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In der Mondnacht

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Der kriegerische Floh

Es war einmal ein Floh, der wohnte bei einem Bauern und war sehr blutdürstig. Obgleich er nun Gelegenheit genug hatte, seinen Blutdurst zu befriedigen, so genügte ihm dies doch nicht.

– Diese Bauern haben ein so ordinäres Blut, sagte er eines Morgens zu sich, und das bekommt mir nicht: es macht mich so träge. Ich muß feineres Blut genießen und darum wird es wohl am besten sein, wenn ich mich auf die Wanderschaft begebe.

Er überlegte nun, wie er es anfangen solle, um einmal anderes Blut zu kosten, und beschloß, in den Krieg zu gehen, denn dort, meinte er, werde er zugleich Gelegenheit haben, sich auszuzeichnen. Von da wollte er dann direct in die Hauptstadt zu der königlichen Familie gehen und ein sehr vornehmer Floh werden. Mit einem Worte: der Floh wollte Carriere machen.

Noch an demselben Tage begab er sich auf den Weg und kam an den Kriegsschauplatz. Er ging ins Lager und verlangte von dem General, er solle ihn anwerben.

Der General maß ihn von Kopf bis zu Füßen, was bei einem Floh nicht viel sagen will, und lachte ihn aus. Da er aber aus Erfahrung wußte, daß die Flöhe sehr tapfer und blutdürstig sind, so ließ er ihn doch unter das Maaß stellen.

Aber der Floh hatte das Soldatenmaß nicht und war viel zu klein.

– Steckt ihn zur Probe unter die leichte Kavallerie und bringt ihm ein Pferd! sagte der General zu seinen Untergebenen.

Aber der Floh wollte von keinem Pferde wissen und behauptete, er könne viel schneller galoppiren als der beste Vollblutshengst, das sei ein Vortheil, den er gegen alle übrigen Soldaten voraushabe.

Da man ihm nicht glauben wollte, so mußte er eine Probe machen, und der Floh legte in fünf Minuten eine halbe Meile zurück.

– Du bist ein ganzer Kerl! sagte der General, gab ihm einen Säbel und Pistolen und ließ ihm Sporen anschnallen. Dann wurde er unter die braunen Husaren gesteckt.

Am andern Tage gab es eine große Schlacht und der Floh richtete ein entsetzliches Blutvergießen an. Dafür bekam er einen Orden und der General gab ihm eine ganze Schwadron zu kommandiren.

– Das ist auch nichts mehr für mich, sagte der Floh eines Tages, als er des Krieges überdrüssig war. Die Soldaten essen alle so grobes Commißbrot, das giebt ein ganz ordinäres Blut und das schmeckt mir nicht mehr.

Der Floh legte also die Waffen nieder und machte sich abermals auf den Weg, um sich in die Hauptstadt zu der königlichen Familie zu begeben.

– Das Prinzessinnenblut muß die allerfeinste Sorte sein! dachte der Floh und trat seine Reise an.

Im ganzen Lager glaubten sie, der Floh sei in der letzten Schlacht gefallen, und setzten ihn in die Liste der Todten.

Unterwegs kam der Floh an ein Gasthaus, das sah ihm ganz anständig aus und er beschloß, hier zu übernachten.

Aber das war sein Unglück. Denn in dem Bette, in welchem er ausruhen wollte, lag schon Einer, und Den peinigte er tüchtig, um ihn heraus zu beißen. Er war jedoch gerade an den Unrechten gekommen, denn der Mann, der im Bette lag, war ein Flohbändiger und reiste eben nach der Hauptstadt, um seine kunstfertigen Flöhe zu zeigen.

– Den kannst Du gebrauchen! sagte der Flohbändiger. Er stellte eine Jagd nach ihm an und jetzt half dem Floh alle seine Tapferkeit nicht, denn er wurde gefangen und in eine Glaskapsel gesteckt.

– Das ist doch eine schmähliche Gefangenschaft! sagte der Floh. Wäre ich doch lieber mit Ehren auf dem Schlachtfelde gefallen!

So war denn der Floh gefangen und mußte viele, viele Kunststücke lernen.

Im vorigen Jahre habe ich ihn noch unter vielen andern kunstfertigen Flöhen gesehen; er war als Kanonier angestellt, mußte große Kanonen abschießen und trug einen feinen silbernen Draht um seinen Hals, den ihm der Flohbändiger umgelegt hatte, damit er ihm nicht entwische, denn er hatte gehört, daß der Floh schon einmal desertirt sei. Er beklagte sich bei mir über diese unwürdige Behandlung, er meinte, er wolle viel lieber dem Vaterlande dienen und fragte, ob ich mich nicht beim Könige für ihn verwenden könne.

Solltest Du, lieber Leser, Gelegenheit haben, den König zu sprechen, so kannst Du es ihm wieder sagen, denn tapfer ist der Floh, das muß ihm der Neid lassen.

Der blasirte Stieglitz

Auf einem Zweige im Walde saß ein junger Stieglitz. Er hatte sich die Federn aufgeblasen und saß da so stolz und so selbstgefällig und machte sich wirklich dick, wie man im gewöhnlichen Leben zu sagen pflegt.

– Quirewitt! sagte er dann und wann vor sich hin. Was bin ich doch für ein unglücklicher Mensch! Gar nichts habe ich mehr, was mir Freude macht. Das Leben ist doch das Aufstehen und zu Bette gehen nicht werth.

So klagte der Stieglitz, denn wie jung er auch noch war, litt er doch am Weltschmerz, wie es vielen Menschen ergeht, die selbst nicht wissen, was sie wollen.

Da kam ein Zeisig herbei geflogen, der war ein Jugendfreund von ihm, denn er war mit dem Stieglitz, als sie fliegen lernten, auf einem und demselben Zweige in die Schule gegangen.

– Was fehlt Dir denn? fragte der Zeisig.

– Was mir fehlt? Alles! antwortete der Stieglitz. Ich bin europamüde und kann es hier gar nicht mehr aushalten.

– Du bist wohl nicht recht bei Trost, Stieglitz? Du hättest früher lieber weniger lustig in den Tag hinein leben sollen, so könntest Du jetzt mehr Freude am Dasein finden. Du bist entweder blasirt oder Du bist auch verliebt.

– Ach, das Alles haben wir längst hinter uns! sagte der Stieglitz, als wäre er schon ein Greis, während er doch noch im vorigen Jahre wie alle jungen Vögel einen gelben Rand am Schnabel getragen hatte und also eigentlich noch ein rechter Gelbschnabel war.

– Du bist nicht recht klug! rief der Zeisig, flog davon, um nicht auch melancholisch zu werden und ließ den Stieglitz allein sitzen.

– Ich glaube, er hat Recht, ich bin wirklich blasirt! sagte der Stieglitz zu sich selbst. Aber was kann ich denn dagegen thun? Es liegt einmal in meiner Gemüthsart… Ich will mir doch die Sache beschlafen.

Und so schlief er auf dem Zweige ein, denn ein eigenes Nest hatte er gar nicht.

Am andern Morgen, als er am Ufer eines Quells auf einem Kieselstein saß und Kaffee trank, hielt er folgendes Selbstgespräch:

– Ich habe mir das nun während der Nacht überlegt und gefunden, daß es am besten sein wird, wenn ich mich verändere, das heißt, wenn ich mich verheirathe; denn im Grunde langweilt mich das Junggesellenleben. Vielleicht finde ich Zerstreuung in der Ehe. Schön genug bin ich, daß mich Jede nimmt, sagte er, sich selbstgefällig in dem Wasserspiegel betrachtend, aber ich mag nicht eine Jede nehmen. Am klügsten thue ich wohl, wenn ich eine Wittwe heirathe, die schon ein eigenes Nest hat, denn mir erst ein solches zu bauen, das ist mir zu langweilig. Da ist z. B. die junge Dame in dem Erlenbaum, deren Mann im vorigen Monat von dem Jäger erschossen wurde; sie ist eine ganz rechtschaffene Stieglitzenfrau und jung und hübsch ist sie auch noch. Ich will doch um sie freien.

Und der Stieglitz machte sich schön, indem er den Quell als Spiegel benutzte, strich sich namentlich die gelben Federn in seinen Flügeln, auf die er sehr stolz war, durch den Schnabel, kämmte sich sorgfältig sein rothes Käppchen und flog sobald es Mittagszeit war, wo man Damenvisite machen kann, nach dem Erlenbaum.

Die junge Stieglitzen nahm ihn auch ganz freundlich auf, denn sie mochte wohl ahnen, was der blasirte junge Herr wollte, und als er ihr sein Anliegen gesagt hatte, war sie auch ganz einverstanden; aber sie bat ihn doch, mit der Hochzeit noch acht Tage zu warten, denn dann sei ihr Trauermonat abgelaufen. Den Anstand müsse man nie verletzen, sagte sie.

Und richtig war um acht Tage Hochzeit im Erlenbaum, aber keine große; nur die Nachbarn waren geladen, denn der Bräutigam meinte, eine große Hochzeit sei viel zu langweilig.

So war denn der Stieglitz ein Ehemann geworden.

Aber fühlte er sich wohl glücklich? Nein, er war noch ebenso unzufrieden wie vorher, denn als die Flitterwochen vorüber waren, langweilte es ihn, daß seine junge Frau Tag und Nacht im Neste lag und die Eier ausbrütete, was doch ihre Schuldigkeit war. Der Stieglitz aber meinte, das sei gar zu einfältig; überhaupt habe er die Bemerkung gemacht, daß seine Frau nur für die Wirthschaft und zu sonst gar nichts zu gebrauchen sei; hätte er das gewußt, so würde er sie gar nicht geheirathet haben.

Noch mehr aber verdroß es ihn, als nun die Jungen aus den kleinen Eiern schlüpften, die Nahrungssorgen anfingen und er den ganzen Tag hindurch Futter für die Kinder suchen mußte. Ja, als sie größer wurden, hatte er nicht einmal Platz in seinem eignen Neste und mußte die Nächte hindurch am Rande desselben auf einem Beine stehend schlafen. Das sei doch zu dumm, sagte er zu sich selbst.

– Kiriwitt! sprach der Stieglitz eines schönen Abends, als seine Frau die schon flügge werdenden Jungen auf dem Zweige exercirte. Ich bin doch eigentlich gar nicht zum Ehemann geboren!

Und als nun die Jungen ausgeflogen waren, um ihr Glück in der Welt zu versuchen, und er mit seiner Frau wieder allein war, da machte ihr der unzufriedene Stieglitz eines Tages bittre Vorwürfe. Sie sei auch zu gar nichts als zur Wirthschaft zu gebrauchen, sie habe nicht die geringste gesellschaftliche Bildung, sagte er zu ihr; eine solche Frau könne ihn nicht glücklich machen, sie allein sei Schuld daran, daß er seinen Lebenszweck verfehlt habe.

Die arme Frau fing an bitterlich zu weinen, denn sie war ja so herzensgut und hatte ihn auch immer so lieb gehabt; aber da sie seinem Lebensglück nicht hinderlich sein wollte, so willigte sie endlich ein, als er ihr vorschlug, sie wollten sich scheiden lassen.

– Er wird schon wieder zu mir zurückkehren, wenn es ihm einmal schlecht geht, dachte sie bei sich; er weiß das häusliche Glück noch gar nicht zu schätzen.

 

Und so flogen sie Beide zu einem Dompfaffen, der mußte sie scheiden.

– Gott sei Dank, dachte der Stieglitz; jetzt bin ich wieder frei! Ich will nur mit der nächsten Gelegenheit nach Amerika auswandern, denn hier in Deutschland ist es mir viel zu enge. Vielleicht, sagte er, machst Du in Amerika Dein Glück, und wenn Dir dies gelingen sollte, so giebst Du den Vögeln Gesangunterricht, denn die sollen dort zwar alle sehr schön von Gefieder sein, aber keinen Ton zu singen verstehen; und wie die Drossel mir gesagt hat, wird die Kunst in Amerika sehr hoch bezahlt. Vielleicht kannst Du da noch berühmt werden!....

Das war nun Alles recht gut, aber wie sollte er über das weite Wasser kommen! Er konnte zwar sehr schnell fliegen, aber, ohne ausruhen zu können, war doch die Reise über das große, endlose Meer zu weit.

Stieglitz überlegte sich diesen Punkt und flog nach einem Hafen. Hier lagen viele, viele Schiffe und eins von ihnen war eben im Begriff, mit vollen Segeln in die See zu gehen.

– Das ist gerade eine günstige Gelegenheit, sagte der Stieglitz; mit dem Schiffe willst Du fahren.

Also flog er ihm nach, setzte sich oben in den Mastkorb und fuhr Tage und Nächte, ohne sich was merken zu lassen, daß er auch da sei. Der gute Stieglitz hatte leicht reisen, denn er brauchte kein Passagiergeld zu bezahlen. Tags verhielt er sich oben in seinem Mastkorb ganz still, aber Nachts, wenn die Passagiere und die Matrosen fast alle schliefen, dann flog er auf das Verdeck herab und pickte die Brodkrümel auf, welche die Schiffsmannschaft beim Essen verloren hatten.

So ging die Reise wohl volle sechs Wochen. Dem guten Stieglitz wurde in seinem Mastkorb Zeit und Weile lang, aber hier hieß es: mit gegangen, mit gefangen, und so war er nur froh, daß er nicht seekrank wurde.

Endlich erblickte er eines Morgens in der Ferne eine Küste. Sogleich flog er auf, verließ das Schiff und eilte in das fremde Land hinein.

Ja, wie sah das Alles so anders aus als zu Hause! Das soll ein Leben werden! dachte der Stieglitz; hier kannst Du Dein Glück machen!… Du willst nur gleich einmal die Tonleiter singen, um Dich zu überzeugen, ob Du auch unterwegs nicht Deine Stimme verloren hast!

Er ließ sich auf einen Baum nieder, der war dick mit granatrothen Blüten besetzt und stand mitten in einem Walde.

– Kiriwitt, Kiriwitt! sang er zur Probe… O, es geht noch! Du mußt nur erst wieder in Zug kommen, sagte er zu sich selbst… Kiriwitt, sang er ganz vergnügt, hob den Schwanz in die Höhe und flog von einem Baume zum andern.

– Arrah, Arrah! hörte er plötzlich unter sich schreien und erblickte einen großen, ganz schneeweißen Vogel, der hatte einen gelben Kamm auf dem Kopf, auf den er sich viel einzubilden schien. Und um ihn her saßen eine ganze Menge andrer bunter Vögel, die waren grün, gelb, grau und roth und stimmten ein gefährliches Geschrei an. Stieglitz meinte, wenn er sich nicht irre, müßten dies Papageien sein.

– Aha, dachte er, da sind schon welche von den Wilden! Du mußt ihnen nur gleich einen Begriff von der deutschen Bildung und Kunst beibringen. Wie man sich einführt, so wird man hernach beurtheilt. Was werden Die staunen, wenn sie Dich singen hören.

– Kiriwitt! sang er und setzte sich mitten unter die großen Vögel.

– Ei sieh doch, was bist denn Du für ein kleiner Knirps? fragte der große weiße Vogel. Was soll denn das heißen: Kiriwitt? Wir sprechen keine fremden Sprachen; wir sprechen hier nur englisch.

Und dabei fing er wieder an zu kreischen, daß dem Stieglitz ganz übel wurde.

– Pfui, Ihr solltet Euch schämen mit Eurem Geschrei; das ist ja, als wäre man in einer Judenschule. Ihr seid doch noch gar zu sehr in der Bildung zurück! rief der Stieglitz.

– Mit Erlaubniß zu fragen: was bist Du denn für Einer? sagte ein großer grauer Papagei.

– Ich bin ein Stieglitz und stamme aus einer sehr noblen Familie des Schwarzwaldes in Deutschland, antwortete der Stieglitz. Da ich aber hörte, daß man hier im Gesange noch so weit zurück ist, ja gewissermaßen sogar nichts davon versteht, so bin ich herübergekommen, um Euch in dieser Kunst zu unterrichten.

– Na, dann singe uns 'mal was vor! sagte der Papagei.

Der Stieglitz nahm eine sehr künstlerische Haltung an, wetzte sich den Schnabel und räusperte sich.

– Kiriwitt – witt – witt! stimmte er an, wie es die Sänger zu thun pflegen, ehe sie eigentlich beginnen, und dann quinquilirte er ihnen was vor, das sollte eine deutsche Arie sein, wie er sagte.

– Hahaha! Das ist also eine deutsche Arie? Die kann mir gestohlen werden! rief der große weiße Vogel. Jetzt höre zu, wir wollen Dir eine Arie nach unsrer Weise vorsingen.

Und wieder fingen sie an zu schreien, daß es durch den ganzen Wald schallte und der Stieglitz vor Schreck beinahe von dem Zweige gefallen wäre.

– Das ist ja eine wahre Katzenmusik! rief er, als sie fertig waren mit ihrer Arie. So etwas Gesang zu nennen! Pfui!

Aber kaum hatte er dies gesagt, da fielen sie Alle, als wenn sie sich verabredet hätten, mit ihren dicken Schnäbeln über ihn her und wollten ihn todtbeißen. In seiner Angst flog der Stieglitz davon; sie aber verfolgten ihn und hätten ihn gewiß auch bald erreicht. Wie wäre es dem armen Stieglitz wohl ergangen, wenn er nicht zu seinem Glück hinter dem Walde ein Landhaus gesehen hätte, dessen Fenster offen standen.

Er flüchtete sich in das Zimmer und verbarg sich ängstlich hinter der Gardine.

Aber nun denke man sich seinen Schrecken, als er plötzlich bemerkte, wie sich eine pechschwarze Hand nach ihm ausstreckte, und gleich darauf sah er zu seinem Entsetzen auch einen kohlenschwarzen Kopf, ein paar weiße Augen und große weiße Zähne.

Huh! der arme Stieglitz dachte nicht anders, als daß der Teufel selbst ihn packte. Er wollte davonfliegen und hätte sich lieber von dem bösen weißen Vogel als von der schwarzen Hand greifen lassen, aber er verwickelte sich mit seinen langen Nägeln in den Gardinenfranzen. Da zappelte er nun, und die große schwarze Hand packte ihn und eine andre streichelte ihm das rothe Käppchen.

– Wie schlug dem Stieglitz das kleine Herz! Jetzt ist es vorbei, dachte er; wäre ich doch lieber zu Hause bei meiner Frau geblieben… Nun machen sie mich todt!

Aber die große schwarze Hand, die einer Mohrin gehörte, brachte ihn zu einer Frau, die war ihre Herrin, und zu seiner Freude sah der Stieglitz, daß diese ganz weiß war, ja er hörte, daß sie sogar deutsch sprach.

Die Sache verhielt sich nämlich so: Stieglitz befand sich bei einer deutschen Pflanzerfamilie, die viele Mohren und Mohrinnen als Sklaven hatte.

An seinen Gesangsunterricht dachte der Stieglitz gar nicht mehr, ja er war nur froh, als die Hausfrau ihn in einen Käfig setzte, ihm Hanf und Wasser gab und zu ihrer Dienerin sagte, sie wolle sich den Stieglitz zahm machen, denn sie habe ihn sehr gern, weil er ja aus ihrem Vaterlande komme.

– Hier mußt du klug sein! dachte Stieglitz. Und er stellte sich, als sei er schon ganz zahm und ließ sich alle Tage von der Hausfrau liebkosen, so viel sie wollte. Dabei guckte aber der Schelm immer nach dem Fenster, und als er eines Tages gewahrte, daß dieses offen stand, war er draußen in der freien Luft, eh' sich Einer dessen versah.

– Kiriwitt! sagte er, sich dem Hause gegenüber auf einen Baum setzend. Ihr kriegt mich nicht wieder!

Die Frau aber lief zu ihrem erwachsenen Sohn, der gerade von der Jagd kam, und sagte ihm, daß der Stieglitz entwischt sei und im Baume sitze. Dieser lockte ihn mit allerlei Leckerbissen, Stieglitz aber rief: ich bin nicht so dumm, wie Ihr glaubt! und hüpfte vergnügt im Baume herum.

Da wurde der Sohn so böse, daß er seine Flinte vom Nacken nahm und eh' Stieglitz daran dachte, hörte er einen Schuß und sah, wie der Hagel um ihn her in die Zweige schlug.

– Jetzt machst du dich aus dem Staube! sagte er für sich, flog eine halbe Meile weit weg und ruhte dann aus.

– Ich glaube, dachte er hier, du begiebst dich wieder auf den Heimweg. Hier in dem fremden Lande blüht dein Glück doch nicht; Pulver hast du nun schon gerochen und wenn die ungebildeten bösen Vögel dich wieder zu sehen bekommen, so ergeht es dir auch schlecht.

So flog er denn wieder zum Hafen zurück und sah zu seiner Freude, wie gerade dasselbe Schiff wieder auslaufen wollte, mit dem er gekommen war.

– Kiriwitt! Nehmt mich mit! rief er, flog ihm nach und setzte sich an seinen alten Platz im Mastkorb.

Also kam denn der Stieglitz wieder heim und flog in den Wald, um reuig zu seiner geschiedenen Frau zurückzukehren.

Als er aber in den Erlenbaum kam, da lag seine arme Frau im Sterben. Die hatte sich so viel um ihn gegrämt, daß sie schwer krank geworden war.

Stieglitz setzte sich auf den Rand des Nestes und küßte seine gute Frau, sie aber konnte ihm nur noch einen Blick zuwerfen, und dann war sie todt.

– Das habe ich nun von meiner Thorheit! sagte Stieglitz, sich mit dem einen Fuß die Augen wischend. Hätte ich nur zu schätzen gewußt, was ich besaß, so wäre ich jetzt glücklich!

Und Stieglitz begrub seine arme Frau unten am Fuße des Erlenbaums; dann aber setzte er sich auf den Rand seines Nestes, weinte drei Tage lang und grämte sich so sehr, daß sein rothes Käppchen ganz blaßgelb wurde. Alle seine schönen Federn verlor er, und als es Herbst wurde und die Blätter von den Bäumen fielen, da war auch der Stieglitz todt und lag erstarrt auf dem Grabe seiner Frau.

Diese Geschichte ist buchstäblich wahr und jeder Stieglitz kann sie Euch erzählen.

Der Rattengang

Es war Sylvesterabend und der Christbaum noch ganz grün. Aber das war im Grunde kein Wunder, denn die Tannenbäume sind ja das ganze Jahr hindurch grün, und das ist wohl das Einzige, worauf sie sich was zu Gute thun können. Das eigentliche Wunder bestand vielmehr darin, daß an Linchens Tannenbaum noch alle die schönen Sachen hingen und er noch ebenso geputzt war, wie am Weihnachtsabend. Herr Gott, was war das für ein schöner Christbaum!

Aber was ich sagen wollte: es war heute der letzte Dezember und der war Linchens Geburtstag. Sechs Jahre war sie alt und seit fünf Jahren wurde der Christbaum regelmäßig am Sylvesterabend noch einmal angezündet und am Neujahrsmorgen geplündert. Die eine Hälfte von den schönen Sachen behielt Linchen, die andere Hälfte mußte sie den armen Kindern im Dorfe bringen; und das that sie gern.

Also war heute Sylvesterabend. Linchen aber schlief bereits bei der Mutter und im Zimmer nebenan stand der Tannenbaum ganz mutterseelenallein. Dunkel war es indeß nicht in dem Zimmer, denn durch die dünnen Vorhänge der Glasthür drang der matte Schimmer von Linchens Nachtlicht herein.

Unter dem Christbaum lag nun Linchens Wachspuppe, Amanda hieß sie, in ihrem Bettchen; sie hatte zu diesem Christfest einen nagelneuen Anzug bekommen und war im Ganzen drei Nasenstüber hoch.

Es dauerte auch nicht lange, bis Amanda sich die Augen rieb, denn sie war von der Freude des Abends noch sehr aufgeregt und konnte nicht schlafen.

Neben ihr stand an den Christbaum gelehnt ein Schornsteinfeger von lauter Pflaumen; er war sehr viel größer als Amanda, aber dafür war er ja auch ein Mann. Sie stieß den Schornsteinfeger mit dem Ellenbogen an und klagte ihm, daß sie nicht schlafen könne.

– Leg' Dich auf die andere Seite! sagte er zu ihr. Der Rath war wohl nicht schlecht, half aber doch nicht, Amanda konnte auch auf der andern Seite nicht schlafen, denn auf der Seite saß gerade das kleine Herz und das wollte sich nicht drücken lassen. Vielleicht genirte sich Amanda auch, zu schlafen, weil eine Mannsperson zugegen war, denn das schickt sich eigentlich nicht.

Amanda richtete sich auf, setzte sich auf den Bettrand und guckte den Schornsteinfeger mit großen Augen an.

– Weißt Du, was ich mir erdacht habe? fragte sie.

– Wird wohl nichts Gescheidtes sein! antwortete er verdrießlich.

– Doch, Du närrischer Schornsteinfeger! Ich will es Dir sagen: wir wollen alle zusammen Linchens Geburtstag feiern.

– Hm, sagte der Pflaumenmann, das ließe sich hören! Aber wie wollen wir es anfangen?

– Ich will's Dir sagen: wir wecken alle unsere Bekannte, die da über uns im Tannenbaum hangen, und machen eine Wasserpartie.

– Wo denkst Du hin? rief der Schornsteinfeger. Eine Wasserpartie mitten im Winter! Das wäre ja, als wollte man mitten im Sommer Schlittschuh laufen!

– Warum denn aber nicht? Ist es doch noch gar nicht Winter geworden! Es ist ja warm wie im Frühjahr und der kleine Weidenbusch im Garten hat mir heute Mittag noch gesagt, wenn es so fortgehe, so könne er es nicht mehr aushalten und sehe sich genöthigt, auszuschlagen.

– Nun meinetwegen! sagte der Pflaumenmann, dem dies noch nicht recht einleuchten wollte; und nun ging es an das Aufwecken.

 

Zuerst rüttelten sie den Nachtwächter von Chocolade, der am untersten Zweige hing und von Amtswegen wie alle seine Collegen den festesten Schlaf hatte. Der wußte gar nicht, wie ihm geschah, als er das Horn vor den Mund nehmen, die Backen aufblasen und tuten mußte. Man kann sich denken, was für einen Lärm er machte. Darauf wurde der Marzipan-Postillon geweckt, und auch der mußte blasen, was das Zeug halten wollte. Am lautesten aber tutete der Nachtwächter und viele von der kleinen Gesellschaft am Tannenbaum wachten jählings auf und fragten, »wo denn das Feuer sei.«

Nun aber hätte Einer sehen sollen, welche Thätigkeit der Schornsteinfeger entwickelte. Vor allen Dingen stieg er zu der Schwefelholzverkäuferin von Tragant, ließ sich Feuer geben, steckte ein Wachslicht an und brachte es dem Zucker-Eichhorn, das mußte Zweig auf, Zweig ab springen und auf allen Seiten ein Licht anstecken, damit die Herrschaften beim Herabsteigen auch sehen konnten; da ihnen der Schornsteinfeger seine Leiter hinhielt, so kamen sie allmählich alle unten an, ohne Schaden zu nehmen. Nur ein Bonbon war zu neugierig gewesen, hatte sich um hinaus zu schauen, die kleine Papierhülle zu weit geöffnet, war herausgefallen und unten auf der Erde mitten entzwei gebrochen. Das hatte er von seiner Neugier.

Als sie nun Alle unten waren, sagte Amanda zu ihnen, daß sie eine Wasserfahrt nach der Schwaneninsel in dem Teiche machen wollten. Alle waren einverstanden. Der Kellermeister auf dem großen Weinfaß schlug vor, sie wollten sich dort eine Bowle machen, der Ballmeister wollte einen Ball arrangirt wissen, und Beides sollte denn auch geschehen.

Jetzt aber fragte es sich, wie sie aus dem Zimmer kommen sollten. Daran hatte bisher Keiner gedacht.

Der Schornsteinfeger meinte, sie wollten mit Hilfe seiner Leiter auf den Stuhl, von diesem auf das Fenster steigen und sich einzeln an dem Rouleauband in den Hof hinab lassen. Aber das war ihnen denn doch zu halsbrechend: der Schornsteinfeger hatte wohl gut reden, denn er konnte ja klettern, aber das verstanden die Uebrigen nicht.

Da wußte Amanda zu helfen. Die Ratten in den Ställen wühlten sich nämlich zuweilen große Gänge in das Haus und Amanda hatte gesehen, daß Linchens Vater erst heut' Abend ein Stück Holz vor ein solches Rattenloch im Zimmer gelegt hatte, das morgen vom Maurer verstopft werden sollte.

– Hu! Durch das Rattenloch! riefen mehre Damen von Marzipan, die natürlich sehr schwache Nerven hatten. Aber sie waren doch alle zu tanzlustig, und so machten sie sich denn daran, das große Brett vor dem Rattenloche weg zu schaffen. Das war kein kleines Stück Arbeit; und gefährlich war es auch, denn es konnte ja jeden Augenblick eine garstige Ratte herausspringen.

Nun aber entstand in Einigen das Bedenken, daß es doch nicht geheuer sein dürfte, so ohne Schutz durch den Rattengang zu marschiren, denn wenn sie auch ihrer Viele waren, so konnte ja doch der Eine oder der Andere von den Unthieren angefallen werden, denn sie hatten ja Alle so süßes Blut.

– Vorsicht ist zu allen Dingen gut! sagte der furchtsame Schneider, obgleich er doch mit einer großen Stopfnadel bewaffnet war; und da die Furcht ansteckend ist, so beschlossen sie, daß der riesige Marzipan-Ritter mit dem langen Spieß vorangehen und der schwarze Schornsteinfeger, vor dem die Ratten gewiß Respect haben mußten, den Zug beschließen solle.

Aber der Marzipan-Ritter war nicht zu finden; überall suchten sie ihn, bis er endlich an seinem alten Platz am untersten Zweige des Tannenbaums entdeckt wurde.

Der arme Ritter, er konnte nicht von der Stelle, denn Bergmann, der krummbeinige kleine Dachshund, war heute Morgen unter dem Tannenbaum hin gelaufen, was ihm streng verboten worden, er wußte, was gut schmeckt, und hatte im Vorbeigehen dem Ritter ein Bein abgebissen. Da mußte er nun wohl zu Hause bleiben, denn wenn man ihn auch gern mitgenommen hätte, so konnte er doch beim Balle nicht auf einem Beine tanzen, und dann hätten ihn die Ratten ja auch ausgelacht, wenn er sie mit seinem einen Beine hätte graulich machen wollen.

Aber wo in aller Welt sollte man jetzt einen Rattenvertilger hernehmen?

Amanda wußte abermals Rath. Sie ging zu der Schachtel mit Zinnsoldaten, die neben Wilhelms großer Kanone stand, und klopfte höflich an.

– Herein! sagte einer von den langen Gardisten in der Schachtel. Der Deckel that sich auf und vor Amanda stand der Unterofficier in seiner ganzen Länge da. Soldaten sind immer höflich gegen Damen, und so legte denn der Unterofficier die Hand an seine Mütze und salutirte.

Amanda bat ihn mit einem tiefen Knix, er solle es doch ja nicht übel nehmen, daß sie ihn so spät störe, auch wisse sie recht gut, daß sich dies für sie als Dame überhaupt nicht wohl schicke, aber es handle sich um die öffentliche Sicherheit, zu deren Schutze sie ja da seien. Hierauf sagte sie ihm, daß sie eine Wasserpartie zu machen beabsichtigten und sie ihn höflich bitten wolle, er möge doch so gütig sein, ihnen ein paar Mann Soldaten mitzugeben; sie würde ihn gewiß nicht incommodirt haben, aber Bergmann habe dem Ritter ein Bein abgebissen u. s. w.

– Hm! hm! meinte der Unterofficier, sich den großen Schnurbart streichend; das wird nicht angehen, dazu müssen wir erst die Erlaubniß von unsrem Major haben, und der ist heute Mittag ausgeritten.

Amanda aber bat ihn doch gar zu sehr. Endlich sagte der Unterofficier, es sei zwar gegen alle Disciplin, aber da er die Nothwendigkeit einsehe, so wolle er die Sache auf seine eigne Kappe nehmen und ihnen sechs Soldaten mitgeben, die er auch sogleich in Reih' und Glied aufmarschiren ließ.

So war denn Alles gut. Der Kellermeister rollte sein Weinfaß auf einen kleinen Wagen und legte Citronen und Liqueurbonbons für die Bowle hinzu. Amanda räumte ihre Küche aus und legte eine Terrine auf den Wagen, auch Gläser und Teller so viele sie ihrer waren. Endlich wurden auch Biscuit, Kuchen, Nüsse, Rosinen und Mandeln zum Dessert nicht vergessen.

Die Gesellschaft sollte nun Arm in Arm zu Zweien abmarschiren; als sie aber an das Rattenloch kamen, fand es sich, daß dieses zu eng für Zwei war, und sie mußten daher einen Gänsemarsch antreten.

Vorn, in der Mitte und zu Ende des Zuges gingen zwei Soldaten. Hinter den beiden ersten kam die Musik: der Orgeldreher mit seinem Leierkasten, der Nachtwächter mit seinem Tuthorn und der Knarre und der Postillon mit seinem Posthorn. Herr Gott im Himmel, war das eine erschreckliche Musik! Aber sie konnten doch nicht anders, denn sie hatten ja keine Noten!

Indeß hätten sie wenigstens alle drei eine und dieselbe Melodie spielen können, denn der Orgeldreher leierte »o du lieber Augustin«, der Nachtwächter tutete Feuerlärm und sang dazwischen »hört Ihr Herrn und laßt Euch sagen« und der Postillon blies immerweg Schnengterengtengteng. Es war eine gottlose Musik, aber es marschirte sich doch gut darnach, und dann verscheuchte sie ja auch die Ratten, was eine sehr gute Eigenschaft an aller Musik ist.

Also kam man unangefochten über den Hof und an den Teich, an dessen Ufer das kleine Schiff lag, welches des Pächters Sohn immer auf dem Wasser segeln ließ. Es waren auch hölzerne Matrosen auf demselben, die hatten den Sylvesterabend etwas stark gefeiert und einige hatten über den Durst getrunken und sich schon in ihren Kajüten zu Bett legen müssen. Die andern aber brachen in ein lautes Hurrah aus, als sie die Gesellschaft kommen sahen, sie brachten Alle aufs Schiff und zuletzt auch den Wagen mit den Lebensmitteln. Gott sei Dank, daß der nicht vergessen wurde!

Die Matrosen hißten nun die Segel, das Schiff ging ab; die Soldaten machten linksumschwenkt und marschirten trapp, trapp wieder durch das Rattenloch zurück.