte gar nichts davon wissen, im Gegenteil, sie müsse sich bedanken, die Jungen hätten ihr Leben gerettet, wenn sie nicht gewesen wären, so säße sie immer noch in dem häßlichen Froschbauche und würde verdaut. Dann lud sie die Jungen ein, das nächste Mal mit zu ihrem Vater zu kommen, der König im Fliegenreiche sei und sich sehr freuen würde, die Retter seiner einzigen Tochter kennen zu lernen.

Man verabredete sich für nächsten Samstag; dann ritten sie davon. Das Heupferd setzte über hohe Kräuter und Gräser und jagte in mächtigen Sprüngen dahin. Bald sahen sie schon von weitem die gelbe Postkutsche, und nach einer kleinen Weile sprang das treue Heupferd mit den beiden Jungen den Heuschacht hinauf. Oben angekommen, blieb es nach einem letzten Satze plötzlich stehen, so daß Jupp und Otto kopfüber herunterpurzelten und gerade vor ihrem Fernrohre ankamen. Sie sahen rasch hindurch, der Otto auf den Jupp und dann der Jupp auf den Otto; dann aber waren sie so müde von allen Abenteuern, daß sie gar nicht erst aufstanden, sondern gleich, wie sie dalagen, einschliefen.

Lange hatten sie nicht geschlafen, als sie beide wach wurden und sich erstaunt anschauten. Sie hatten aber keine Zeit, über ihre Erlebnisse zu sprechen; die Sonne ging schon unter, und sie mußten laufen, daß sie nach Hause kamen.

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