Der Wolfsmann

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Die Gemeinschaft der Nordmänner glaubt fest an solche Dinge. Hagan ist ihr Seher. Es war bisher immer eingetreten, was Hagan prophezeit hatte.

All diese martialisch aussehenden Männer bilden eine feste Gemeinschaft, die aus Regeln, Zauber und Rollen besteht, die jedem in der Gruppe zugewiesen wird. Es ist eine strenge Ordnung, die aber auch viele Freiheiten zulässt. Als Mitglied der Gruppe ist man etwas Besonderes. Wer Stimmrecht hat, der ist ein Alphatier, ein „Krieger“ oder eine „Mutter“. Ein wichtiger Mann oder eine wichtige Frau eben, dessen Urteil man sich beugen muss.

Die jungen Männer und Frauen, die in den Rat aufgenommen werden wollen, die müssen ihre Reife und das Recht erst unter Beweis stellen, Mitglied in diesem erlauchten Rat zu werden. Man muss sich dieses Recht verdienen.

Die Leibeigenen, die im Dorf leben, die sind von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. Frauen müssen Kinder gebären. Die Leibeigenen müssen Liebesdienste verrichten, aber ihre Kinder, die sie mit Männern des Clans zeugen, die sind wieder nur Leibeigene, ohne jedes Stimmrecht.

Innerhalb des Clans werden zwischen Mann und Frau Ehen geschlossen, die ein Leben lang halten. Weil diese Dörfer klein sind, wird dem Inzuchtproblem dadurch vorgebeugt, dass sich die Dörfler mit ihren Nachbargemeinden austauschen. So sind die verschiedenen Sippen entlang der Küste alle miteinander verwandt und es gib Bindungen, die den Frieden zwischen den einzelnen Dörfern garantierten, solange die Regeln eingehalten werden.

Dazu gehört, dass Brautentführungen als tabu gelten, aber so etwas gibt es. Nicht immer sind die Väter einer jungen Frau einverstanden, wenn ein junger Mann um ihre Hand anhält. Dann kann es zu gewaltigen Konflikten kommen.

Im Moment ist die Lage ruhig. Das Dorf ist ohnehin durch seine Lage gut geschützt und es wird nie alleine gelassen.

Die Wächter im Dorf haben Tonpfeifen und können im Notfall die Dorfgemeinschaft schnell zusammenrufen. Woher sie die haben, weiß Alf nicht so genau. Die Krieger hatten sie irgendwann einmal mitgebracht.

3.8.

Der Herbst geht langsam in den Winter über.

Irgendwann Ende Oktober setzt sich Alf nachts plötzlich auf. Er stößt Mona an und flüstert. „Was ist das?“

Irgendwie fühlt sich plötzlich alles an, wie in Watte verpackt. Mona richtet sich auf, dann schlingt sie den Arm um Alf, und zieht ihn unter das Bärenfell. „Schnee“, sagt sie. „Das ist der erste Schnee.“

Alf wird am nächsten Tag warm eingepackt, bekommt so eine Art Lumpen um die Füße gewickelt, dann werden Fellüberzieher über die Füße gestülpt, und mit Riemen festgebunden. Er erhält eine Mütze und eine warmes Fell um die Schultern als Schutz vor der Kälte. Handschuhe bekommt er nicht. “Es ist noch warm”, sagt Jodan, “jetzt brauchst du das nicht.”

Als Mona dann die Tür öffnet, staunt Alf. Die ganze Landschaft ist wie in Puderzucker gepackt, vielleicht kniehoch. Dichte, große Flocken fallen vom Himmel, so dass man fast nichts sieht. Das kennt Alf noch nicht, und er fasst vorsichtig in diese weiße Schicht.

Großmutter Jodan hatte gesagt es sei noch warm, aber Alf merkt schnell, dass der Schnee die Hände kalt macht. Mona zeigt ihm, dass er die Hände fest mit Schnee einreiben muss, damit sie durchblutet werden. Die Nordländer kennen sich damit aus.

Der Schnee bleibt nicht lange liegen, dann schmilzt er wieder, und hinterlässt eine triste braune Landschaft mit Pfützen. In diesem Matsch ist nicht gut zu laufen. Nicht, wenn man keine Gummistiefel hat.

Die Lederstulpen saugen sich voll mit Wasser, obwohl sie aus Seehundfell sind, und machen die Füße kalt. Die Wikinger haben kein Rezept, um sich dagegen wirksam zu schützen, und in diesen Tagen geht nur der vor die Tür, der als Wache eingeteilt ist. Der Fischfang auf der Klippe wird eingestellt.

Es dauert nicht lange, dann kommt der nächste Schnee. Diesmal bleibt er, und es wird merklich kalt, und jetzt erhält Alf Handschuhe, die mit einem Lederriemen um den Hals gehängt werden, damit er sie nicht verliert. Dies sei überlebenswichtig, erklärt Mona.

Das Wasser des kleinen Baches friert zu, am Ufer bildeten sich lauter Eiskristalle. Der Schnee türmt sich immer höher und Hagan ruft die Männer zusammen.

Sie treffen sich wieder im heiligen Hain. Hagan wirft dieses Mal größere Knochen, die im Schnee einsacken, und aus der Spur der gefallenen Knochen liest der Seher die Zukunft. Er nickt, tief in Gedanken, sammelt seine Knochen ein, und bestimmt, dass die Männer in zwei Tagen zur Jagd aufbrechen. Zwei Wochen lang. Keinen Tag länger.

Die Männer schnüren Bündel mit Fellen und Trockenfisch, sie schirren die Hunde, und sie nehmen vier leichte Schlitten und Schneeschuhe mit, die aussehen, wie geflochtene Teller. Man kann sie unter die Füße schnallen, um nicht im Schnee einzusinken. Dann steigen sie den schneebedeckten und gefährlichen Weg in die Berge hinauf.

Zwei Wochen später sind sie wieder da. Diesmal brauchen Sie Hilfe, um die schwere Last ins Tal zu schleppen und ein ganzer Trupp von Frauen, Jugendlichen, Kindern und Knechten steigt jetzt den gefährlichen, glatten Pfad hinauf, um die Last anzunehmen, und in kleinen Portionen ins Tal zu schaffen.

Der Weg ist wirklich gefährlich, und beim Abstieg stürzt einer der Knechte, und fällt den ganzen Berg herunter.

Der Sturz ist aus solcher Höhe, dass der Mann am Boden zerschellt. Er war beim Stürzen mehrfach angeschlagen, und ist schon tot, als er auf dem Boden auftrifft.

Das macht die andern nur noch vorsichtiger, und sie kommen heil ins Tal.

Die Schlitten werden an langen Seilen den Berg hinunter gelassen. Niemand hätte sie dort hinunter tragen können.

Die Jäger hatten wirklich reiche Beute gemacht.

Hagan ruft sofort alle Stimmberechtigten zusammen. Sie begutachten die Beute. Es gibt zwei Bären, zehn Elche und 12 Rentiere. Auf Wölfe hatten sie dieses Mal verzichtet. Bei dieser Jagd war es ums Fleisch machen gegangen, und um Häute von Tieren, die wärmen.

Die reiche Beute löst im Dorf Jubel aus. Hagan hatte erneut bewiesen, dass er als Seher unübertroffen ist. Der tote Leibeigene wird verscharrt. Er zählt nicht.

Alf bestaunt diese riesigen Geweihe und die Häute. Das Fleisch war bereits zerteilt worden und ist tief gefroren. Auch diesmal tritt er an die Bärenfelle. Er fasst mit den Händen hinein, verbirgt sein Gesicht in dem dichten Fell und weint.

Es hilft nichts. Bärenfelle sichern das Überleben der Menschen im Winter. Man braucht sie, weil das die einzigen Felle sind, die gegen extreme Kälte schützen. Alf sollte später noch erfahren, was extreme Kälte bedeutet.

Vier Wochen später schickt Hagan die Jägergruppe erneut ins Hochland und auch diesmal kommen sie mit Beute zurück. Diesmal stürzen aber zwei Hunde den Berg hinunter und einer der Jäger kommt ins Rutschen und fällt.

Die Höhe war nicht so groß, aber der Jäger bricht sich beide Beine. Das ist unter diesen Umständen lebensgefährlich, und nun zeigt Alf zum ersten Mal, dass er unter dem Schutz der Cantara steht. Auch diesmal kann er nicht einmal etwas dazu.

Die Jäger bringen den Gestürzten in sein Haus.

Sie legen ihn in die Nähe des Feuers, und Hagan untersucht den Mann. Seine Medizin aus Kräutern ist in diesem Fall wirkungslos. Dann geht er, um seine Zauberutensilien zu holen. Nur Odin kann ihm jetzt noch helfen.

Alf bleibt, und er schlängelt sich jetzt durch die Männer und Frauen, stellt sich neben den Mann, und fasst mit seinen kleinen Händen nach den Beinen des Mannes.

Was dann passiert, das erschüttert die Nordmänner zutiefst.

Um diese Hände zeigt sich urplötzlich ein Schein.

Alf klettert zu dem Mann auf das Lager, und legt seine Hände auf beide Beine, Das Licht wird immer heller und größer. Alf hockt dort, mit geschlossenen Augen und summt.

Er macht den Männern Angst und als Hagan kommt, führen sie Hagan sofort zu Alf und zu dem Gestürzten. Hagan sieht in die Runde seiner Jäger, dann geht er in die Knie und breitet die Arme aus. Auch er fängt jetzt an zu brabbeln und zu summen, und dass steigert sich zu einem auf- und abschwellenden Gesang. Die Männer und Frauen gehen jetzt alle auf die Knie und begleiten den Zauberer in seinem Gesang, der sich wie ein dicker Brei in der Hütte ausbreitet und alles umhüllt.

Alf sitzt dort neben dem Kranken. Die Augen sind geschlossen, der Schein um seine Hände sprüht Funken.

Er sitzt die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag, und auch die nächste Nacht und den nächsten Tag, dann bricht er über dem Gestürzten zusammen.

Hagan und seine Leute hatten sich abgewechselt und Wache gehalten. Hagan wurde stets auf dem laufenden gehalten, und als Alf zusammenbricht, befiehlt er, das Kind warm einzupacken. Er ruft nach der Amme, und er lässt Alf in sein Haus bringen. „Kümmere dich um dieses Kind“, befiehlt er, und Josefa spürt, dass ihr Leben jetzt von der Fürsorge für dieses Kind abhängt.

Dann geht Hagan wieder zu dem Gefallenen, der tief schläft. Er greift mit der Hand unter die Decken. Dort ist es sehr warm, aber er fühlt keine Fieberhitze. Er nickt, tief in Gedanken versunken, und befiehlt, den Kranken weiter zu bewachen. Er ist einer der erfahrensten und angesehensten Jäger. Hagan will auf den Mann nicht verzichten.

Schließlich geht er tief in Gedanken versunken in sein Haus zurück.

Die Beute war längst mit Äxten zerteilt und sicher aufbewahrt. Sie würden wohl genug Fleisch haben, um einen Teil des Winters zu überstehen.

 

Alf schläft und schläft und schläft. Die Amme liegt neben ihm und wärmt ihn.

Irgendetwas wichtiges hatte sich ereignet, das Hagan noch nicht ganz versteht, und Hagan geht an diesem Tag in seine Schmiede, befiehlt den Helfern, das Feuer zu schüren, und er beginnt das Eisen zu glühen und fast wütend mit dem Hammer zu bearbeiten, tief in Gedanken versunken. Er braucht das jetzt, diesen Abstand zu dem Ereignis.

Am Abend geht er zu dem Kranken. Er hat die Augen geöffnet. Dann schwingt er seine Beine aus dem Lager, und stellt sich vorsichtig auf. Er macht bedächtige und wackelige Schritte, dann setzt er sich wieder hin, und verlangt, ihm das Essen ans Bett zu bringen.

Hagan ist jetzt völlig überzeugt. Es war ein Wunder geschehen. Odin hatte ihnen einen Elfen geschickt. Er sieht Björre an und fragt. „Weist du, was da gerade mit dir passiert ist?“

Björre nickt. Er weiß von dem Sturz, er war von den Schmerzen ohnmächtig geworden, und er weiß, dass seine Beine mehrfach gebrochen waren. Mit solchen Brüchen kann man nie mehr laufen. Dennoch hatte er das heute getan. Er spürt ganz deutlich, dass seine Muskeln an Kraft verloren hatten, und dass er die Beine noch nicht richtig belasten kann, aber diese Beine tragen seinen Körper.

„Ich hatte das Gefühl, durch einen langen dunklen Tunnel zu fliegen“, berichtet er. „Dann bin ich aufgewacht und ich habe mich gesund gefühlt. Naja. Ich muss ein wenig vorsichtig sein. Könnt ihr mir sagen, was da genau passiert ist?“

Er lässt es sich nicht nehmen, jetzt alle paar Stunden aufzustehen, und ein paar Schritte zu gehen. Es geht von Mal zu Mal besser und sicherer.

Am nächsten Tag macht er sich auf, um Alf zu besuchen.

Alf war inzwischen kurz wach geworden, er hatte die Amme völlig leergetrunken, dann war er wieder eingeschlafen.

Björre steht lange vor dem schlafenden Kind. Dann dreht er sich um und geht in die große Halle von Hagans Haus zurück.

„Ist das alles wahr, was du mir erzählt hast“, fragt er, und als das Hagan und alle anderen bestätigen, sagt Björre, „dann ist dieser Junge wirklich von Odin zu uns geschickt worden. Wir sind Odin zu viel mehr Dank verpflichtet, als wir das auf dem letzten Herbstwendfest gezeigt haben.“

Hagan nickt und Björre verkündet, er wolle im nächsten Sommer einen Beutezug starten, um Odin mit der Beute zu danken. Alle jungen Männer, die sich jetzt beweisen wollten, die sollten ihn begleiten.

Hagan legt dem Haudegen die Hand auf den Arm und ruft bekräftigend „Jouh, so soll es sein.“

Alf wird jetzt jeden Tag wach. Er trinkt. Er muss sich entleeren und er schläft wieder ein. Das geht eine ganze Woche so.

Björre hatte inzwischen jeden Tag geübt, und die Beine tragen ihn immer besser. Er ist auf dem Weg der völligen Genesung, und verspürt einen Bärenhunger.

Nach einer Woche wacht Alf endgültig auf. Er trinkt und liegt lange neben der Amme. Er hat seine Ärmchen um die Amme geschlungen und atmet ruhig, dann bittet er Josefa, sie solle ihm etwas erzählen.

In einem solchen Haus gibt es keine Wände, die den Schall zurückhalten. Es gibt Zwischenwände aus Holz, Stützen und Abtrennungen aus Decken und Fellen, und so kann man fast jedes Wort hören, was in diesem Haus gesprochen wird, wenn man die Ohren aufmacht.

Es bleibt nicht verborgen, dass Alf jetzt dort mit der Amme liegt und leise mit ihr spricht.

Jodan hält ihre Familie zurück, „lasst diesem Jungen die Ruhe, die er braucht. Er muss viel Kraft verloren haben, als er Björre geholfen hat. ich bin sicher, er wird in einigen Tagen wieder mit uns an einem Tisch sitzen.“

So ist es.

Alf liegt noch zwei Tage mit der Amme im Bett, kuschelt, trinkt an ihrer Brust, und erzählt leise mit ihr, dann steht er auf, macht seine Notdurft, kommt zu den andern an den großen hölzernen Tisch und meint, „ich habe jetzt Hunger.“

Hagan fällt fast der Kiefer herunter, und er schickt Mona, Fleisch zu holen, und hängt das auf einen Spieß über das Feuer.

Er schickt Knut und Ode, um Björre zu holen, und der kommt mit seinen sieben Söhnen, seiner Frau und mit seinen fünf Mädchen. Es wird ein vergnüglicher Tag.

Die Männer trinken Bier aus großen Krügen. Sie hauen sich auf die Schultern und sie stimmen Kampfeslieder an. Die Frauen beobachten das ganze Geschehen und sie lächeln.

Der kleine Alf sitzt mitten unter den gestandenen Männern und ein leichter Glanz umgibt ihn, wie eine Art Heiligenschein. Die Männer bekommen das irgendwann nicht mehr mit, aber die Frauen sehen das ganz deutlich. Dieses Kind ist mehr, als nur ein Menschenkind.

In der Nacht kriecht Alf wieder zu Josefa. Er trinkt an ihrer Brust. Er schlägt die Ärmchen um ihren schönen warmen Körper, und er flüstert in der Sprache der Nordmänner „Mama“.

3.9.

So etwas wie Geburtstage gibt es bei den Nordmännern nicht. Alf ist mittlerweile dreieinhalb und dieser Winter ist sehr kalt.

Die gesamte Bucht friert zu und man kann zu Fuß die Eisfläche überqueren, ohne Gefahr, einzubrechen. Für die Kinder und Jugendlichen ist das eine große Gaudi.

Nur die Meerenge ist eisfrei, weil die Strömung verhindert, dass die Enge völlig zufriert. Dennoch wird schon lange nicht mehr gefischt. Die Gischt spritzt hoch, wenn sie an die Felsen schlägt, und die Felsen in der Enge sind seit Wochen mit einer dicken Eisschicht überzogen. Niemand würde es wagen jetzt dort zu fischen.

Nicht nur die Kinder, auch die Männer haben jetzt ihren Spaß.

Das Eis wird an mehreren Stellen aufgehackt. Die Männer ziehen sich aus und tauchen nackt in das eiskalte Wasser. Dann rennen sie nackt durch den Schnee, bis sie dampfen. Die Hunde rennen übers Eis und kläffen vor Freude, und manch einer rutscht auf dem Eis aus. Auch Hunde können dumme Gesichter machen.

An anderen Tagen halten sie Angeln durch die Löcher in das eiskalte Wasser und fangen Fische.

Sie braten sie an Ort und Stelle. Die Eisschicht ist so dick, dass man darauf sogar ein Feuer anzünden kann, ohne Gefahr. Dazu wird Bier und eine Art Grog getrunken. Ein alkoholisches Gebräu, das die Wikinger von ihren Fahrten mitbrachten.

In diesem Winter spricht man aber auch viel über Abenteuer. Einige junge Paare hatten sich gefunden, und die jungen Männer wollen den Sommer abwarten und sich als Mann beweisen, bevor sie sich ihr Ja-Wort geben.

Irgendwie hat der Winter in diesem Jahr den Schrecken verloren, seit Alf bei den Nordmännern wohnt.

Bevor im Februar neuer Schnee kommen würde, schickt Hagan die Männer noch einmal hinauf in die Berge. Es ist eine beschwerliche Tour. Etliche der Männer kommen mit Erfrierungen zurück, aber auch diesmal bringen sie Beute mit, die jetzt reichen würde, den Nahrungsbedarf bis zur Schneeschmelze zu sichern.

Alf war größer geworden. Er würde im Sommer vier werden und er spricht die Sprache der Nordmänner immer besser und sicherer. Er bildet ganze Sätze, und er zieht erste logische Schlussfolgerungen.

In diesem Winter hilft er noch zweimal, als Menschen des Dorfes krank werden. Eine der Frauen hat eine schwere Bronchitis und Fieberanfälle, einer der Jungen hatte sich beim Tauchen unterkühlt und leidet unter Lebensgefahr.

Beides Mal hilft Alf durch die Energie aus seinen Händen, und er bittet in beiden Fällen Josefa, ihm zu helfen. Josefa muss sich mit unter die Decke legen und Wärme spenden.

Er hat keinen Einfluss darauf, was da mit ihm geschieht, aber Josefa wird so etwas wie seine Assistentin und sie wird langsam unentbehrlich.

Alf trinkt weiter an ihrer Brust, die immer noch reichlich Milch gibt und er genießt dieses Gefühl der Wärme und der Geborgenheit, auch wenn er jetzt Josefa schon genauso viel beschützt, wie umgekehrt.

3.10.

Als der Schnee schmilzt und als die Bucht wieder auftaut, lassen die Männer das Boot ins Wasser.

Es war ausgebessert worden, und wird jetzt im Wasser überprüft.

Dann gehen die Männer ein letztes mal hinauf in die Berge, in denen der Schnee immer noch hoch liegt, und kommen mit Beute zurück.

Sie würden das Fleisch brauchen, wenn sie in See stechen, und auch das Dorf wird das Fleisch brauchen, um die ersten Wochen nach dem Winter zu überstehen.

Als dann das Sonnwendfest gefeiert wird, brechen alle auf, um hinauf in das Tal zu ziehen, das jetzt grün und bunt wird.

Dieses mal werden keine lebenden Opfer gebracht. Die Nordmänner hängen Felle, Tierköpfe und Lanzen in die hohen Stehlen, so dass die Schatten im Wind tanzen. Es ist ein Fest, ganz in Erwartung des großen Abenteuers, das von Björre angeführt wird, der ein erfahrener Seemann ist, und der die Sterne lesen kann.

Dann bricht die Crew auf. Fünfzig Mann. Es sind viele junge Männer dabei, die ihre ersten Abenteuer bestehen werden. Hagan hatte ihre Schwerter geschärft, und ihre Helme und Schilder geprüft. Sie haben Proviant und Süßwasser an Bord und sie werden in diesem Boot auch schlafen.

Jede Meeresüberquerung ist ein Abenteuer. Es gibt Sturm, hohe Wellen und Wind. Fast schlimmer ist brennende Hitze und Flaute, dann wenn man sich ganz auf die Rudermannschaft und die eigene Kraft verlassen muss.

3.11.

Im Dorf bleiben genügend Leute zurück. Die Kinder und Jugendlichen gehen wieder fischen.

Tierhäute werden verarbeitet, und es wird genäht und gewebt. Die Kinder tollen durch die bunten Wiesen, und von Zeit zu Zeit wird eine Jagdgruppe in die Berge geschickt.

Alf ist viel zu klein, um da mitzugehen. Er bleibt im Dorf. Er nimmt bei den täglichen Abläufen teil, und er entwickelt immer öfter diese Fähigkeit, Kraft zu schenken und zu heilen.

Alf ist erst vier, aber er wird von den Menschen im Dorf respektiert und verehrt.

Einmal tritt Hagan auf Josefa zu, und Alf stellt sich instinktiv schützend vor Josefa. Er sieht Hagan durchdringlich an und Hagan dreht sich schließlich um und geht wortlos.

Der Junge hatte ein Leuchten in seinem Blick gehabt, so dass ihm unheimlich geworden war.

Er begreift, dass Josefa unter dem Schutz von Alf steht. Hagan ist zwar der Anführer des Dorfes, aber er ist auch ein Seher, und er sieht in dieser Verbindung aus Alf und Josefa jetzt als etwas Positives. Er wird diese Verbindung achten, solange Alf diesen Schutz aufrechterhalten würde.

Alf ist immer noch ein kleiner Junge, und er kann manche Dinge nicht tun, die von den größeren Kindern getan werden, aber er beobachtet und lernt.

3.12.

Als die Krieger dann im Herbst wiederkommen, bringen sie reiche Beute mit. Sie waren die Weser hinauf gefahren, und sie hatten mehrere Dörfer, Städte und Klöster geplündert.

Sieben von ihnen waren gefallen, etliche hatten im Kampf Wunden davon getragen, aber sie hatten viele Gefäße, Amulette, Ringe, Kreuze und Ketten erbeutet, die meisten aus Gold, etliche aus Silber. Es gibt Krüge aus Zinn, Pfannen und Töpfe, Rüstungen und Schwerter, und Stoffe aus Leinen und Wolle, und sie haben dreißig Leibeigene dabei, Männer, junge Frauen und Kinder, die von der Fahrt übers Meer, den Wind, der Seekrankheit und dem Durst ausgezehrt und elend aussehen.

In diesem Herbst gibt es ein großes Freudenfest.

Endlich kann man Thor, Odin und Freya gebührend huldigen, und sie hängen fünf der Männer in die Steelen und opfern sie den Göttern bei lebendigem Leib.

Für die Nordmänner ist das ein Teil ihres Glaubens, und auch die 5 Leibeigenen dürfen sich nicht beklagen. Viele ihrer Landsleute waren von den Nordmännern erschlagen worden. Sie selbst waren gefangen genommen worden, und sie dürfen nicht darauf hoffen, jetzt ein glückliches Leben zu führen. Wer weiß. Vielleicht ist der Tod der fünf Geopferten sogar besser, als jahrelange Knechtschaft.

Für Alf ist das dieses Mal nicht mehr so schlimm.

Er lebt jetzt seit über einem Jahr bei den Nordmännern, und im Alter von drei oder vier Jahren passt man sich schnell an eine neue Umgebung an. Alf ist auf dem besten Weg, einer der Nordmänner zu werden.

Dieses Herbstfest ist auch deshalb etwas Besonderes, weil sich fünf Paare das Ja-Wort geben. Die jungen Männer waren mit Erfolg und Ruhm wiedergekehrt. Man würde sich über den langen Winter von ihren Taten erzählen, und die Mädchen liegen in den Armen der jungen Männer, die sie lieben, und die sich das erste Anrecht auf einen Sitz im Rat verdient hatten.

 

Die Hochzeitsrituale werden oben auf dem Hochplateau durchgeführt, noch bevor die fünf jungen Gefangenen verbrannt werden und so ist dieses Opfer gleichermaßen ein Opfer an den großen Gott Odin, an den Kriegsgott Thor und an Freya, die als Göttin der Liebe gilt. Sie würde die Paare von nun an beschützen, wenn man dieses Opferbündnis immer wiederholen würde.

Das Fest ist eine Mischung aus überschäumender Freude und Bluttat, aber für die Nordmänner ist das ganz nach ihrem Geschmack. Ein überschäumendes Fest aus Tanz, Ekstase, Liebe, Völlerei, Besäufnis und Blut.

Der Festakt wird mit einer Liebesnacht irgendwo da im Dunkel der Nacht gekrönt, bei der vielleicht die ersten Kinder dieser neuen Ehen gezeugt werden.

Alf darf nur als Zuschauer bei diesem Fest teilnehmen, denn er ist immer noch ein kleines Kind, aber er nimmt dieses neue Ereignis tief in sich auf.

In der Nacht liegt er an der Brust der Amme und auch er genießt dieses Gefühl aus weicher Wärme, das ihm da entgegenströmt.

Was Alf nicht mitbekommt, das ist, dass in dieser Nacht drei der jungen Mädchen geschwängert werden, die von den Männern als Leibeigene mitgebracht worden waren.

Auch das ist für die Nordmänner typisch. Die Leibeigenen haben zu dienen, auf welche Art auch immer. Sie sind das Eigentum der Krieger, mit dem man nach Belieben verfahren kann.

Hätte man in der Zwischenzeit das Dorf überfallen, wäre mit den Frauen und Kinder der Nordmannen genauso verfahren worden. Heute mag das brutal klingen, aber damals machte man sich darüber keine Gedanken. Das ist das Recht des Siegers, und der Besiegte muss sich fügen.

Auch Josefa war eines Tages in die Gefangenschaft geraten, und es war ihr nicht anders gegangen, als den jungen Mädchen jetzt.

Sogar Alf profitiert davon. Nur weil Josefa schwanger geworden war, hatte sie genug Milch, um ein Kind zu stillen. Ihr eigenes drittes Kind hatte sie inzwischen abgestillt, um ganz für Alf da zu sein. Hagan hatte das von ihr verlangt, und Josefa hatte sich fügen müssen. Davon Hatte Alf natürlich keine Ahnung. Er war nur der Nutznießer dieser Regelung.