Hans Fallada – Gesammelte Werke

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12

Na­tür­lich, aber es ist un­ver­meid­lich, dass in der Mit­tags­pau­se alle von die­sem großen Er­eig­nis re­den. Sie sind sehr stolz dar­auf, dass sie den ho­hen Herrn Sei­den­zopf, noch vor Kur­zem Ge­bie­ter über Ge­deih und Ver­derb, so ha­ben ab­fah­ren las­sen …

»Das hät­te ihm so ge­passt, wenn wir uns in ’ne Strei­te­rei ein­ge­las­sen hät­ten!«

»Wenn der sich ein­bil­det, er kann uns al­les sa­gen …!«

»Der kann war­ten, bis wir kom­men.«

»An­ge­win­selt – wer wohl zu­erst win­selt!«

»Fein, wie ihr ihn raus­ge­bracht habt, rich­ti­ger Po­li­zei­griff. Wol­le-Ted­dy – ab da­für!«

»Der kommt nicht wie­der!«

»Das mach dir bloß ab! Na­tür­lich kommt der wie­der. Drei­hun­dert­tau­send – da­für läuft der sich die Ab­sät­ze schief.«

»Vi­el­leicht kommt als nächs­ter Jauch.«

»Au schnaf­te, wenn der los­bul­lert, lach ich mir ’nen Ast.«

»Den Jauch wird der Mar­ce­tus schon nicht schi­cken, der weiß doch auch, dass der bloß ein Bul­le ist!«

»Wenn nun Mar­ce­tus sel­ber kommt …?«

Lan­ge be­tre­te­ne Pau­se.

Eine et­was un­si­che­re Stim­me: »Aus­ge­schlos­sen, viel zu fein da­für.«

»Mög­lich ist es doch!«

»Mög­lich ist al­les, aber ich glaub’s nicht.«

»Hal­ten wir eben auch den Rand, der wird schon ge­hen, wenn ihm kei­ner ant­wor­tet.«

Aber doch sind die Ge­sich­ter et­was be­denk­lich. »Mar­ce­tus – nee, hof­fent­lich nicht, der ist ein schlau­es Aas.«

»An die Ar­beit, die Her­ren«, sagt Maack. »Höchs­te Zeit, wir müs­sen rein­hau­en wie die Wil­den.«

Das Ge­schmet­ter der Ma­schi­nen will ein­set­zen, hebt an, stol­pert und – Stil­le!

Alle se­hen auf einen Platz, auf einen Platz an ei­ner Schreib­ma­schi­ne, und der Platz ist leer!

Alle se­hen sich um im Zim­mer, aber im Zim­mer blieb kei­ner üb­rig für die­sen lee­ren Platz.

Ei­ner pfeift lang, ge­dehnt.

»Ahoi! Ahoi! Mann über Bord!«

»Wo ist Sa­ger?«

»Woll­te Bier ho­len!«

»Hilfs­stu­ben­vor­ste­her­schrei­ber!«

»Stu­ben­vor­ste­her­hilfs­schrei­ber!«

»So ein Schwein, na war­te!«

»Ahoi! Ahoi! Mann über Bord! Ahoi! Ahoi!«

»Ka­me­ra­den …«, fängt Maack an und schluckt müh­sam.

»Ach scheiß, Ka­me­ra­den!« schreit das wil­de Tier Jäns­ch wü­tend. »Ich scheiß auf die Ka­me­rad­schaft. Lum­pen!« schreit er. »Ga­no­ven! Da ist die Tür! Ku­falt, mach die Tür auf, lass sie of­fen, breit of­fen: So, stellt euch alle mit dem Rücken zur Tür an die Wand! Schön weit aus­ein­an­der, dass ihr euch nicht be­rührt! Arm ge­win­kelt vor die Au­gen! Wer guckt, kriegt von mir eine ge­schal­lert. – Nun …!« Er brüllt. »Raus mit euch Ga­no­ven, mit euch Lum­pen­män­ner­chen, mit euch Feig­lin­gen – haut ab, kei­ner sieht euch in eure Ver­rä­ter­fres­se, gut könnt ihr jetzt ab­hau­en, kei­ner sieht hin, geht auf Ze­hen­spit­zen! Ab!«

Pau­se, lan­ge Pau­se, sie ste­hen blind und dun­kel an der Wand. Knackt eine Die­le? Ging ei­ner? Sch­lich ei­ner? Oh, ver­lo­re­ne Kind­heit, ver­lo­re­ner Glau­be an den Mit­menschen! Jäns­ch schnauft, er ruft: »Bist du schon weg, Mon­te? Du kriegst auch einen fet­ten Druck­pos­ten bei de­nen!«

»Stub­ben, däm­li­cher!« piepst Mon­te.

Der ist also je­den­falls noch da.

Und Jäns­ch, in sei­nem tiefs­ten Bass, doch schon er­lös­ter: »Mich möchs­te woll, Pu­pen­jun­ge?!«

Schal­len­des Ge­läch­ter – und die Au­gen se­hen wie­der, se­hen neu ins Son­nen­licht, er­ken­nen ein­an­der: Nein, es ist kei­ner mehr fort­ge­schli­chen, sie blei­ben bei­ein­an­der.

»Na«, brummt Jäns­ch, »wir wer­den ja mor­gen früh se­hen, wer sich die Sa­che noch mal be­schla­fen hat. Ich trau kei­nem mehr.«

»Trau­en – hab ich nie ge­tan.«

»Alle Men­schen sind Schwei­ne.«

»Hör zu«, sagt Maack zu Jäns­ch. »Es ist doch bes­ser, du über­nimmst von jetzt an das Schreib­stu­ben­kom­man­do. Du machst das bes­ser als ich, Jäns­ch.«

»Bist zu fein, Maack«, sagt Jäns­ch miss­bil­li­gend. »Ich denk im­mer: Fein kommt von dünn. Al­les Schei­ße. Also nun los, Ku­falt, du musst mit tip­pen, nimm dich ein biss­chen zu­sam­men, ver­stehs­te?!«

»Ja«, sagt Ku­falt.

»Und ich?« jam­mert Mon­te. »Ich kann doch nicht zehn­tau­send al­lei­ne pa­cken?«

»Wärst du vor­hin aus der Tür ge­tru­delt«, sagt Jäns­ch. »Na, lass man, reg dich bloß nicht künst­lich auf. Wir hel­fen dir alle heu­te Abend. Los!«

Und nun geht es wirk­lich los.

Ku­falt, wie­der ein­mal an der Ma­schi­ne, an ei­ner schö­nen neu­en Ma­schi­ne, ist glück­lich. Glück­lich und un­ru­hig.

Glück­lich, denn die Fin­ger tan­zen los, kaum hat das Auge die Adres­se auf der Kar­to­thek­kar­te er­wi­scht, tan­zen, feh­ler­los, und wei­ter, wei­ter. Wo ist die letz­te Nacht? Ver­sun­ken, ver­ges­sen, er wird ein­fach um­zie­hen, aus, Lie­se, aus! Das ist das Gute im Le­ben: Im­mer wie­der kommt et­was an­de­res, man braucht sich nicht an das Ver­gan­ge­ne zu hän­gen, vor­bei, vor­bei!

Wie die an­de­ren hat er die Um­schlä­ge zu Hun­der­ten ge­bün­delt ne­ben sich lie­gen. Er reißt eine Schlau­fe durch, sein Nach­bar, der Fas­se, hat vor drei oder vier Um­schlä­gen sei­ne Schlau­fe zer­ris­sen – und als Ku­falt mit sei­nen hun­dert durch ist, hat Fas­se noch ein paar Um­schlä­ge nach. Ach, Ku­falt ist hoch in Form, es sind selt­sa­me Din­ge, aber so ist es, man weiß nichts vor­aus, heu­te hät­te es schlecht ge­hen müs­sen, und heu­te geht es gut. Er ist glück­lich.

Aber un­ru­hig. Und un­ru­hig sind alle an­de­ren auch. So­viel Geräus­per, Sto­cken, nach­denk­li­ches Pfei­fen, Sum­men hat es noch nicht ge­ge­ben bei ih­nen. Gut, Sei­den­zopf ist da­ge­we­sen, er hat ge­don­nert und ge­don­nert, aber dar­um ist das Ge­wit­ter noch nicht vor­bei – der Blitz ist nicht nie­der­ge­fah­ren. Sa­ger war kein Blitz, Sei­den­zopf war kein Blitz … Im­mer noch steht das Ge­wit­ter am Him­mel – wann kommt der Blitz?

Punkt fünf Uhr fünf­und­drei­ßig fuhr der Blitz aus dem Him­mel. Punkt fünf Uhr fünf­und­drei­ßig klopf­te es hart ge­gen die Tür.

Maack (na­tür­lich Maack, als ob er noch Schreib­stu­ben­vor­ste­her wäre!) rief »He­rein«, die Ge­sich­ter dreh­ten sich zur Tür, ein­trat Pas­tor Mar­ce­tus.

»Gu­ten Abend«, sag­te er und ging drei, vier Schrit­te bis in die Mit­te des Raums.

»Gu­ten Abend«, sag­ten ein paar, ge­hor­sam, halb­laut, und ver­schluck­ten sich da­bei.

Vier (Maack, Ku­falt, Jäns­ch, Deutsch­mann) wand­ten sich wie­der an ihre Ar­beit, die Ma­schi­nen fin­gen wie­der an zu tip­pen und …

Und »Ruhe«, sag­te Mar­ce­tus. »Ruhe!!!«

Drei (Maack, Ku­falt, Jäns­ch) tipp­ten doch wei­ter.

»Ruhe!« sag­te der Pas­tor ein drit­tes Mal. »Sie wer­den doch so viel An­stand be­sit­zen, Ruhe zu hal­ten, wenn ich fünf Mi­nu­ten zu Ih­nen spre­chen möch­te. Ja?«

Ei­ner (Ei­ner! Näm­lich Jäns­ch) tippt wei­ter, ver­tippt sich, tippt wie­der los, es klingt so dünn, so ver­lo­ren in dem großen Raum, der eben noch so laut war – Jäns­ch sagt wü­tend: »Ach scheiß!« Und auch sei­ne Ma­schi­ne ver­stummt.

»Rich­tig!« sagt der Pas­tor scharf zu Jäns­ch. »Au­ßer­or­dent­lich rich­tig. Sie ha­ben sich schön hin­ein­ge­rit­ten.«

Er schweigt wie­der, Jäns­ch brummt böse, der Pas­tor sieht sich um und sagt sehr höf­lich: »Herr Mon­te, über­las­sen Sie mir bit­te für fünf Mi­nu­ten Ihren Stuhl – ich bin ein al­ter Mann.«

Mon­te springt ge­hor­sam und ein biss­chen rot auf, Jäns­ch brummt noch bö­ser, aber er hin­dert Mon­te nicht, den Stuhl in die Mit­te des Zim­mers zu set­zen.

»Dan­ke schön«, sagt Mar­ce­tus freund­lich und setzt sich. Er setzt sich ru­hig hin und sieht sich im Kreis um. Ku­falt kommt es vor, als wer­de er be­son­ders ein­dring­lich und mit ei­nem be­son­de­ren Stirn­run­zeln an­ge­se­hen.

»Nun …«, sagt der Pas­tor lang­ge­dehnt.

Aber nichts er­folgt.

Der Geist­li­che hat sei­nen schö­nen schwar­zen stei­fen Haar­hut in der einen Hand, ein gu­tes großes wei­ßes Lei­nen­tuch in der an­de­ren. Er fährt sich mit dem manch­mal leicht über das Ge­sicht. Ein ro­si­ges, vol­les Ge­sicht mit ei­nem aus­drucks­vol­len Mund und ei­nem star­ken Kinn. (Die um ihn sit­zen, ha­ben alle ein schwa­ches Kinn, bis auf Jäns­ch, der nun wie­der eine an­de­re Art star­kes Kinn hat, mehr ein Bo­xer­kinn.)

Und Jäns­ch ist es also auch, der da schließ­lich sagt, brum­mig und böse: »Bit­te, Herr Pas­tor, wir müs­sen ar­bei­ten, wir ha­ben nicht so viel freie Zeit wie Sie.«

Der Pas­tor geht dar­auf nicht ein, er sagt viel­mehr zu Jäns­ch: »Sie sind hier der Ob­mann, ja? Der Schreib­stu­ben­lei­ter? Oder ist es nicht viel­mehr Herr Maack?«

»Sa­ger hat Sie an­ge­lo­gen«, grinst Jäns­ch. »Ich bin hier der Vor­ste­her.«

»So«, sagt der Pas­tor und denkt nach. Noch ein­mal: »So.« Er über­legt gründ­lich. Dann fragt er: »Dann er­le­di­gen Sie hier also al­les: Aus­zah­len, Ver­rech­nen und so wei­ter?«

Auch Jäns­ch über­legt. Er sieht ein­mal rasch zu Maack hin­über, aber der Pas­tor folgt so auf­merk­sam die­sem Blick, dass die bei­den sich nicht ver­stän­di­gen kön­nen.

So sagt Jäns­ch mür­risch: »Ja, tu ich.«

Der Pas­tor sagt sanft: »Dann neh­me ich an, dass die­ser Ge­wer­be­be­trieb von Ih­nen kor­rekt bei der Ge­wer­be­po­li­zei an­ge­mel­det wor­den ist.«

Stil­le.

»Und dass der Lohn­ab­zug für Ein­kom­men­steu­er von Ih­nen rich­tig ver­rech­net wor­den ist, ja?«

Stil­le.

»Und dass die An­mel­dun­gen zur Kran­ken­kas­se er­stat­tet sind? Und die Mar­ken ge­klebt?«

 

Ziem­lich lan­ge Stil­le.

Der Pas­tor sieht nicht mehr die Ge­sich­ter sei­ner Leu­te an, er schaut nach­denk­lich und gü­tig in den blau­en Som­mer­him­mel, der ganz durch­goldet ist.

Da­für se­hen sich die sie­ben un­ter­ein­an­der an, sehr flüch­tig nur, es liegt so was in der Luft …

»Wir dan­ken Ih­nen ver­bind­lichst, Herr Pas­tor«, sagt Maack höf­lich, »das kann al­les noch er­le­digt wer­den. Heu­te ist ja erst der drit­te Tag.«

»So«, sagt der Pas­tor.

»Man hat näm­lich drei Tage Frist«, sagt höf­lich Jäns­ch. »Und ohne Ihren Wink hät­te ich es viel­leicht ver­ges­sen.«

»So«, sagt der Pas­tor noch ein­mal. Und es ist ihm an­zu­mer­ken, dass er nicht mehr ganz so zu­frie­den ist.

»Mein Ge­schäft«, fängt der Pas­tor neu an, »ist ein un­dank­ba­res Ge­schäft. Je­der von Ih­nen kommt sich stän­dig von mir über­vor­teilt vor. Sie se­hen nur, wir neh­men elf ein und ge­ben Ih­nen bloß sechs …«

»Vier fünf­zig«, sagt Jäns­ch.

»Vier fünf­zig«, be­stä­tigt auch der Pas­tor. »Sie den­ken nie dar­an, dass wir die Mie­te für die Bü­ros be­zah­len müs­sen und die Hei­zung und Licht und dass die Schreib­ma­schi­nen sich ver­brau­chen und dass wir Sie durch ar­beits­ar­me Zei­ten durch­schlep­pen … Ihr Ar­beits­ver­dienst, oh, mein gu­ter Herr und Gott!« Er lacht bit­ter. »Sie den­ken im­mer, ich tu nichts, als Sie alle Wo­chen ein-, zwei­mal an­bel­len. Und da­bei sit­ze ich den gan­zen Tag und schrei­be Bet­tel­brie­fe für Sie, ich samm­le Gön­ner, Stif­ter und Mit­glie­der. Der gibt fünf Mark, der gibt zehn Mark, acht­hun­dert sol­che Bei­trä­ge, tau­send sol­che Bei­trä­ge im Jah­re – da­von lebt das Werk …«

»Und sein Pas­tor«, er­gänzt Jäns­ch.

»Und sein Pas­tor«, be­stä­tigt Mar­ce­tus. »Sie, die Sie so sehr da­für sind, dass jede Ar­beit nach ih­rem Wert be­zahlt wird, Sie wer­den doch nicht wol­len, dass ich ohne Ent­gelt ar­bei­te?«

»Hö­ren Sie zu, Herr Pas­tor«, sagt Maack lang­sam. Er ist sehr weiß, sei­ne Bril­le rutscht wie­der ein­mal, er schiebt sie mit ei­nem Ruck auf den Na­sen­sat­tel zu­rück. »Das mag al­les gut und schön sein, was Sie da er­zäh­len, wir wol­len uns nicht mit Ih­nen strei­ten, aber …«, und Maack er­hitzt sich, »… aber warum las­sen Sie uns nicht al­lein un­sern Weg ge­hen? Wir ha­ben ’ne ei­ge­ne Ar­beit ge­kriegt, wir tra­gen doch das Ri­si­ko, wenn’s uns dre­ckig geht, zu Ih­nen kom­men wir si­cher nicht wie­der ge­lau­fen – also las­sen Sie uns. Jetzt macht es uns Freu­de, bei Ih­nen hat es uns nie Freu­de ge­macht. Kom­men Sie doch nicht her mit Dro­hun­gen, Kip­pe oder Lam­pen ken­nen wir alle. Las­sen Sie uns nur lau­fen, wir tun Ih­nen ja auch nichts.«

»Rich­tig«, sagt Jäns­ch, und ein paar an­de­re mur­meln bei­fäl­lig.

»Ich will nicht da­von re­den«, sagt der Pas­tor, »dass wir Sie erst zu flot­ten Ma­schi­ne­schrei­bern aus­ge­bil­det ha­ben. Ich will nicht da­von re­den, wie un­fair ich das fin­de, dass Sie un­se­re Kun­de­n­adres­sen aus­spio­nie­ren. Ich will nicht da­von re­den, wie ver­werf­lich das ist, dass Sie un­se­re ta­rif­mä­ßi­gen Prei­se un­ter­bie­ten. Ich will Ih­nen nur sa­gen, dass kei­ner von Ih­nen an das er­hoff­te Ziel kom­men wird, dass für Sie alle die­ser Akt der Un­dank­bar­keit der An­fang zu Ver­der­ben und neu­en Straf­ta­ten sein wird …«

»Als wie wo­her?« höhnt Jäns­ch ganz un­ge­rührt.

»Weil Sie …« Aber der Pas­tor bricht ab und steht auf. »Da sind die­se neu­en Schreib­ma­schi­nen, sie glän­zen, sie blit­zen, sie sind hübsch sau­ber, sehr schön … Wie sind die ge­kauft, he, wie sind die ge­kauft?«

Ei­nen Au­gen­blick Stil­le.

Dann sagt Jäns­ch: »Auf Stot­tern, denk ich.«

Sie wol­len los­bre­chen mit La­chen, da bricht der Pas­tor los mit Wut: »Auf Be­trug sind die ge­kauft, auf ge­mei­nen straf­wür­di­gen Be­trug!«

Ku­falt steht da, ja, er wird an­ge­se­hen, flam­mend, böse, angst­voll, ver­der­bend wird er an­ge­se­hen …

Und dann fährt der Pas­tor fort: »Als Herr Sei­den­zopf von Ih­nen zu­rück­kam und die Mär von den fun­kel­na­gel­neu­en Schreib­ma­schi­nen be­rich­te­te, ha­ben wir na­tür­lich die Sa­che so­fort der Po­li­zei über­ge­ben. Die Er­he­bun­gen sind noch nicht ab­ge­schlos­sen, aber es ist schon fest­ge­stellt wor­den, dass sämt­li­che Schreib­ma­schi­nen von dem glei­chen mit­tel­lo­sen Bur­schen ge­kauft wor­den sind, und drei Ge­schä­dig­te ha­ben be­reits Straf­an­trag ge­stellt …«

Lan­ge, lan­ge Stil­le.

Der Pas­tor sieht Ku­falt flam­mend an. »Ja, da wird Ih­nen angst, da möch­ten Sie weg, aber nun ist es zu spät. Ich habe Sie ge­warnt, Ku­falt, im­mer wie­der habe ich Sie ge­warnt.« Er ruft laut: »Herr Specht, bit­te, Herr Specht!«

Und die Tür geht auf, und durch die Tür kommt ein Mann, ein brei­ter, un­ter­setz­ter Mann, mit ei­nem grau­wei­ßen Wacht­meis­ter­schnurr­bart, di­cken, bu­schi­gen, wei­ßen Brau­en und ei­ner Glat­ze über den gan­zen Kopf.

»Das ist der Ku­falt, Herr Kri­mi­nal­se­kre­tär Specht«, sagt Pas­tor Mar­ce­tus.

»Also kom­men Sie mal mit, Herr Ku­falt«, sagt der Se­kre­tär ge­müt­lich. »Kom­men Sie ru­hig und ohne Zi­cken mal mit.«

Er fasst Ku­falt leicht am Obe­r­arm, die Ge­sich­ter der an­de­ren se­hen sehr weiß auf ihn hin, dann sind sie weg, und die Tür kommt nä­her und nä­her (sagt denn kein ein­zi­ger ein Wort zu mir?!) – und die Tür geht auf, und die Tür geht zu, und das Trep­pen­haus – und da tönt von in­nen eine star­ke, fes­te Stim­me: »Und nun, mei­ne jun­gen Freun­de, kön­nen wir …«

Vor­bei, ver­lo­ren. – Ver­lo­ren, vor­bei.

13

Als Ku­falt er­wacht, glaubt er zu­erst noch zu träu­men. Es war ein wid­ri­ger, bö­ser Traum, der ihn heim­ge­sucht hat­te. Die­se Nacht: Im­mer­zu war er ver­folgt und floh und ver­steck­te sich sinn­los, wo ihn alle sa­hen. Oder er wur­de an­ge­klagt und muss­te sich recht­fer­ti­gen, und wäh­rend er im­mer be­schwö­ren­der sprach, knif­fen sie die Au­gen ein und feix­ten ein­an­der an und hör­ten nicht zu …

Ku­falt hat­te das Ge­fühl, als hät­te er ge­weint, als sei sein Kopf­keil nass noch von Trä­nen, und … und hat­te er nicht ge­schri­en: »Lasst mich ge­hen, lasst mich ge­hen al­lein!« –? Ja. Ja. Ja und ja. Aber nun ist er er­wacht, ein fah­les, grau­es Licht liegt in der en­gen Zel­le, und di­rekt vor ihm, fast über sei­nem Ge­sicht, sieht er zwei Un­ge­heu­er, Ur­welt­tie­re, be­wehrt, wie be­reit zum An­griff auf ihn. Braun­rot mit fla­chem, ge­pan­zer­tem Kör­per, die Füh­ler ge­gen ihn ge­rich­tet, den gie­ri­gen Schna­bel auf ihn zu, hocken sie über ihm wie Ge­s­pens­ter, wie dro­hen­de Dä­mo­nen – und sein Geist, der aus den düs­te­ren Schluch­ten des Trau­mes kommt, müht sich zu ver­ste­hen: wie­so …?

Und dann spürt er das bren­nen­de Ju­cken an Ar­men und Bei­nen, er be­wegt ein we­nig den Kopf, die Bett­de­cke ver­rutscht, und die Tie­re auf ihr ver­schwin­den ei­lig …

Wan­zen, denkt er. Na­tür­lich wie­der mal Wan­zen, die ha­ben noch ge­fehlt. Al­les kommt wie­der zu­sam­men – wo gibt es ein Po­li­zei­ge­fäng­nis ohne Wan­zen?

Er springt auf und wäscht sich. Er be­trach­tet sei­nen Kör­per, der nun schon wie­der ge­zeich­net ist wie vor …? Er fängt an zu rech­nen: Wie lan­ge ist er drau­ßen ge­we­sen? Ein­hun­dert­und­zwei Tage! Ein­hun­dertzwei Tage, und nun wie­der drin! Recht so. Wozu hat er sich ab­ge­stram­pelt …?

Er läuft auf und ab in der schmie­ri­gen Po­li­zei­ge­fan­ge­nen­zel­le, mit den brau­nen Fle­cken an den Wän­den von zer­drück­ten Wan­zen. Er könn­te ja jetzt auf die Wan­zen­jagd ge­hen, da­mit we­nigs­tens die nächs­te Nacht et­was ru­hi­ger wird – aber was hat Wan­zen­jagd für einen Zweck? Was hat eine ru­hi­ge Nacht für einen Zweck?

Gar kei­nen, Dus­sel!

Der Herr Specht, der Herr Kri­mi­nal­se­kre­tär Specht hat ges­tern Abend nur so ein klei­nes Pro­to­köll­chen auf­ge­nom­men und da­bei ge­grinst. »Na, na­tür­lich, al­ter Jun­ge, be­trü­ge­ri­sche Ab­sicht ha­ben Sie nicht ge­habt – nee, nee, wie denn? Wie­so denn? Sechs Schreib­ma­schi­nen – hun­dert­acht­zig Emm ha­ben Sie von Ihrem Ar­beits­ver­dienst ab­zah­len wol­len, je­den Mo­nat … Glaub ich Ih­nen, glaub ich Ih­nen al­les! – ’ne Zi­ga­ret­te möch­ten Sie? Aber doch nicht, wenn Sie mir sol­chen Stuss er­zäh­len, da muss man schon ein biss­chen aus­pa­cken, al­ter Jun­ge, wenn man ’ne Zi­ga­ret­te ge­schenkt ha­ben will! Das wis­sen Sie doch von frü­her, wo Sie fünf Jah­re Knast ge­scho­ben ha­ben. Zi­ga­ret­te? Von nichts kommt nichts.«

Ja so, ja so, der alte Ton, die alte Me­lo­dei – es fängt al­les wie­der von vor­ne an, und viel­leicht sitzt Beer­boom im sel­ben Haus, zehn Zel­len wei­ter, und wird auch vor­ge­führt und auch von Wan­zen ge­plagt und Rübe ab oder Zet le­bens­läng­lich – und freut sich, der Affe …

Und Lie­se. Da ha­ben sie si­cher längst Haus­su­chung ge­macht und sei­ne schö­nen Sa­chen durch­ein­an­der­ge­wor­fen, und sie hat wo­mög­lich ge­dacht, sie kom­men des­we­gen. Und sie hat al­les ver­quatscht, und sie kom­men gar nicht des­we­gen, son­dern sei­net­we­gen, und sie er­zählt den gan­zen Kohl we­gen Beer­boom. Und dann geht noch das Tra­ra los, und die hal­ten ihn ewig in Un­ter­su­chung …

Und, o Gott, mein himm­li­scher Va­ter, an den Wän­den möch­te man hoch­ge­hen, am Bett­bein möch­te man sich auf­hän­gen, und so viel Sor­gen gib­t’s gar nicht, wie ich in den letz­ten vier Mo­na­ten ge­habt habe, und wenn ei­ner einen Löf­felstiel ver­schluckt, da­mit er ins Kran­ken­haus kommt und ’ne net­te Ope­ra­ti­on hat, die aa­sig weh tut – ich ver­ste­he das, ich ver­steh al­les! Wenn der Bauch so weh tut, dass man im­mer­zu brüllt, kann man kei­ne Sor­gen im Kopf ha­ben …

O Au­gen, die tro­cken bren­nen.

Ratsch, bumm und der Rie­gel. Knack, knack, knack und das Schloss.

Ha­bacht­stel­lung un­ter dem Fens­ter.

Eine graue Wacht­meis­ter­vi­sa­ge.

»Sie hei­ßen?«

»Wil­li Ku­falt!«

»Wil­helm Ku­falt!«

»Nee, Wil­li Ku­falt.«

»Mit­kom­men!«

Die Gän­ge und die Ei­sen­trep­pen und die Ei­sen­tü­ren mit ih­ren ewig knacken­den Sch­lös­sern und die Wacht­meis­ter, die lau­fen (»der Wacht­meis­ter ist ein Renn­tier!«), und die Kal­fak­to­ren, die scheu­ern und wie­nern –: al­les wie einst!

Ein großes düs­te­res Zim­mer mit blin­den Fens­tern, mit häss­li­chen gel­ben Ak­ten­re­ga­len. Und an ei­nem Schreib­tisch sitzt ein großer star­ker Mann mit fri­schen Far­ben, ein paar Durch­zie­her in der Ba­cke, eine blon­de, stei­le Haar­bürs­te über dem Schä­del, und raucht eine un­ge­heu­re schwar­ze Zi­gar­re.

Gott sei Dank, kein Specht, kei­ne Kri­mi­na­ler­fres­se, denkt Ku­falt. Gott sei Dank, schon der Rich­ter.

»Po­li­zei­ge­fan­ge­ner Wil­helm Ku­falt«, mel­det der Wacht­meis­ter.

»Gut«, sagt der große Mann. »Ich klin­ge­le dann, Wacht­meis­ter. Set­zen Sie sich, Ku­falt.«

Ku­falt tut es.

Der Mann blät­tert. »Was Ih­nen vor­ge­wor­fen wird, Herr Ku­falt, das wis­sen Sie ja. Nun er­zäh­len Sie mir mal, wie Sie, der Sie fast mit­tel­los sind, dazu ge­kom­men sind, in sechs Ge­schäf­ten auf Ihren Mel­de­schein sechs Schreib­ma­schi­nen zu kau­fen. Wozu brau­chen Sie sechs Schreib­ma­schi­nen?«

Und Ku­falt fängt an zu er­zäh­len. Er er­zählt erst schwer und sto­ckend, er muss im­mer wie­der zu­rück, er sieht, er muss ganz am An­fang an­fan­gen, ei­gent­lich bei der Ent­las­sung, ei­gent­lich noch vor der Ent­las­sung, da­mit man al­les ver­steht.

Aber die­sem Mann da kann man schon er­zäh­len. Zum ers­ten macht er kei­ne No­ti­zen, son­dern hört zu. Und zum zwei­ten kann er rich­tig zu­hö­ren, Ku­falt merkt, er hat noch kei­ne fes­te Mei­nung von der Sa­che. Der Specht war gleich über­zeugt, Ku­falt sei ein Be­trü­ger, die­ser noch nicht.

Er er­zählt und wird im­mer wär­mer, sie­he da, es ist ganz gut so­gar, hier ein­mal zu sit­zen und ei­nem Men­schen al­les er­zäh­len zu kön­nen. Aber dann ist er fer­tig, plötz­lich ist er fer­tig, wie leer­ge­lau­fen, und et­was hilf­los und et­was ab­war­tend sieht er den Rich­ter an.

»Na ja«, sagt der und be­trach­tet nach­denk­lich den Aschen­ke­gel sei­ner Zi­gar­re. »Na ja, so rum kann man es auch er­zäh­len. Herr Pas­tor Mar­ce­tus und sei­ne Her­ren er­zäh­len es ein biss­chen an­ders­her­um.«

»Ach die!« sagt Ku­falt ver­ächt­lich und fühlt sich plötz­lich sehr über­le­gen. »Die ha­ben ja nur eine Wut im Bauch, weil ich ih­nen die Ar­beit weg­ge­schnappt habe!«

 

»Das wol­len wir nun doch lie­ber nicht be­haup­ten«, sagt der Rich­ter streng, »dass die­se Her­ren aus Kon­kur­renz­grün­den wis­sent­lich falsch über Sie aus­sa­gen. Nein, so et­was wol­len wir lie­ber nicht sa­gen.«

Und der Rich­ter sieht Ku­falt ta­delnd an.

Ku­falt ist plötz­lich wie­der ganz klein. Na­tür­lich hat er eine Dumm­heit ge­macht, der Rich­ter und der Pas­tor, das sind bei­des Stu­dier­te. Und Stu­dier­te glau­ben zu­erst ein­mal nur das Bes­te von­ein­an­der. Na­ment­lich, wenn da so ein klei­ner Vor­be­straf­ter sitzt.

»Hö­ren Sie ein­mal zu, Herr Ku­falt«, sagt der große Mann. »Sie wis­sen doch Be­scheid. Sie sind doch lan­ge ge­nug in Straf­haft ge­we­sen, um zu wis­sen, wie leicht ein Mensch in was rein­ge­rät.«

»Ja!« sagt Ku­falt mit Über­zeu­gung.

»Und Sie wis­sen eben­so gut, dass ein Mensch wie Sie dop­pelt vor­sich­tig sein muss. Dop­pelt …? Hun­dert­fach!«

»Ja, das weiß ich.«

»Wenn ich nun selbst vor­aus­set­ze, dass al­les, was Sie mir er­zäh­len, wahr ist – sind Sie dann nicht un­end­lich leicht­sin­nig ge­we­sen? Sie haf­te­ten doch für das Geld, Sie al­lein laut Ih­rer Un­ter­schrift für alle sechs Ma­schi­nen – und Sie hat­ten doch nicht an­nä­hernd so viel Mit­tel und auch nicht so viel Ein­nah­men zu er­war­ten, um für solch eine Sum­me gra­de­zu­ste­hen.«

»Aber wir hat­ten doch aus­ge­macht, dass es al­len an­de­ren auch gleich­mä­ßig vom Ver­dienst ab­ge­zo­gen wer­den soll­te!«

»So! Und heu­te, wo Ihre Schreib­stu­be auf­ge­flo­gen ist und kein Ver­dienst mehr kommt, von dem man ab­zie­hen könn­te, wie be­zah­len Sie da nun?«

Ku­falt win­det sich. »Wenn Herr Pas­tor so ge­mein ist und macht uns die Ar­beit un­mög­lich …«

»Sei­en Sie kein Narr«, sagt der Rich­ter streng. »Ge­brau­chen Sie Ihren Ver­stand. Was geht das die Ver­käu­fer an? Sie ha­ben zwölf Mo­na­te lang hun­dert­acht­zig Mark im Mo­nat zu zah­len, wie wol­len Sie das jetzt ma­chen?«

Ku­falt hat eine Er­leuch­tung: »Dann gebe ich die Ma­schi­nen ein­fach zu­rück. Es steht drin im Kauf­ver­trag, dass die Ma­schi­nen zu­rück­ge­ge­ben wer­den müs­sen, wenn ich nicht pünkt­lich zah­le.«

Der Rich­ter lehnt sich vor. »Und wenn die Ma­schi­nen nun weg sind? Ver­ste­hen Sie, wenn die ge­klaut sind?«

Ku­falt sagt un­gläu­big: »Un­se­re Ma­schi­nen wer­den doch nicht ge­klaut!«

»Heu­te Nacht«, sagt der Rich­ter mit Be­deu­tung, »heu­te Nacht ist in Ihre Bo­den­stu­be ein­ge­bro­chen wor­den. Die Die­be ha­ben sich vier Ma­schi­nen ein­ge­packt …«

Ku­falt hockt da, er denkt an­ge­strengt nach. Die Lum­pen, es kann nur ei­ner von uns ge­we­sen sein – wer kann es bloß ge­we­sen sein? Fas­se? Öser? Mon­te? O Gott, oder etwa der Schreib­stu­ben­hilfs­vor­ste­her Sa­ger?! Und die hier den­ken wo­mög­lich, ich steck mit ih­nen un­ter ei­ner De­cke. Ver­lo­ren … ver­lo­ren …!

Er sieht den Rich­ter ver­wirrt an.

»Und was ma­chen Sie nun, Herr Ku­falt?«

»Ich …«, sagt Ku­falt und reckt sich, »ich geh wie­der ins Ge­fäng­nis. Es hat al­les kei­nen Zweck, ich seh es schon ein, ich geh wie­der rein … Mei­net­hal­ben … mir macht es nichts, mir kommt es nicht mehr dar­auf an …«

Der Rich­ter be­ob­ach­tet ihn scharf. »Und warum ha­ben Sie sich bei der Fir­ma Gnutz­mann ›Mei­er­beer‹ ge­nannt, Herr Ku­falt? Ist eine Sa­che sau­ber, legt man sich doch kei­nen falschen Na­men bei.«

»Da­mit die auf der Schreib­stu­be nicht merk­ten, ich hat­te den Auf­trag ge­kriegt«, sagt Ku­falt und steht auf. »Aber es hat kei­nen Zweck, Herr Rich­ter. Las­sen Sie mich wie­der in die Zel­le. Ich hab eben im­mer Pech.«

»Pech ha­ben Sie?!« fragt der Rich­tig bis­sig. »Un­ver­dien­tes Glück ha­ben Sie. Wenn man in so ’ner Lage ist wie Sie, dann macht man nicht sol­che Ge­schich­ten. Dumm sind Sie, leicht­sin­nig sind Sie, un­über­legt sind Sie. Da­mit kommt man nicht wei­ter. Im­mer un­zu­frie­den, im­mer me­ckern, im­mer was an­de­res. Sie sa­ßen da ganz gut und si­cher auf Ih­rer Schreib­stu­be, das ist nun doch wohl wahr­haf­tig nicht so schlimm, wenn man mal an­ge­schnauzt wird … Aber na­tür­lich: Aben­teu­er, einen Hau­fen Geld ver­die­nen …« Er ist sehr un­gnä­dig. »Aus­bim­sen und Aben­teu­er, solch ein grü­ner Ben­gel …!«

Ku­falt steht da, ein un­ru­hi­ges Ge­fühl ist in ihm – er wird aus­ge­schimpft, schön, aber er spürt, hin­ter die­sem Schel­ten steht et­was an­de­res, et­was Gu­tes …

»Den Herrn Se­kre­tär Specht ha­ben Sie wohl nicht ver­knu­sen kön­nen?« fragt der Rich­ter. »Er hat mir er­zählt, Sie ha­ben sich bei der Ver­neh­mung ganz wie ein groß­schnäu­zi­ger al­ter Ga­no­ve be­nom­men.«

»Der Herr Specht hat aber auch wie ein rich­ti­ger Kri­mi­na­ler zu ei­nem rich­ti­gen Ga­no­ven mit mir ge­spro­chen. Nicht so wie Sie, Herr Rich­ter«, sagt Ku­falt lis­tig.

»Ach was! Der Specht hat Sie ge­ret­tet, nur der Specht. Der hat ges­tern Abend noch die Kauf­ver­trä­ge ge­sucht, und weil er sie in Ih­rer Woh­nung nicht fand, ist er noch nachts in Ihre Bo­den­kam­mer ge­lau­fen, und da hat er wohl die Kauf­ver­trä­ge ge­fun­den, aber erst spä­ter. Vor­her hat er noch was an­de­res ge­fun­den – was wohl?«

»Die Ein­bre­cher …«

»Und wer sind wohl die Ein­bre­cher ge­we­sen?«

»Ich weih doch nicht …«, stam­melt Ku­falt.

»Sie wis­sen schon. Na, zei­gen Sie mal, ob Sie we­nigs­tens eine Ah­nung ha­ben, wer Ihre Freun­de und wer Ihre Fein­de sind …«

»Ich …«, fängt Ku­falt an und schweigt wie­der.

»Na bit­te«, sagt der Rich­ter.

»Fas­se«, sagt Ku­falt.

»Öser«, sagt Ku­falt.

»Mon­te«, sagt Ku­falt.

»Sa­ger«, sagt Ku­falt ge­stei­gert.

»Maack«, sagt der Rich­ter.

»Jäns­ch«, sagt der Rich­ter.

»So, und nun wis­sen Sie Be­scheid. Ihr Glück war es, dass der Specht dar­über zu­kam. Und Ihr Glück war es, dass die Kauf­ver­trä­ge da bei Ih­nen auf­be­wahrt wa­ren auf dem Büro und dass der sau­be­re Herr Maack so eine Art Til­gungs­plan dazu ge­schrie­ben hat­te, was je­der von Ih­nen ab­zu­be­zah­len hat­te … Dass er sich’s nach­her an­ders über­legt hat – ein Lump, Ihr Freund, Ku­falt, ein er­bärm­li­cher Lump.«

»Sein Mäd­chen er­war­tet ein Kind«, sagt Ku­falt.

»Ich will Ih­nen et­was sa­gen«, ant­wor­tet der Rich­ter und ist nun wirk­lich wü­tend. »Das ist Du­se­lei von Ih­nen, das ist Schwä­che, das ist blan­ke Dumm­heit von Ih­nen. Ent­we­der wol­len Sie raus aus dem Dreck oder nicht. Ja?«

»Ja«, sagt Ku­falt.

»Also!« sagt der Rich­ter. »Die Schreib­ma­schi­nen wer­den heu­te durch die Po­li­zei den Ver­käu­fern zu­rück­ge­ge­ben, und dann wer­den ja auch die Straf­an­trä­ge zu­rück­ge­zo­gen wer­den. So lan­ge müs­sen Sie noch war­ten. Aber ich den­ke, heu­te Abend oder mor­gen früh kön­nen wir Sie ent­las­sen.«