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In der Mondnacht

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Nach einer Viertelstunde landete man an der Insel, lustig ging der Zug in den Pavillon. Der Kellermeister, der auf Alles bedacht gewesen war, zündete eine Menge Lichter an, daß es hell war wie am Tage; die Bowle wurde bereitet und duftete süß wie reiner Maitrank. Der Kellermeister spielte den Wirth, und da zufällig eine Marketenderin aus der »Regimentstochter« sich unter der Gesellschaft befand, so mußte diese die Gläser kredenzen.

Nun ging auch der Ball los. Der Nachtwächter, der Leiermann und der Postillon kletterten auf einen Stuhl, den sie als Orchester benutzten und schmetterten und bliesen und leierten, daß es eine Art hatte; freilich konnte man dabei leicht aus dem Takt kommen, aber wer gern tanzt, dem ist ja leicht gepfiffen.

Den Ball eröffnete der Tanzmeister mit einer feierlichen Polonäse und beschloß ihn mit einem sinnreichen Cotillon.

Da war es denn Zeit geworden, wieder nach Hause zurück zu kehren. Man bestieg das Schiff, landete glücklich und – so viel Courage hatte ihnen die Bowle gemacht! – marschirte lustig ohne Soldatenbedeckung durch den Rattengang, als spaziere man durch einen Rosensteig.

Schließlich versicherte man sich gegenseitig, daß man sich ganz außerordentlich amusirt habe, und daß sie, wenn sie am nächsten Sylvesterabend noch lebten und beisammen seien, wieder ein solches Fest veranstalten wollten.

Mit diesem Versprechen begaben sich alle wieder an ihre respectiven Plätze, nur der Kellermeister hatte des Guten zu viel gethan, er konnte gar nicht mehr stehen und mußte unten am Fuße des Tannenbaums liegen bleiben. Gott, wie schnarchte der dicke Kellermeister! Es war wirklich unanständig.

Wohl hatte man sich zum nächsten Sylvesterabend wieder ein solches Vergnügen verabredet, aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Als das nächste Christfest kam, war Alles still im Hause; Linchen war bei den Engeln droben und freute sich mit diesen an dem Christbaum, den ihnen der liebe Gott bescheert, und an dem er gewiß viele tausend Sternlein angezündet. Keiner wußte zu erzählen, wohin das Schicksal den dicken Kellermeister, den schwarzen Schornsteinfeger und die Anderen verschlagen, und die artigen Zinnsolden mochten längst im Kriege umgekommen sein.

Amanda saß verlassen im Glasschrank, man sah es ihr an, daß sie viel Thränen darum geweint, daß Linchen sie nicht mit sich in den Himmel genommen, wo es ja so schön sein muß; denn ihre Wangen waren ganz blaß und abgehärmt, und wenn die Mutter zuweilen die bleiche Puppe anschaute, dann weinte auch sie um das kleine Linchen, das jetzt bei den Engeln war.

Die kleine Meta

In einem Dorfe dicht am Walde lebte eine alte Wittwe mit ihrer Stieftochter.

Beide bewohnten ein kleines Häuschen am Ende des Dorfes an der Waldscheide. Das Häuschen war so wunderhübsch, denn die großen Buchen wölbten ihre grünen Zweige über das Dach und wilder Wein umrankte es von allen Seiten. Oben in den Zweigen kletterte das Eichhorn und warf so muthwillig die Bucheckern auf alle Vorübergehenden, namentlich auf den dicken, wichtigen Schulzen, den es wohl nicht recht leiden konnte, und oben in der Krone des Baumes hatte ein kleiner Blauspecht sein Nest, der lief den ganzen Tag wie eine Maus an dem Baum auf und ab, als wenn er Wunder was zu besorgen hätte, und pickte mit dem Schnabel in die Rinde, daß es in dem Baum tickte wie in einem Uhrgehäuse.

Das sah nun Alles wol recht friedlich aus, aber drinnen in der Hütte keifte die alte Stiefmutter den ganzen Tag und nichts war ihr nach Wunsch, ja es war ihr ganz unwohl, wenn sie einmal nicht zanken konnte, und da sie Niemanden außer der kleinen zwölfjährigen Meta bei sich hatte, so mußte diese recht viel aushalten. War in der Nacht das Gemüse nicht gewachsen, so war die arme Meta daran Schuld, hatten die Hühner keine Eier gelegt, so war die arme Meta daran Schuld, war dem alten Gaul im Stalle sein Bein lahm geworden, so war Meta daran Schuld – kurz es gab in der ganzen weiten Welt nichts, was die arme Meta nicht verbrochen hatte.

Aber Meta war ein artiges Kind und that Alles gern, wie ihr geheißen wurde, das konnte ihr das ganze Dorf bezeugen, und wenn es der Stiefmutter dennoch nicht gut genug war, so suchte sie es immer besser zu machen, bis die Stiefmutter denn endlich wohl zufrieden sein mußte. Ebenso betete sie jeden Abend beim Schlafengehen zum lieben Gott, daß er doch das Gemüse wachsen, die Hühner recht viel Eier legen und dem alten Gaul seinen Hinterfuß nicht steif werden lasse.

Einen Fehler hatte die kleine Meta aber doch. Sie hatte von ihrem Pathen, der zum Jahrmarkt gewesen war, ein kleines hübsches Federmesser geschenkt bekommen, und mit diesem spielte und schnitzte sie trotz allen Verboten der Stiefmutter, bis es denn das Unglück wollte, das sie sich eines Abends bis tief auf den Knochen in den Finger schnitt.

Das war nun eine schöne Geschichte! Wenn es die böse Stiefmutter erfuhr, so bekam sie ganz erschrecklich viel Schelte. Sie suchte daher, was sie an Leinen finden konnte, und wickelte es um den Finger. Aber das Blut wollte und wollte sich nicht stillen lassen, was sie auch dagegen thun mochte. Damit nun ja kein Tröpfchen auf die Erde fallen sollte, hielt sie die Wunde an den Mund und sog das Blut mit den Lippen auf.

Da, o weh, kam die Stiefmutter herein. Meta hielt in ihrer Angst schnell den schlimmen Finger hinter sich und preßte ihn fest in die Hand.

– Was hast Du denn da Rothes am Mund? fragte die Stiefmutter.

– Ich habe im Garten Himbeeren gegessen, liebe Mutter! antwortete Meta, ward aber dabei so roth, wie alle Himbeeren im Garten zusammen nicht waren.

– Dahinter steckt etwas! dachte die Stiefmutter bei sich und kam näher.

– Was ist das da auf der Erde? fragte die Stiefmutter, auf einen kleinen Blutstropfen zeigend.

– Das ist von der Farbe, mit der wir gestern die Blumentöpfe angestrichen haben, antwortete Meta, und ihr Gesicht wurde wieder so roth, wie alle Blumentöpfe zusammen nicht waren.

Nun höre nur Einer, wie die kleine Meta schon lügen konnte!

Aber die Stiefmutter ließ sich nichts weiß machen und es dauerte auch nicht so lange, da war sie hinter die ganze Bescheerung gekommen. Nun sagte sie der Kleinen sehr viel böse Worte: sie werde acht Tage lang nicht arbeiten können, das dumme Federmesser solle in den Brunnen geworfen werden u. s. w.

Was half das indeß Alles, der Finger blutete noch immer fort, alles Leinen war umsonst, das Blut ließ sich nicht stillen.

Da lief die Stiefmutter in ihrer Angst zu der alten Nachbarin, die konnte dicke Hälse und Backen, Geschwulste und Gott weiß, was sonst noch, an Menschen und Thieren besprechen und galt im ganzen Dorfe für eine sehr gelehrte Person, denn ihr Mann war Kuhhirte gewesen und hatte, während er auf der Weide Strümpfe gestrickt, seine Tage hindurch an viele Dinge denken können, an welche andre Leute, die nicht die Kühe hüten, zu denken keine Zeit haben.

Also: die Nachbarin kam, besah Meta's Finger, murmelte lateinische oder griechische oder hebräische Worte, die sie selbst nicht verstand, spuckte (denn das darf beim Besprechen niemals vergessen werden) dreimal auf den Finger und machte allerlei Kreuze und Zeichen und andern dummen Hocuspocus, um das Blut zu stillen. Aber das Blut stand doch nicht still.

Als die Alte nun sah, daß ihre Kunst betteln ging, schüttelte sie den Kopf, meinte, so etwas sei ihr doch ihre Lebtage noch nicht vorgekommen, und begab sich sammt ihrer Sympathie unverrichteter Sache wieder nach Hause.

Da lief die Stiefmutter in ihrer Angst zu dem Feldscherer des Dorfes, der Morgens den Bauern die Bärte abkratzte und Nachmittags Menschen und Thiere curirte und zur Ader ließ. Der Feldscherer kam, besah sich den Finger, schüttelte auch mit dem Kopf und meinte: Hm! hm!

Aber damit war dem Finger wieder nicht geholfen und je mehr der Feldscherer doctorte, desto mehr blutete der Finger.

Der Gregorius (so nannten sie im Dorfe den Chirurgus) meinte ebenfalls: so etwas sei ihm noch gar nicht vorgekommen, er wolle nach Hause laufen und von seiner unfehlbaren Salbe holen, die müsse helfen.

Er ging, kam aber nicht wieder, denn er mochte wohl selbst an seine unfehlbare Salbe nicht glauben.

Inzwischen saß die arme Meta ganz bleich auf dem Rande ihres Bettchens und hielt den Finger über eine Schüssel. Die alte Stiefmutter war außer sich vor Aerger und da sie diesen doch an irgend Etwas auslassen mußte, so nahm sie das Federmesser, ging in den Hof und warf es in den Brunnen.

In demselben Augenblick aber hörte die kleine Meta eine ganz feine Stimme – und was sah sie? Auf dem Rande ihrer Schüssel saß rittlings ein kleiner Däumling.

– Kleine Meta, sagte er zu ihr, das Federmesser, das eben in unsren Brunnen gefallen, hat mir da unten in unsrer Wohnung unter dem Brunnen gesagt, es habe Dich, ohne selbst dafür zu können, in den Finger geschnitten; Du seist aber ein so liebes, artiges Kind, und deshalb sollte ich Dir doch helfen.

– Du?… Aber wie kannst Du denn das? fragte Meta verwundert.

– Davon sollst Du Dich sogleich überzeugen; höre nur zu! antwortete der kleine Däumling. Sieh, wir sind der Däumlinge da unten im Brunnen sehr viele und helfen guten Menschen sehr gerne, indem wir uns in Däumlinge von Gemsleder verwandeln und uns auf ihre Finger setzen lassen; aber wir müssen immer gewiß sein, daß wir nicht gemißbraucht werden, denn wir haben eine geheime Kraft, die den Menschen gar zu leicht verführt, wenn er davon hört. Setze mich also auf Deinen wunden Finger und das Blut wird sogleich gestillt werden; nimm mich aber ja nicht eher wieder ab, als der Finger ganz geheilt ist, denn sonst fängt der Finger gleich wieder an zu bluten und jeder Bluttropfen wird zu einem blanken doppelten Goldstück. Das Gold kann Dir aber dann nichts mehr nutzen, denn der Finger heilt nie wieder und Du mußt sterben.

Man kann sich denken, wie froh die kleine Meta war, als ihr der kleine possirliche Däumling von dem Schüsselrand auf den Arm hüpfte, auf diesem bis zu ihrer Hand balancirte, sich im Nu in einen Däumling von Gemseleder verwandelte und auf ihrem Finger saß. Mit einem Male war auch das böse Blut gestillt.

 

Gleich darauf kam die Stiefmutter zurück, die dem Federmesser einen tüchtigen Streich gespielt zu haben glaubte und gar keine Ahnung von der Botschaft hatte, die das Federmesser da unten im Brunnen ausgerichtet.

– Was hast Du denn da auf dem Finger sitzen? fragte sie die kleine Meta.

Diese war anfangs ein wenig verlegen, aber da es ja nichts Böses war und ihr der Däumling auch nicht zu schweigen befohlen hatte, so erzählte sie der Stiefmutter, was vorgefallen war.

Nun hätte Einer sehen sollen, was für Augen die alte Stiefmutter mit ihrer Habichtsnase und dem spitzen Kinn machte, als sie von den blanken doppelten Goldstücken hörte. Die Augen hatten ganz gewiß nichts Gutes zu bedeuten.

Da es schon dunkel geworden war, so sagte sie zu der kleinen Meta: sie solle sich ins Bett legen, denn sie sehe so matt und angegriffen aus; sie wolle ihr beim Auskleiden auch behilflich sein.

Das Letztere that sie nun ganz wider ihre Gewohnheit. Meta legte sich ins Bett und die Stiefmutter ging hinaus und sagte: sie wolle nur den Taubenschlag zumachen, dann gehe sie auch sogleich ins Bett.

Kaum war die arme Meta eingeschlafen, als die Stiefmutter leise wieder hereinkam. Aber was hatte sie bei sich? Einen großen, großen Sack, in den wohl drei Scheffel Erbsen hineingingen. Als sie sich nun überzeugt hatte, daß Meta fest schlafe, legte sie den Sack vor Meta's Bett, so daß die offene Seite nach oben gekehrt war, nahm die Hand der Kleinen vom Bette und betrachtete sich den Däumling mit gierigen Augen.

– Laß mich in Ruh, Alte! rief der Däumling; aber das half ihm nicht, die Alte nahm ihn von Meta's Finger und trug ihn zappelnd in ihre Kommode, die sie doppelt und dreimal verschloß. Dann kehrte sie zu der schlafenden Meta zurück.

Am Bette aber ging es inzwischen: klapp, klapp! Ein Goldstück fiel nach dem andern in den Sack. Mit funkelnden Augen setzte sich die Alte an Meta's Bett und freute sich über die vielen Goldstücke, mit denen sich ihr Sack füllte.

So ging es denn klapp, klapp! die ganze Nacht hindurch. Endlich fielen die Goldstücke immer langsamer; aber auch Meta's kleines unschuldiges Herz klopfte immer langsamer und als der erste matte Strahl der Morgensonne ins Kämmerchen drang, da schwiegen die Goldstücke und auch Meta's Herzchen, denn sie hatte sich verblutet und war todt.

Die Alte überschlug nun, wieviel Goldstücke wohl in dem Sacke seien; ihrer Meinung nach mußten es wenigstens einige Tausend sein und da sie alle doppelt, so war sie eine reiche Frau geworden.

Jetzt mußte aber der Sack bei Seite geschafft werden, und das war gewiß nicht so leicht. Er sollte in die Speisekammer kommen; da er aber so schwer war, daß wohl vier Männer daran zu tragen gehabt hätten, so nahm sie von den Goldstücken immer eine halbe Schürze voll, trug diese in die Speisekammer und schleppte so lange, bis auch nicht ein einziges mehr in dem Sack war. Eine volle Stunde hatte sie zu der Arbeit gebraucht.

Was sollte sie nun mit der kleinen Meta anfangen, die todt auf dem Bette lag und so bleich war, wie ein kleiner trauriger Engel, der vom lieben Gott Schelte bekommen hat. Wenn sie aussagte, Meta habe sich in der Nacht verblutet, so bekam sie die Leute im ganzen Dorf auf den Hals, weil sie keine weitere Hilfe herbeigerufen hatte; aber was sollte sie anders sagen?

Da fiel ihr ein Gedanke ein. Sie wollte die todte Meta in den Brunnen werfen und aussagen, Meta sei gestern in den Wald gegangen, um heilende Kräuter für ihren Finger zu suchen, und nicht wiedergekommen.

So geschah es denn auch, sobald sie Meta heimlich in den Brunnen geworfen und ihre Kleider bei Seite geschafft hatte. Und der Schulze bot die ganze Dorfmannschaft auf, der Pächter und der Pfarrer schickten ihre Knechte, die mußten den ganzen Tag hindurch nach der verlornen Meta im Walde suchen. Aber sie fanden das Mädchen nicht, und das hätte ihnen die garstige Alte wohl vorher sagen können. Desto mehr jedoch weinte sie und stellte sich untröstlich, die böse, alte Hexe!

Acht Tage darauf lud die Alte eines Abends ganz spät, als es recht dunkel war, mehre Säcke und einen kleinen Kasten auf ihren Leiterwagen, mit dem sie immer Gemüse zu Markt zu fahren pflegte, spannte ihren Gaul vor und sagte den Nachbarn, sie wolle Kartoffeln nach der Stadt fahren, die schon am Morgen ganz zeitig abgeliefert werden müßten. Das war aber gar nicht wahr, denn in den Säcken hatte sie ihre Goldstücke und nur oben auf lagen Kartoffeln, in dem Kästchen aber hielt sie den kleinen Däumling verschlossen, den sie bewachte wie ihren Augapfel.

Sie verschloß und verriegelte ihre Hausthür, kutschirte ab und kein Mensch hat sie wieder im Dorfe gesehen. Gott weiß, was für Absichten sie hatte, aber in ihrem Hause konnte sie's nicht mehr aushalten, denn alle Abende sah sie an dem Strick des Brunnens eine Menge kleiner gelber Männchen auf und ab klettern, die waren so groß wie ein Daumen und riefen ihr immer zu:

 
»Wart', Alte, das ist Dir nicht geschenkt,
Du hast ja die kleine Meta ertränkt.
Auch glücklich wirst Du nicht auf der Erd',
Denn Du hast unser Brüderchen eingesperrt!«
 

Wenn sie das hörte, da zitterte sie an Händen und Füßen und war nur froh, daß die Nachbarn nicht so nahe wohnten, es mit anhören zu können.

Inzwischen war die kleine Meta in einem wunderschönen unterirdischen Schlafzimmer erwacht, das war so hell erleuchtet wie am lichten Tage, denn es brannten wohl hundert prächtige Kronleuchter von Bergkrystall darin. Sie besah sich und fand sich auf einem Bette, dessen Laken so fein waren wie Spinngewebe, die Bettstelle aber war von gediegenem Gold und Silber und die Vorhänge des Bettes waren so weiß wie frischgefallener Schnee. Ueber ihr aber bestand die Decke des Himmelbettes aus einem schönen Spiegel. In den schaute sie und erschrak, denn sie war ja so weiß wie die Kreide an der Wand.

Meta richtete sich im Bette auf und blickte umher. Da sah sie denn durch die Glasthür ihres Schlafgemaches mehre wunderschöne Säle, in denen saßen wohl an fünfhundert kleiner gelber Männchen an langen silbernen Tischen. Sie tranken gerade Kaffee und stippten Zwiebacke ein, so klein wie Perlemutterknöpfchen. An Meta's Bette saßen sechs kleine Frauen, die sagten, sie seien zu ihren Kammerzofen ernannt und hätten von dem Obersten der Däumlinge den Auftrag, der kleinen Meta pünktlich Alles zu schaffen, was sie verlangen werde.

Meta wollte jetzt wissen, wo sie sei. Man erzählte ihr, was die böse Stiefmutter mit ihr gemacht und wie diese im Dorfe dann ausgesagt habe, sie sei in den Wald gegangen und nicht wiedergekehrt. Meta weinte nun sehr und wollte doch wieder zu ihrer Stiefmutter. Die Kammerzofen aber zeigten ihr wunderschöne von Gold und Silber und himmelblau gestickte Kleider, die schon für sie bereit lagen. Diese mußte sie anziehen und als das geschehen war, führte man sie zu dem Könige der Däumlinge; der saß auf einem Throne von Perlen, Rubinen und Diamanten und war so klein, daß man ihn recht gut zum Zierrath auf die Kommode hätte stellen können.

Es war possirlich mit anzusehen, wie all die kleinen Däumlinge, an denen sie vorbeikam, aufstanden, ihr einen Kratzfuß machten und dann ehrerbietig den Saum ihres Kleides küßten.

Der König der Däumlinge aber empfing sie sehr freundlich, sie mußte vor ihm niederknien, damit sie ihn recht hören könne, denn sie war wohl an zehnmal größer als er sammt seinem Diamanten- und Rubinen-Thron. Er aber sagte ihr: die Stiefmutter sei ganz plötzlich aus dem Dorfe verschwunden, und wenn das auch nicht der Fall wäre, so hätte sie doch nicht wieder zu ihr gehen können, da sie bei ihr des Lebens nicht mehr sicher sein würde; Meta sei so unvorsichtig gewesen, ihr das Geheimniß des Däumlings zu verrathen, der nun dafür büßen müsse, indem die Alte ihn eingeschlossen halte und sorgfältig bewache, um ihn zur Sättigung ihrer Habsucht zu mißbrauchen. Gehe sie aber wieder zu der alten Stiefmutter, so werde ihr diese doch das Leben wieder nehmen, und einmal könnten die Zwerge sie nur vom Tode erretten.

Meta weinte nun bitterlich darüber, daß sie ihre schönen rothen Wangen verloren habe.

– Ja, sagte der König der Däumlinge achselzuckend, das kommt daher, daß Du all Dein Blut verloren hast; Du wirst Dein ganzes Leben hindurch bleich sein, aber da Du ein so gutes Kind bist, wollen wir dafür sorgen, daß Du glücklich werdest. Einstweilen mußt Du nun bei uns bleiben.

So tröstete sich Meta denn und lebte sechs Jahre lang glücklich bei den Däumlingen unter dem Brunnen; sie wurde auch größer und schöner, aber bleich blieb sie doch.

Wollt Ihr nun wissen, was inzwischen aus der bösen Stiefmutter geworden ist?

Die fuhr mit ihrem Gaul und ihren Kartoffelsäcken immer und immer fort, bis sie in eine fremde Stadt kam. Dort fuhr sie vor ein großes Gasthaus und sagte zu dem Wirth: sie sei eine sehr vornehme Dame, da sie aber viele Schätze bei sich führe, so habe sie diese schlechten Kleider angezogen und sich diesen unscheinbaren Wagen gekauft, um unterweges nicht von Räubern angefallen und geplündert zu werden.

Als der Wirth ihre Säcke von Gold sah, glaubte er ihr aufs Wort, denn wenn die Leute nur Geld sehen, so glauben sie ja Alles.

Die Alte aber kaufte sich seidene und sammetne Kleider, Diamantenschmuck, schöne Ketten und Armspangen, eine mit Gold ausgeschlagene Equipage mit vier Schimmeln, miethete sich stattliche Lakaien, die einen dreieckigen Tressenhut auf hatten und so viel Goldschnüre auf dem Leibe trugen, daß man die Farbe ihrer Röcke nicht unterscheiden konnte, und so fuhr sie dann in eine große Hauptstadt, in welcher der König lebte und sehr viele vornehme Leute wohnten.

Hier gab sie sich für eine Gräfin von altem Adel aus, kaufte sich eins der prächtigsten Häuser, gab glänzende Bälle und Feste und sah Barone, Grafen und Fürsten bei sich, die ihr das viele Geld verzehren halfen.

So ging das Alles gut; aber natürlich kam sie bei diesem Leben ihren Geldsäcken bald auf den Boden. Der Reichthum jedoch hatte schon ihr Herz so schlecht gemacht, daß sie sich vor gar keiner Missethat mehr scheute. Um wieder frisches Geld zu heben, lockte sie sich Abends fremde Kinder ins Haus, denen zeigte sie alle ihre schönen Sachen und gab ihnen Confect, das mit einem Schlaftrunk gefüllt war. Wenn nun diese Kinder einschliefen, so schnitt sie dieselben in den Finger, setzte ihnen einen Augenblick den Däumling auf, den sie dann sorgfältig wieder verschloß, und das Blut der Kinder wurde zu lauter Goldstücken. Viele arme Kinder hatte sie nun schon ums Leben gebracht wie die kleine Meta.

Endlich war wieder einmal ihr Geld erschöpft. Mehre Tage schaute sie aus, ob sie nicht einige Kinder in der Nähe sehen könne; aber es ließ sich kein solches blicken, denn in der Stadt ging das Gespräch, man habe schon mehrmals kleine Kinder in dieses Haus gehen, aber nie wieder herauskommen sehen, deshalb hüteten alle Eltern ihre Kinder vor der Nähe dieses Hauses. Allerdings sagten die Leute dies einander nicht laut, denn behüte, wer konnte es wohl wagen, einer so reichen und mächtigen Dame so etwas laut nachzusagen; aber was sich die Leute nicht laut erzählten, das erzählten sie sich doch leise und auch die Eltern der armen, umgebrachten Kinder wagten es nicht, eine so hohe Dame öffentlich zu beschuldigen.

Genug: es kam kein Kind mehr in die Nähe der Alten. In ihrer Verzweiflung machte sie daher eines Nachts kurzen Proceß, schnitt sich selbst in den Finger, setzte den Däumling auf, nahm ihn wieder ab und hörte zu ihrer Freude alsbald die doppelten Goldstücke klappern.

Als sie nun glaubte, es seien ihrer vorläufig genug, setzte sie den Däumling wieder auf. Da aber bekam sie einen erschrecklichen Schmerz in die Hand; es brannte ihr in allen Fingern, als sitze lebendiges Feuer darin und dieser Schmerz zuckte ihr durch alle Glieder. Eilig lief sie zum Waschbecken und steckte die Hand hinein, um den Schmerz zu kühlen; aber Alles half nichts; der Schmerz wurde ärger und ärger.

Sie warf den Däumling wüthend in die Ecke, der aber fing an zu lachen und rief: Etsch! Siehst Du, Alte, jetzt hast Du Dich selbst angeführt; du mußt sterben!

Da erinnerte sich die Alte der Worte, welche ihr Meta gesagt hatte, nämlich: daß die Wunde nie wieder heile, wenn man den Däumling einmal vom Finger genommen.

Eine entsetzliche Angst überfiel sie; alle ihre Diener mußten zusammen kommen und noch in der Nacht zu den Aerzten laufen. Diese kamen auch, wohl zwanzig an der Zahl. Einer von ihnen war immer klüger als der andre, und wollte noch ein besseres Mittel wissen; indeß die Wunde ward immer schlimmer, der Schmerz immer ärger, trotz all den Aerzten, Professoren und Medicinalräthen der Welt, die sie zusammen holen ließ, und ehe der zehnte Tag verstrichen, war der kalte Brand dazu gekommen; die Hand wurde ihr abgenommen, aber da schlug der Brand in ihren Arm und als der zwölfte Tag gekommen war, starb sie unter den schrecklichsten Schmerzen.

 

Kaum war sie nun todt, da stellten sich wohl ein Dutzend vornehmer Personen ein, mit denen sie näheren Umgang gehabt und die sie bei ihren Lebzeiten für ihre Verwandten ausgegeben hatte. Diese erklärten, sie seien die Erben der seligen Gräfin und wollten sich in ihren schönen Palast, in die glänzenden Möbeln, Equipagen, Pferde etc. theilen.

Als nun aber diese Theilung gerichtlich vor sich gehen sollte und die Richter und die Erben in dem großen Saale versammelt waren, saß der kleine Däumling, der nun wieder seine Freiheit hatte, in einem Blumentopf versteckt auf dem Fenster und rief immer: »Sie war ja gar keine Gräfin, und Ihr seid auch gar nicht ihre Erben; aber ich weiß Eine, die ihre rechte Erbin ist, und die kann jeden Tag hier sein!«

Die Richter und die falschen Erben horchten hoch auf, wußten jedoch nicht, woher die Stimme kam, und setzten ihr Geschäft ruhig fort; der Däumling aber saß immer in seinem Versteck und wiederholte seine Worte alle Tage. Am letzten Tage nun, als die Theilung zu Ende gehen sollte, rief er: »Ihr seid Alle falsche Erben; die einzige rechte Erbin ist eben vor das Haus gefahren und kann jeden Augenblick hier sein!«

Und wieder horchten die Richter und die Erben hoch auf. Da öffnete sich die Thür und ein wunderschönes Mädchen in einem von Gold und Silber gewirkten Kleide trat ein; sie war so überaus schön, daß es sich gar nicht beschreiben läßt, aber bleich war sie, sehr bleich, und wir wissen auch, warum sie so bleich, denn sie war ja die schöne Meta, die von den Däumlingen hergeschickt worden, um die Erbschaft ihrer Stiefmutter in Empfang zu nehmen.

Meta faßte sich ein Herz und erklärte den Richtern und den falschen Erben, daß sie die rechte Erbin, nämlich die Stieftochter der Verstorbenen sei; dieser Reichthum gehöre ihr, da er aus ihrem Herzblut gekommen sei, und ihn in Empfang zu nehmen, sei sie erschienen. Gleichzeitig erzählte sie ihnen auch, wer die Todte eigentlich gewesen und wie sich Alles zugetragen habe.

Aber die Richter schüttelten ungläubig den Kopf, und die falschen Erben erklärten sie für eine Lügnerin und Betrügerin und verlangten sogar von den Richtern, sie solle als eine solche eingesperrt werden.

Die Richter hingegen erklärten, das könnten sie nicht verantworten, wenn aber Meta wirklich die Stieftochter der Verstorbenen sei, so solle sie dies durch Zeugen beweisen.

Die Erben bestanden jedoch auf ihrem Willen und da sie lauter vornehme Leute waren, so gaben die Richter ihnen endlich nach, und die arme Meta wurde in ein Gefängniß geführt, wo man ihr sagte: sie habe nun vier Wochen Frist, ihre Rechte durch glaubwürdige Zeugen zu beweisen, wenn sie das aber nicht könne, so werde sie als eine Betrügerin zu schwerer Strafe verurtheilt werden. Damit schlossen sie die Gefängnißthür und Meta war allein.

Da hatte sich nun die gute Meta eine schöne Suppe eingebrockt! Sie fühlte sich so unglücklich, so verlassen, und wie sollte sie wohl der Strafe entgehen, da sie ja keine Zeugen aufbringen konnte!

Plötzlich hörte sie leise an's Fenster klopfen; sie öffnete und siehe da: die sechs Däumlinge, welche sie in einem stattlichen Wagen bis zu dieser Stadt geführt hatten, stiegen durch das Fenster herein.

– Ich wußte ja, daß Ihr mich nicht verlassen würdet! rief Meta erfreut und trocknete ihre Thränen.

Die Däumlinge aber meinten, das sei eine böse Geschichte, aus der sie Meta mit allen Ehren herausziehen müßten, denn eine solche Wendung der Dinge hätten sie nicht erwartet.

Nun hielten sie einen Rath und noch an demselben Tage wurde ein Bote nach dem Dorfe geschickt, in welchem Meta früher gelebt hatte. Dieses Dorf aber war so weit, daß der Bote erst in drei Wochen frühestens wieder zurück sein konnte. Meta mußte sich daher in Geduld fassen; die Däumlinge thaten alles Mögliche, ihr die Gefangenschaft zu erleichtern, und die Richter gestatteten ihr, alle Tage zwei Stunden in dem Hofe des Gefängnisses spazieren zu gehen.

Bei solchen Gelegenheiten wurde sie nun von Manchen gesehen und alsbald verbreitete sich der Ruf von ihrer wunderbaren Schönheit in der ganzen Hauptstadt.

Auch der einzige Sohn des Königs, der Kronprinz, hörte davon und war neugierig, die seltene Schönheit zu sehen. Er ließ sich daher eines Tages in das Gefängniß und an ein Fenster führen, von welchem aus er Meta im Hofe sehen konnte. Lange schaute er sie an; dann aber wandte er sich plötzlich vom Fenster, trat mit seinem Begleiter vor die Thür, stieg in den Wagen und fuhr davon. Wahrscheinlich mochte ihm Meta doch nicht so schön erschienen sein, wie er sie dem Gerüchte nach erwartet hatte.

Eine Woche verstrich, zwei, drei und vier Wochen verstrichen. Da kam der lange erwartete Bote am Tage vor Ablauf der Frist zurück; aber Zeugen brachte er nicht mit, denn im Dorfe hatten ihm Alle gesagt, die kleine Meta sei schon vor sechs Jahren gestorben.

Meta weinte wieder und rang in ihrem Gefängniß verzweifelt ihre Hände; die Däumlinge aber suchten sie zu trösten und sagten ihr: sie solle sich nur ruhig von den Richtern verurtheilen lassen, denn wenn sie auch in einen Kerker von Eisen und Granit geworfen würde, so wollten sie Meta dennoch befreien, das sei für sie gar kein Kunststück.

Und der Morgen kam, an welchem Meta als eine Betrügerin vor die Richter geführt und verurtheilt werden sollte. Meta weinte wiederum bitterlich, die Däumlinge aber warfen sich ins Geheim lächelnde Blicke zu und sagten ihr, sie solle nur ganz unbesorgt sein, denn es sei nicht Alles so schlimm, wie es aussehe. Meta aber wäre so gern bei den Menschen geblieben, denn wenn es ihr bei den Däumlingen auch sehr wohl erging, so liebte sie doch die freie Natur und die Sonne und die Sterne so sehr, die sie unter der Erde sechs Jahre lang nicht hatte sehen können.

Da hörte sie einen Wagen vorfahren.

– Jetzt holt man mich! rief sie erschreckt.

– Ja, antworteten die Däumlinge, innerlich lachend; man holt Dich, aber es ist doch nicht Alles so schlimm, wie es aussieht.

Die Thür ging auf. Meta barg ängstlich das Gesicht in den Händen. Aber anstatt der Richter oder der Gefängnißknechte trat, von vier Hofherren mit Orden auf der Brust begleitet, der Kronprinz herein. Der ging auf Meta zu, nahm ihre Hand und sagte zu ihr: er habe sie neulich im Gefängnißhofe gesehen und seiner Mutter, der Königin, von ihr gesagt. Diese sei nun willens, sie zu ihrer Hofdame zu machen, und habe ihm den Auftrag gegeben, sie abzuholen. Sie solle also mit ihm kommen, sein Wagen stehe vor der Thür.

Gleichzeitig hängte ihr einer der Hofherren einen kostbaren Mantel von Hermelin und dunkelrothem Sammet um und der Kronprinz führte die schöne Meta hinab in den Wagen, wo er neben ihr Platz nahm.

Nach einigen Minuten hielten sie vor einem Palast, der war mit Blumen und Kränzen ausgeschmückt, zahllose Herren und Damen, alle wunderschön geputzt, hatten sich versammelt. Der Kronprinz aber führte Meta zu einem Thron, auf welchem sein Vater und seine Mutter saßen; diese umarmten und küßten Meta und nannten sie ihre Tochter.