Baumeister Karl der Große

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„Keine Grafschaft, kein Kloster oder Bistum soll sich mit einem angemessenen Beitrag für diese Gemeinschaftsaufgabe ausschließen können. Wir erwarten vielmehr, dass aus dem gesamten Reich tüchtige Bauhandwerker ausgesandt und die notwendigen Baumaterialien herangekarrt werden, um ein solches Medizinzentrum in Aquisgranum zu erstellen. Darüber hinaus hegen wir den Wunsch, dass dieses große Bauvorhaben für unsere Handwerker ein ausgezeichneter Probelauf für den Bau unserer noch viel umfangreicheren zukünftigen Regierungsmetropole werden soll.“

„Deren Standort aber immer noch unbekannt ist“, bemerkte Angilbert mit spöttischem Unterton.

Obwohl sich der König innerlich längst für Aquisgranum entschlossen hatte, ließ er sich nicht aus der Reserve locken, sondern antwortete, den Blick auf Pardulf gerichtet:

„Pardulf, du willst nicht nur ein ausgezeichnetes Medizinzentrum in Aquisgranum bauen lassen, sondern das Ganze gleichzeitig zu einer Demonstration unseres handwerklichen und logistischen Könnens machen“, sprach König Karl in vorgetäuschter Überraschung aus. „Ein glanzvoller Gedanke, wenn man überlegt, was unsere Handwerker auf einer solchen Großbaustelle wiederum voneinander lernen können und welche Impulse für Handwerk und Handel von hier ausgehen können“, ließ sich jetzt auch Graf Rorico vernehmen.

„Ganz recht“, beeilte sich Graf Cancor hinzuzufügen, „wenn wir es geschickt anstellen, können wir Aquisgranum auch zum Zentrum handwerklichen Könnens und unsere Manufakturen zu einer Stätte handwerklicher Ausbildung und zu guter Letzt zum bedeutendsten Marktzentrum im Frankenland machen.“

„Und ich erinnere daran, dass unser Frankenreich bei einem ausgesprochen schlechten Verkehrsnetz und großen Entfernungen zwischen den Machtzentren zwar eine politische, doch längst keine wirtschaftliche Großmacht darstellt und wir auf wirtschaftlichem Gebiet ausgesprochen großen Nachholbedarf haben“, mischte sich hier Adalhard, der Vetter des Königs ein.

„Ja, das sehe ich auch so, wir müssen uns von einem reinen Agrarstaat zu einer Wirtschaftsmacht verändern, in der Handwerk und Handel neben der Landwirtschaft gleichermaßen blühen“,gab der König mal wieder ein Wunschbild zur Antwort. „Das handwerkliche Gewerbe in unserem Reich ist zumeist hauswirtschaftlich gebunden und dient fast ausschließlich der Eigenversorgung der einzelnen Grundherrschaften und orientiert sich an deren Bedürfnissen“, führte der König weiter aus. „Das ist für meinen Anspruch zu wenig. Was wir brauchen sind zahlreiche Gewerbebezirke, in denen hochwertige Güter in Massen angefertigt werden. Bedenkt beispielhaft nur einmal den Bedarf des fränkischen Heeres an Lederwaren wie Schuhe, Gürtel und Wehrgehänge. Ein solcher Bedarf ist nur über zahlreiche Manufakturen abzudecken“, bekräftige Karl seine Forderung.

„Nun wieder zu dir, Cancor, offensichtlich willst du in Aquisgranum zwei Fliegen mit einer Klatsche treffen, aber wie stellst du dir das im Einzelnen vor?“, fragte Karl mit gespielter Unwissenheit.

„Nun, wenn wir eine gemeinsame Lösung über die Finanzierbarkeit unseres Vorschlags finden, schlagen wir vor, ein weiteres Ministerium für das Handwerk in Aquisgranum zu errichten und dort zunächst für jeden Bereich des Bauhandwerks Vereinigungen von bestimmten Handwerkern, sogenannte Handwerkszünfte einzurichten“, antwortete Graf Cancor und fuhr gleich fort: „Wir haben uns die Mühe gemacht, zunächst einmal alle unsere unterschiedlichen Bauhandwerker aufzulisten, eine stattliche Zahl, wie ich euch nun vortragen werde.“

Graf Cancor, der als einer der wenigen weltlichen Amtsträger zwar nicht schreiben, aber doch recht gut lesen konnte, kramte in einem Pergament und las vor: „Als Bauhandwerker bezeichnen wir die Architekten, technischen Zeichner, Statiker, Freskenmaler, Maurer, Mosaik- und Fliesenleger, Schreiner, Glaser, Seiler, Zimmerleute, Stellmacher, Wagner, Gerüstbauer, Maler, Kaminbauer, Eisenschmiede, Eisen- und Bronzegießer, Steinmetze und Dachdecker. Ich will nicht ausschließen, dass ich einen Handwerkszweig dabei vergessen habe“, fügte Cancor noch achselzuckend hinzu.

„Unser Bauhandwerk wird einen ungeahnten Aufschwung erfahren“, prophezeite Abt Baugulf.

„Und weil ich mit dem Bau unserer Klosterkirche in Fulda meine Erfahrungen gemacht habe, weiß ich, dass besonders der Bedarf an Zimmerleuten, Drechslern und Tischlern steigen wird. Wir brauchen daher tüchtige Zimmerleute, die jene Arten der Holzverarbeitung kennen, die wir die Verkämmung, die Verblattung und die Verzapfung nennen“, forderte der Abt aus Fulda.

„Auch in Konstantinopel, Cordoba und Bagdad sind nach meinem Kenntnisstand eine Reihe von Handwerkern in solchen Handwerkszünften oder Handwerksgilden, wie man sie auch nennt, vereinigt und das lässt darauf schließen, dass solche Handwerkszünfte Sinn machen“, bekräftigte Pardulf von Laon. „Dann liegt es doch nahe, später in Aquisgranum auch die vielen anderen Handwerksberufe, die mit dem Bauhandwerk nichts gemein haben, in Zünften zu vereinen“, schlug überraschend Graf Theoderich der Runde vor.

„Gemach, gemach, mein lieber Theoderich, du nimmst meine kühnsten Wünsche vorweg, aber lassen wir einen Schritt nach dem anderen machen“, entgegnete darauf Karl. „Doch ist es unbestritten, dass ein so gewaltiges Reich wie das unsrige auf festeren Füßen steht, wenn Handwerk und Handel blühen. Oder um es mit den Worten des heiligen Augustinus zu sagen: eine Kultur lebt vor allem in der Mannigfaltigkeit ihrer Berufe“, fügte der König hinzu. Graf Cancor hatte innerhalb der Kommission dieses Gedankengut eingebracht und sich für eine Verknüpfung von zwei so großen Verantwortungsbereichen wie Gesundheitswesen und Handwerk stark gemacht und bei Karl schon im Vorfeld viel Zuspruch und Unterstützung für seine Ideen erhalten.

„Mein König, meine ehrwürdigen Herren“, erhob Pardulf als Kommissionsleiter wieder die Stimme, „lassen wir Graf Cancor nun ausführlich zu Wort kommen, denn er war einer der Wegbereiter solch wagemutiger Überlegungen, die übrigens in ihren Grundzügen von allen der hier anwesenden Kommissionsmitglieder geteilt werden.“

„Wenn wir in Aquisgranum ein Medizinzentrum und später auf Weisung unseres Königs ein noch viel umfangreicheres Verwaltungs- und Regierungszentrum bauen wollen“, nahm Graf Cancor wieder das Wort auf, „so bedarf es hierzu unserer besten Handwerker und Anstrengungen aus unserem gesamten Reich. Ich denke, es ist daher all unseren Grafschaften, den Klöstern und unseren Bistümern zuzumuten, auf eigene Kosten jeweils drei ihrer fähigsten Bauhandwerker für einige Jahre nach Aquisgranum zu schicken, um dort unser geplantes Medizinzentrum als auch großzügige Zunfthäuser mit angeschlossenen Werkstätten und Manufakturen zu errichten. Jede dieser Gesandtschaften aus tüchtigen Bauhandwerkern muss die Ernährung für zunächst zwei Monate und die Unterkunft in eigens dafür mitgebrachten Zelten sicherstellen. Es muss aber auch gewährleistet sein, dass die zurückgelassenen Familien der Handwerker keine Not leiden. Darauf legt unser König größten Wert“, bekräftige Graf Cancor. „Gibt es schon Vorstellungen über die Verweildauer unserer Bauhandwerker in Aquisgranum?“, fragte Graf Rorico dazwischen.

„Nein, das ist beim besten Willen nicht abzusehen“, antwortete Cancor, „aber wir schlagen vor, mit einer Vorbereitungszeit von zwei Jahren unmittelbar nach dem Osterfest anno 790 mit unserem Vorhaben zu beginnen. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen“, fügte Cancor bedächtig hinzu, „dass wir auch für die vielen anderen Handwerker außerhalb des eigentlichen Bauhandwerks im Anschluss an einen ersten Bauabschnitt entsprechende Zunfthäuser und Werkstätten in Aquisgranum bauen wollen. Das wird wohl einige Jahre dauern, aber Aquisgranum wird einmal das Zentrum des Handwerks, der handwerklichen Ausbildung und der Manufakturen sein“, prophezeite Cancor.

„Und da wir zunächst ja nur ein Medizinzentrum bauen wollten, kann es ja nicht schaden“, spöttelte Alkuin, und viele der Teilnehmer konnten sich das Lachen nicht verkneifen.

„Hast du denn eigentlich auch Vorstellungen, mein verehrter Graf Cancor, wie viele Handwerker du denn nach Aquisgranum beorderst?“, fragte Petrus von Pisa spitzfindig.

„Sehr wohl, Petrus“, gab sich Cancor gar nicht überrascht auf diese Frage: „Unser Reich verfügt über circa siebenhundert Klöster, fast siebenhundert Grafschaften und etwa zweihundert Bistümer und Erzbistümer. Wenn somit jeder unserer fast eintausendsechshundert Verantwortungsträger also drei Bauhandwerker entsendet, so werden sich dann insgesamt viertausendachthundert Bauhandwerker in Aquisgranum tummeln.“

„Hoffentlich stehen sich so viele Handwerker nicht gegenseitig auf den Füßen“, bemerkte Angilbert argwöhnisch.

„Das wird die Aufgabe ausgeklügelter Planungen sein“, fuhr Cancor unbeeindruckt fort. Für ein solches Unternehmen sind nicht nur tüchtige Handwerker, sondern auch umfangreiche Materialbeschaffungen und die dazu nötigen Fuhr- und Spanndienste zwingend notwendig“, bemerkte Graf Audulf, der Seneschall. „Vergesse nicht, Cancor, dass Mensch und Tier über Jahre auch gut ernährt werden müssen.“

„Wer soll all diese Leistungen erbringen, wer soll sie bezahlen?“, fragte der Kleriker Wigbod in die Runde.

„Das alles werden zunächst die zahlreichen Krongüter des Rhein-Maas-Mosel-Gebiets, aber auch die königliche Schatulle leisten“, entgegnete König Karl darauf sehr bedächtig und es wurde damit für jedermann in der Königshalle erkennbar, dass Graf Cancor sich diesbezüglich schon früh mit König Karl beraten und abgesprochen haben musste.

„Von unseren Klöstern, Grafschaften und Bistümern erwarte ich für dieses Vorhaben in Aquisgranum neben der Entsendung von drei tüchtigen Bauhandwerkern einheitlich einen finanziellen Beitrag von zweihundertvierzig Denaren, zwanzig Silberschillingen oder ein Pfund in Silber“, legte sich der fränkische König fest.

 

„Und ich lege Wert auf die Feststellung, dass unzureichendes Erscheinen und unpünktliche Lieferungen der angeforderten Dienste mit einer Buße belegt werden. Meinen jungen, aber schon langjährigen Sekretär und Notarius Gerold von Regensburg, Kebskind meines Vetters Tassilo, der mir schon mehrfach ausgezeichnete Dienste geleistet hat, ernenne ich zum Leiter dieses neuen Handwerksministeriums“, gab der König mal wieder unerwartet eine wichtige Personalentscheidung kund, die er wie so oft in seinem engsten Beraterkreis getroffen hatte.

König Karl stellte der sichtlich überraschten Versammlung den unscheinbaren, bisher nur als Notarius im Hintergrund wirkenden sehr gescheiten jungen Mann vor. Während Karl großen Argwohn gegen Gerolds Stiefbrüder Theodo und Theotbert, die ehelichen Söhne Herzog Tassilos hegte, war der fränkische König Gerold gegenüber, der als Bastard des Bayernherzogs galt, schon mit fast väterlicher Zuneigung verbunden.

Gerold stand kurz auf und verbeugte sich vor Karl und den Großen des Reichs, worauf die Versammlung ihm einen bescheidenen, mehr höflichen Applaus spendete. Der junge gebildete Mann war eine außerordentlich sympathische Erscheinung, dem am Hof fast alle Frauenherzen zuflogen. Er war wie der Graf irgendeines Gaus gekleidet, trug aber nie ein Wehrgehänge noch irgendwelche Rüstungen oder Waffen. Seine Hosen, Gamaschen und Schuhe waren im gleichen braungrünen Farbton gehalten. Er hatte einen ärmellosen Kittel und ein kurzes Hemd ohne Kragen. Das Auffälligste an ihm waren seine langen, bis fast zu den Schulterblättern reichenden goldblonden Haare.

„Gerold wird sich eine Mannschaft aus schreibkundigen Mönchen und geeigneten Fachkräften bilden und dafür Sorge leisten, dass die vielen spezialisierten Handwerker einer Handwerkszunft auch ausreichendes Rohmaterial für die Ausübung ihres jeweiligen Handwerks in Aquisgranum vorfinden“, kündigte der König an.

„Bis auf Weiteres wird Gerold auch für die gesamte Bautätigkeit in Aquisgranum die Verantwortung tragen und notwendigerweise sein Ministerium auch dort einrichten. Nun lassen wir aber auch Gerold selbst einmal zu Wort kommen, denn er ist als unser neuer Handwerksminister sicherlich erpicht, uns seine mit der Kommission erarbeiteten Vorstellungen zu unterbreiteten“, erteilte der König Gerold das Wort.

Nachdem sich Gerold beim König für das zugewiesene Amt und das hierfür erwiesene Vertrauen bedankt hatte, rollte er ein Pergament auf, um seine Vorstellungen der Versammlung vorzutragen. „König Karl, meine verehrten Herren, ich muss vorausschicken, dass mein Vortrag recht umfangreich ist und ich mich daher weitgehendst meiner Aufzeichnungen bedienen muss“, begann Gerold.

„Nun, wir hoffen, dass deine Ausführungen nicht so langweilig sind, dass wir einschlafen“, musste Angilbert mal wieder in spöttischem Unterton seinen Senf dazugeben.

„Bevor sich unsere Bauhandwerker an die Errichtung des Medizinzentrums in Aquisgranum begeben, wollen wir sie im unmittelbaren Umfeld des Medizinzentrums in besonderen Handwerksgruppen, sogenannten Zünften oder Gilden, vereinen und mit Räumlichkeiten, besonders geeigneten Werkstätten, Werkzeugen, aber auch mit den notwendigen Materialien ausstatten.

Wie von Graf Cancor eingangs erwähnt, planen wir in Aquisgranum Ähnliches, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, für all die vielen Handwerksbereiche außerhalb des Bauhandwerks. Zeitversetzt um drei Jahre erwarten wir zu Ostern anno 793 von unseren Grafschaften, Klöstern und Bistümern jeweils weitere drei Handwerker außerhalb des Bauhandwerks. Auch sie müssen ihre Nahrung für zwei Monate und ihre Unterkunft in Zelten sicherstellen. Außerdem erwarten wir, dass jeder der Handwerker sein spezifisches Handwerkszeug mitbringt. Damit ihr, meine hohen Herren, einen Eindruck von der Vielzahl dieser Berufsgruppen erfahrt, will ich hier einmal eine solche Auflistung vornehmen.“ Gerold befeuchtete seine Lippen mit einem Schluck kaltem Holundertee, beugte sich über ein Pergament und las in langsamer Tonart vor: „Es sind die Brenn- und Schmelzöfenbauer, Töpfer, Fassmacher, Drechsler, Tuchmacher, Kürschner, Tuchfärber, Böttcher, Küfer, Walker, Schwertfeger, Köhler, Schildmacher, Wachs- und Seifensieder, Bierbrauer, Bäcker, Metzger, Müller, Netzmacher, Metallund Glockengießer, Gerber, Weber, Schneider, Sattler, Färber, Schuster, Gold- und Silberschmiede, Musikinstrumentenbauer und Elfenbeinschnitzer, also die gesamte Palette unserer Handwerksberufe. Und ich bin mir sicher, dass ich einige vergessen habe und genauso sicher bin ich, dass einige verwandte Berufsgruppen in einer gemeinsamen Zunft vereint werden sollten“, fuhr Gerold mit unverminderter Deutlichkeit in Sprache und Gestik fort.

„Jede Handwerkszunft soll sich nach einer Zeit des Zusammen-findens später einmal einen Zunftmeister wählen, dessen Anweisungen, auch Arbeitseinteilungen die Zunftmitglieder zu befolgen haben. Die Zunftmeister der einzelnen Handwerksgruppen sollen später einmal das Recht erhalten, besonders tüchtige Handwerker zu Handwerksmeistern auszuzeichnen und dies auch durch eine gesiegelte Urkunde zu dokumentieren. Jede Handwerkszunft baut sich zunächst mit erheblicher Unterstützung des Handwerksministeriums ein Zunfthaus, entsprechende Werkstätten und feste Unterkünfte für die Handwerker. Durch die Zusammenführung so vieler Spezialisten innerhalb einer Handwerksgruppe erwarten wir ein hohes Maß anhand werklicher Vollkommenheit. Wir glauben, dass die Handwerker viel voneinander lernen, letztlich in ihrer Leistungsfähigkeit miteinander wetteifern, was wiederum die Produktivität und damit die Ernährungssicherheit als auch das Allgemeinwohl überall im Lande nachhaltig verbessern kann“, erläuterte Gerold.

„In unseren kühnen Träumen streben wir sogar an, dass die Handwerkszünfte ihr spezifisches Können später einmal aufschreiben und möglichst illustrieren, um es auch anderen Handwerkern im Lande zugänglich zu machen. In allen Bereichen des Handwerks beabsichtigen wir eine Reihe von Gebrauchsgütern der unterschiedlichsten Art in besonderen Manufakturen als Massengüter herstellen zu lassen, um sie dann auch zu veräußern. Die Handwerkszünfte sollen später, wenn sie ihre Werkstätten und Unterkünfte fertiggestellt haben, dem Handwerksministerium jeweils Vorschläge für solche Massengüter unterbreiten und gleichzeitig den Materialbedarf zur Fertigung solcher Gebrauchsgüter anmelden“, trug er vor.

„Nur zu, Rorico, lass ihn nach Aquisgranum kommen, um seine Fertigkeiten zu präsentieren“, antwortete darauf Gerold von Regensburg.

„Es kommt noch besser“, sprach König Karl und lachte dabei. „Nach dem Stand der Dinge wird der berühmte Schmiedemeister Ulfbert aus Maastricht mit weiteren ebenso tüchtigen Schmieden in Aquisgranum die größte Waffenschmiede und Manufaktur im Fränkischen Reich zur Herstellung aller von unserem Heer benötigten Rüstungsgüter aufbauen. Neben den gefürchteten fränkischen Waffen und Rüstungen werden wir von hier auch eine Bewehrung unserer Schlachtrösser erwarten dürfen. Es bedarf daher keiner besonderen Erwähnung, dass für diese gewaltige Aufgabe neben tüchtigen Schmieden auch unsere besten Handwerker, darunter ausgezeichnete Sattler nötig sind, um maßgeschneiderte, unserem Schutz dienende Rüstungen, aber auch sonstige militärische Ausrüstungsgegenstände zu fertigen.“

„Ja, König Karl, unser Metallgewerbe spielt in der Tat eine bedeutende Rolle“, sagte Angilbert. „Die Schmiede selbst rühmen sich, dass ihr Beruf wichtiger als all die anderen sei, fertigen sie doch eine Fülle von Geräten und Werkzeugen wie Pflüge, Pflugscharen, Pfrieme für Schumacher, Nadeln für Schneider, Haken für Angler, Messer, Sensen, Gitter und vieles mehr.“

Nachdem der König Gerold mit entsprechendem Blickkontakt und einer Handbewegung aufgefordert hatte in seinen Ausführungen fortzufahren, sprach dieser: „Nachdem unser König Karl bereits vor geraumer Zeit unsere Eisenerzgruben zu einer verstärkten Förderung des Eisenerzes und ihrer Verhüttung aufforderte, hat er mich angewiesen, dass im Verantwortungsbereich meines Ministeriums alle Förderstellen mit ihren Verhüttungsanlagen für Metalle wie Eisen, Zinn, Zink, Kupfer und Blei, aber auch für Gold und Silber staatlicher Kontrolle unterworfen werden. Jedes Bergwerk, jede Förderstelle soll mit einem königlichen Amtmann bestellt werden. Alle Förderstellen von Metallen in unserem Reich sind zu melden, die Fördermengen sind monatlich präzise dem Handwerksministerium anzugeben.“

„Graf Morlock von Bourges soll später in Aquisgranum mit einem Stab schreibkundiger Mönche eine solche zentrale Erfassungsstelle ausschließlich für all die in unserem Reich geförderten Metalle aufbauen“, gab der fränkische König eine weitere Personalentscheidung bekannt.

Die Tatsache, dass die meisten der hier in der Versammlung anwesenden Großen des Reichs diesen Grafen gar nicht kannten, zeigte, wie der fränkische König im Einzelfall sich einzig aus machtpolitischem Kalkül Personalentscheidungen zu eigen machte.

„König Karl, was soll mit all jenen Förderstellen geschehen, die verbrieft derzeit noch im Besitz von Klöstern, Bistümern oder Grafschaften sind und zum Teil ja auch deren Reichtum ausmachen?“, fragte Graf Theoderich sicherlich mit Hintergedanken.

„Sie sollen gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung ausschließlich unter die Verfügung des Handwerksministeriums und damit der Staatsgewalt gelangen“, antwortete Karl.

„Die von unserem König angestrebte neue Staatsidee bedarf nun mal des Monopols in einigen Bereichen“, bekräftigte Alkuin das Gesagte, „und dazu zählt nun einmal auch die alleinige Verfügungsgewalt über so wichtige Rohstoffe, das Münzwesen und sicherlich noch einiges mehr.“

„Um eine optimale Verhüttungstechnik des Erzgesteins zu erreichen, sollen auch drei Schmelzöfen in Aquisgranum in Betrieb genommen werden“, nahm Gerold wieder seinen Vortrag auf.

„Mit einer verbesserten Technik der Luftzuführung über großkalibrige Blasebälge und damit auch einer größeren Hitzeeinwirkung in den Schmelzöfen sollte der Schmelzvorgang des Erzgesteins wesentlich gesteigert werden können“, versprach er.

Erfreulicherweise können wir in unmittelbarer Nachbarschaft von Aquisgranum im östlich davon gelegenen Meierhof Stolberg entsprechendes, stark mit Zink und Blei durchsetztes Erzgestein gewinnen und den Schmelzöfen in Aquisgranum zuführen.“

„Darf ich dir einen Könner im Schmelzofenbau nach Aquisgranum schicken?“, fragte Graf Rorico. „Gerne“, erwiderte Gerold, „wer ist dieser Fachmann, wo kommt er her?“

„Sein Name ist Hunold, er kommt aus meiner Grafschaft Maine“, erläuterte Rorico.

„Für die Schmelzöfen und Essen unserer Grobschmiede werde ich von den Köhlern in den nahen Eifel- und Ardennenwäldern beste Holzkohle anliefern lassen“, versprach Gerold im Gegenzug und fuhr dann mit seinen Darlegungen fort: „Es ist geplant, später einmal unseren Waffenschmieden eine Manufaktur für die Herstellung von Werkzeugen und anderer Hilfsmittel wie Nägel, Ketten, Flaschenzüge und vieles mehr anzugliedern. Wir werden für unsere zahlreichen Bauvorhaben, hier im Besonderen für unsere Kräne, Flaschenzüge, den Gerüstbau und das Transportwesen eine Unmenge an Hanfstricken benötigen. Unsere Seiler stehen daher in der Verantwortung, auch solche Hilfsmittel in großer Zahl zu fertigen. In der gleichen Manufaktur sollen auch in großer Anzahl Eisenrohlinge hergestellt werden, die dann später als Hufeisen für unsere Pferde nur noch angepasst werden müssen. Ich denke die Trittfestigkeit im militärischen Kampf als auch die Zugkraft werden sich so beträchtlich steigern lassen.

Der erfindungsreiche Schmied und Gestellmacher Hartung vom Königsgut Meersen soll diese spezielle Manufaktur einmal leiten“, atmete Gerold hörbar durch und trank einen kräftigen Schluck des kalten Holundertees.

“Was haltet ihr davon?“, nutzte Theodulf die kleine Gesprächspause, „wenn geschickte Glasbläser eine drehbare, mit zwei Glaskolben versehene Sanduhr als Massengut herstellen. Feiner Sand soll exakt im Dreistundentakt vom oberen in den unteren Glaskolben rieseln und so den Tagesablauf in acht Teile gliedern. Vielleicht gelingt es unseren Glasbläsern, in einer entsprechenden Manufaktur solche Zeitmessgeräte in ausreichender Form für unsere Klöster, Kirchen und unseren zukünftigen Verwaltungsapparat herzustellen“, warb Theodulf für solche Gerätschaften.

„Und Glockengeläut wiederum könnte der Bevölkerung die jeweilige Zeit vermitteln“, fühlte sich nunmehr auch wieder Angilbert berufen, seinen Beitrag zu geben.

„Ein guter Gedanke“, bemerkte der König, „verbirgt sich doch hinter diesem Vorschlag die Möglichkeit in unserem Reich auch die Zeit zu vereinheitlichen.“

 

„Zum Glasbläser gehört das Glasschmelzen“, ergänzte hier Petrus von Pisa, der ehedem an der Schule von Turin gewirkt hatte und als ein Meister der Grammatik galt. „Ich erlaube mir daher, einen Glasschmelzer aus Verona mit Namen Kunibert zu empfehlen, der in seiner Glashütte nicht nur Glasplatten für Fenster anfertigt, sondern sich auch auf die Herstellung von Hohlgefäßen wie Lampen, Kelche, Näpfe, Schalen und Schmuck versteht“, versprach er.

„Und er kann etwas, um das ihn viele Menschen beneiden“, machte Petrus von Pisa seine Zuhörer so neugierig, dass sie gebannt auf seine Lippen starrten. „Er besitzt die Fähigkeit, Lesegläser aus einem Halbedelstein, dem Beryll, zu fertigen und diese für beide Augen geschliffenen Sehhilfen mit Holz oder Horn so zu umranden, dass sie auf die Nase gesetzt und mit zwei Holzbügeln an den Ohren befestigt eine ausgezeichnete Hilfe für unsere Schreiber und Illustratoren bedeuten. In meiner Heimat Oberitalien werden diese Lesehilfen als Brille bezeichnet, was offensichtlich von dem Halbedelstein, dem Beryll, abgeleitet wurde“, erläuterte Petrus.

„Gerold, schick einen Boten zu diesem Meister nach Verona, dass er uns in Aquisgranum diese Kunst lehrt“, wandte sich Karl an seinen Handwerksminister.

„Das Ansehen, in dem die Glaserei steht, muss recht groß sein, denn schließlich nennt schon der große Kirchenvater Beda Venerabilis dieses Handwerk ein artifi cium nimium, eine großartige Kunst“, fügte Alkuin hinzu. „Aber nicht genug damit, ich kenne auch einen Künstler der Emailleverzierung, den ich gerne nach Aquisgranum schicken möchte, um auch diese Kunst zu verbreiten.“

„Nur zu, Alkuin, schick uns diesen Meister seines Fachs“, ermunterte der König seinen Berater.

„Wie wird Emaille hergestellt?“, wollte Angilbert nun wissen.

„Emaille ist eine glasartige Masse, die in der Regel aus Feldspat, Quarz, Borax, Soda und Salpeter besteht, die aber auch in anderen Varianten der Zusammensetzung bekannt ist“, zeigte Alkuin sein ausgeprägtes Wissensspektrum.

„Die Emaille ist leicht mit Hilfe von Metalloxyden einzufärben und wegen ihres geringen Schmelzpunktes, bei dem sie an ihrer Unterlage auf Dauer festschmilzt, einfach zu verarbeiten“, zeigte nun auch Godescalc, der berühmte Illustrator, dass er mit dieser im Frankenreich noch seltenen Kunst schon in Berührung gekommen war.

„Wenn wir schon die besten Handwerker nach Aquisgranum entsenden sollen und ihr hier von wohlklingendem Glockengeläut redet, dann darf auch mein Mönch Tancho nicht fehlen“, forderte Abt Grimald von St. Gallen mit einem breiten Grinsen ein. „Ich will ihn gerne nach Aquisgranum schicken, um hier eine Manufaktur für den Glockenguss zu leiten und seine Kenntnisse weiterzugeben.“

„Sehr gut, Grimald“, lobte Karl, „es wäre schön, wenn du für den Wohlklang der Glocken auch dazu noch ausreichendes Silber mitschicken würdest“, scherzte der König und einige der Teilnehmer lachten herzhaft.

„Vom Wohlklang zukünftiger Glocken will ich überleiten zur Orgelmusik“, wollte nun auch Alkuin einen weiteren produktiven Beitrag leisten. „Wie ihr vielleicht wisst, ist der Bau von Orgeln besonders in Venedig stark verbreitet. Vielleicht könnte ich erreichen, dass der dort ansässige Orgelbauer Gregorius, ein wahrer Meister seines Fachs, mit seinem Sohn gleichen Namens uns schon bald in Aquisgranum aufsucht, um auch unsere Handwerker in dieser Kunst zu unterweisen.“

„Scheue weder Geld noch Mühen, Alkuin, um diese beiden Künstler zu gewinnen“, feuerte Karl seinen Berater und Ideengeber an.

„Wo wir gerade bei der Orgel als Musikinstrument sind“, klinkte sich jetzt Theodulf in die Diskussion ein, sollten wir auch all jene Handwerker ermutigen nach Aquisgranum zu kommen, die sich berufen fühlen, auch Musikinstrumente wie die uralte dreieckige Harfe, die siebensaitigen Instrumente wie die Kithara und Rotta und auch Leier, Zither, Flöte, Hörner, Schlagzeuge, Zimbeln, beinerne Kastagnetten und auch Schellen zu fertigen und ihr handwerkliches Fachwissen weiterzuvermitteln.“

„Wenn das so ist, mein König“, mischte sich lachend auch Graf Adalhard, der Vormund von Karls Sohn Pippin, in das Geschehen ein, „werde ich vom Hof in Pavia einige Musikinstrumentenbauer nach Aquisgranum schicken, die als große Könner in der Herstellung von Blasinstrumenten gelten. In den römischen Legionen wurden das gebogene Horn cornu, dann die tuba, ein langes Blasinstrument, lituus, eine kurze Signaltrompete und die bucina, eine weitere Trompete zur Übermittlung von Befehlen eingesetzt. Solche Blasinstrumente sollten auch bei uns hergestellt und versuchsweise auch in unseren Streitkräften ausprobiert werden“, versuchte Graf Adalhard seinem Vorschlag noch militärischen Nutzen beizumischen.

„Sehr gut, Adalhard“, zeigte sich König Karl auch von diesem Vorschlag sehr angetan. „Jeder Handwerker soll in Aquisgranum willkommen sein, der zur Verbreitung des handwerklichen Könnens in den vielen unterschiedlichen Bereichen etwas beitragen kann“, gab Karl noch einmal sehr deutlich die Richtung vor.

„Obwohl wir dem Bilderkult keinen Vorschub leisten wollen“, sprach Paulus Diaconus in die Runde, „sollten wir unsere zukünftigen öffentlichen Bauten mit sogenannten Fresken schmücken dürfen. Während meines letzten Aufenthalts in meinem Heimatkloster Monte-Cassino habe ich mit den beiden Mönchen Radbert und Bernard zwei Freskenmaler kennengelernt, die wahre Künstler der Wandmalerei sind. Sie werden auch in der Lage sein, uns maßstabgerecht die Geografie unseres Landes an die Stirnwände unserer zukünftigen Ministerien zu zeichnen.

Wenn es euch genehm ist, werde ich mich bemühen, dass die beiden Maler nach Aquisgranum kommen, um auch andere mit ihrer Kunst vertraut zu machen.“

„Ja, darum bitte ich dich, mein ehrwürdiger Freund“, entgegnete König Karl auf diese Einlassung.

„Und schickt einen Boten zu Bischof Frothar von Tours, der selbst ein Freund der Freskenmalerei ist“, wandte jetzt noch Alkuin ein, „er wird euch die Grundstoffe der Freskenmalerei wie gelber und roter Ocker, dazu Goldfarbe, Indigo, Mennige, Lasur, Grün und Quecksilber in ausreichender Menge besorgen können.“

„Es erstaunt immer wieder aufs Neue, woher Alkuin auch Kenntnis über solche seltenen Materialien hat“, entgegnete darauf Bischof Arno und lachte dabei.

„Meine Herren“, fuhr Alkuin schmunzelnd fort, „ich denke, wir sind uns hier ja darüber einig, dass wir für die anstehende Bildungsoffensive, aber auch bei der notwendigen Verschriftlichung unserer zukünftigen Regierungs- und Verwaltungsarbeit eine Menge an Pergament benötigen werden. Benedikt von Aniane hat uns kürzlich erzählt, dass er in seinem Heimatkloster eine entsprechende Manufaktur eingerichtet hat. Die Mönche des Klosters Prüm, die diese Kunst der Pergamentherstellung schon lange beherrschen, haben ihm dabei Hilfestellung gegeben. Ich denke es liegt daher nahe, dass wir wiederum mit Hilfe der Prümer Mönche eine solche Manufaktur auch in Aquisgranum einrichten.“

„Dem will ich gerne zustimmen“, entgegnete darauf Gerold von Regensburg. „Ich werde mich darüberhinaus bemühen, den tüchtigen Mönch Radulf vom Kloster Prüm als Leiter dieser Manufaktur zu gewinnen. In großen Bottichen aus Kalkwasser und mittels Spann- und Zuschneidevorrichtungen werden wir die Kalbs- und Schafshäute zu bestem Pergament machen. Und ich verspreche euch, dass diese Manufaktur mit ausreichendem Rohmaterial aus Kalbs- und Schafshäuten versorgt werden wird.“

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