Rebellen gegen Arkon

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4.
MAGHAN!

Gegenwart 2. August 1290 NGZ

Mein Blick ruhte auf der Frau, die vor dem Altar zusammengebrochen war. Cinthia schien zu sterben.

Unternimm etwas, Narr!

Ich versuchte, meine Hände zu bewegen. Doch die Lähmung reichte bis in die Fingerspitzen. Dasselbe mit den Füßen, den Nackenmuskeln, nicht einmal die Lippen konnte ich öffnen.

Es war keine typische Paralyse; ansonsten wäre ich zusammengebrochen und hätte möglicherweise das Bewusstsein verloren. Ich vermutete einen unbekannten Einfluss, der auf normale Menschen so wirkte wie auf Cinthia. Für mich sah die Sache anders aus, ich war ein Unsterblicher.

Mein Zellaktivator pochte so stark, dass ich glaubte, die Ströme von Vitalenergie wie dicke Taue fassen zu können. Ohne den Chip in meiner Schulter, so machte ich mir klar, wäre ich innerhalb weniger Sekunden gestorben.

Aus den Augenwinkeln erblickte ich plötzlich eine Gestalt. Ein Arkonide in einem grünen Mantel näherte sich im Zeitlupentempo. Es war Fürst Ligatem! Im ersten Augenblick dachte ich noch, Ligatem wolle mich vom Altar ziehen.

Verschwinde! Du schaffst es nicht!, versuchte ich zu rufen. Aber kein Wort kam über meine Lippen.

Dann bemerkte ich, dass der Blick des Fürsten in eine andere Richtung ging. Ligatem schaffte ein paar Meter. Dann sanken seine Arme hinab. Seine Hände öffneten sich, und er ging in die Hocke.

Als er wieder hochkam, hatte er die Archäologin im Griff. Der Fürst versuchte, die Frau wegzuschleppen. Meter für Meter kämpfte er sich vorwärts – während ich nur untätig zusehen konnte.

Ich bewunderte seine Willenskraft. Ligatem gab nicht auf, auch nicht, als er für Sekunden scheinbar entkräftet zu Boden ging. Die Zeitlupen-Flucht lief zunehmend zügiger ab. Mit jedem Meter Entfernung zum Altar gewann Ligatem an Tempo.

Zum Schluss hob er Cinthia auf seine Schultern. Er trug sie wankend, aber rasch davon.

In meiner Sichtweite befanden sich lediglich noch Maschinen, keine Lebewesen mehr.

Ich war allein. Solange mein Aktivator arbeitete, konnte der lähmende Einfluss mich nicht töten.

Ich erkenne eine Querverbindung, wisperte mein Zellaktivator. Die Stimme gerade eben wandte sich an einen Maghan. Die einzig anwesende Person auf dem Altar bist du, Arkonide. Ich nehme daher an, dass der Urheber der Stimme dich als einen Maghan identifiziert hat – als einen Meister der Insel.

Was für ein Unsinn!, entfuhr es mir lautlos. Die Meister sind seit einigen tausend Jahren tot. Das letzte Mal, dass einer von ihnen diese Anlage betreten hat – wenn überhaupt! –, muss vor 50.000 Jahren gewesen sein!

Der Extrasinn erklärte: Eine wichtige Eigenschaft der Meister war ihre relative Unsterblichkeit. Die Maghane trugen Zellaktivatoren, so wie du! Und heute betrittst du diesen Altar, eine Stimme nennt dich Maghan, und alle anderen Personen außer dir werden in die Flucht geschlagen.

Was willst du andeuten?

Du befindest dich nicht in Lebensgefahr, Arkonide. Diese Station hat dich automatisch als Meister der Insel identifiziert. Etwas Wichtiges wird geschehen. Etwas, das sich Schaltung Sternentau nennt. Aber zuvor wird man mit dir Kontakt aufnehmen. Du darfst dich keinesfalls als Unbefugter zu erkennen geben. Sei ein Meister der Insel, wenn du leben willst.

Die Kuppeln in meinem Sichtfeld glommen plötzlich in einem dunklen, roten Licht. Im selben Moment verblasste die gesamte Umgebung, die ich dahinter erkennen konnte. Die Felsen der Yssods-Wüste, der blaue Himmel von Traversan, das alles verschwand wie hinter einem Deflektorschirm. Die Anlage hatte sich anscheinend in ein Feld unbekannter Natur gehüllt.

Ich ballte die Hände – und es dauerte einige Momente, bis mir klar wurde, dass es eine willentlich gesteuerte Bewegung war. Ließ die Lähmung nach?

Im selben Augenblick spürte ich drei heftige Schläge an meiner Hüfte. Es wurde brennend heiß, wenn auch nur für Sekunden.

Ich versuchte, den Kopf zu neigen. Meine Bewegungsfähigkeit war nicht weit genug wiederhergestellt, um einen Blick auf die Hüftregion zu erhaschen.

Das ist auch unnötig, sprach die Stimme in meinem Inneren sarkastisch. Offensichtlich sind soeben dein Antigrav, das Funkgerät und der Schutzschirmprojektor explodiert. Deine gesamte technische Ausrüstung …

Was immer die Schaltung Sternentau bedeutete, es wirkte sich weder auf Geräte noch auf menschliches Leben ohne Aktivator besonders günstig aus.

Das rote Leuchten der Kuppeln intensivierte sich.

»Maghan?«

Ich neigte den Kopf. Die Bewegung kostete mich alle Kraft.

»Maghan, hörst du mich?«

Es war dieselbe Stimme, die bereits den Satz Na Maghan, na Tha‘genem par atha ke gesprochen hatte.

»Maghan, ich messe unzweifelhaft die Existenz eines Lebensspenders an. Um deine Identität weiß ich also.«

Es war anzunehmen, dass mit dem Ausdruck Lebensspender mein Zellaktivator gemeint war.

Ich fasste den Entschluss, der Stimme zu antworten:

»Ich höre dich gut«, formulierte ich auf Alt-Tefroda.

Die wenigen Worte kosteten mich sehr viel Kraft.

»Du wurdest aufgrund der Emissionen deines Lebensspenders als befugte Person identifiziert. Der Sternentau-Vorgang wurde automatisch eingeleitet.«

»Ich bin selbstverständlich befugt«, bestätigte ich matt, »allerdings bin ich nicht mit den Details der Schaltung Sternentau vertraut. Dieser Besuch diente lediglich der Inspektion. Ich benötige sämtliche Informationen, die du mir geben kannst.«

Einen Moment lang hörte es sich so an, als ertöne eine Art Gelächter.

Du hast es höchstwahrscheinlich mit einem 50.000 Jahre alten Steuergehirn zu tun, behauptete die Stimme in mir. Anzunehmen, dass es nicht mehr vollständig intakt ist.

Eine irre Positronik?

Der Begriff scheint mir nicht sehr präzise, im Kern könnte er jedoch treffend sein.

Unruhig blickte ich mich um. Von der Wüstenumgebung war noch immer nichts zu sehen, und ein Gefühl sagte mir, dass sich dieser Zustand so einfach auch nicht ändern würde. Als die Stimme mir nicht antwortete, schlug ich vor:

»Du könntest zunächst einmal erklären, wer du bist und wo du dich befindest.«

»Ich bin das Gehirn«, lautete die prompte Antwort. »Meine zentrale positronische Prozessoreinheit befindet sich in Kuppel D.«

»Wo ist Kuppel D?«

Eines der Sandsteingebäude schien einen Moment lang zu pulsieren. Doch ich war nicht sicher, ob meine Beobachtung den Tatsachen entsprach.

»Hör zu, Gehirn, es kommt darauf an, unsere unterschiedlichen Informationsstände abzugleichen. Ich will sichergehen, dass meine Anweisungen an dich auch adäquat umgesetzt werden können.«

Kurz entschlossen fügte ich hinzu:

»Ich muss sichergehen, dass meine Informationen über dich den Tatsachen entsprechen und vollständig sind. Der letzte Kontakt zwischen der Station und einem Maghan liegt immerhin sehr lange Zeit zurück.«

»Sehr lange …«

Das Rechenhirn schien nachzudenken, obwohl ich wusste, dass das nicht möglich war. Selbst eine veraltete Positronik erledigte ihre Denkprozesse in einer Geschwindigkeit, bei der ein Arkonide so etwas wie eine Verzögerung nicht wahrnehmen konnte.

»Die Station wurde zum Zweck der Waffenbeschaffung von einem Maghan errichtet, dessen Namen ich nicht kenne. Er ließ sich als Faktor 7 ansprechen. Faktor 7 benötigte Waffenmaterial, das sich speziell gegen extrem resistente Lebensformen einsetzen ließ. Diese Lebensformen wurden als Bestien bezeichnet. Außerdem definierte Faktor 7 die Raumschiffe der Bestien als problematisch, da sie über sogenannte Paratronschirme verfügen.«

»Diese Station ist eindeutig nicht für die Waffenproduktion oder Forschung ausgelegt«, stellte ich fest. »Woher wollte Faktor 7 diese Waffen also nehmen?«

»Die Waffen sollten aus der Vergangenheit beschafft werden.«

Einen Moment lang stockte mir der Atem. Ich wusste genug über alle Experimente mit der Zeit, um mich plötzlich wie ein Mann an einem steilen Abgrund zu fühlen. Ich war noch nicht gefallen – aber es brauchte nur einen winzigen Stoß, einen Lufthauch.

»Wie … wie weit in der Vergangenheit, Gehirn?«

»Als Zielzeit wurde X minus 1,2 Millionen Jahre definiert.«

Verdammt!

»Wie kommt dieser Wert zustande?«

»Faktor 7 verfügte über Anhaltspunkte, dass vor 1,2 Millionen Jahren in diesem Sektor der Galaxis ein schwerer Krieg stattgefunden hat. Nach Informationen des Maghans prallten zwei Parteien aufeinander, deren technologischer Standard sehr weit über dem heute üblichen Niveau gelegen haben muss. Mit den Waffen von damals, so Faktor 7, wäre die Vernichtung eines Paratronschirms entschieden leichter möglich als heute. Auch eine einzelne Bestie wäre dann leichter zu besiegen.«

Ich fragte mich, ob ich der Station reinen Wein einschenken sollte.

Die Wahrheit war, dass die Meister der Insel längst nicht mehr existierten. Der Krieg gegen die Bestien, wie die Meister der Insel die Haluter genannt hatten, war längst zu Ende. Und die Lemurer, die diesen Krieg damals geführt hatten, waren aus der Milchstraße nach Andromeda ausgewandert, um den Halutern zu entkommen. Dort hatten die Meister der Insel die Macht übernommen.

Anzunehmen, dass eine ganze Weile nach der Machtübernahme in Andromeda ein Meister in die Milchstraße zurückgekehrt ist, erklärte der Extrasinn. Diesen Krieg vor 1,2 Millionen Jahren gab es tatsächlich. Auch wir verfügen über einige rudimentäre Hinweise darauf. Der Meister ließ diese Station erbauen – und dann gab es offenbar Gründe, den Plan nicht weiterzuverfolgen. Versuche, diese Gründe herauszufinden, Arkonide!

 

Ich fragte mich, ob ich wirklich alles richtig verstanden hatte. Doch meine Kenntnisse des Alt-Tefroda waren gut genug, um einen Irrtum auszuschließen.

»1,2 Millionen Jahre …«, wiederholte ich fassungslos. »Das ist doch nicht möglich …«

Das Stationsgehirn stimmte bei:

»Du hast vollkommen recht – unmöglich. Allerdings befinden wir uns direkt auf dem Weg dahin. Unsere relative temporale Position liegt bei X minus 1440 Jahre. Der kritische Punkt wird bald erreicht sein.«

»Was für ein kritischer Punkt?«

»Der Punkt, an dem es gewöhnlich zur Katastrophe kommt. Die Fehlversuche Nummer 1 bis Nummer 37 haben das belegt.«

»Wie viele Versuche haben bisher funktioniert?«

»Keiner«, bekundete das Gehirn.

Da hörst du es. Hier sind schon die guten Gründe, die Faktor 7 hatte.

»Sofort alle Maschinen anhalten!«, kommandierte ich. Nur um mich sofort zu verbessern: »Nicht anhalten, sondern umkehren. Wir müssen sofort zurück in die Gegenwart.«

»Das ist leider nicht möglich, Maghan«, antwortete das Gehirn mit einer hörbaren Spur von Bedauern.

»Aus welchem Grund nicht?«

»Seit meiner letzten Aktivierung sind 47.002 Jahre verstrichen. Aufgrund der langen Inaktivität haben Teile meiner Programmierung Schaden genommen. Darüber hinaus existieren einige maschinelle Schäden, die ich aus eigener Kraft nicht beheben kann.«

Ich versuchte, Punkt für Punkt vorzugehen.

»Was bedeutet Schaden in der Programmierung?«

»Wir werden Fehlversuch Nummer 38 vor dem Erreichen der Zielzeit nicht mehr beenden können. Ich kann keinen Programmabbruch herbeiführen.«

»Das heißt, eine Rückkehr ist erst möglich, wenn das Programm komplett ausgeführt wurde?«

»Oder wenn ein Programmabbruch von außen stattfindet. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine theoretische Möglichkeit. Die Energiereserven reichen leider nicht bis zum Eintritt in die Zielzeit aus.«

Einen Moment lang weigerte ich mich, die Konsequenzen der maschinellen Logik zu durchdenken. Dann konnte ich mich nicht mehr wehren. Ich stieß einen erstickten Laut aus. Gern wäre ich nach vorn gesprungen, hätte mir Einlass in die Kuppeln verschafft und den Programmabbruch selbst herbeigeführt. Das einzige, was ich zustande brachte, war ein kurzer Schritt nach vorne. Entkräftet holte ich Atem.

»Wir werden demnach in die Vergangenheit reisen, bis uns die Energie ausgeht?«, vermutete ich.

»Das ist korrekt.«

»Und anschließend können die Anlagen der Station aus Mangel an Energie nicht mehr betrieben werden.«

»Ebenfalls korrekt.«

»Befindet sich eine Apparatur zur Produktion von Energie unter den Anlagen?«

»Nein. Aus emissionstechnischen Gründen konnte lediglich ein leistungsfähiges Speichersystem integriert werden.«

»Bedeutet das, wir werden in der Vergangenheit stranden?«

»Ja, Maghan. Fehlversuch Nummer 38 kehrt nicht mehr in die Gegenwart zurück. – Ich hoffe, du hattest eine komfortable Reise. Der Austritt aus dem Zeitsprung steht in wenigen Sekunden bevor.«

»Warte!«, rief ich verzweifelt.

»Das geht leider nicht.«

Ich hatte selbst eine Expedition mit einem terranischen Nullzeitdeformator mitgemacht. Wir hatten die Technologie niemals wieder ausgegraben, nachdem sie einmal in der Versenkung verschwunden war. Und das aus gutem Grund: Jede Manipulation in der Vergangenheit konnte furchtbare Folgen für die Gegenwart nach sich ziehen.

Im Extremfall verhinderte eine scheinbar nebensächliche, in Wahrheit jedoch katastrophale Handlung die eigene Geburt. Die Wissenschaftler nannten solche Gedankenspiele ein Zeitparadoxon.

Niemand konnte wirklich vorhersagen, wie ein Aufenthalt in der Vergangenheit sich auswirken würde. Ein gängiges mathematisches Modell der Zeit ging von unendlich vielen parallelen Zeitströmen aus. Jede Manipulation erzeugte neue Zeitströme, neue Kausalitäten, neue Alternativen.

In diesem Fall kam ein spezielles Problem hinzu. Ich war nicht in der Lage, dieses Problem logisch zu lösen. Wahrscheinlich deshalb, weil es keine auch nur ansatzweise logisch klingende Lösung gab: Die Station stand seit etwa 50.000 Jahren mitten in der Yssods-Wüste. Was passierte, wenn der Zeitsprung über weniger als 50.000 Jahre in die Vergangenheit führte?

Wo ein Körper war, konnte kein zweiter sein – so lautete eine Grundregel der Physik. Banal, in meinem Fall unter Umständen jedoch tödlich. Wenn der Sprung beendet war, prallten die beiden Zeitmaschinen vielleicht aufeinander. Vielleicht wurde dieser ganze Zeitstrom auch ausgelöscht und mit ihm Perry Rhodan, die Terraner, dieser ganze Planet Traversan und überhaupt das ganze Universum.

Sieh nicht zu schwarz, Arkonide. Vielleicht passiert auch gar nichts. Vielleicht verdrängt eine Zeitmaschine die andere in den Hyperraum, bis normale Verhältnisse wiederhergestellt sind. Oder es entsteht tatsächlich ein paralleler Zeitstrom, der nach einigen hundert Jahren in den alten Strom zurückmündet.

Ich versetzte lautlos: Von einem Logiksektor erwarte ich eine nüchterne Analyse. Keine Durchhalteparolen.

Du wirst begreifen müssen, dass die Gesetze der Logik hier nur beschränkt anzuwenden sind.

Ärgerlich presste ich die Lippen zusammen.

Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was sich über meinem Kopf zusammenbraute. Wie es auch kam, ich konnte offensichtlich nichts am Ergebnis ändern.

Schwelge nicht in Selbstmitleid, Arkonide!, kritisierte der Logiksektor hart. Bereite dich lieber auf den Fall deines Überlebens vor.

Noch einmal versuchte ich, einen Schritt zu tun. Aber auch diesmal kam ich nicht weit. Der Logiksektor hatte recht. Ich musste Informationen sammeln, für den Fall, dass es am Ende von Fehlversuch Nummer 38 noch einmal weiterging.

»Gehirn, hörst du mich?«, erhob ich die Stimme.

»Ja.«

»Dann beantworte mir noch eine Frage: In welcher Zeit werden wir stranden?«

»Das ist leicht. Es handelt sich voraussichtlich um das Jahr …«

Die Stimme des Gehirns verstummte.

Die Kuppeln hörten zu leuchten auf.

Der Hintergrund, den ich die ganze Zeit vermisst hatte, tauchte wie aus einem sich hebenden Dunstschleier wieder auf. Es war immer noch die Yssods-Wüste. Einige Felsbrocken schienen anders zu liegen, als ich es in Erinnerung hatte. Aber das war auch schon alles.

In mir erwachte der Verdacht, dass ich auf eine noch unbekannte Weise hereingelegt worden war. Ich hatte den Eindruck, dass eine tödliche Gefahr drohte. Nur wusste ich nicht, welche.

Vergangenheit 5772 v. Chr. / 12.402 da Ark

»Seid ihr bereit?«, schrie Prinzessin Tamarena.

»Jawohl, Erlauchte!«, schrien die Soldaten zurück.

Ein kurzes Kommando nur, und sie würden in die Gleiter springen und die Galaxis für sie auseinandernehmen.

Ihre mandelförmigen, hellroten Augen erfassten jede Kleinigkeit. Es schien unmöglich zu sein, dass ihr etwas entging, nicht einmal Ereignisse in ihrem Rücken. Die Prinzessin hatte das oft gezeigt. Ihre Auffassungsgabe galt als übernatürlich entwickelt.

Die einsam zugebrachten Jahre in einer Dagor-Abtei befähigten sie zu erstaunlichen Dingen. Im Zentralmassiv von Masskyr hatte sie gelernt, wie man die ungenutzten Ressourcen des Körpers und des Geistes zugänglich machte. Den Rest hatte ihr Vater sie gelehrt; Nert Kuriol verdankte sie kosmonautische Ausbildung und Kenntnisse in Truppenführung. Den meisten Arkoniden war sie weit überlegen, auch wenn sie es selten zeigte.

Ihr platinblondes Haar trug sie im halblangen Pagenschnitt. Sie hatte eine schlanke, hochgewachsene Figur, und sie wusste genau, dass sie eine attraktive Frau war.

In diesem Augenblick zählten jedoch andere Dinge: Nert Kuriol hatte sie nicht umsonst in die Wüste geschickt.

Tamarena trug klobige Kampfausrüstung. Dazu gehörten Protectorschalen aus Arkonstahl, die die Gelenke schützten, Energieschirm, Thermostrahler, Flugaggregat und Funkgerät.

Sie musterte die schwer bewaffneten Männer ihres Greiftrupps: eine bestens ausgebildete, schlagkräftige kleine Einheit. Keiner von ihnen erlaubte sich bedeutungsvolle Seitenblicke. Die Männer dachten nicht einmal an sie, jedenfalls nicht in dieser Weise. Tamarena wusste das genau.

Traversaner wie sie waren daran gewöhnt, erst zu schießen und dann zu fragen; aber auch das lag diesmal in ihrem Interesse. Was immer sich in der Yssods-Wüste abspielte, es geschah zu einer ausgesprochen ungünstigen, für alle Beteiligten höchst gefährlichen Zeit.

Von einer erhöhten Position aus starrten sie auf die fünf seltsamen Kuppeln hinab, die sich mitten in der Yssods-Wüste erhoben.

Diese Kuppeln hätten eigentlich nicht existieren dürfen. Ihre Existenz stellte ein Rätsel dar. Wer hatte sie erbaut?

Sie waren nicht groß genug, um eine ernsthafte Gefahr für den Planeten Traversan bereitzuhalten. Was, wenn sich im Inneren Truppen des Stützpunktes BRY 24 befanden? Es konnten niemals genug sein, um damit Erican zu gefährden.

Tamarena glaubte nicht, dass sie es wirklich mit einem Hinterhalt des Sonnenkurs zu tun hatte. Eine Station dieser Art taugte nicht als Geheimdienstbasis. Was hätte Bit auf Traversan ausspionieren sollen, das er nicht bereits wusste?

Außerdem pflegten Einrichtungen der Geheimdienste sich nicht durch seltsame Wellenfronten zu verraten. Geheime Stationen blieben gewöhnlich auch geheim. Diese hier hatte dagegen ein wahres Leuchtfeuer abgestrahlt – ein Leuchtfeuer aus Energie, das allerdings seit wenigen Minuten erloschen war.

Die Messgeräte, die sie mitführten, zeigten keine Ausschläge mehr. Es war, als habe die Station sämtliche energetischen Vorräte verbraucht. Dort unten lief nicht einmal mehr eine Batterie.

Tamarena besaß einen Spezialorter, der auf Mikrowellenbasis die Umgebung scannte. Künstliche Strukturen verrieten sich durch grade Linien, verdächtig plane Flächen, mathematisch berechenbare Krümmungen. Und obwohl sie die Station mit eigenen Augen vor sich sah, sprach der Orter nicht an. Auf eine nicht nachvollziehbare Weise wurde das Gerät getäuscht. Der Orter schien die Anlagen für eine normale Felsenformation zu halten.

Tamarena wollte soeben das Signal zum Angriff geben – da ließ ein seltsamer Eindruck sie innehalten. Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen. Da man sich auf die Geräte anscheinend nicht verlassen konnte, kam dem optischen Eindruck eine erhöhte Bedeutung zu.

»Was habt Ihr, Erlauchte?«, fragte ein Mannschaftsdienstgrad des Greiftrupps, ein Arbtan. »Wir sollten so schnell wie möglich …«

Tamarena schnitt ihm mit einer kurzen Bewegung das Wort ab. Der Arbtan verstummte.

»Da unten«, verkündete sie, »da unten ist ein Mann. Er hat soeben die erhöhte Fläche in der Mitte der Anlage verlassen.«

Die Mitglieder des Greiftrupps wandten sich tuschelnd um. Sie zeigten keine Überraschung. Dass die Tochter des Nert ihnen hoch überlegen war, wussten sie, auch wenn sie natürlich den wahren Grund nicht kennen konnten.

»Was nun?«, fragte jemand in ihrem Rücken.

Tamarena entschied: »Wir beobachten ihn eine Weile. Dann holen wir ihn uns. Er bewegt sich ohne jede Vorsicht, er sucht keine Deckung. Anscheinend glaubt er sich völlig unbeobachtet, obwohl Traversan ein dicht besiedelter Planet ist. Ich will sehen, was er da unten treibt.«

»Es wäre sicherer, ihn gleich zu töten.«

»Zweifellos.«

Prinzessin Tamarena starrte scheinbar ausdruckslos die weit entfernte Gestalt an, und in ihren Blick mischte sich jene fast schon übermenschliche Komponente, die alles und jedes zu durchdringen schien.