Hans Fallada – Gesammelte Werke

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33. Escherich und Kluge gehen spazieren

Es war schon ganz dun­kel, als Kom­missar Esche­rich mit Enno Klu­ge das Gar­ten­haus in der Ans­ba­cher Stra­ße ver­ließ. Nein, trotz der Lun­ge hat­te sich der Kom­missar nicht ent­schlie­ßen kön­nen, den Fall von Fräu­lein Anna Schön­lein als un­be­trächt­lich an­zu­se­hen. Die­se alte Jung­fer schi­en ja ganz wahl­los je­den Ver­bre­cher bei sich auf­zu­neh­men, ohne auch nur sei­ne Ge­schich­te zu ken­nen. Den Enno Klu­ge zum Bei­spiel hat­te sie nicht ein­mal nach sei­nem Na­men ge­fragt, sie hat­te ihn ver­steckt, bloß weil eine Freun­din ihn an­ge­schleppt hat­te.

Auch die­se Frau Hä­ber­le wür­de man sich nä­her an­se­hen. Es war ein Jam­mer mit die­sem Volk! Jetzt, wo der größ­te Krieg für sei­ne glück­li­che Zu­kunft ge­führt wur­de, selbst jetzt noch war es wi­der­spens­tig. Über­all, wo man hin­roch, stank es. Kom­missar Esche­rich war fest da­von über­zeugt, dass er in bei­nah je­dem deut­schen Haus solch einen Wust von Heim­lich­kei­ten und Lüge fin­den wür­de. Fast kei­ner, der ein rei­nes Ge­wis­sen hat­te – von den Par­t­ei­ge­nos­sen na­tür­lich ab­ge­se­hen. Üb­ri­gens wür­de er sich schön hü­ten, bei Par­t­ei­ge­nos­sen sol­che Un­ter­su­chung wie eben die bei der Schön­lein durch­zu­füh­ren.

Nun, er hat­te je­den­falls den Por­tier als Wa­che in die Woh­nung ge­setzt. Der schi­en ein ganz ver­läss­li­cher Bur­sche zu sein, üb­ri­gens auch Par­tei­mit­glied; man muss­te mal se­hen, dass er ir­gend­ei­nen klei­nen gut­be­zahl­ten Pos­ten be­kam. Das mach­te sol­che Leu­te mun­ter und schärf­te ih­nen Blick und Ge­hör. Be­loh­nen und be­stra­fen, das war die bes­te Art zu re­gie­ren.

Der Kom­missar mit sei­nem Enno Klu­ge am Arm geht auf die Säu­le zu, hin­ter der Bark­hau­sen steckt. Bark­hau­sen will sei­nen ehe­ma­li­gen Kum­pel jetzt gar nicht so gern se­hen; er geht, sei­nem An­blick zu ent­ge­hen, rund um die Säu­le. Aber der Kom­missar, der kehrt­ge­macht hat, er­wi­scht ihn doch, und Emil und Enno ste­hen ein­an­der ge­gen­über.

»’n Abend, Enno!«, sagt Bark­hau­sen und streckt die Hand aus.

Aber Klu­ge nimmt sie nicht. Ein biss­chen Em­pö­rung regt sich jetzt selbst in die­sem jäm­mer­li­chen Ge­schöpf. Er hasst die­sen Bark­hau­sen, der ihn zu ei­nem Ein­bruch über­re­de­te, wo es nur Schlä­ge gab, der heu­te früh Tau­sen­de er­press­te und der ihn nun doch ver­ra­ten hat.

»Herr Kom­missar«, sagt Klu­ge eif­rig, »hat Ih­nen der Bark­hau­sen nicht ge­sagt, dass er heu­te früh von mei­ner Freun­din, der Frau Hä­ber­le, zwei­tau­send­fünf­hun­dert Mark er­presst hat? Er woll­te mich da­für lau­fen­las­sen, und nun hat er …«

Der Kom­missar hat den Bark­hau­sen nur auf­ge­sucht, um ihm sein Geld zu ge­ben und ihn nach Haus zu schi­cken. Aber jetzt lässt er das Geld­päck­chen in sei­ner Ta­sche wie­der los und hört er­hei­tert, wie Bark­hau­sen grob ant­wor­tet: »Und habe ich dich nicht lau­fen­las­sen, Enno? Wenn du Och­se dich gleich wie­der fan­gen lässt, da­für kann ich nichts. Ich habe mein Ver­spre­chen ge­hal­ten.«

Der Kom­missar sagt: »Na, dar­über un­ter­hal­ten wir uns noch mal, Bark­hau­sen. Jetzt ma­chen Sie, dass Sie nach Haus kom­men.«

»Aber vor­her will ich mein Geld, Herr Kom­missar«, ver­langt Bark­hau­sen. »Sie ha­ben mir fest fünf­hun­dert Eier ver­spro­chen, wenn ich Ih­nen Enno lie­fe­re. Da ha­ben Sie ihn am Arm, und nun spu­cken Sie auch aus!«

»Zwei­mal wer­den Sie in der glei­chen Sa­che nicht be­zahlt, Bark­hau­sen!«, weist der Kom­missar ihn ab. »Wenn Sie schon zwei­tau­send­fünf­hun­dert be­kom­men ha­ben!«

»Aber ich habe das Geld doch noch gar nicht!«, pro­tes­tiert der jetzt wie­der ent­täusch­te Bark­hau­sen fast schrei­end. »Sie hat’s doch post­la­gernd nach Mün­chen ge­schickt, da­mit ich Ih­nen hier aus dem Wege bin!«

»Klu­ge Frau!«, lobt der Kom­missar. »Oder war das Ihr Ein­fall, Herr Klu­ge?«

»Er lügt ja schon wie­der!«, schreit Enno er­bit­tert. »Nur zwei­tau­send sind nach Mün­chen ge­sandt. Fünf­hun­dert, und mehr als fünf­hun­dert, hat er bar ge­kriegt. Se­hen Sie nur in sei­nen Ta­schen nach, Herr Kom­missar!«

»Die sind mir doch ge­klaut wor­den! Eine Rot­te Halb­star­ker hat mich über­fal­len und hat mir das gan­ze Geld ge­klaut! Sie kön­nen mich von oben bis un­ten nach­se­hen, Herr Kom­missar, ich habe nur noch ein paar Mark bei mir, die ich zu­fäl­lig in der Wes­te hat­te!«

»Ih­nen kann man kein Geld an­ver­trau­en, Bark­hau­sen«, sagt der Kom­missar kopf­schüt­telnd. »Sie kön­nen nicht mit Geld um­ge­hen. Sich von Halb­star­ken be­klau­en las­sen, ein großer Mann!«

Bark­hau­sen fängt wie­der an zu bet­teln, zu ver­lan­gen, zu über­re­den, aber der Kom­missar be­fiehlt – sie sind jetzt schon am Vik­to­ria-Lui­se-Platz: »Sie ma­chen jetzt, dass Sie nach Hau­se kom­men, Bark­hau­sen!«

»Herr Kom­missar, Sie ha­ben mir fest ver­spro­chen …«

»Und wenn Sie jetzt nicht so­fort in der U-Bahn ver­schwin­den, über­ge­be ich Sie da dem Schu­po! Der kann Sie gleich mal we­gen Er­pres­sung fest­neh­men.«

Da­mit geht der Kom­missar auf den Schu­po zu, und Bark­hau­sen, der zor­ni­ge Bark­hau­sen, die­ser Möch­te­gern-Ver­bre­cher, dem im­mer di­rekt vor dem Sieg der Ge­winn ent­ris­sen wird, macht, dass er vom Vik­to­ria-Lui­se-Platz ver­schwin­det. (War­te nur, Kuno-Die­ter, wenn ich nach Haus kom­me!)

Der Kom­missar spricht wirk­lich den Schu­po an, er weist sich aus und gibt ihm den Auf­trag, das Fräu­lein Anna Schön­lein fest­zu­neh­men und erst mal auf der Wa­che fest­zu­hal­ten, we­gen: »Na, sa­gen wir erst ein­mal, we­gen Ab­hö­rens feind­li­cher Sen­der. Kei­ne Ver­neh­mun­gen, bit­te ich mir aus. Es kommt mor­gen ei­ner von uns und holt sich das Frau­en­zim­mer. ’n Abend, Herr Wacht­meis­ter!«

»Heil Hit­ler, Herr Kom­missar!«

»Ja«, sagt der Kom­missar, auf der Motz­stra­ße in der Rich­tung zum Nol­len­dorf­platz wei­ter­ge­hend. »Was ma­chen wir nun? Ich habe Hun­ger, es ist mei­ne Es­sens­zeit. Wis­sen Sie was, ich lade Sie zum Abendes­sen ein. Sie wer­den es ja nicht so furcht­bar ei­lig ha­ben, zu uns auf die Ge­sta­po zu kom­men. Ich fürch­te, das Es­sen lässt bei uns zu wün­schen üb­rig, und die Leu­te sind so ver­ge­ss­lich, manch­mal brin­gen sie zwei, drei Tage gar nichts. Nicht mal Was­ser. Schlecht or­ga­ni­siert. Tja, was mei­nen Sie, Herr Klu­ge?«

Mit sol­chem und ähn­li­chem Ge­schwätz hat der Kom­missar den völ­lig ver­wirr­ten Klu­ge in eine klei­ne Wein­stu­be ge­zo­gen, wo er be­kannt zu sein scheint. Der Kom­missar isst üp­pig, es gibt nicht nur aus­ge­zeich­ne­tes reich­li­ches Es­sen mit Wein und Schnäps­chen, es gibt auch Boh­nen­kaf­fee, Ku­chen und Zi­ga­ret­ten. Da­bei er­klärt Esche­rich ganz scham­los: »Den­ken Sie bloß nicht, dass ich das be­zah­le, Klu­ge! Das geht al­les auf Bark­hau­sen’­sche Rech­nung. Das be­zah­le ich näm­lich von dem Geld, das der ei­gent­lich hät­te krie­gen sol­len. Ist doch hübsch, dass Sie sich den Wanst von der Be­loh­nung voll­schla­gen, die für Ihre Er­grei­fung aus­ge­setzt ist. Aus­glei­chen­de Ge­rech­tig­keit …«

Der Kom­missar re­det und re­det, aber viel­leicht ist er nicht ganz so über­le­gen, wie er tut. Er hat we­nig ge­ges­sen, da­für rasch und viel ge­trun­ken. Vi­el­leicht sitzt eine Un­ru­he in ihm, der gan­ze Mann ist von ei­ner bei ihm un­ge­wohn­ten Ner­vo­si­tät. Mal spielt er mit Brot­ku­geln, und dann fasst er ganz plötz­lich rasch nach der Ge­säß­ta­sche, in der die leich­te Pis­to­le sitzt, wo­bei er einen ra­schen Blick auf Klu­ge wirft.

Der Enno sitzt ziem­lich teil­nahms­los da­bei. Er hat tüch­tig ge­ges­sen, aber kaum ge­trun­ken. Er ist im­mer noch völ­lig ver­wirrt, er weiß nicht, was er aus dem Kom­missar ma­chen soll. Ist er nun ver­haf­tet, oder ist er es nicht? Enno ka­piert nichts.

Das er­klärt ihm gra­de der Esche­rich. »Da sit­zen Sie, Herr Klu­ge«, sagt er, »und wun­dern sich über mich. Ich habe na­tür­lich ge­schwin­delt, mein Hun­ger war gar nicht so groß, ich will nur die Zeit tot­schla­gen bis nach zehn Uhr. Wir müs­sen näm­lich erst ein­mal einen klei­nen Spa­zier­gang ma­chen, und da wird sich ja zei­gen, was ich mit Ih­nen an­fan­gen soll. Ja – das – wird – sich – da – zei­gen …«

Der Kom­missar hat im­mer lei­ser, nach­denk­li­cher und lang­sa­mer ge­spro­chen, und Enno Klu­ge wirft einen arg­wöh­ni­schen Blick auf ihn. Ir­gend­ei­ne neue Teu­fe­lei steckt si­cher hin­ter dem klei­nen Spa­zier­gang um zehn Uhr nachts. Aber wel­che? Und wie kann er ihr ent­ge­hen? Der Esche­rich passt auf wie der Teu­fel, nicht ein­mal auf die Toi­let­te darf Klu­ge al­lein ge­hen.

Der Kom­missar fährt fort: »Die Sa­che ist die, dass ich mei­nen Mann erst nach zehn Uhr er­rei­che. Er wohnt drau­ßen in Schlach­ten­see, ver­ste­hen Sie, Herr Klu­ge? Das ist das, was ich einen klei­nen Spa­zier­gang nen­ne.«

»Und was habe ich da­mit zu tun? Ken­ne ich den Mann? Ich ken­ne doch kei­nen Men­schen in Schlach­ten­see! Ich habe im­mer um den Fried­richs­hain rum ge­wohnt …«

»Ich den­ke, dass Sie ihn viel­leicht doch ken­nen. Ich möch­te, dass Sie ihn sich ein­mal an­se­hen.«

»Und wenn ich ihn an­ge­se­hen habe, und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass ich ihn nicht ken­ne, was dann? Was wird dann mit mir?«

Der Kom­missar macht eine gleich­gül­ti­ge Be­we­gung: »Das wird sich dann schon zei­gen. Ich den­ke mir, Sie wer­den den Mann ken­nen.«

Bei­de schwei­gen. Dann fragt Enno Klu­ge: »Hat das wie­der mit die­ser ver­damm­ten Post­kar­ten­ge­schich­te zu tun? Ich woll­te, ich hät­te die­ses Pro­to­koll nie un­ter­schrie­ben. Ich hät­te Ih­nen den Ge­fal­len nicht tun sol­len, Herr Kom­missar.«

»Wirk­lich? Ich glau­be bei­nah, Sie ha­ben recht, für Sie wie für mich wäre es bes­ser ge­we­sen, Sie hät­ten nicht un­ter­schrie­ben, Herr Klu­ge!« Er starrt sein Ge­gen­über so düs­ter an, dass Enno Klu­ge einen neu­en Schreck be­kommt. Der Kom­missar be­merkt es. »Nunu«, sagt er be­ru­hi­gend, »wir wer­den ja se­hen. Ich den­ke, wir trin­ken noch einen Schnaps und fah­ren dann los. Ich möch­te gern noch den letz­ten Zug in die Stadt zu­rück be­kom­men.«

 

Klu­ge starrt ihn ent­setzt an. »Und ich?«, fragt er mit zit­tern­den Lip­pen. »Soll ich – da – drau­ßen – blei­ben?«

»Sie?«, der Kom­missar lach­te. »Sie wer­den na­tür­lich mit mir fah­ren, Herr Klu­ge! Was star­ren Sie mich denn so ent­setzt an? Ich habe doch nichts ge­sagt, das Sie so er­schre­cken könn­te. Na­tür­lich wer­den wir bei­de zu­sam­men in die Stadt zu­rück­fah­ren. Da kommt der Kell­ner mit un­serm Schnaps. Ober, war­ten Sie einen Au­gen­blick, wir ge­ben Ih­nen die Glä­ser gleich zum Um­tau­schen.«

We­nig spä­ter wa­ren sie auf dem Weg zum Bahn­hof Zoo. Sie fuh­ren mit der S-Bahn, und als sie in Schlach­ten­see aus­stie­gen, war die Nacht so dun­kel, dass sie im ers­ten Au­gen­blick rat­los auf dem Bahn­hofs­platz stan­den. We­gen der Ver­dunk­lung sah man nir­gends ein Licht.

»In die­ser Fins­ter­nis fin­den wir nie den Weg«, sag­te Klu­ge angst­voll. »Herr Kom­missar, bit­te, las­sen Sie uns zu­rück­fah­ren! Bit­te! Ich will lie­ber die Nacht bei Ih­nen auf der Ge­sta­po sit­zen, als …«

»Re­den Sie kei­nen Un­sinn, Klu­ge!«, un­ter­brach ihn der Kom­missar grob und zog den Arm des Schmäch­ti­gen fest durch den sei­nen. »Glau­ben Sie, ich fah­re hier die hal­be Nacht mit Ih­nen spa­zie­ren, um eine Vier­tel­stun­de vor dem Ziel um­zu­keh­ren?« Et­was sanf­ter fuhr er fort: »Ich kann jetzt schon ganz gut se­hen. Wir müs­sen den Ne­ben­weg da neh­men, da kom­men wir am schnells­ten zum See …«

Schwei­gend gin­gen sie los, bei­de vor­sich­tig mit den Fü­ßen nach un­sicht­ba­ren Hin­der­nis­sen tas­tend.

Als sie ein Stück Weg ge­gan­gen wa­ren, schi­en die Luft vor ih­nen hel­ler zu wer­den.

»Se­hen Sie, Klu­ge«, sag­te der Kom­missar, »ich wuss­te doch, ich kann mich auf mei­nen Orts­sinn ver­las­sen. Da ha­ben wir schon den See!«

Klu­ge schwieg, und schwei­gend gin­gen sie wei­ter.

Es war eine ganz wind­stil­le Nacht, al­les war ru­hig. Kein Mensch be­geg­ne­te ih­nen. Das glat­te Was­ser des Sees, das sie eher ahn­ten als sa­hen, schi­en eine graue Hel­le aus­zu­düns­ten, als gäbe es den schwächs­ten Schein des am Tage auf­ge­fan­ge­nen Lichts zu­rück.

Der Kom­missar räus­per­te sich, als woll­te er spre­chen, und schwieg wei­ter.

Plötz­lich hielt Enno Klu­ge an. Mit ei­nem Ruck be­frei­te er sei­nen Arm aus dem sei­nes Beglei­ters. Er rief fast schrei­end: »Jetzt gehe ich kei­nen Schritt mehr wei­ter! Wenn Sie mir was tun wol­len, kön­nen Sie es eben­so gut hier wie eine Vier­tel­stun­de wei­ter tun! Kein Mensch kann mir zu Hil­fe kom­men! Es muss Mit­ter­nacht sein!«

Wie um die­se Wor­te zu be­stä­ti­gen, fing eine Uhr plötz­lich zu schla­gen an. Der Klang kam über­ra­schend nah und scholl durch die dunkle Nacht. Un­will­kür­lich zähl­ten die Män­ner mit.

»Elf!«, sag­te dann der Kom­missar. »Elf Uhr. Es ist noch eine Stun­de bis Mit­ter­nacht. Kom­men Sie, Klu­ge, wir ha­ben nur noch fünf Mi­nu­ten zu ge­hen.«

Und wie­der fass­te er nach dem Arm des an­de­ren.

Aber Klu­ge riss sich mit über­ra­schen­der Kraft los: »Ich hab ge­sagt, ich geh kei­nen Schritt wei­ter, und ich geh kei­nen Schritt wei­ter!«

Sei­ne Stim­me über­schlug sich vor Angst, so schrie er. Auf­ge­schreckt flog ein Was­ser­vo­gel im Schilf hoch und strich schwer­fäl­lig ab.

»Schrei­en Sie doch nicht so!«, sag­te der Kom­missar är­ger­lich. »Sie ma­chen ja den gan­zen See re­bel­lisch!«

Dann be­sann er sich: »Also schön, ru­hen Sie sich einen Au­gen­blick aus. Sie wer­den schon Ver­nunft an­neh­men. Wol­len wir uns hier hin­set­zen?«

Und wie­der fass­te er nach Klu­ges Arm.

Enno schlug nach der fas­sen­den Hand. »Ich las­se mich nicht mehr von Ih­nen an­fas­sen! Tun Sie mit mir, was Sie wol­len, aber fas­sen Sie mich nicht an!«

Der Kom­missar sag­te scharf: »Das ist nicht der Ton, in dem man mit mir spricht, Klu­ge! Was bist du denn? Ein fei­ger, klei­ner, dre­cki­ger Hund!«

Auch den Kom­missar be­gan­nen sei­ne Ner­ven zu ver­las­sen.

»Und Sie?«, schrie wie­der Klu­ge, »und was sind Sie? Ein Mör­der sind Sie, ein ge­mei­ner Meu­chel­mör­der!«

Er er­schrak selbst über das, was er da ge­sagt hat­te. Er mur­mel­te: »Ach, ent­schul­di­gen Sie, Herr Kom­missar, ich habe das nicht so ge­meint …«

»Das sind die Ner­ven«, sag­te der Kom­missar. »Sie müss­ten ein an­de­res Le­ben füh­ren, Klu­ge, dies Le­ben hal­ten Ihre Ner­ven nicht aus. Also set­zen wir uns dort auf den Boots­steg. Ha­ben Sie kei­ne Ban­ge, ich fass Sie nicht wie­der an, wenn Sie sol­che Angst vor mir ha­ben.«

Sie gin­gen auf den Boots­steg zu. Das Holz knarr­te, als sie ihn be­tra­ten. »Noch ein paar Schrit­te«, er­mun­ter­te Esche­rich. »Am bes­ten set­zen wir uns auf die Spit­ze. Ich sit­ze gern auf so ’nem Dings, nur Was­ser um mich …«

Aber wie­der wei­ger­te sich Klu­ge. Er, der eben noch einen An­flug von ent­schlos­se­nem Mut ge­zeigt hat­te, fing plötz­lich zu wim­mern an: »Ich gehe nicht wei­ter! Oh, ha­ben Sie doch Er­bar­men mit mir, Herr Kom­missar! Er­säu­fen Sie mich nicht! Ich kann nicht schwim­men, ich sage es Ih­nen gleich! Ich habe im­mer sol­che Angst vor dem Was­ser ge­habt! Ich will Ih­nen je­des Pro­to­koll un­ter­schrei­ben! Hil­fe! Hil­fe! Hil…«

Der Kom­missar hat­te den klei­nen Kerl ge­packt und trug den Zap­peln­den an das Ende des Stegs. Das Ge­sicht En­nos hat­te er fest ge­gen sei­ne Brust ge­drückt, so fest, dass Klu­ge nicht weiter­schrei­en konn­te. So trug er ihn bis zum Ende des Stegs und hielt ihn dort nahe über das Was­ser.

»Wenn du noch ein­mal schreist, du Hund, wer­de ich dich hin­ein­wer­fen!«

Ein tie­fes Schluch­zen ent­rang sich En­nos Keh­le. »Ich wer­de nicht schrei­en«, sag­te er flüs­ternd. »Ach, ich bin ja doch hin, wer­fen Sie mich doch rein! Ich hal­te das nicht mehr aus …«

Der Kom­missar setz­te ihn auf den Steg und nahm ne­ben ihm Platz.

»So«, sag­te er. »Und nach­dem du nun ge­se­hen hast, dass ich dich in den See wer­fen kann und tu’s doch nicht, wirst du wohl be­grei­fen, dass ich kein Mör­der bin, Klu­ge?«

Klu­ge mur­mel­te et­was Un­ver­ständ­li­ches. Sei­ne Zäh­ne schlu­gen laut ge­gen­ein­an­der.

»So, und nun hör zu. Ich hab dir was zu sa­gen. Das mit dem Mann, den du hier in Schlach­ten­see er­ken­nen sollst, das ist na­tür­lich Schwin­del.«

»Aber warum?«

»War­te ab. Und ich weiß auch, dass du mit dem Post­kar­ten­schrei­ber nichts zu tun hast; ich habe ge­glaubt, es wäre mit dem Pro­to­koll gut, dass ich we­nigs­tens für mei­ne Vor­ge­setz­ten eine Spur hät­te, bis ich den rich­ti­gen Tä­ter ge­fasst habe. Aber es war nicht gut. Sie wol­len dich jetzt ha­ben, Klu­ge, die ho­hen Her­ren von der SS, und sie wol­len dich vor­neh­men auf ihre Wei­se. Sie glau­ben an das Pro­to­koll, sie hal­ten dich für den Schrei­ber oder doch für sei­nen Ver­tei­ler. Und sie wer­den das schon aus dir raus­quet­schen, sie wer­den al­les, was sie wol­len, mit ih­ren Ver­hö­ren aus dir raus­quet­schen, sie wer­den dich aus­pres­sen wie eine Zitro­ne, und dann wer­den sie dich tot­schla­gen oder vor den Volks­ge­richts­hof brin­gen, und das läuft auf das­sel­be hin­aus, nur dass die Quä­le­rei noch ein paar Wo­chen län­ger dau­ert.«

Der Kom­missar mach­te eine Pau­se, und der völ­lig ver­ängs­tig­te Enno schmieg­te sich jetzt zit­ternd an den, den er eben noch »Mör­der« ge­nannt, als su­che er Hil­fe bei ihm.

»Sie wis­sen, ich bin’s nicht ge­we­sen!«, stot­ter­te er. »Hei­lig wahr! Sie kön­nen mich nicht zu de­nen hin­brin­gen, ich hal­te das nicht aus, ich schreie …«

»Ge­wiss wirst du schrei­en«, be­stä­tig­te der Kom­missar gleich­mü­tig. »Na­tür­lich tust du das. Aber das küm­mert die nicht, das macht de­nen nur Spaß. Weißt du, Klu­ge, sie wer­den dich auf einen Sche­mel set­zen und einen ganz schar­fen Schein­wer­fer di­rekt vor dei­nem Ge­sicht auf­stel­len, und du musst im­mer in das Licht star­ren und wirst vor Hit­ze und Hel­le ver­ge­hen. Und da­bei wer­den sie dich fra­gen, Stun­den um Stun­den wer­den sie dich be­fra­gen, ei­ner wird den an­de­ren ab­lö­sen, aber dich wird kei­ner ab­lö­sen, du magst noch so müde sein. Und wenn du vor Er­schöp­fung um­fällst, so wer­den sie dich mit Fuß­trit­ten und Peit­schen­hie­ben hoch­ja­gen, und sie wer­den dir Salz­was­ser zu trin­ken ge­ben, und wenn das al­les nichts mehr hilft, wer­den sie dir je­den Ge­lenk­kno­chen an den Fin­gern ein­zeln aus­dre­hen. Sie wer­den Säu­re auf dei­ne Füße gie­ßen …«

»Hö­ren Sie auf, ach, bit­te, hö­ren Sie doch auf, ich kann das nicht an­hö­ren …«

»Du wirst es nicht nur an­hö­ren, du wirst es aus­hal­ten müs­sen, Klu­ge, einen Tag, zwei, drei, fünf Tage – im­mer, Tag und Nacht, und da­bei wer­den sie dich hun­gern las­sen, dass dein Ma­gen zu­sam­men­schrumpft wie eine Boh­ne, dass du vor Schmer­zen in­nen und au­ßen um­zu­kom­men meinst. Aber du wirst nicht um­kom­men; so leicht las­sen die einen, den sie mal in ih­ren Fän­gen ha­ben, nicht los. Son­dern sie wer­den dich …«

»Nein, nein, nein«, schrie der klei­ne Enno und hielt sich die Ohren zu. »Ich will nichts mehr hö­ren! Kein Wort mehr! Dann lie­ber gleich tot!«

»Ja, das den­ke ich auch«, be­stä­tig­te der Kom­missar. »Dann lie­ber gleich tot!«

Eine Zeit lang herrsch­te tiefs­tes Schwei­gen zwi­schen bei­den.

Dann sag­te der klei­ne Enno Klu­ge plötz­lich zu­sam­men­schau­ernd: »Aber ins Was­ser gehe ich nicht …«

»Nein, nein«, sag­te der Kom­missar gü­tig zu­re­dend. »Das sol­len Sie auch nicht, Klu­ge. Se­hen Sie, ich habe Ih­nen hier was an­de­res mit­ge­bracht, se­hen Sie nur, so ’ne hüb­sche klei­ne Pis­to­le. Die brau­chen Sie nur ge­gen die Stirn zu drücken, ha­ben Sie kei­ne Angst, ich wer­de Ih­nen die Hand hal­ten, dass sie nicht zit­tert, und dann ma­chen Sie den Fin­ger nur ein klein biss­chen krumm … Sie wer­den kei­nen Schmerz spü­ren, plötz­lich sind Sie weg von all die­sen Quä­le­rei­en und Ver­fol­gun­gen und ha­ben end­lich mal Ruhe und Frie­den …«

»Und die Frei­heit«, sag­te der klei­ne Enno Klu­ge nach­denk­lich. »Das ist ge­nau­so, Herr Kom­missar, wie Sie mich da­mals mit dem Pro­to­koll über­re­det ha­ben, auch da­mals ha­ben Sie mir die Frei­heit ver­spro­chen. Ob’s dies­mal wahr sein wird? Was meinst du?«

»Aber na­tür­lich, Klu­ge. Das ist die ein­zi­ge wirk­li­che Frei­heit, die für uns Men­schen in Fra­ge kommt. Da kann ich dich nicht wie­der ein­fan­gen und von neu­em ängs­ti­gen und quä­len. Kei­ner kann das mehr. Du wirst uns alle aus­la­chen …«

»Und was wird hin­ter­her kom­men, hin­ter der Ruhe und Frei­heit? Wird’s da noch was ge­ben, hin­ter­her? Was glaubst du?«

»Ich glaub nicht, dass noch was hin­ter­her­kommt, kein Straf­ge­richt und kei­ne Höl­le. Nur Ruhe und Frei­heit wird’s da ge­ben.«

»Und wozu hab ich denn ge­lebt? Wa­rum habe ich dann hier so viel aus­hal­ten müs­sen? Ich hab doch nichts ge­tan, kei­nem Men­schen habe ich zur Freu­de ge­lebt, nie habe ich je­man­den wirk­lich gern ge­habt.«

»Tja«, mein­te der Kom­missar, »ein großer Held bist du nicht ge­we­sen, Klu­ge. Und ir­gend­wie nütz­lich hast du dich wohl auch nicht ge­macht. Aber warum willst du jetzt dar­über nach­den­ken? Jetzt ist es un­ter al­len Um­stän­den zu spät, ob du das nun tust, was ich dir vor­schla­ge, oder ob du mit mir zur Ge­sta­po gehst. Ich sage dir, Klu­ge, in der ers­ten hal­b­en Stun­de schon wirst du auf den Kni­en um eine Ku­gel bet­teln. Aber es wird vie­le, vie­le hal­be Stun­den dau­ern, bis sie dich aus dei­nem Le­ben zum Tode ge­quält ha­ben …«

»Nein, nein«, sag­te Enno Klu­ge. »Zu de­nen gehe ich nicht. Gib mir mal die Pis­to­le in die Hand – ist es so rich­tig, wie ich sie hal­te?«

»Ja …«

»Und wo soll ich sie an­set­zen? Da an die Schlä­fe?«

»Ja …«

»Und nun den Fin­ger hier an den Hahn le­gen. Ich will’s vor­sich­tig tun, jetzt will ich noch nicht … Ich möch­te noch ein biss­chen mit dir re­den …«

»Du brauchst kei­ne Angst zu ha­ben, die Pis­to­le ist noch ge­si­chert …«

»Weißt du auch, Esche­rich, dass du der letz­te Mensch bist, mit dem ich spre­che? Da­nach wird’s nur noch Ruhe ge­ben, nie wie­der wer­de ich mit ei­nem Men­schen spre­chen kön­nen.«

 

Er schau­der­te zu­sam­men.

»Als ich eben die Pis­to­le an die Schlä­fe ge­setzt habe, ging so eine Käl­te von ihr aus. So ei­sig müs­sen die Ruhe und die Frei­heit sein, die mich nach­her er­war­ten.«

Er beug­te sich nahe zum Kom­missar und flüs­ter­te: »Willst du mir eins fest ver­spre­chen, Esche­rich?«

»Ja. Was ist denn?«

»Aber du musst dein Ver­spre­chen auch hal­ten!«

»Das tu ich schon, wenn ich’s kann.«

»Lass mich nicht ins Was­ser rut­schen, wenn ich tot bin, ver­sprich mir das. Vor dem Was­ser habe ich Angst. Lass mich hier oben lie­gen, auf dem tro­ckenen Steg.«

»Na­tür­lich. Das ver­spre­che ich dir!«

»Schön, gib mir die Hand dar­auf, Esche­rich.«

»Hier!«

»Und du wirst mich nicht be­trü­gen, Esche­rich? Siehst du, ich bin nur ein klei­nes, elen­des Aas, es macht nicht viel aus, ob man mich be­trügt oder nicht. Aber du wirst es nicht tun?«

»Ich wer­de es be­stimmt nicht tun, Klu­ge!«

»Gib mir noch mal die Pis­to­le, Esche­rich – ist sie jetzt ent­si­chert?«

»Nein, noch nicht, erst wenn du’s sagst.«

»Habe ich sie so rich­tig an­ge­setzt, ja? Jetzt füh­le ich die Käl­te vom Lauf kaum noch, ich bin eben­so kalt wie der Lauf. Weißt du, dass ich eine Frau und Kin­der habe?«

»Ich habe so­gar mit dei­ner Frau ge­spro­chen, Klu­ge.«

»Oh!« Der Klei­ne war so in­ter­es­siert, dass er die Pis­to­le rasch wie­der ab­setz­te. »Ist sie hier in Ber­lin? Ich wür­de sie gern noch ein­mal spre­chen.«

»Nein, sie ist nicht in Ber­lin«, ant­wor­te­te der Kom­missar und ver­fluch­te sich, weil er sei­nem Grund­satz, nie eine Mit­tei­lung zu ge­ben, un­treu ge­wor­den war. Gleich hat­te man die Fol­gen! »Sie ist im­mer noch im Rup­pin­schen bei ih­ren Ver­wand­ten. Und es ist schon bes­ser, du sprichst nicht mit ihr, Klu­ge.«

»Sie ist nicht gut auf mich zu spre­chen?«

»Nein, gar nicht, sie ist nur böse auf dich zu spre­chen.«

»Scha­de«, sag­te der Klei­ne. »Scha­de. Ei­gent­lich ist es ko­misch, Esche­rich. Ich bin doch ein rei­ner Gar­nichts, den nie­mand lie­ben kann. Aber has­sen, has­sen tun mich vie­le.«

»Ich weiß nicht, ob das Hass ist bei dei­ner Frau, ich glau­be, sie will nur Ruhe vor dir ha­ben. Du störst sie …«

»Die Pis­to­le ist doch noch ge­si­chert, Kom­missar?«

»Ja«, ant­wor­te­te der Kom­missar ver­wun­dert, dass Klu­ge, der die letz­te Vier­tel­stun­de ganz ru­hig ge­wor­den war, plötz­lich wie­der so auf­ge­regt frag­te. »Ja, die ist noch im­mer ge­si­chert … Was zum Teu­fel?«

Die Pis­to­le zün­de­te mit ih­rem Mün­dungs­feu­er so nahe an sei­nen Au­gen vor­bei, dass er äch­zend auf den Steg zu­rück­fiel; im­mer im Ge­fühl, ge­blen­det zu sein, press­te er die Hän­de vor die Au­gen.

Der Klu­ge flüs­ter­te an sei­nem Ohr: »Ich wuss­te es, sie war nicht ge­si­chert! Wie­der ein­mal woll­test du mich be­trü­gen! Und jetzt bist du in mei­ner Hand, jetzt kann ich dir dei­ne Ruhe und Frei­heit ge­ben …« Er hielt den Pis­to­len­lauf ge­gen die Stirn des Stöh­nen­den, er ki­cher­te: »Fühlst du, wie kalt das ist? Das ist die Ruhe und der Frie­den, das ist das Eis, in dem wir be­gra­ben sein wer­den, im­mer und im­mer …«

Der Kom­missar rich­te­te sich äch­zend auf. »Hast du das mit Ab­sicht ge­tan, Klu­ge?«, frag­te er streng und riss die wund­bren­nen­den Li­der hoch von den schmer­zen­den Au­gen. Ihm war, als sähe er den an­de­ren ne­ben sich wie einen schwär­ze­ren Klum­pen in all dem Nacht­dun­kel.

»Ja, mit Ab­sicht«, ki­cher­te der Klei­ne.

»Das war ein Mord­ver­such!«, sag­te der Kom­missar.

»Aber du hast doch ge­sagt, die Waf­fe ist ge­si­chert!«

Jetzt war der Kom­missar ganz si­cher, dass sei­nen Au­gen nichts ge­sche­hen war.

»Ich wer­de dich ins Was­ser schmei­ßen, du Lump! Das ist dann nur Not­wehr!« Und er pack­te den Klei­nen bei der Schul­ter.

»Nein, nein, bit­te nicht! Bit­te das nicht! Ich wer­de das an­de­re auch be­stimmt tun! Nur nicht ins Was­ser! Du hast es mir hei­lig ver­spro­chen …«

Der Kom­missar hat­te ihn bei der Schul­ter ge­packt.

»Ach was! Jetzt kei­ne Win­se­lei­en mehr! Du hast doch nie die Cou­ra­ge dazu! Ins Was­ser …!«

Zwei Schüs­se fie­len rasch hin­ter­ein­an­der. Der Kom­missar fühl­te, wie der Mann zwi­schen sei­nen Fäus­ten zu­sam­men­fiel, er sack­te in sich, un­auf­halt­sam. Ei­nen Au­gen­blick mach­te Esche­rich eine Be­we­gung, als er den To­ten über den Ste­grand ins Was­ser rut­schen sah. Sei­ne Hän­de woll­ten ihn noch hal­ten.

Und ach­sel­zu­ckend sah der Kom­missar zu, wie der schwe­re Kör­per ins Was­ser klatsch­te und so­fort ver­schwand.

»Bes­ser so«, sag­te er und be­feuch­te­te die tro­ckenen Lip­pen. »We­ni­ger Ver­dachts­ma­te­ri­al.«

Ei­nen Au­gen­blick stand er noch, zwei­felnd, ob er die auf dem Steg lie­gen­de Pis­to­le ins Was­ser sto­ßen soll­te oder nicht. Dann ließ er sie lie­gen. Er ging lang­sam vom Boots­steg, den Ufer­hang hin­an, nach dem Bahn­hof zu.

Der Bahn­hof war ge­schlos­sen, der letz­te Zug ab­ge­fah­ren. Der Kom­missar schick­te sich gleich­mü­tig an, den wei­ten Weg nach Ber­lin un­ter sei­ne Füße zu neh­men.

Eben fing die Uhr wie­der an zu schla­gen.

Mit­ter­nacht, dach­te der Kom­missar. Er hat’s ge­schafft. Mit­ter­nacht. Bin neu­gie­rig, wie ihm sein Frie­de ge­fal­len wird, wirk­lich neu­gie­rig. Ob er sich wie­der be­tro­gen vor­kommt? Aas, klei­nes, win­seln­des Aas!