Liebe und Eifersucht zur Zeit der freien Liebe

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Liebe und Eifersucht zur Zeit der freien Liebe
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Hanns Sedlmayr

Liebe und Eifersucht zur Zeit der freien Liebe

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Schülerliebe

Über die Liebe

Paris

Schüler und Studentenliebe

Noch einmal Paris

Corneliusstraße

Männerwohnheim

Familie und Alpträume

Studium

Fasching

Jobs

Liebesglück

Musik und Mehr

Liebe und Eifersucht bei Gänsen und anderen Lebewesen

Liebelei

Examen

Die Entscheidung

Impressum neobooks

Schülerliebe

Ich begegnete Fides zum ersten Mal im Fasching.

Sie sprang die Treppe, vor dem Haus der Kunst in München, herunter. Ich stand zusammen mit einer ihrer Klassenkameradinnen, unten auf der Straße. Verspielt wie ein kleines Mädchen, kam Fides daher gehüpft. Sie trug eine Strumpfhose und drüber ein dunkel blaues, elegantes, kurzes, leicht durchsichtiges Nachthemd.

Ihre Beine waren von einer mir bis dahin unvorstellbaren Vollkommenheit. Ihre gut ausgebildeten Oberschenkel und Waden ergaben im Gesamtbild Beine von perfekten Proportionen. Meine Mutter hatte Säbelbeine, meine Schwester zu kräftige Oberschenkel. In meiner Nachbarschaft gab es drei Schwestern mit hübschen Gesichtern, aber alle drei hatten die kurzen, dicken Beine der Mutter geerbt. Und bei der hübschen Renate aus meiner alten Klasse in meiner Kleinstadt, in die ich damals verliebt war, stimmten die Relationen zwischen Oberschenkel und Unterschenkel nicht.

Als die schönen Beine bei uns unten ankamen, blickte ich in das zarte und anmutige Gesicht eines jungen Mädchens an der Schwelle zu einer erwachsenen Frau, das aber immer noch mehr Mädchen als Frau war. Ich sah eine kleine gerade Nase und einen zarten Mund mit geschwungener Unterlippe. Ihre Lippen leuchteten in einem natürlichen, hellen Rot. Ihr Gesicht, ein wenig zu perfekt, wirkte beinahe kühl. Die dichten dunkelblonden Haare hatte sie zu einem Krönchen hochgesteckt. Unter dem durchscheinenden Nachthemd, zeichneten sich schmale Hüften und ein wohlgestalteter Busen ab.

Mich ergriff bei ihrem Anblick, ein Wohlgefühl, das ich auf Bergtouren, beim Betrachten des Horizonts empfunden hatte. Einige Mal auch beim Betrachten von Kunstwerken in Museen, aber noch nie beim Betrachten eines Menschen.

Als sich unsere Blicke trafen, schlug mein Herz, anstatt lautlos in der Brust, übermäßig laut in meinem Kopf. Mich ergriff ein leichter Schwindel. Ich sah mir zu, wie ich beim Anblick dieses Mädchens, an den Rand eines Schwächeanfalls geriet. Ich bekam einen Blutstau im Kopf. Die heftige Gefühlsregung, die dieses Mädchen bei mir auslöste, verwirrte mich.

Sie dagegen war trotz ihrer kindlichen Treppensprünge, kein bisschen verlegen. Ihr Blick war neugierig, ihr Lächeln halb nachsichtig, halb ironisch. Sie hatte meine Gefühlswallung wahrgenommen. Ich war nicht der erste Mann, der von Ihrem Anblick hingerissen wurde.

Sie wurde mir als Fides vorgestellt und ich drückte kurz ihre Hand.

Ich war so in ihren Anblick versunken, dass ich zuerst nicht sprechen konnte.

An diesem Abend wich ich nicht von ihrer Seite. Wir küssten uns an der Bar. Es war ein feuchter, etwas ungelenker Kuss.

Später durfte ich sie nach Hause bringen. Der Weg führte uns über den Viktualienmarkt. Dort zog ich sie in den Schatten eines verlassenen Marktstandes und küsste sie wieder und wieder, bis sie sich mir entzog.

Wir verabredeten uns für den nächsten Nachmittag im Café Rischart.

Lange vor der verabredeten Zeit saß ich im Café. Ich war aufgewühlt und ungeduldig. Sie kam nicht. Die verabredete Zeit war längst verstrichen.

Ich dachte schon daran zu gehen.

Da erschien sie.

Sie war angezogen, wie eine Internatsschülerin: dunkelblauer Rock, graue Strickjacke, weiße Bluse. Die dichten Haare, fielen ihr in leichten Wellen bis zu den Schultern. Sie war ungeschminkt.

Ihr Anblick berührte mich. Sie war noch schöner, als in meiner Erinnerung.

Ich stand auf um sie zu begrüßen, doch sie reichte mir nicht ihre Hand. Sie setzte sich auf den freien Stuhl an meinem Tisch.

Für einen Moment fühlte ich einen leichten Schwindel und war froh, dass ich mich wieder setzen konnte.

Sie erklärte mir, sie habe eigentlich gar nicht kommen wollen. Erst, nachdem die verabredete Zeit, um eine halbe Stunde überschritten war, habe sie sich doch noch anders entschieden.

Sie sprach mit mir in einem Ton, der anzeigte, dass sie unsicher war, ob das Treffen mit mir lohnend ist. Sie vermied es mir in die Augen zu schauen.

Ihre Eltern waren beide Ärzte. Mit diesen und ihren drei Schwestern wohnte sie nur ein paar Schritte entfernt vom Viktualienmarkt. Sie machte nächstes Jahr Abitur und danach wollte sie Französisch studieren. Sie sprach ohne Dialekt.

Ich war eine Klasse unter ihr, weil ich einmal sitzengeblieben war. Ich lebte in einer Kleinstadt in der Nähe und fuhr täglich nach München zur Schule. Meine Mutter hatte weder Bildung, noch einen Beruf. Mein Vater war Anwalt gewesen und war vor drei Jahren, beim Bergsteigen ums Leben gekommen. Ich war bei dem Unfall dabei gewesen und hatte den Schmerz, über den Tod meines Vaters, nur unvollständig verarbeitet. Ich konnte nur mit einem Stipendium studieren. Mein Hochdeutsch war mangelhaft. Meine Schulnoten kläglich.

Ich bekam Angst, dass es mir nicht gelingen wird, die Liebe dieses Mädchens zu gewinnen.

Bevor wir gingen zog sie eine Haarnadel aus ihrer Handtasche und griff mit beiden Händen nach ihrem Haar, wand es zu einem Knoten und befestigte ihn mit der Haarnadel.

Sie straffte dabei ihren Oberkörper, so dass sich Ihre Brüste deutlich durch die Bluse abzeichneten. Ich konnte nicht umhin auf ihre Brüste zu schauen und bekam vor Verlegenheit zum zweiten Mal einen Blutstau im Kopf.

Sie beobachtete mich scharf und schien zufrieden mit der Reaktion, die sie bei mir ausgelöst hatte.

Mir wurde bewusst, dass ich den Kick, den ihr Anblick bei mir auslöste, wieder und wieder erleben wollte. Ich war süchtig geworden, nach den Gefühlen die dieses schöne Mädchen bei mir auslöste.

Sie erlaubte mir sie noch ein Stück zu begleiten. Ich wagte es nicht ein neues Treffen vorzuschlagen. Beim Verabschieden lud sie mich zu einer Faschingsparty ein.

Die Party konnte erst am Aschermittwoch stattfinden, da ihre Eltern erst dann verreist waren.

Der Aschermittwoch begann gut. Bei unserem jährlichen Skirennen am Wallberg wurde ich Schulmeister. Alle 9 und 8-kässler von einem 7-klässler geschlagen. Mein stärkster Rivale war ein 6-klässler.

Auf der Party war ich der einzige nicht Maskierte. Die männlichen Besucher waren Studenten. Die weiblichen kamen überwiegend aus der Abiturklasse von Eva, der Schwester von Fides.

Star des Abends war Udo, der Freund von Eva. Udo hatte Medizin studiert und studierte jetzt Physik. Er hatte eine Assistenten Stelle an der Uni und fuhr einen MG. Er liebte es, seinen Intellekt glänzen zu lassen und war gegenüber seinen Gesprächspartnern gnadenlos. Er versuchte sie zu vernichten. Mit mir gelang ihm das sehr gut.

Er hielt Hof am Familientisch. Es wurde über Literatur diskutiert. Als ich mich der Gruppe näherte, verstand ich den Namen Musil. Ich hatte erst vor kurzer Zeit, von Musil den Roman “Törless“ gelesen. Ich setzte mich dazu und ergriff auch bald das Wort und brachte meine Begeisterung für den “Törless“ zum Ausdruck.

Udo winkte ab, „der Törless sei ganz nett, aber uninteressant. Der „Mann ohne Eigenschaften“ sei das packende an Musil“.

Ich hatte noch nie vom “Mann ohne Eigenschaften“ gehört und fragte lernbegierig, was das für ein Buch sei. Meine Frage wurde überhört und Udo erörterte weiter die Dreiecksbeziehung Agathe, Ulrich und Diotima im “Mann ohne Eigenschaften“.

Fides trug wieder das leicht durchsichtige, dunkelblaue Nachthemd, das ich schon kannte, aber keine Strumpfhose, sondern eine enge Short mit abgeschnittenen Beinen.

Ihre Beine waren weiß und ohne Strumpfhose noch schöner und erotischer, als in meiner Erinnerung.

Als ich sie fragte, was ihr Kostüm darstellte, schaute sie mich nachsichtig an und sagte: „Du hast wohl noch nie ein Straßenmädchen gesehen.“

„Hab ich nicht. Woran erkenne ich ein Straßenmädchen?“

 

„An der abgeschnittenen Schort.“

Sie drehte sich um und zeigte mir ihren Po.

Die Formen ihres Po waren unter dem durchsichtigen Nachthemd gut erkennbar.

Die prall sitzende Short mit den abgeschnittenen Beinen, zeigten einen sehr erotischen Po, der in seinen Proportionen ebenso perfekte war wie ihre Beine.

Ich wurde sehr erregt von der Betrachtung ihres Po und fragte:

„Und woher weißt Du wie sich Straßenmädchen anziehen?“

„Ich bin in der Sendlinger Straße aufgewachsen. In meiner Kindheit war das der Münchner Straßenstrich. Unter den Patienten meiner Mutter waren auch Straßenmädchen. Sie saßen im Wartezimmer. Unsere Wohnung war sehr eng. Das Wartezimmer, war der Gang. Ich erinnere mich, dass mich ein Straßenmädchen auf den Schoß nahm und meine Mutter mich wegzog. Ich mochte die Straßenmädchen. Sie waren freundlich zu uns Kindern.“

Während der ganzen Erklärung, hatte sie mir ihren Po gezeigt und über die Schulter mit mir gesprochen. Nun drehte sie sich um und ergänzte: „Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist der tiefe Ausschnitt“.

Als sie das sagte reckte sie die Brust heraus und schaute mir keck in die Augen.

Sie hatte im Haus der Kunst, unter ihrem durchscheinenden Nachthemd, ein züchtiges Bikinioberteil getragen. Heute hatte sie ein tief dekolletiertes Bikinioberteil an.

Mit ihrem Herausrecken der Brust, forderte sie mich geradezu auf, auf ihren Busen zu blicken. Ich tat es. Es fiel mir nicht schwer mir vorzustellen, wie ihr nackter Busen aussah. Mir stieg das Blut in den Kopf.

Sie beobachtete mich scharf und lächelte zufrieden über die Verwirrung die ihr Körper bei mir angerichtet hatte.

Sie stellte ihren schönen Körper, nur spärlich verhüllt zur Schau. Sie genoss offensichtlich die Verwirrung in den Augen der Männer, die ihr erotischer Körper auslöste.

Was dies betraf, konnte sie tatsächlich ein Straßenmädchen sein. Was nicht zu einem Straßenmädchen passte, war der neugierige und fröhliche und so gar nicht laszive Ausdruck, ihres mädchenhaften Gesichts.

Ihren nackten Körper zu liebkosen schien mir eine unvorstellbare Wonne zu sein.

Fides tanzte viel. Am häufigsten mit Fabian. Spross einer persischen Intellektuellen Familie, die vor dem Schah fliehen musste. Ich beobachtete die beiden beim Tanzen. Sie tanzten sehr eng. Als sie mit Fabian Wange an Wange tanzte und Fabien seine Arme um sie schlang, ging ich in ein anderes Zimmer.

Als ich einmal als Tänzer an die Reihe kam, drückte ich sie in ein Eck und küsste sie. Mir schien, ihr Kuss schmeckte nach einem anderen Mund. Unter dem Nachthemd, konnte ich ihren weichen Busen spüren.

Meine Schule endete am Mittwoch um 18 Uhr und begann am Donnerstag um 8 Uhr, deshalb übernachtete ich am Mittwoch immer in München, im Büro eines Freundes meiner Mutter. Die Adam Oberrealschule war im Krieg abgebrannt und wir teilten uns die Schulräume mit dem Maria Theresia Gymnasium.

Ich blieb nicht lange. Udo hatte meine mangelhaften literarischen Kenntnisse entlarvt. Fides lag in den Armen von Fabian. Ich schlich wie ein geprügelter Hund davon.

Auf dem Weg von der Innenstadt zu meinem Zimmer in Bogenhausen tauchte in meinem Kopf das Gesicht von Fides auf. Ich versuchte vergeblich es zu verscheuchen. Hartnäckig füllte es mein inneres Auge. Auch ihr Duft kam mir in Erinnerung. Sie war etwas erhitzt durch das Tanzen gewesen. Ihre Haut roch wunderbar. Als wir tanzten, hatte ich gierig an ihrer nackten Haut, am Hals und in ihrem Dekolleté gerochen.

Es war ein erregender Duft der von ihrer Haut ausging.

Auch der Geschmack eines anderen Mundes, den ich glaubte zu verspüren, drängte sich in meine Erinnerung. Auch Fabian hatte sie geküsst. Ich war jetzt ganz sicher.

Verwirrt und aufgewühlt kam ich in meinem Zimmer an. Ich beschloss Fides nie mehr wiederzusehen. Sie war eine untreue Frau. Ich wollte keine Freundin, die nichts dabei fand, an einem Abend zwei Männer zu küssen.

Kurze Zeit nach dem ich den Beschluss gefasst hatte, tauchte wieder das Gesicht von Fides auf. Ich sah den Ausdruck in ihren Augen, als sie mir ihr Gesicht für den Kuss zuwandte. Es war das ein wenig ironische, distanzierte Lächeln gewesen, das ich schon an ihr kannte. Es war aber auch ein sanftes, zugewandtes Lächeln. Sie hatte sich nicht meinen Kuss gefallen lassen, sie hatte ihn gewollt.

Die ganze Nacht tobten in meinem Kopf widerstreitende Gefühle.

Ich wollte Fides nie wiedersehen und ich wollte sie wiedersehen. Am besten sofort. Ernsthaft erwog ich, sie am Morgen, noch vor der Schule, vor ihrer Tür abzupassen und ihr ewige Liebe zu schwören.

Ich rief sie am Nachmittag an und wir verabredeten uns für das Wochenende.

Wir trafen uns jetzt oft. Meist an den Mittwochabenden, wenn ich in München übernachtete. Wir aßen zusammen eine Polnische mit viel Brot im Donisl und tranken manchmal einen Espresso im Café Cherie, das nur 100m von ihrer Wohnung entfernt war. Auf dem Rückweg schmusten wir meist im Schatten der leeren Stände am Viktualienmarkt. Fides ließ meine leidenschaftlichen Küsse über sich ergehen, blieb aber passiv.

Es wurde Frühling und wir trafen uns jetzt auch an den Wochenenden zu langen Spaziergängen.

Zu vorgerückter Stunde, auf einer Bank im Hofgarten, durfte ich Ihren Busen berühren. Sie hatte einen Walkjanker an. Ich schob meine Hand unter Ihren Janker und legte sie auf ihren Busen. Er fühlte sich großartig an. Er war weich aber fest.

Zusammen mit meiner Schwester und meinem Schwager besuchten wir ein Konzert der Jazzsängerin Ella Fitzgerald. Fides war sehr scheu, kam zu spät und ging, ohne meine Schwester und meinen Schwager zu begrüßen. Ich war von dem Konzert hingerissen. Fides blieb kühl. Von Ella nicht berührt zu sein, blieb mir unverständlich. Immer wieder brachte ich das Gespräch auf dieses Konzert. Es blieb dabei. Fides mochte Ella nicht.

Es war nur ein kurzer Weg von der Wohnung von Fides zu einem Wirtshaus in der Au, in dem am Sonntag am Nachmittag Jazz gespielt wurde. Die Musiker und der überwiegende Teil der Besucher waren amerikanische, meist schwarze Soldaten. Fides mochte die Atmosphäre, blieb aber auch hier unberührt von der Musik.

Es machte ihr aber großen Spaß zu beobachten, wie sich die einsamen amerikanischen Soldaten, etwas von dem Duft und der Nähe der anwesenden Damen holten.

Das ging so: vor der Damentoilette bildeten sie eine enge tief gestaffelte Reihe. Wenn eine Dame die Toilette aufsuchte und sich einer Lücke in Ihren Reihen näherte, verschoben sie blitzschnell, unter dem Vorwand nur auf die Musik zu achten, die Reihen, so dass sie mit den Damen in Körperkontakt kamen.

Als Fides die Toilette aufsuchte und sich durch die erste Reihe zwängte, beobachtete ich, wie die Soldaten hinten noch eine neue Reihe anfügten.

Fides kam jedes Mal lachend aus der Toilette.

Zusammen mit Schelly, das war die beste Freundin von Fides, gingen wir groß aus in das angesagte Nachtlokal Tabu. Wir trafen uns am Marienplatz und gingen zu Fuß. Der Weg zum Tabu, in einer Seitenstraße zur Leopoldstraße, war sehr geradlinig. Fides bestand aber auf einem Zickzackkurs. An den unmöglichsten Stellen, wollte sie abbiegen. Sie sagte dann „Crossen wir hier“. Das war nicht als Frage, sondern als Aufforderung gemeint. Schelly und ich folgten etwas missmutig diesen Anweisungen.

Trotz aller Umwege kamen wir schließlich im Tabu an.

Schelly war ein großes und selbstsicheres Mädchen. Nicht hübsch, aber sympathisch. Der Vater betrieb eine Fabrik für Aufzugsanlagen.

Ich tanzte abwechselnd mit Fides und Schelly. Wenn ich mit Schelly tanzte, wurde Fides sofort von einem anderen Herrn geholt. Wenn ich mit Fides tanzte, blieb Schelly immer sitzen.

Einige Zeit später erschien Fabian. Sehr herzlich begrüßt von beiden Mädchen.

Er tanzte nur mit Fides. Ich tanzte etwas verkrampft mit Schelly.

Das Tabu schließt um 3 Uhr. Um 2 Uhr flüsterte mir Fides zu, sie würde mit Fabian gehen um dessen Auto zu holen. Sie kämen aber zurück. Sie fragte noch „bist du jetzt böse?“.

Ich tanzte weiter etwas verkrampft mit Schelly und tat so, als ob es mir nichts ausmacht, dass sie mit Fabian verschwand.

Die Unterhaltung mit Schelly kam nicht wirklich in Fluss.

Pünktlich um 3 Uhr hörte die Kapelle auf zu spielen. Schelly und ich gingen zum Ausgang. Fides stand zusammen mit Fabian auf der Straße vor dessen eleganter Limousine.

Fabian, fuhr zuerst Schelly nach Hause, sie wohnte in Freimann, dann Fides, das war in der Gegenrichtung. Am Odeons Platz ließ er mich aussteigen. Fides versuchte nett zu mir zu sein, als ich ausstieg und wisperte mir zu „ich ruf dich an“.

Sie winkte mir fröhlich zu, als Fabian wieder losbrauste.

Es war noch ein langer Weg zu meinem Zimmer. Ich war gekränkt. Sie hatte Fabian den Vorzug gegeben. Ich war in die zweite Reihe ihrer Verehrer abgerutscht.

Ich gestand mir aber ein, dass sie auch heute Abend einfach hinreißend aussah. Sie hatte ein sehr mädchenhaftes schwarzes Kleid an, mit einem weißen Kragen, weißen Knöpfen und einen weißen Besatz an den Ärmelenden. Ihre Haare trug sie an diesem Abend offen. Sie fielen ihr lange über die Schulter. Seit ein paar Tagen hatte sie ihre Haare hell blond gefärbt. Wenn Sie am Tisch saß, rutschte ihr kurzes Kleid nach oben und ihre Beine waren in voller Länge sichtbar. Es war ein warmer Sommerabend und sie hatte keine Strümpfe an. Besonders reizvoll war ihr Busen, der sich deutlich unter dem hochgeschlossenen Kleid abzeichnete. Sie wurde von allen Männern, denen wir an diesem Abend begegneten, mit bewundernden Blicken beäugt.

Sie hatte an diesem Abend mit mir gespielt. Sie konnte mich sehr verletzen.

Fabians komfortable Limousine war zum Schmusen viel geeigneter, als die leeren Marktstände, die ich immer mit ihr aufsuchte. Ich war sicher, dass gerade jetzt, Fabian in einer dunklen Straße anhält und Fides küsst. Ich schlief nicht in dieser Nacht.

Am Morgen beschloss ich, sie nicht mehr um eine Verabredung zu bitten. Sie hatte sich in Fabian verliebt. Sie rief aber wie versprochen an und wir trafen uns wieder an jeden Mittwoch und auch an den Wochenenden.

Meine Zuneigung zu Fides schwächte sich ab. Der Flirt mit Fabian wirkte nach. Ich interessierte mich sogar für ein anderes Mädchen.

Einen Monat später gingen wir auf eine Party bei einem Freund von mir. Er wohnte in einem Vorort. Auf der Anreise warf sie mir vor, in meinem Freundeskreis über sie zu sprechen und zu verbreiten sie hätte sich zu einer pessimistischen Lebenseinstellung hingewendet. Der Freund ihrer Schwester hätte sie dabei unterstützt.

Ich war beschämt über meine Schwatzhaftigkeit. Ich hatte mit meinem Freund Hans Schuster über sie gesprochen und diese Bedenken zum Ausdruck gebracht. Fides hatte schon vor Wochen, von diesem Gespräch erfahren. Sie musste meine Schwatzhaftigkeit als einen Vertrauensbruch empfunden haben.

Sie hatte sich großzügig verhalten und sich trotz dieser Kränkung mit mir getroffen.

Sie sagte sie sei überzeugt, dass ich vor allem ihr Äußeres mögen würde, nicht aber ihr inneres Wesen. Sie warf mir vor, oberflächlich und kleinlich zu sein. Als Beweis führte sie meine Schwatzhaftigkeit über ihr Weltbild und mein voreiliges Urteil über den Freund ihrer Schwester an.

Ich hatte den Freund ihrer Schwester, als jemand geschildert, der nur den naturwissenschaftlich geschulten Intellektuellen gelten lässt und den ganzen Rest der Menschheit und ganz besonders alle Geisteswissenschaftler verachtet.

Sie sagte:

„Ich fühle mich zu einer pessimistischen Einstellung hingezogen.

Jedes Nachdenken, über das menschliche Leben, muss zwangsläufig zu einer pessimistischen Einstellung führen. Es sind die nachdenklichen Menschen, die pessimistisch über das Leben denken. Die Menschen, die eine optimistische Einstellung zum Leben haben, sind die, die nicht nachdenken.“

Sie führte Schriftsteller wie Sartre oder Camus für eine pessimistische Grundeinstellung an und fährt fort:

„In einer Welt in der so Abscheulichkeiten passieren, wie die Ermordung der Juden durch uns Deutsche oder die Ermordung von Frauen und Kindern in Vietnam durch die Amerikaner, ist eine optimistische Einstellung zum Leben purer Provinzialismus“.

Mir unterstellte sie eine Einstellung, nach der sich letztlich doch alles zum Guten wendet. Diese Einstellung hielt sie für naiv und durch die Entwicklung der Menschheit wiederlegt.

Am Ende schwächte sie ihre Aussage über den Provinzialismus, den sie mir unterstellte etwas ab, indem sie sich selbst auch der Oberflächlichkeit bezichtigte.

Sie sagte von sich, sie wäre viel zu phlegmatisch, um gründlich über intellektuelle Dinge nachzudenken.

 

Der Vorwurf des Provinzlers traf mich hart. Ich versuchte mit allerlei Argumenten zu parieren. Merkte aber selbst, dass diese Argumente nicht stechen.

Als ich davon sprach, dass Pessimismus ein Zustand ist, der überwunden werden muss und letztlich zur Reife führt, bat sie mich aufzuhören. Sie könne so einen Quatsch nicht ertragen.

Ich war sehr berührt von der Ernsthaftigkeit ihre Ausführungen. Ich hatte mich in unserer Beziehung, als den Intellektuellen und sie als die Schöne gesehen.

Mir wurde klar, dass das ein Irrtum war. Sie war die Reifere. Ich war der Unreife. Ich schwankte in meinen Ansichten, je nach der Lektüre, die ich gerade las.

Auf der Party war sie arrogant zu meinen Provinzler Freunden.

Meine Zuneigung zu ihr wuchs wieder. Die Erkenntnis, dass sie ihre Einstellung zum Leben, so trefflich und knapp begründen konnte, flößte mir Respekt ein.

Fides mag keine Weltanschaulichen Gespräche. Wir führten keine Gespräche zu diesem Thema mehr. Sie hatte Ihre Einstellung begründet. Jede weitere Diskussion zu diesem Thema war überflüssig.

Wenn ich es nicht lassen konnte trotzdem ein Gespräch über ein weltanschauliches Buch das ich gerade las zu beginnen, betrachtete sie mich mit einem ironischen, abschätzigen Lächeln und würgte damit mein Mitteilungsbedürfnis ab.

Als ich einmal Marcuse zitierte, der für die freie Ausübung der Sexualität plädierte und die Kleinfamilie auflösen wollte, nickte sie nur zustimmend, fand aber keinen Grund das Thema zu diskutieren.

Hinsichtlich der Auffassung, dass es keine göttliche Regie gibt und das Leben aus Zufall entstanden ist, waren wir uns einig.

Mir wurde diese Einstellung durch meinen Vater vermittelt.

Fides musste sich erst zu dieser Erkenntnis durchringen.

Beide Eltern von Fides waren strenggläubige und unduldsame Katholiken. Eine strikte Einhaltung der Gebote war ihnen selbstverständlich. Dazu gehörte auch der Gottesdienst am Sonntag. Sie erwarteten das auch von ihren Töchtern. Beide waren auch willens, für diese Einhaltung, Druck auf ihre Töchter auszuüben.

Für die Töchter war klar, dass es aussichtslos war, eine ablehnende Haltung zu den religiösen Grundsätzen der Eltern einzunehmen. Der Vater reagierte mit Wutausbrüchen, wenn er bei seinen Töchtern eine Abweichung vom katholischen Glauben entdeckte. Er war in einem Dorf, unter ärmlichen Bedingungen, als Halbweise aufgewachsen und vom Pfarrer gefördert worden und konnte mit Unterstützung der katholischen Kirche, eine höhere Schule zur Vorbereitung auf das Priesteramt besuchen. Er begann nach dem Abitur in München Theologie zu studieren, wechselte aber nach kurzer Zeit an die Technische Hochschule und immatrikulierte sich dort als Maschinenbauer.

Die Mutter kam auch aus ärmlichen Verhältnissen. Ihre Eltern waren polnische Migranten, die kurz vor dem ersten Weltkrieg, nach Deutschland eingewandert waren. Sie hatte mit einem Begabten Stipendium die höhere Schule besucht, einige Jahre als Krankenschwester gearbeitet und dann Medizin studiert. Die Mutter war nicht so naiv in Ihrem Glauben wie der Vater. Sie hatte vier Kinder zur Welt gebracht, war aber prüde.

Über Sex wurde in der Familie von Fides nicht gesprochen. Die Töchter wurden von den Eltern nicht aufgeklärt.

Von ihrem 9 bis zum 15ten Lebensjahr lebte Fides in einem katholischen Internat. Die Atmosphäre in dem Internat war von Bigotterie und Kälte geprägt. Der überwiegende Teil der Schwesternschaft und der Mitschülerinnen kamen aus verarmten adeligen Familien.

Eine der weltlichen Lehrerinnen, war eine Schwester der Mutter von Fides.

Das Internat war in einem alten Kloster. Die Klassenzimmer und Schlafzimmer waren im Winter eiskalt. Die Schwestern sparten beim Brennmaterial. Ebenfalls im Internat, waren noch zwei Cousinen im gleichen Alter von Fides. Die kinderlose Schwester der Mutter war ebenfalls sehr fromm und war sehr kühl zu den ihr anvertrauten Kindern.

Die Schwestern des Internats waren geprägt, von einem engstirnigen Katholizismus und von einem Adelsstolz. Den Frust, den sie in ihrem Leben erfahren hatten, gaben sie an die ihnen anvertrauten Kinder weiter. Sie verbreiteten Angst, um ihre Schülerinnen unter Kontrolle zu halten. Ständig wurde der Teufel beschworen, der die Mädchen in die Hölle hinabziehen will und dem man sich nur durch ständiges beten entziehen kann.

Schon bei kleinen Vergehen reagierten sie mit eisiger Kälte. Kleinste Verstöße gegen die rigide Hausordnung wurden drastisch bestraft. Es waren keine körperlichen Züchtigungen, aber gemeine Bloßstellungen, die nachhaltige Verletzungen in den Kinderseelen bewirkten. Es war bei den Schwestern eine beliebte Strafe, während des Unterrichts, mit abgewendetem Gesicht im Eck stehen zu müssen oder in der Kirche nahe am Altar und außerhalb der Bänke, während der ganzen Messe, kniend, auf dem eiskalten Boden ausharren zu müssen.

Fides fand enge Freundschaften bei ihren Mitschülerinnen. Die wenigen bürgerlichen Mädchen, schlossen sich eng zusammen. Der Alltag der Mädchen war voller Zwänge. Endlose Messen, in der kalten Kirche. Unverständliche Gebete, mehrmals am Tag.

Im Kreis der Freundinnen von Fides, führte der ständige Druck den die Schwestern ausübten, zu einer Ablehnung von allem Religiösem. In der Mittelstufe wurden aufrührerische Schriften gegen den Katholizismus gelesen. Der Ausspruch von Karl Marx: „Religion ist das Opium für das Volk“ oder von Ludwig Feuerbach: „Gott sei lediglich eine Erfindung des Menschen“, wurde in geheimen Schlafsaalfesten diskutiert.

Das Auffinden von kritischen Schriften gegen den Katholizismus, hätte unweigerlich zu einem Hinauswurf aus dem Internat geführt. Unter den Freundinnen von Fides, gab es Mädchen, die stolz drauf waren dieses Risiko einzugehen. Bei der Rückkehr aus den Ferien, wetteiferten die Freundinnen damit, wer das Buch mit der hitzigsten Kritik am Katholizismus mitgebracht hatte.

Schriften, die sich gegen die sexuelle Unterdrückung der Frau richteten, wurden mit besonderer Leidenschaft diskutiert und in den Nächten mit Taschenlampen, unter der Bettdecke gelesen. Theodor Marcuses „Eros und Kultur“ war dabei der große Renner. Das Buch war für die Mädchen völlig unverständlich. Fides war damals 15 Jahre alt. Sie hatte mir erzählt, sie hätte nichts verstanden und nur so getan, als ob sie das Buch lesen würde, sie wäre aber sicher gewesen, dass es den anderen Mädchen auch so ergangen ist. Aber einige Mädchen wussten von ihren älteren Geschwistern was drin steht. Das genügte für hitzige Diskussionen. Theodor Fontanes Roman “Effi Briest“, war ebenfalls ein Hit im Freundeskreis von Fides und wanderte von Bett zu Bett. Es war ein Spiel mit dem Feuer. Auch das Buch eines gefeierten Schriftstellers, wie Theodor Fontane, war eine verbotene Lektüre, wenn darin eine untreue Frau vorkam. Auch wenn sie hart für ihre Untreue bestraft wird. Alle Mädchen waren sich einig, ein selbstbestimmtes freies Liebesleben, ohne Rücksicht auf Eltern, Freund oder Ehemann führen zu wollen. Trotz ihrer Freundschaften empfand Fides die Internatszeit als bedrohlich und fürchtete sich vor den bigotten Schwestern. Die Äbtissin war eine Prinzessin. Sie nahm die Bürgerlichen Mädchen nicht wahr. Nach dem Internat, kam Fides in eine Klosterschule, im Herzen Münchens, nur 100m vom Viktualienmarkt entfernt.

Sie saugte alles auf, was sie an Kritik an der katholischen Kirche und auch grundsätzlich an Religionen finden konnte. Das führte sehr bald zu einer Abkehr von jeder Religion und zur Einsicht, dass es keinen Gott gibt. Sie konnte dabei ihre Erkenntnis in einem einzigen Satz zusammenfassen:

„Wenn es einen Gott gäbe und er bei den Grausamkeiten und dem Elend, das Menschen ertragen müssen zusieht, dann wäre der Gott ein Monstrum.“

Gleichzeitig mit ihr, hatte ihre Schwester diesen Prozess durchlaufen. Die ein Jahr ältere Schwester, war in diesem Prozess die Anführerin. Eva war die Belesenere von den beiden Schwestern. Sie konnte beißenden Spott, über alles Religiöse ausgießen.

Nachdem Fides zur Einsicht gekommen war, dass es keinen Gott gibt, war das Thema Religion für sie erledigt. Während Eva gerne noch über die Religionen spottete, sah Fides keinen Grund mehr über das Thema zu sprechen.

Die Abkehr, von jeder Art von Religion, war eine eigenständige Leistung der beiden Mädchen gewesen.

Geistiger Mentor, für ihre pessimistische Ansicht über den Zustand der Menschheit und ihre Skepsis gegenüber politischen Systemen, wurde Udo, der Freund von Eva.

Udo füllte bei beiden Mädchen die Orientierungslosigkeit, die die Religion hinterlassen hatte. Udo ließ nur Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften gelten. Für weltanschauliche Diskussionen hatte Udo nur Spott übrig. Die Fähigkeit des Menschen zur naturwissenschaftlichen Forschung, empfand er als das einzige großartige, am ansonsten eher kümmerlichen Menschen. Für ihn war das die Welt, der er sich verschrieben hatte. Er war getrieben von einer Wissbegierde, die ihn zu einer Arbeitswut antrieb, hinter der alle anderen Bedürfnisse zurückstehen mussten.

Seine physikalisch, medizinischen Experimente zwangen ihn oftmals dazu, weitgehend auf Schlaf zu verzichten. Er tat das, ohne auch nur die geringste Rücksichtnahme auf seinen Körper. Es gab bei Udo lange Perioden, in denen er ganz in seiner Forschung aufging. Mitunter kamen aber seine Bedürfnisse, nach Anteilnahme und Zuwendung, wie ein Vulkanausbruch zum Vorschein. Udo war dann ein mitreißender Gesprächspartner, der keine Banalitäten und keine Ungenauigkeiten durchgehen ließ. Es war dann schiere Lust seinen Gedanken zu folgen.