Handbuch für Outdoor Guides

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Trekking

Der Begriff Trekking wurde in den 70er Jahren von den ersten Nepal Trekkern in die Welt gesetzt. Er stammt vom Wort Trek ab, mit dem die südafrikanischen Buren ihre Planwagenzüge bezeichneten. In seinem ursprünglichen Sinn war ein Trekking eine mehrtägige bis mehrwöchige Bergwanderung, wobei in Zelten übernachtet wurde, das Gepäck von bezahlten Trägern getragen und das Essen von einem mitwandernden einheimischen Kochtrupp auf dem Feuer zubereitet wurde. Nepal war nach seiner Öffnung für Touristen das ideale Trekking-Land, denn es gab dort kaum Strassen, und Träger waren das, was bei uns die Lastwagen sind, und sie waren im Rang sogar höher gestellt als die Bauern. Inzwischen hat das Wort Trekking in der westlichen Welt eine wahre Inflation erlebt. Jede kleinere Bergwanderung wird heute so bezeichnet, es gibt Reittrekkings, Kameltrekkings, Kanutrekkings und selbst Eisenbahntrekkings.

In diesem Buch gebrauchen wir das Wort Trekking zur Bezeichnung von mehrtägigen Wanderungen (Weitwandern), bei denen im Freien gekocht und übernachtet wird. Eine Wanderreise, die von Herberge zu Herberge geht und wo das Gepäck nicht mitgetragen wird, fällt also nicht in diese Kategorie.

Es gibt Trekkingrouten, auf denen die Mitnahme eines lokalen Führers empfehlenswert ist. Manchmal ist dies sogar Vorschrift. In solchen Fällen wirkt der Gruppenleiter als Verbindungsglied zwischen Gruppe und einheimischen Führern. Fremdsprachenkenntnisse sind hier unerlässlich. In den meisten Ländern wird heutzutage englisch verstanden. Wer in Südamerika Gruppen leitet, sollte mit dem Spanischen bzw. dem Portugiesischen zurechtkommen, Französischkenntnisse sind all jenen Ländern des afrikanischen Kontinents dienlich, die ehemals französische Kolonien waren. Was von lokalen Begleitern nicht unbedingt erwartet werden kann, ist das Wissen darüber, was für uns »Fremde« verträglich ist. Die Einheimischen können vielleicht mehr Hitze und mehr Feuchtigkeit ertragen als die Besucher und – was in vielen subtropischen und allen tropischen Gebieten vorkommt – sie können Wasser aus ihren Bächen und Leitungen problemlos trinken, während unsereins davon unvermeidlich Durchfall bekommt. Es ist die Aufgabe der Leitung, die Teilnehmer zu warnen, und wenn Einheimische kochen, ist es auch die Aufgabe der Leitung, diese auf dabei entstehende Gefahren hinzuweisen. Es kann nämlich schon riskant sein, wenn in eine gekochte Suppe oder in gekochtes Teewasser frisches Wasser nachgeschüttet wird, ohne dass es nochmals aufgekocht wird.

Kann sich die Leitung auf keine lokale Begleitperson abstützen, erfordert dies weitergehende Kenntnisse und Fähigkeiten. Als selbstverständlich nehmen wir an, dass die Leitung körperliche Fitness und viel Eigenerfahrung im Trekking mitbringt. Geht es um die verantwortliche Leitung einer Gruppe, braucht es natürlich mehr: So muss die Leitung wissen, dass nicht für alle Teilnehmer die gleichen Massstäbe für Wandertempo und Pausen gelten. Alle im Gänsemarsch hintereinander gehen lassen, die Schwächsten vorne und die Stärksten hinten, ist eine rigide und altmodische Massnahme und macht niemanden glücklich. Was für eine alpine Skitour richtig sein mag, muss für ein Trekking noch lange nicht stimmen. Auf alternative Gestaltungsmöglichkeiten kommen wir noch zu sprechen.

Meist ist es auch so, dass die Leitung die Verantwortung für das leibliche Wohl der Gäste hat. Auch wenn die Aufgabe der Lebensmittelplanung, des Einkaufs und des Kochens auf die Teilnehmer verteilt wird, hat die Leitung mindestens zu koordinieren. Es gibt aber auch Fälle, wo die Leitung das Kochen übernimmt. In jedem Fall schadet es nichts, wenn ein umfassendes Know-how betreffend Outdoor-Küche vorhanden ist.

Feuermachen

Ein Outdoor Guide sollte immer und unter jeder Bedingung Feuer machen können. Dazu gibt es viele Tricks und Tipps, Hilfsmittel und Techniken, die man in Pfadfinder-und Survival Büchern nachlesen kann. Was in diesen Büchern meistens nicht steht ist, dass wirkliches Können nur vom vielen Üben kommen kann. Hier die wichtigsten

Punkte:

Holz brennt immer. Am besten brennt solches, das zwischen zwei und vier Jahren tot ist und an der Luft gelagert wurde. Dürre Äste sollte man von den Bäumen runterbrechen. Holz, das am feuchten Boden liegt, wird mit der Zeit morsch und ist dann mit Feuchtigkeit durchdrungen. Dürres Holz ist, auch wenn es in Strömen regnet, im Innern immer trocken. Speziell gut brennen Kiefern- und Birkenholz, letzteres selbst im grünen Zustand.

Holz kommt fast überall vor. Kocher sind also nur oberhalb oder nördlich der Buschgrenze nötig. Am Meeresufer findet sich Schwemmholz und in der Wüste finden wir Holz in Wadis und in den merkwürdigen Sandhaufen, die das Wurzelwerk ehemaliger Tamarisken einhüllen.

Das Feuer ist an der Flammenspitze am heissesten. Das Essen ist schneller bereit, wenn wir dies beim Kochen berücksichtigen. Da wir auf ein Trekking natürlich keine Aufhängevorrichtungen für die Pfannen mitschleppen, bedienen wir uns jener Technik, welche die alten Völker schon immer benutzten und die die Urform des Herdes darstellt: Wir stellen drei grosse Steine im Dreieck auf, sodass die Pfanne gut darauf steht, und machen dann das Feuer unter der Pfanne.

Als Hilfsmittel zum Feuermachen muss man nicht unbedingt Magnesium und andere künstliche Produkte mitführen, Birkenrinde und Harz sind genauso gut geeignet. Auch Kerzen sind sehr nützlich. Besonders gut wirkt auch folgendes, von uns entwickeltes

Produkt:

Man trinke hie und da mit Freunden eine Flasche Wein und sammle die Korkzapfen in einem grossen Einmachglas, das mit Brennsprit gefüllt ist. Man wartet dann, bis die Korkzapfen durchfeuchtet sind; dann werden sie zu Scheiben geschnitten. Diese


Der Ur-Herd

Scheiben legen wir in ein weiteres, auch mit Brennsprit gefülltes Einmachglas. Die Gummidichtungen der Einmachgläser müssen dranbleiben, sonst verdunstet der Sprit. Für unterwegs nehmen wir eine Handvoll der Korkzapfenscheiben in einem verschraubbaren und dichten Gefäss mit, das wir diesmal mit Petrol gefüllt haben (der Kork hat inzwischen genug Sprit aufgesaugt, das Petrol dient dazu, dass der Sprit nicht verdunstet). Es ist wichtig, dass das Gefäss verschraubbar ist, andere Verschlüsse können durch das Petrol ölig werden und sich von selbst öffnen.

In Bezug auf ein ökologisch korrektes Lagerfeuer gibt es verschiedene Haltungen. Der eine will gar keine sichtbaren Spuren hinterlassen und platziert das Feuer auf Steinen, auf Sand oder in eine Bodengrube. Der andere begnügt sich damit, dass die Feuerstelle nur so gross ist, wie sie tatsächlich gebraucht wird. Wenn keine Waldbrandgefahr besteht, sollte das Feuer eher nicht mit Wasser gelöscht werden, denn dies gibt einen matschigen Brei, der nicht nur für Nachfolgende unangenehm ist, sondern auch ziemlich lange keinen Pflanzenwuchs mehr zulässt. Am besten lässt man das Feuer frühzeitig vollständig herunterbrennen, sodass bei Verlassen des Camps nur noch Asche daliegt. Eine solche Feuerstelle ist schon in kurzer Zeit wieder überwachsen. Es ist zu hoffen, dass jene Gattung Männer, die Feuerstellen pinkelnderweise löschen, heute ausgestorben ist.

Übernachtung im Freien

Die meisten Menschen finden wahrscheinlich, dass Zelten die beste Variante ist, im Freien zu übernachten. Zelte empfehlen sich nur in Mückengebieten, weil es praktisch ist, wenn man sich in einen von Moskitonetzen geschützten Raum zurückziehen kann. Ein Planendach aus einer leichten, wasserdichten (und wenn man nicht auffallen will, dunkelgrünen) Plane hat jedoch gegenüber dem Zelt einige Vorteile: Planen sind leichter als Zelte (vorausgesetzt man benützt nicht schwere Militärplanen). Bei Planen kommt man für ein Camp auch mit kleineren flachen Plätzen aus. Planen kann man so spannen, das Gemeinschaftsräume entstehen, wo man auch bei Regen oder starker Sonne beieinander sitzen kann. Wer dieses Element zum ersten Male einsetzt, sollte etwas üben. Man wird dann schnell merken, dass es einfacher geht, wenn die Plane (bzw. die Planen) erst am Boden ausgelegt wird. Und dass das Planendach nur dann wirklich wasserdicht ist, wenn die einzelnen Planen sich ziegelförmig überlappen und das Wasser gut ablaufen kann.

Planen sind auch für andere Zwecke nutzbar: als Windschutz, als Segel, als Bedeckung einer Schwitzhütte, als wasserdichte Transporthülle für Gepäck und Kleider bei Flussüberquerungen. Und Planen sind weniger auffällig. Wenn man Zelte aufstellt, ist dies immer irgendwie ein »Besitzergreifen« des Ortes, wohingegen Planen »nomadischer« wirken. Im südschweizerischen Kanton Tessin beispielsweise, wo das Campieren offiziell verboten ist, das Biwakieren hingegen nicht, kann dieser Unterschied wesentlich sein.

Wetter

Grundsätzlich kann bei jeder Wetterlage gewandert werden. Die Angst vor schlechtem Wetter ist weitgehend eine »Zivilisationskrankheit«. Ein echter Outdoor Freak fühlt sich bei jedem Wetter wohl; er kann auch auf jede Wettersituation reagieren und braucht deshalb kein Wetterprophet zu sein. Auch die besten Wetterpropheten erreichen nur schwer durchschnittliche Trefferquoten von über 60%. Sind schon die modernen, auf Satellitenaufnahmen und sensiblen Messgeräten basierenden Wetterprognosen nur bedingt verlässlich, wie unzuverlässig ist erst eine private Prognose vor Ort. Und für den Outdoor Guide gilt, lieber keine Prognose als eine falsche.

Echte Bedrohungen stellen Lawinen, Blitzschlag und Hochwasser dar. Hier gilt es, die »Jetzt-Situation« vor Ort kompetent einzuschätzen. Der eingangs erwähnte CanyoningUnfall geschah aufgrund einer Fehleinschätzung der aktuellen Lage. Ein Gewitter in den Bergen kann einen Bergbach in Sekundenschnelle anschwellen lassen. Und dass sich ein Gewitter zusammenbraut, ist in den Bergen wegen des eingeschränkten Horizonts nicht so leicht erkennbar. Wenn der erste Donner grollt oder erste Tropfen fallen, ist das Gewitter meist schon da. Es heisst also, schnell zu handeln und sich von Bachläufen (Hochwasser) und Berggraten (Blitzschlag) zu entfernen. Die in Bergbüchern vorgeschlagenen Massnahmen gegen Blitzschlag sind allerdings eher theoretischer Natur. In der Praxis bewährt sich, dass man einfach schnell weitergeht, um baldmöglichst eine schützende Hütte oder Höhle zu finden.

 

Routenwahl

Meistens ist es ja so, dass die Trekkingroute dem Leiter bekannt ist. Er kennt Distanzen, Abzweigungen, die schwierigen Wegabschnitte, die Rastplätze und die Wasserstellen. Umfassende Kenntnisse betreffend Orientierung werden gebraucht, wenn die Leitung die Trekkingroute nicht kennt oder wenn sie ein neues Gebiet rekognosziert. Auf den Umgang mit Orientierungshilfen kommen wir weiter unten zu reden und beschränken uns hier auf ein paar trekkingspezifische Hinweise. Ein Trekking folgt in der Regel Pfaden von Einheimischen. Solche verbinden Ortschaften miteinander und sind topographisch optimal angelegt, d.h., es wird immer die energiesparendste Mitte zwischen Länge und Höhendistanzen gesucht und zeitraubende Hindernisse werden manchmal recht weitläufig umgangen. Es macht in der Regel keinen Sinn,

Abkürzungen zu nehmen, auch wenn dies verführerisch ist. Nicht umsonst heisst es unter erfahrenen Wildnisläufern: »Für Abkürzungen haben wir keine Zeit.« Sind die Distanzen zwischen Ortschaften sehr gross, kommen Abzweigungen vor; oder führen die Pfade über Pässe und Hochebenen, sind die Wege meist gekennzeichnet. Die häufigsten und weltweit vorkommenden Zeichen sind Steinmännchen, Kerben an (lebenden) Baumstämmen und Farbtupfer. Fehlen solche Zeichen, hilft nur die Begleitung durch einen Ortskundigen.

Wir können das Abenteuer des Ungewissen noch finden, wenn wir uns in unerschlossene Urwälder und Wüstengebiete begeben oder andere »weglose« Wege beschreiten. Ohne Pfade relativ gut begehbar sind jene grossflächigen Waldgebiete Kanadas, die früher einmal Meer waren und wegen ihres sandigen Grundes wenig wegversperrendes Unterholz zulassen. Dasselbe trifft auf die tropischen Urwaldgebiete zu, die noch Primärwälder sind. Tropische Primärurwälder bestehen aus grossen Bäumen mit weitausladenden Kronen, die wenig Licht zum Boden durchlassen, was das Wachstum in Bodennähe hindert. Auch hier gibt es dann wenig, was den Weg versperrt. In solchen Gebieten findet man mitunter auch Pfade. Sie stammen von Jägern, Sammlern und Fallenstellern. Aber Vorsicht bei der Benützung von Wildnispfaden, sie können im Kreise herumführen oder in einer Sackgasse enden. Handelt es sich um Wildwechsel, führen sie nirgendwo hin ausser zum Wasser (was unter Umständen nicht zu verachten ist).

»Wenn du in der Wildnis auf einem dir unbekannten Pfad gehst und du kommst an eine Weggabelung, wo die eine Abzweigung vielbegangen, die andere weniger begangen erscheint, welchen Weg solltest du nehmen?«

(Antwort zu dieser Frage am Schluss des Buches)

Man kann auch in der Wüste zu Fuss gehen, vorausgesetzt, man hat Tragtiere für Wasser dabei oder es sind auf der Route genügend Wasserstellen vorhanden. Es wird hier wohl niemand so waghalsig sein, eine ihm unbekannte Route ohne die Begleitung eines Führers zu begehen. Beduinen haben zwar keinen »Sechsten Sinn«, der ihnen auf magische Weise die Orientierung in der Wüste erlaubt. Sie orientieren sich an den Merkmalen der Landschaft, die sie vom vielmaligen Begehen in- und auswendig kennen. Man wird deshalb nie einen Beduinen in einem grösseren Sanddünengebiet antreffen, denn diese Landschaften ändern sich fortlaufend und bieten keine sicheren Orientierungsmöglichkeiten.

Es gibt aber auch in weniger abgeschiedenen Gebieten die Möglichkeit des Wanderns ohne Wege. Eine Traversierung (Direttissima) anhand einer Strassenkarte im Massstab 1:300’000 kann sehr abenteuerlich sein. Wo man flaches Gelände vermutet, führt die Linie hinunter in unerwartete Canyons und über wil- de Hügelketten. Eine weitere Möglichkeit ist die Schluchtenbegehung. Wir meinen damit nicht das Canyoning, wo mit Neoprenanzügen und Abseilausrüstung in sonst unzugänglichen Schluchten operiert wird, sondern wir meinen das (möglicherweise mehrtägige) Durchwandern von begehbaren Schluchten mit Wanderschuhen und Rucksack, ohne weitere Hilfsmittel. Während die Fortbewegung beim Canyoning mittels Rutschen, Springen und Abseilen talwärts geht, führt die Schluchtenbegehung bergwärts (von der Mündung zur Quelle). Auf die besonderen Risiken, die mit sol- chen Unternehmungen verbunden sind, kommen wir im Abschnitt über Sicherheit noch zu sprechen.


Von der Mündung zur Quelle

Bei all diesen Aktivitäten wird der Outdoor Guide auch einen Blick auf die Rucksäcke seiner Gruppe werfen. Ein gut gepackter Rucksack erspart viel Energie und schenkt sicheren Bewegungsspielraum. Der Rucksack muss mit dem Körper eine Einheit bilden; also auf anatomisch richtigen Hüfttraggurt achten. Er wird so gepackt, dass das Richtige zum richtigen Zeitpunkt herausgenommen werden kann. Weiterhin beachten: Druckstellen vermeiden, Schweres am Körper bei der Hüfte platzieren, Schlafsack unten. Hauptgewicht sollte auf dem Hüfttraggurt und nicht auf den Schulterriemen sein. Wegen des besseren Gleichgewichts sollte das Material vollständig im Rucksack verpackt sein und nicht aussen herumbaumeln. Für eine mehrtägige Tour braucht es einen Rucksack mit ca. 80 l Inhalt.

In den Alpen und in anderen Wildnisgebieten gibt es Trekkingrouten mit Abschnitten, welche bergsteigerische Techniken erfordern. Im Sinai beispielsweise findet sich eine Trekkingroute, wo auf einer Gesamtlänge von fast 1000 Höhenmetern (natürlich in mehreren Stufen) in einen Canyon abgeseilt wird. Bei der Umwanderung des Fitz Roys Gebirges in Patagonien führt ein Teil der Route über das patagonische Festlandeis. Auf den Suonenwanderwegen im Wallis kann man unverhofft auf Abschnitte treffen, die wegen der luftigen Ausgesetztheit und der spartanischen Absicherung durch simple ple Halteseile den Puls höher schlagen lassen. Und die Knie zum Schlottern bringt auch die Begehung des berühmten Camino del Rey bei el Chorro in Andalusien.

Bei Trekkings mit solchen Passagen ist es zwar nicht notwendig, dass die Teilnehmer selbst bergerfahren sind, aber selbstverständlich ist, dass die Leitung über die entsprechenden bergführerischen Kompetenzen verfügt, um auch unsichere Teilnehmer wohlbehalten durchzubringen.

Bergführerische Kompetenzen, über die ein Trekkingleiter verfügen sollte:

 Einrichten von Seilsicherungen

 Sicherungstechniken mit improvisierten Klettergurten

 Sicherungsknoten

 Abseiltechniken mit Klettergut und Abseilhilfen

 Abseiltechniken ohne Klettergurt (Dülfer)

Diese Techniken müssen unter kompetenter Anleitung erlernt werden. Wir verzichten hier deshalb auf die Beschreibung solcher Techniken.

Kanutouren

Das Wort Kanu ist ein Sammelbegriff und bezeichnet einen Bootstyp, der nicht mit einem Ruder, sondern mit einem Paddel fortbewegt wird. Wir unterscheiden zwei Arten von Kanus: Kajak und Kanadier. Das Kajak wird mit dem Doppelpaddel betrieben und der Kanadier mit dem Stechpaddel. Das ist die einzige eindeutige Unterscheidung. Bei beiden Bootstypen gibt es geschlossene und offene Modelle, Einplätzer und Mehrplätzer. Im Kajak wird immer gesessen, während im Kanadier auch gekniet werden kann, was eigentlich die klassische Position beim Kanadier ist. In der knienden Position ist das Stechpaddel effizienter, dafür liegt der Bootsschwerpunkt etwas höher, weshalb aus Stabilitätsgründen Kanadier in der Regel breiter sind als Kajaks. Ein Kanu ist schneller, je schmäler es im Verhältnis zu seiner Länge ist. Aber es ist natürlich wendiger, je kürzer es ist. Üblich ist, dass man eher ein Kajak benützt, wenn man wilde Wasser befahren will oder wenn man alleine paddeln möchte. Wenn man zu zweit unterwegs ist und Gepäck dabei hat, gilt der Zweierkanadier als der beliebtere Bootstyp.

Wir wollen hier nur komprimiert auf das kanutechnische Know-how eingehen und verweisen auf die entsprechende Fachliteratur. Allerdings gilt auch hier: Die Kunst des Kanufahrens kann aus Büchern allein nicht erlernt werden. Kanufahren lernt man durch Erfahrung und man lernt es vor allem über Vorbilder und Lehrer. Es ist immer wieder belustigend, wie die Fachliteratur mit tollen Zeichnungen die Kunst der Eskimorolle zu vermitteln versucht, als ob sich der Lernende, die einfachere Hälfte der Rolle geschafft, kopfüber und ohne Luft im Wasser, an Zeichnungen und Beschreibungen erinnern könnte. Hand aufs Herz, da gibt es doch nur einen Weg, und der ist, mit einem Lehrer zu üben, üben und üben.

Wir beschränken uns in den folgenden Beschreibungen auf zwei Bootstypen, weil wir glauben, dass diese besonders geeignet sind, um Teilnehmern, die nicht über spezielle Vorkenntnisse verfügen, mehrtägige Kanuerlebnisse zu ermöglichen. Es sind dies der Zweierkanadier für die Befahrung von Flüssen und das Seakajak für die Befahrung von Seen und Meeresküsten.

Kanutouren auf Flüssen

Ein Leiter darf mit einer Gruppe nur auf solche Gewässer gehen, deren Schwierigkeitsgrade ihm selbst keine Mühe bereiten. Als Faustregel gilt: Die eigenen Fähigkeiten reichen für zwei höhere Schwierigkeitsgrade. Der dritte Schwierigkeitsgrad (bei maximal sechs) sollte ohnehin nur in Frage kommen, wenn mehr als eine Leitungsperson dabei ist oder wenn unter den Teilnehmern Kanuten mit entsprechender Erfahrung sind. Hier gilt: in jedes Boot ein erfahrener Kanute.

Im Bereich der offenen Zweierkanadier gibt es drei Bootsvarianten, den steifen Kanadier, den Schlauchkanadier und den Faltkanadier. Der Faltkanadier ist, wie der Name sagt, faltbar, er kann gut in Eisenbahnen und Flugzeugen transportiert werden. Ausserdem ist er leichter als ein steifer Kanadier. Der Nachteil ist, dass er nicht so stabil ist und dass das Zusammensetzen Zeit braucht. Auch der Schlauchkanadier kann gut transportiert werden. Gegenüber dem Faltkanadier ist er schneller »betriebsbereit«. Ausserdem ist er wegen des grösseren Auftriebs für lebendige Wasser gut geeignet und stellt auch eine solide »Rettungsinsel« dar. Die Nachteile sind: Verletzlichkeit, wenig Stauraum, auf stehenden Gewässern langsam. Der steife Kanadier ist sicher das schnellste Boot, vor allem, wenn er noch mit einem Kiel ausgerüstet ist. Mit einem Kiel verliert er allerdings die Wendigkeit. Wir setzen, wie gesagt, bei einem Outdoor Guide, der eine Kanutour leitet, voraus, dass er in Fahr- und Paddeltechniken bestens bewandert ist. Wer neu in dieses Gebiet einsteigen möchte, muss mit einer längeren Lehrzeit rechnen. Hier kurz das Wesentliche, das es zu lernen gibt:

Paddeltechnik im Zweierkanadier

Vorne sitzt der »Kopf«, hinten der »Motor«.

Die schwerere und kräftigere Person sitzt besser hinten.

Wenn eine Person mehr Erfahrung hat als die andere, sitzt sie in schwierigeren Passagen besser hinten, falls diese Person leichter ist, muss das Boot mit dem Gepäck so getrimmt werden, dass es vorne nicht tiefer im Wasser liegt als hinten, sonst ist es schwerer manövrierbar.

Vordere und hintere Person halten das Paddel in der jeweils anderen Seite ins Wasser. Vordere und hintere Person paddeln im gleichen Takt.

Das Paddel wird mit der einen Hand oben am Griff gehalten und mit der anderen ein bis zwei Zweihandbreiten über dem Paddelblatt.

Das Paddel wird senkrecht im Wasser geführt, der Blick schaut unter dem Paddelschaft durch.

Das Boot wird mit dem Paddel zum Wasser gezogen, nicht vom Wasser weg gestossen. Die hintere Person steuert mit Rundschlag und mit Steuerschlag.

Die vordere Person steuert mit »Dufekschlag« oder mit »Seitwärtsversetzen«.

Fahrtechnik im Zweierkanadier

Geradeausfahrt (am Anfang nicht immer leicht)

Slalom

Seitwärtsversetzen

Traversieren

Kehrwasserfahren (Routinierte können das fast so gut wie mit einem Kajak)

 


Körperhaltung und Beladung

Körper aufrecht, Schwerpunkt tief legen: Knie unten (Knien oder Schneidersitz)

Bei Kanadier braucht es Auftriebskörper (ausser beim Schlauchkanadier). Idealerweise wird das Gepäck in grosse, wasserdichte Packsäcke verpackt, die gleichmässig und tiefsitzend im Boot verstaut und so gut befestigt werden, dass sie bei einer Kenterung sicher im Boot bleiben. So wirken sie gleichzeitig als Auftriebskörper.

Spezielles für die Leitung

Flüsse sind Wege, die selber laufen. Das ist natürlich praktisch. Aber es gibt da die Tücke, dass Gruppenmitglieder der Leitung und dem Rest der Gruppe »davonlaufen« können. Eine Kanutour auf einem Fluss muss deshalb etwas anders organisiert werden als ein Trekking. Das Schöne bei einer Flussbefahrung ist ja nicht nur der Reiz der vorbeiziehenden Landschaft, sondern auch die »Landschaft« des Wassers selbst. Da gibt es Täler und Hügel, Hindernisse und enge Durchfahrten, Gegenströmungen und Walzen, und hinter Steinen, Inseln und vorspringenden Ufern warten grosse und kleine Kehrwasser. In dieser Landschaft interessante Wege zu suchen, Dinge auszuprobieren und mit dem Wasser zu spielen, macht einen grossen Teil der Freude des Kanufahrens aus. Der routinierte Kanufahrer kann da schon an einem kurzen Flussabschnitt länger verweilen, während Anfänger nicht viel mehr tun können, als geradeaus flussabwärts zu bolzen. Das führt dann eben zu der grotesken Situation, dass in einer Gruppe die schlechteren Kanufahrer auf dem Fluss schneller vorankommen, was natürlich vor allem dann problematisch ist, wenn weiter unten schwierigere Flussabschnitte kommen oder gar unbefahrbare Stellen, die umtragen werden müssen. Es ist die Aufgabe der Leitung, die Gruppe so zu organisieren, dass dies nicht geschehen kann. Gibt es also Unerfahrene in der Gruppe oder besteht gar die ganze Gruppe aus Anfängern, wird selbstverständlich zuerst auf ruhigem Gewässer geübt, bis die Piloten ihre Boote gut geradeaus manövrieren können und die Kurven, die sie ziehen, gewünscht sind. Der nächste Schritt ist dann der, dass auf schneller fliessendem oder unruhigerem Wasser das Anhalten in Kehrwassern geübt wird.

Die Teilnehmer haben anfangs genug mit sich selbst zu tun, denn zu ungewohnt ist die neue Situation, dass alles um einen herum in Bewegung ist und man kaum innehalten, verschnaufen und den Überblick gewinnen kann. Deshalb werden sie den Anweisungen der Leitung nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit schenken können. Das heisst auch, dass die Leitung die Gruppe zuerst einmal ausprobieren und ihre Erfahrungen mit dem neuen Element machen lässt. Auf der anderen Seite muss sie dafür sorgen, dass nicht die ganze Gruppe schon zu Beginn auf irgendwelchen Hindernissen strandet und Materialschäden oder Kenterungen eintreten. Wir fragen uns ja manchmal, wie es nur möglich ist, dass in einem 20 Meter breiten Fluss, in dessen Mitte ein grosser Stein herausragt, die Leute es schaffen, ausgerechnet auf diesem Stein zu landen. Die Erklärung ist einfach, man steuert in der Regel unbewusst auf das zu, auf das man sich konzentriert. Der weise Leiter wird also so instruieren: »Wenn ihr im Fluss ein Hindernis seht, schaut, wo die ideale Durchfahrt ist und konzentriert euch auf diese Durchfahrt«.

Die Leitung wird während der Tour die einzelnen Boote abwechselnd begleiten und unterstützen. Sie wird die Piloten darauf aufmerksam machen, dass sie immer im gleichen Rhythmus paddeln sollen, egal ob das Wasser ruhig dahinfliesst oder ob sie gerade eine Stromschnelle hinunterbrausen oder durch eine Walze pflügen. Es kommt immer wieder vor, dass Anfänger mit der einen Hand das Paddel loslassen und sich am Bootsrand zu hal- ten versuchen, wenn sie Angst haben, dass das Boot kentern könnte.

Wird es kentern oder nicht?

Antwort am Schluss des Buches


Es braucht meistens etwas Zeit, bis die eiserne Regel, dass die Paddel nie losgelassen werden, selbst bei einer wirklichen Kenterung nicht, durchge- setzt ist. Im Weiteren wird die Leitung die Gruppe auch darüber instruieren, was sie im Fall von Kenterungen zu tun hat und wie sich die Piloten zu verhalten haben, wenn ihr Boot an einem Hindernis stecken bleibt.

Das eigene Boot kentert:

Paddel festhalten

Dem Boot nachschwimmen (wenn noch erreichbar)

Mit derselben Hand Paddel und Boot halten

Mit der freien Hand zum nächsten Ufer schwimmen

oder sich hinten an einem Rettungsboot festhalten und ziehen lassen

Ein anderes Boot kentert:

Die ganze Gruppe muss helfen, denn es gibt schlimmstenfalls zwei Gekenterte, ein davonschwimmendes Boot und zwei einzeln dahintreibende Paddel.

Das eigene Boot zum Gekenterten paddeln.

Gekenterten das Heck des Bootes fassen lassen.

Zum nächstliegenden Ufer paddeln, Boot flussaufwärts gerichtet.

Ein frei schwimmendes gekentertes Boot von unten her anfahren und mit der eigenen Bootsspitze von der Seite her landeinwärts stossen. Davonschwimmende Paddel einsammeln.

Ein gekentertes Boot soll in der Regel nicht umgedreht werden, weil es so nur noch mehr Wasser aufnimmt und schwerer zum Ufer zu manövrieren ist.

Das eigene Boot landet auf einem Hindernis:

Sofort aussteigen (auf das Hindernis oder ins Wasser). Boot seitlich vom Hindernis wegziehen oder stossen und zwar auf die Seite, wo die Hauptströmung fliesst.

Ein anderes Boot landet auf einem Hindernis:

Mit dem eigenen Boot am aufgelaufenen Boot auf der Seite vorbeifahren, auf der ein Wegziehen leichter erscheint. Die hintere Person fasst beim Vorbeifahren das Ende des aufgelaufenen Bootes und versucht, es mit einem Ruck mitzuziehen.

Variante: »Hindernis umarmen«


Boot wird auf das Hindernis gekippt, damit der Wasser- druck unter dem Boot wegkann, sonst würde er das Boot zum Kentern bringen.

Bei Kanutouren bergen nicht nur schwierige Gewässer Gefahren in sich. Eine querliegende Baumleiche kann selbst in einem sanft fliessenden Fluss zur Todesfalle werden, vor allem dann, wenn die Hauptströmung direkt unter dem Baum durchfliesst. Dem unachtsamen Kanufahrer kann Folgendes geschehen: Sein Boot treibt auf den Baum zu und wird von diesem aufgehalten. Die Strömung drückt nun das Boot unweigerlich quer vor den Baumstamm, es kommt zum Wasserstau auf der flussaufwärts gerichteten Bootsseite und das Boot kentert. Gelingt es dem Kanuten nicht, sich schnell auf das Geäst zu retten, wird ihn die Strömung erfassen und unter den Baum drücken. Verfängt sich der Körper im Geäst unter der Wasseroberfläche, ist keine Rettung mehr möglich. Achtung: künstliche Wehre können Todesfallen sein

Gefährlich wird ein sanft erscheinender Fluss unter Umständen auch dann, wenn Kraftwerke durch Schleusenbetätigungen ein schnelles Ansteigen des Wasserspiegels bewirken. In verblockten und schnellen Wildwassern sind die Gefahren »offensichtlicher«. Bei einer Kenterung muss die gekenterte Person auf den Rücken liegen und die Füsse flussabwärts richten. So kann sie gefährliche Steine sehen und sich mit den Füssen abstossen. Mit Rückwärtsschwimmen kann sie sich zum Ufer versetzen.

Die Kenterung und das Auflaufen sind natürlich nicht die einzigen Möglichkeiten, die den Teilnehmern einer Bootsfahrt zu Festlanderfahrungen verhelfen. Da gibt es auch Tragstrecken. Viele Flüsse, die sich für Anfänger zwar gut eignen, können schwierige bis unbefahrbare Passagen aufweisen, die umtragen werden müssen. In einem solchen Fall macht es sich bezahlt, wenn das mitgeführte Gepäck nicht sonderlich schwer ist. Praktisch sind jene wasserdichten Packsäcke, die über Traggurte verfügen. So kann es ein Zweierteam bestenfalls sogar schaffen, Boot und Gepäck in einem Mal zur Einbootsstelle zu tragen. In Kanuführern wird oft auch die Variante des Treidelns beschrieben. Hier wird das Boot im Wasser gelassen und mittels Reepschnüren und Stecken vom Ufer aus flussabwärts gelotst. Dies funktioniert allerdings nur bei »Zivilisationsflüssen«, die verwachsenen und ruppigen Ufer von Wildnis-Gewässern lassen solches nicht zu.