BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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b) Maßstab (§ 319: offenbare Unbilligkeit)

252

§ 319 sieht für das billige Ermessen bei der Leistungsbestimmung durch Dritte einen anderen Maßstab vor als bei der Leistungsbestimmung durch die Vertragsparteien: Die Bestimmung ist gem. § 319 Abs. 1 erst dann unverbindlich, wenn sie „offenbar unbillig“ ist. Das ist weniger streng als der Maßstab der bloßen „Billigkeit“ nach § 315 Abs. 3 S. 1. Das lässt sich damit erklären, dass dem Dritten üblicher Weise besondere Neutralität und Sachkunde zukommen wird und die Gefahr unbilliger Entscheidungen bei Dritten normaler Weise auch weniger groß ist als bei der Leistungsbestimmung durch die Vertragsschließenden. Offenbar unbillig ist die Leistungsbestimmung nach der Rspr. des BGH, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt.[89]

253

Die Mechanismen bei „offenbarer Unbilligkeit“ oder Verzögerung der Leistungsbestimmung entsprechen im Wesentlichen denen des § 315 Abs. 3: Bei Verzögerung oder offenbarer Unbilligkeit erfolgt die Leistungsbestimmung durch Urteil. Gleiches gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will (vgl § 315 Abs. 3 S. 2 2. HS). Wenn der Dritte jedoch die Bestimmung nach freiem Belieben treffen soll (also nicht nach billigem Ermessen), ist der Vertrag gem. § 319 Abs. 2 unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will, oder wenn er sie verzögert. Das lässt sich damit erklären, dass es bei einer Bestimmung nach freiem Belieben den Parteien regelmäßig gerade darauf ankommt, dass die Bestimmung von dem benannten Dritten erfolgt. Dieser darf lediglich nicht willkürlich handeln oder die Grenzen der §§ 134, 138 überschreiten.[90] Das ist bei einer Bestimmung nach billigem Ermessen anders, bei der es eher um eine inhaltlich billige Bestimmung als um die Person des Bestimmenden geht.

c) Mehrere Dritte

254

§ 317 Abs. 2 regelt den Fall, dass mehrere Dritte die Leistungsbestimmung übernehmen. Für die Leistungsbestimmung müssen dann gem. § 317 Abs. 2 1. HS im Zweifel alle Dritte bei der Leistungsbestimmung übereinstimmen. Die Parteien können aber auch anderes vereinbaren, etwa, dass bei fehlender Übereinstimmung die Entscheidung eines der Dritten maßgeblich sein soll oder auch, dass die Bestimmung der Mehrheit der Dritten gelten soll. Wenn es um Summen geht – etwa die Höhe eines Entgelts – ist dagegen gem. § 317 Abs. 2 2. HS im Zweifel die Durchschnittssumme maßgeblich. Das erleichtert in der Praxis die Bestimmung.

4. Lösung Fall 20

255

Die B-AG könnte aus dem Stromlieferungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 zur Zahlung des erhöhten Strompreises verpflichtet sein.

I. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die A-AG zur Bestimmung des Strompreises bei etwaigem Änderungsbedarf nach gewissen Zeiträumen berechtigt ist. Die Klausel ist auch wirksam. Insbesondere handelt es sich bei ihr nicht um AGB gemäß §§ 305 ff. Die A-AG hat ihr Bestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 ausgeübt.

II. Fraglich ist, ob die Preiserhöhung in dieser Form und Höhe erfolgen konnte. Das setzt voraus, dass die vertraglichen und gesetzlichen Anforderungen an die Bestimmung von der A-AG eingehalten wurden.

1. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass eine Bestimmung der Leistung jährlich neu erfolgen kann. Innerhalb dieses Zeitraums hat A sich bewegt.

2. Des Weiteren ist in der schriftlichen Mitteilung die gemäß § 315 Abs. 2 erforderliche Erklärung zu sehen.

3. Wie die Leistungsbestimmung inhaltlich vorzunehmen ist, haben die Parteien nicht geregelt. Daher muss die Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 1 nach billigem Ermessen erfolgen. Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen im Zeitpunkt der Ausübung des Bestimmungsrechts festzustellen. A hat bei der Preisanpassung die weltweite Belieferungssituation und ihre erhöhten Bezugskosten berücksichtigt; ihre Kosten sind auch nicht etwa anderweitig gesunken. Die Ausübung ist damit im billigen Ermessen erfolgt.

Ergebnis: Die B-AG ist somit aus dem Stromlieferungsvertrag iVm § 315 Abs. 1 zur Zahlung des erhöhten Strompreises verpflichtet.

Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 5 Schuldarten › V. Aufwendungsersatz, Wegnahmerecht, Auskunft und Rechenschaft

V. Aufwendungsersatz, Wegnahmerecht, Auskunft und Rechenschaft

Fall 21:

B betreut gegen Entgelt das Vermögen der A. Im letzten Jahr hat er dabei über 1.000 Transaktionen mit verschiedenen Aktien durchgeführt. Außerdem wurde er vor kurzem von A beauftragt, mehrere hochklassige Sportwagen als Geldanlage zu kaufen. Denn viele Händler wollen diese Wagen aus Imagegründen nicht an den schlecht beleumundeten A verkaufen. B soll daher die Wagen im eigenen Namen kaufen und dann A zukommen lassen. Am 1.10. kauft B in eigenem Namen zehn Sportwagen von Händler C für insgesamt 10.000.000 Euro. Der Kaufpreis soll am 1.11. gezahlt werden. Am 10.10. verlangt B von A Zahlung der 10.000.000 Euro. A verweigert die Zahlung, er will lediglich Sicherheit durch Hinterlegung seiner Wertpapiere in dieser Höhe leisten. Außerdem fordert er B auf, ihm ein Verzeichnis über die erworbenen Sportwagen zu erstellen. Ferner begehrt A eine Aufstellung über die im letzten Jahr durchgeführten Wertpapiertransaktionen.

Frage 1: Was kann B von A hinsichtlich der Sportwagen verlangen?

Frage 2: Kann A die Anfertigung eines Verzeichnisses über die einzelnen erworbenen Sportwagen verlangen?

Frage 3: Kann A die Anfertigung eines Verzeichnisses über die Wertpapiertransaktionen des vergangenen Jahres verlangen? Lösung Rn 276

1. Überblick

256

Die §§ 256-261 regeln Einzelheiten zu Aufwendungsersatzansprüchen, zum Wegnahmerecht und zu Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen. Sie ergänzen im Wesentlichen andernorts befindliche Anspruchsgrundlagen. In Klausuren spielen die Vorschriften eine eher untergeordnete Rolle. Praktisch höchst bedeutsam sind Auskunftsansprüche, die im BGB allerdings keine einheitliche, umfassende Regelung gefunden haben.

2. §§ 256, 257 (Aufwendungsersatz und Befreiungsanspruch)

a) Normzweck

257

Die §§ 256 und 257 regeln nicht etwa Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs. Vielmehr setzen sie voraus, dass ein Aufwendungsersatzanspruch auf anderer Grundlage bereits begründet ist. Ihre Funktion liegt darin, den Inhalt solcher Ansprüche bezüglich der Zinsen zu konkretisieren.

b) Voraussetzungen des § 256

258

§ 256 setzt voraus, dass ein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht; § 256 ist selbst aber keine Anspruchsgrundlage. Denkbare Anspruchsgrundlagen sind etwa § 284, § 304, § 536a Abs. 2 oder § 670 (Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten).

259

Aufwendungen im Sinne der Norm liegen nur bei freiwilligen Vermögensopfern vor, die dem Interesse eines anderen dienen.[91] Oft geht es um Geldaufwendungen, aber auch die Eingehung von Verbindlichkeiten kann eine Aufwendung iSd § 670 sein. Gleiches gilt für Verwendungen, die einer Sache zugutekommen (vgl §§ 994 ff).[92] Für § 670 und §§ 677, 683, 670 liegen nach der Rechtsprechung des BGH auch bei unfreiwilligen Vermögensopfern in Form von Körper- oder Sachschäden Aufwendungen vor, wenn diese Schäden auf typischen Geschäftsrisiken beruhen – entscheidend ist insoweit die „freiwillige“ Geschäftsübernahme.[93]

 

c) Rechtsfolge des § 256

260

Gemäß § 256 S. 1 ist der Schuldner des Aufwendungsersatzes auch zur Zinszahlung verpflichtet, sobald der Aufwendungsersatzanspruch entsteht. Verzug des Schuldners ist dafür nicht erforderlich. Für die Zinshöhe gilt grundsätzlich § 246, also der gesetzliche Zinssatz. § 256 S. 2 betrifft Aufwendungen auf herauszugebende Gegenstände (etwa Fütterungskosten bei Tieren). In dieser Konstellation sind keine Zinsen für die Zeit zu zahlen, für die dem Ersatzberechtigten die Nutzungen oder die Früchte des Gegenstands kostenlos verbleiben (also etwa die Früchte des Tieres wie die Milch einer Kuh).

d) Der Befreiungsanspruch aus § 257

261

§ 257 behandelt Fälle, in denen der Gläubiger Aufwendungen für einen bestimmten Zweck gemacht hat und dafür Verbindlichkeiten eingegangen ist – also beispielsweise ein Darlehen aufnimmt. Dann kann der Gläubiger Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen (§ 257 S. 1). Wenn die Verbindlichkeit noch nicht fällig ist, kann der Schuldner auch anstelle der Befreiung Sicherheit leisten. Die Befreiung von der Verbindlichkeit kann auch ansonsten auf unterschiedlichem Weg erfolgen:[94] Der Schuldner kann beispielsweise schlicht eine Drittleistung vornehmen (§ 267).

3. Wegnahmerecht (§ 258)

262

§ 258 regelt Einzelheiten zu Wegnahmerechten. Die Norm setzt voraus, dass ein Wegnahmerecht vertraglich oder nach einer gesetzlichen Vorschrift begründet ist. Ein praktisch wichtiges Beispiel für ein gesetzliches Wegnahmerecht bietet § 539 Abs. 2: Der Mieter ist danach zur Wegnahme einer Einrichtung berechtigt, mit der er die Mietsache versehen hat. Weitere Beispiele für Wegnahmerechte bieten § 997 Abs. 1 (bei wesentlichen Bestandteilen), § 601 Abs. 2 S. 2 (zu Gunsten des Entleihers) und § 2125 Abs. 2 (bei Vorerbschaft). § 258 S. 1 betrifft die Instandsetzungspflicht des Wegnahmeberechtigten, S. 2 die Gestattungspflicht (Duldungspflicht) des anderen Teils.

263

Gemäß § 258 S. 1 muss der Wegnahmeberechtigte die Sache bei Wegnahme einer Einrichtung auf seine Kosten in den vorigen Stand setzen, wenn er zur Herausgabe der Sache verpflichtet ist. Mit Einrichtung ist dabei jede Sache gemeint, die dem wirtschaftlichen Zweck einer anderen Sache dient und mit dieser körperlich verbunden ist.[95] Die Wegnahmeberechtigung wird nicht durch § 258 S. 1 begründet, sondern von der Norm vorausgesetzt. Ein Beispiel für § 258 S. 1 bietet der Einbau einer Küche in eine Mietswohnung. § 539 Abs. 2 gibt dem Mieter das Recht, diese Einrichtung wegzunehmen. Er erwirbt dann analog § 954 Eigentum an der Einrichtung.[96] Nach § 258 S. 1 muss er jedoch die Wohnung auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand setzen, wenn er die Küche ausbaut.

264

Nach § 258 S. 2 muss der andere Teil die Wegnahme gestatten, wenn er den Besitz der Sache erlangt. Zur (weitergehenden) Herausgabe ist der andere Teil nicht verpflichtet.[97] Außerdem kann er gemäß § 258 S. 2 2. HS sogar die Gestattung verweigern, bis ihm für den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird (nach den §§ 232 ff). Wenn der Vermieter etwa schon wieder Besitz an der vermieteten Wohnung erlangt hat, muss er gleichwohl dulden, dass der Mieter die Einbauküche ausbaut (vgl § 539 Abs. 2). Er kann allerdings die Gestattung verweigern, bis ihm für denkbare Schäden durch den Ausbau Sicherheit geleistet wird. Das Verweigerungsrecht begründet gleichsam ein Zurückbehaltungsrecht iSd § 273.[98]

4. Auskunfts- und Rechenschaftspflichten

a) Regelungscharakter der §§ 259-261

265

Die §§ 259, 260 haben einen engen Anwendungsbereich. Sie regeln vor allem Einzelheiten zu den Rechtsfolgen anderweitig begründeter Auskunfts- und Rechenschaftspflichten. § 260 Abs. 1 bildet auch die Anspruchsgrundlage für eine spezielle Auskunftspflicht gegen den Schuldner eines Herausgabeanspruchs. Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche sind in der Praxis deutlich bedeutsamer, als ihre eher stiefmütterliche Behandlung in den §§ 259 und 260 vermuten lässt.

b) Auskunftsansprüche – Zwecke und Rechtsgrundlagen

266

Oft ist es schwer, Ansprüche effektiv durchzusetzen, wenn man über bestimmte Informationen nicht verfügt und sich diese auch nicht alleine beschaffen kann. Wenn andere in unserem Interesse tätig werden, sind wir ebenfalls auf Auskünfte dieser Personen angewiesen, um zu sehen, ob unsere Interessen gewahrt sind. Auskunftspflichten schaffen Abhilfe bei solchen Schwierigkeiten. Sie dienen der Information des Berechtigten und setzen in der Regel einen Hauptanspruch (etwa auf Zahlung von Schadensersatz oder auch einer Vergütung) voraus.[99] Aus der dienenden Funktion der Auskunftsansprüche folgen wichtige Begrenzungen: So können Auskunftsansprüche grundsätzlich auch nur mit dem Hauptanspruch abgetreten werden – und werden mit dessen Abtretung regelmäßig mit abgetreten.[100] Wenn feststeht, dass der Hauptanspruch nicht besteht, kann auch kein Auskunftsanspruch entstehen. Und wenn der Hauptanspruch wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist, entfällt der Auskunftsanspruch mangels Informationsbedürfnis – obwohl er nach wohl hM selbständig verjährt.[101]

267

Das BGB kennt keine allgemeine Anspruchsgrundlage für Auskunftsansprüche.[102] Denn grundsätzlich muss niemand die Interessen und Anliegen anderer befördern. Auch liegt es in unserer Eigenverantwortung, uns die nötigen Informationen und Kenntnisse zur Durchsetzung möglicher Ansprüche zu besorgen. Nicht immer besteht also ein Anspruch auf Auskunft, wenn jemand ein Interesse an einer Auskunft hat. Auskunftsansprüche können sich jedoch aus einem Vertrag, aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) ergeben.

aa) Vertraglich begründete Auskunftsansprüche

268

Auskunftsansprüche können zunächst vertraglich begründet sein. Erstens kann die Auskunft als Hauptleistungspflicht primärer Vertragsgegenstand sein (Auskunftsvertrag). So kann beispielsweise ein Immobilienmakler sich verpflichten, Auskunft über die durchschnittlichen Mietpreise der von ihm in einer bestimmten Lage vermittelten Mietwohnungen in einer bestimmten Wohnlage zu erteilen. Die Auskunftspflicht kann aber zweitens auch vertragliche Nebenpflicht sein. Beispielsweise kann ein gewerblicher Mietvertrag eine Nebenpflicht des Mieters auf Auskunft über bestehende Untermietverhältnisse begründen, wenn der Vermieter verpflichtet ist, bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses in solche Untermietverhältnisse einzutreten.[103] Allerdings muss die Auskunftserteilung dem Verpflichteten auch zumutbar sein. Wenn sich Mitmieter in einem größeren Wohnhaus über das Verhalten eines Mieters beim gemeinsamen Vermieter beschweren, kann der Mieter vom Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses nicht Auskunft darüber verlangen, welche Mitmieter sich über den Mieter beschwert haben: Eine solche Auskunft könnte die Störung des Hausfriedens noch weiter verschärfen.[104]

bb) Gesetzliche Auskunftsansprüche

269

Das BGB beinhaltet viele spezifische Auskunftsansprüche. Praktisch sehr bedeutsam ist § 666: Der Beauftragte hat dem Auftraggeber auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen. Diese Pflicht trifft gem. § 675 auch den Geschäftsbesorger und gem. § 681 S. 2 auch den Geschäftsführer ohne Auftrag. Beim Auftrag, der Geschäftsbesorgung und der Geschäftsführung ohne Auftrag werden Personen jedenfalls auch im fremden Interesse tätig, woraus sich ein besonderes Informationsbedürfnis ergibt. Ein anderes wichtiges Beispiel bietet § 1379: Die Ehegatten können bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft die erforderlichen Auskünfte verlangen, die sie zur Berechnung ihrer konkreten Ansprüche gegeneinander benötigen. Wieder ein etwas anderes Ziel verfolgt der Auskunftsanspruch des neuen Gläubigers gegen den bisherigen Gläubiger bei der Forderungsabtretung in § 402: Ohne die nötigen Informationen zur Geltendmachung der Forderung kann dem neuen Gläubiger die Durchsetzung der Forderung erschwert werden. Auch in zahlreichen zivilrechtlichen Nebengesetzen sind besondere Auskunftspflichten zu finden, die zum Teil sehr weitreichend und detailliert sind (vgl etwa für den Bereich des Urheberrechts und des Patentrechts § 101 UrhG oder § 140b PatG).

cc) Auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Auskunftsansprüche (§ 242)

270

Auskunftsansprüche können sich aber auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) ergeben, wenn kein speziell geregelter Auskunftsanspruch einschlägig ist. Zwar gibt es im deutschen Privatrecht keine zentral geregelte allgemeine Auskunftspflicht. Auf Grundlage von § 242 bejaht die stRspr aber Auskunftspflichten, wenn sich aus der „Natur der Sache“ oder dem „Wesen des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses“ ergibt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen[105], die zur Beseitigung jener Ungewissheit geeignet sind.[106] Grundvoraussetzung eines aus § 242 abgeleiteten Auskunftsanspruchs ist eine besondere rechtliche Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem, also beispielsweise ein Vertrag, eine ähnliche geschäftliche Beziehung (vgl § 311 Abs. 2 Nr 3) oder ein gesetzliches Schuldverhältnis.[107] Oft soll die Auskunft vertragliche Schadensersatzansprüche vorbereiten. Dann muss aber zumindest ein begründeter Verdacht für eine Pflichtverletzung bestehen, die zu einem Schaden geführt hat.[108] Naheliegende und leicht zugängliche Informationswege muss der Berechtigte nutzen, sonst ist er nicht „in entschuldbarer Weise“ im Ungewissen.[109]

 

c) Rechenschaftsansprüche

271

Rechenschaftspflichten sind ein Unterfall der Auskunftspflichten.[110] Rechenschaftslegung meint die übersichtliche, schriftliche Zusammenstellung von Vorgängen, beispielsweise im Rahmen einer Verwaltung.[111] Auch Rechenschaftspflichten können durch Vertrag, Gesetz oder den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) begründet werden. § 259 begründet keine Rechenschaftspflicht, sondern setzt voraus, dass eine spezifische Rechenschaftspflicht anderweitig begründet ist, die eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung betrifft. Für diesen Fall muss der Verpflichtete eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorlegen. Inhaltlich geht der Anspruch also über die bloße Auskunftserteilung hinaus.

272

Gesetzliche Bestimmungen, die Rechenschaftspflichten begründen, finden sich zahlreich im BGB (und auch in vielen Nebengesetzen, vgl etwa § 87c HGB). Ein Beispiel bietet etwa § 556 Abs. 3: Der Vermieter muss über die Vorauszahlungen zu den Betriebskosten jährlich abrechnen. Ein weiteres Beispiel bietet § 666, der den Beauftragten auch zur Rechenschaft verpflichtet. Gleiches gilt für den geschäftsführenden Gesellschafter gem. § 713 iVm § 666. Die Rspr entnimmt den gesetzlichen Rechenschaftspflichten einen allgemeinen Grundsatz: Rechenschaftspflichtig ist, wer fremde Angelegenheiten oder solche, die zugleich fremde und eigene sind, besorgt.[112] Voraussetzung ist – wie bei den Auskunftsansprüchen – eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien.

273

§ 259 Abs. 1 regelt (lediglich) den Umfang einer bestehenden Rechenschaftspflicht über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung. Die Angaben müssen dem Berechtigten die eigenständige Überprüfung seiner Ansprüche ermöglichen.[113] § 260 Abs. 1 begründet eine besondere Auskunftspflicht – nämlich die Pflicht zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses –, wenn der Schuldner einen Inbegriff von Gegenständen herausgeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft erteilen muss. Ein „Inbegriff von Gegenständen“ beschreibt „jede Mehrheit von Vermögensgegenständen, Sachen wie Rechten oder Forderungen […] bei der der Berechtigte […] nicht in der Lage ist, die einzelnen Vermögensgegenstände zu bezeichnen […]“[114]. Ein solcher Inbegriff wird beispielsweise von einer Bibliothek oder einer Schallplattensammlung begründet. Das Bestandsverzeichnis muss wiederum die nötigen Informationen zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche aufweisen.

274

Sowohl die Zusammenstellungspflicht nach § 259 Abs. 1, als auch die Pflicht zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses nach § 260 Abs. 1 werden in ihrer Effektivität erheblich durch das Instrument der eidesstattlichen Versicherung gestärkt (§ 259 Abs. 2 und § 260 Abs. 2). Wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Pflicht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllt wurde, kann der Gläubiger verlangen, dass der Schuldner eine eidesstattliche Versicherung abgibt. Das gilt nach § 259 Abs. 3 bzw § 260 Abs. 3 nur dann nicht, wenn es nur um Angelegenheiten von geringfügiger Bedeutung geht. Als Durchsetzungsinstrument ist die eidesstattliche Versicherung vor allem deshalb effektiv, weil ihre falsche Abgabe mit Strafe bedroht ist (§§ 156, 161 StGB).[115] Manch wenig gewissenhafter Schuldner wird lieber seine Sorgsamkeit noch einmal erhöhen, als das Strafrisiko einzugehen.

275

Im Prozess werden Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung meist in Form einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchgesetzt:[116] Auf der ersten Stufe steht der Anspruch auf Auskunfts- oder Rechnungslegung. Nachdem über diesen Anspruch entschieden ist, wird gegebenenfalls auf zweiter Stufe über die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entschieden. Als dritte Stufe schließt sich gegebenenfalls die Verhandlung über den Hauptanspruch an.

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