BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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III. Leistung durch Dritte

Fall 27:

A schuldet B 1.000 Euro aus einem Kaufvertrag und befindet sich mit der Zahlung in Verzug. B freut sich darüber, weil er sich keine bessere „Geldanlagemöglichkeit“ als einen Schuldner in Verzug vorstellen kann. D, der Bruder des A, will die Schuld des A samt Zinsen bezahlen, weil er es hasst, wenn seine Familienmitglieder Schulden haben. Die Mutter des A informiert ihn von den Plänen des D. A will sich keinesfalls von D „aushalten“ lassen. Er ruft deshalb B an und verbietet ihm, das Geld des D anzunehmen. B kommt der „Bitte“ des A nach und lehnt die Annahme der Zahlung D gegenüber ab. Im Nachgang kommen ihm aber Zweifel, ob dies so clever war. Er fürchtet, dass er von A jetzt keine Verzugszinsen mehr verlangen kann. Zu Recht? Lösung Rn 318 und 329

Fall 28:

D spielt einen Golfball über eine Baumgruppe, da er denkt, dahinter befinde sich das Grün. Er war unachtsam und hat sich am Abschlag nicht hinreichend über die Spielbahn informiert. Tatsächlich befindet sich hinter der Baumgruppe ein Parkplatz, was D auch leicht hätte erkennen können. Als D seinen Ball sucht, fällt ihm auf, dass die Heckscheibe eines VW Polo zerbrochen ist. Er eilt direkt ins Clubhaus und findet dort G, den Besitzer des Polos. D ersetzt G den Schaden in Geld. Erst später stellt sich heraus, dass nicht D, sondern S den Schaden verursacht hat: Auch S hatte kurz zuvor aus Unachtsamkeit von einer anderen Bahn aus einen Ball auf den Parkplatz gespielt. Hat D Ansprüche gegen G oder S?

1. Grundlagen

314

Regelmäßig wird der Schuldner selbst die geschuldete Leistung erbringen. Das ist aber nicht immer so: Gelegentlich – wie Fall 27 illustriert – schalten sich auch Dritte ein, um die Leistung zu erbringen. Aus Sicht des Gläubigers scheint das auf den ersten Blick unproblematisch zu sein: In vielen Fällen kommt es nicht auf die persönliche Leistung an, so dass es dem Gläubiger egal sein kann, wer sie erbringt. § 267 lässt die Leistungserbringung durch Dritte daher grundsätzlich zu, wenn die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen ist. Auch verpflichtet die Norm den Gläubiger grundsätzlich zur Annahme der Leistung. Fragen der Rückabwicklung, also insbesondere ob der Dritte einen Regressanspruch gegen den Schuldner hat, lässt § 267 offen.

2. Voraussetzungen des § 267

a) Keine Pflicht des Schuldners, in Person zu leisten

315

Die Leistungsberechtigung des Dritten setzt gem. § 267 Abs. 1 S. 1 voraus, dass der Schuldner nicht in Person zu leisten hat (keine höchstpersönliche Leistungspflicht). Mit dieser tatbestandlichen Beschränkung will das Gesetz den Gläubiger davor schützen, dass die Leistung durch eine andere Person bewirkt wird, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Leistung gerade durch den Schuldner selbst erfolgt. Dafür kommt es entscheidend auf die Art des Schuldverhältnisses und die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände an. Unterlassungsansprüche (etwa auf Unterlassung ehrverletzender Aussagen) kann nur der Unterlassungsschuldner selbst erfüllen. Wenn es auf die individuellen Fähigkeiten ankommt, liegt ebenfalls eine höchstpersönliche Leistungspflicht nahe. Wenn beispielsweise Domkapellmeisterin D die Sopranistin S für einen Kantatengottesdienst als Solistin engagiert, kommt es D gerade darauf an, dass S singt und nicht irgendeine andere Sopranistin.

316

Oft ergibt sich auch aus dem Gesetz, dass bestimmte Schuldverhältnisse regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflichten begründen: So darf etwa bei einem Auftrag der Beauftragte die Ausführung grundsätzlich niemand anderem übertragen (§ 664 Abs. 1 S. 1). Auch hier liegt also grundsätzlich eine höchstpersönliche Leistungspflicht vor; anders ist es freilich, wenn die Übertragung gestattet ist (vgl § 664 Abs. 1 S. 2).

Ebenso wie beim Auftrag liegt es wegen der Verweisung des § 713 in das Auftragsrecht für die Gesellschafterpflichten bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie bei der Hinterlegung mit Blick auf die Leistungspflicht des Hinterlegers (vgl § 691). Auch Dienstverträge begründen regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflichten, wie sich aus § 613 ergibt. Sach- und Geldschulden sind hingegen regelmäßig unpersönlich.

b) Leistung eines Dritten

317

§ 267 greift nur bei Leistungen eines Dritten ein.

aa) Fremdtilgungswille, keine ausschließliche Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit

318

Dritter ist zunächst nur, wer zumindest auch zur Erfüllung der Leistungspflicht des Schuldners leistet, also Fremdtilgungswille hat.[27] Dafür kommt es – ähnlich wie bei der Auslegung von Willenserklärungen[28] – auf die (verobjektivierte) Perspektive des Leistungsempfängers an, also darauf, wie der Empfänger die Leistung verstehen durfte.[29] Wenn der Fremdtilgungswille fehlt, wird die Schuld nicht erfüllt; der Schuldner ist dann weiterhin zur Leistung verpflichtet. Der Dritte wiederum kann das Geleistete grundsätzlich aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 beim Gläubiger kondizieren.

In Fall 27 durfte Gläubiger B das Zahlungsangebot des D so verstehen, dass D ausschließlich zur Erfüllung der Leistungspflicht des A zahlen wollte. Fremdtilgungswille liegt vor. Damit lag eine Drittleistung iSd § 267 vor.

319

Wer dagegen ausschließlich zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten leistet, ist nicht Dritter iSd § 267. So leisten beispielsweise Bürgen (vgl § 774) oder Gesamtschuldner (§ 426) ausschließlich auf ihre eigene Verbindlichkeit (und nicht etwa auf die Pflicht des Hauptschuldners bei der Bürgschaft bzw. der Pflichten der anderen Gesamtschuldner). Auch wer eine nur vermeintlich bestehende eigene Schuld tilgen möchte (Putativschuldner), ist nicht Dritter iSd § 267.[30]

In Fall 28 ging D davon aus, selbst die Heckscheibe des G zerstört zu haben. Indem D dem G den Schaden ersetzt hat, wollte er erkennbar nicht die Schuld der S tilgen. Er glaubte irrtümlich, selbst zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Somit liegt kein Fall von § 267 vor.

bb) Keine „Schuldnerzugehörigkeit“ des Dritten (Hilfspersonen)

320

Kein Dritter iSd § 267 ist, wer im Namen des Schuldners (also als Vertreter) oder als seine Hilfsperson (Erfüllungsgehilfe iSd § 278) handelt. Vertreter oder Erfüllungsgehilfen gehören bei wertender Betrachtung zum Schuldner; Leistungen solcher Personen können dem Schuldner daher ohnehin zugerechnet werden.

cc) Kein Einwilligungserfordernis des Schuldners

321

§ 267 Abs. 1 S. 2 zufolge ist für die Leistungsberechtigung des Dritten keine Einwilligung des Schuldners erforderlich. Der Schuldner kann die Drittleistung also nicht verhindern. Aus der fehlenden Einwilligung allein ergibt sich auch kein Ablehnungsrecht des Gläubigers. Der Gläubiger gerät daher in Annahmeverzug (§§ 293 ff), wenn er das Drittleistungsangebot zurückweist. Das gilt nur dann nicht, wenn ihm ein Ablehnungsrecht zusteht (§ 267 Abs. 2, dazu sogleich).

dd) Ablehnungsrecht des Gläubigers bei Schuldnerwiderspruch (§ 267 Abs. 2)

322

§ 267 Abs. 2 gibt dem Gläubiger ein Ablehnungsrecht, wenn der Schuldner der Drittleistung widerspricht. Verpflichtet ist der Gläubiger zur Ablehnung aber nicht (nach dem Wortlaut der Norm kann der Gläubiger die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht), er kann die Drittleistung vielmehr trotz des Widerspruchs auch annehmen. Nur im Zusammenspiel mit dem Gläubiger kann der Schuldner die Drittleistung also verhindern – ohne Mithilfe des Gläubigers dagegen nicht. Das Gesetz mutet dem Schuldner also zu, die „Einmischung“ des Dritten in eigene Angelegenheiten hinzunehmen, wenn sie dem Gläubiger recht ist. Wenn ein Ablehnungsrecht nach § 267 Abs. 2 vorliegt, gerät der Gläubiger durch die Ablehnung der Leistung nicht in Annahmeverzug gem. §§ 293 ff.

 

ee) Effektive Leistungsbewirkung (keine Erfüllungssurrogate)

323

§ 267 gibt dem Dritten nur ein Recht zur effektiven Leistungsbewirkung durch Erfüllung (§ 362). Dagegen ist er nicht zur Vornahme von Erfüllungssurrogaten (wie der Aufrechnung oder der Hinterlegung) berechtigt. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 268 Abs. 2: Danach steht dem Dritten zu, den Gläubiger auch durch Hinterlegung und Aufrechnung zu befriedigen, wenn ihm ein Ablösungsrecht iSd § 268 zusteht.[31] Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ohne ein solches Ablösungsrecht keine entsprechende Berechtigung des Dritten besteht.

3. Rechtsfolgen der Drittleistung

324

Wenn der gem. § 267 leistungsberechtigte Dritte mit Tilgungswillen geleistet hat, erlischt insoweit die Schuld. Die weiteren Konsequenzen sind nicht in § 267 geregelt. Denkbar ist, dass der Dritte im Innenverhältnis vom Schuldner Aufwendungsersatz (beispielsweise nach dem Auftragsrecht oder den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag) verlangen kann.

325

Wenn jemand auf eine nur vermeintlich bestehende Schuld geleistet hat (Putativschuldner) greift § 267 nicht ein (s. schon oben). Daher wird die tatsächlich bestehende Schuld des Schuldners durch die Zahlung des Putativschuldners grundsätzlich nicht getilgt. Dem Putativschuldner stehen dann auch keine Bereicherungsansprüche gegen den Schuldner zu, sondern nur gegen den Gläubiger.[32] In manchen Fällen ist damit den Interessen des Putativschuldners nicht optimal gedient, etwa wenn der Gläubiger zahlungsunfähig ist, nicht aber der Schuldner. Der BGH kommt diesen Interessen des Putativschuldners entgegen: Er hält es für möglich, dass der Putativschuldner in den Grenzen von Treu und Glauben eine nachträgliche Tilgungsbestimmung trifft und damit die Tilgungswirkung des § 267 nachträglich herbeiführt.[33] So wird dem Putativschuldner der Regress beim Schuldner aus ungerechtfertigter Bereicherung ermöglicht.[34] Das ist in der Lehre allerdings auf teils heftige Kritik gestoßen:[35] Es sei unbillig, dass der Putativschuldner sich aussuchen kann, ob er lieber den Schuldner in Anspruch nimmt (durch nachträgliche Tilgungsbestimmung) oder aber den Gläubiger (keine nachträgliche Tilgungsbestimmung).

Im Fall 28 hat D an G geleistet, da er irrtümlich davon ausging, zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Eine Tilgungsbestimmung, auf die Schuld der tatsächlich schadenersatzpflichtigen S zu leisten, lag nicht vor. Die rechtsgrundlose Leistung kann D gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. von G kondizieren. Nach der Rechtsprechung kann D jedoch auch durch eine nachträgliche Tilgungsbestimmung die Rechtsfolgen des § 267 auslösen. Damit kommt seiner Leistung an G Erfüllungswirkung zu. Er kann dann S aus Bereicherungsrecht in Anspruch nehmen (§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt.; sog. Rückgriffskondiktion).

4. Ablösungsrecht des Dritten (§ 268)

326

Wenn einem Dritten durch die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner besondere Gefahren drohen, kann er besonders daran interessiert sein, den Gläubiger zu befriedigen – eben um diese Gefahren für seine Interessen abzuwenden. Dieses Interesse ist in § 268 dadurch berücksichtigt, dass sein Leistungsrecht gegenüber der allgemeinen Regel des § 267 gestärkt wird. Das in § 268 vorgesehene Ablösungsrecht des Dritten besteht ohne Widerspruchsmöglichkeit des Schuldners (§ 267 Abs. 2) und verschafft dem Dritten auch die Inhaberschaft an der Forderung (gesetzlicher Forderungsübergang).

327

§ 268 setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in einem dem Schuldner gehörenden Gegenstand betrieben wird. Für dingliche Sicherungsrechte sieht das Gesetz ähnliche Ablösungsrechte vor (für die Hypothek: §§ 1142 f, 1150; für das Pfandrecht §§ 1249, 1273). Deshalb ist § 268 nach hM darauf beschränkt, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung betrieben wird (also gem. §§ 803 ff ZPO).[36] Die Zwangsvollstreckung wird betrieben, wenn ein Vollstreckungsantrag des Gläubigers gestellt wurde; das Ablösungsrecht endet mit Abschluss der Vollstreckung. Dem Dritten muss durch die Vollstreckung der Verlust eines dinglichen Rechts (beispielsweise eines Pfandrechts oder einer Hypothek) an dem Gegenstand oder des Besitzes an dem Gegenstand (§ 268 Abs. 1 S. 2) drohen. Hauptanwendungsfall des § 268 Abs. 1 S. 2 ist der Besitz des Mieters: Stellen Sie sich vor, dass die an Sie vermietete Wohnung zwangsversteigert wird. In diesem Fall hat der Erwerber ein Kündigungsrecht gem. § 57a ZVG – er könnte Sie also „vor die Tür setzen“. Um das zu verhindern, gewährt das Gesetz dem Mieter ein Ablösungsrecht: Sie könnten also die Schulden Ihres Vermieters bezahlen, um den Besitzverlust zu verhindern.

328

Unmittelbare Rechtsfolge des § 268 ist gem. § 268 Abs. 1 S. 1 das Ablösungsrecht des Dritten, das ihm ein Befriedigungsrecht gibt, bei dem der Widerspruch des Schuldners keine Konsequenzen hat. § 267 Abs. 2 ist dadurch ausgeschaltet. Die Rechtsposition des Dritten ist ferner dadurch gestärkt, dass er anders als bei § 267 die Befriedigung auch durch Hinterlegung und Aufrechnung vornehmen kann (§ 268 Abs. 2). Und schließlich kommt es gem. § 268 Abs. 3 zu einem gesetzlichen Forderungsübergang iSd § 412, soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt. Der Forderungsübergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Der Gläubiger soll durch die Drittleistung also nicht schlechter stehen. Das hat vor allem Bedeutung bei anteiliger Befriedigung durch den Dritten. So führt der Forderungsübergang bei teilweiser Zahlung auf Hypotheken oder Grundschulden zu einem Nachrangverhältnis des Dritten zugunsten des Gläubigers.[37]

5. Lösung Fall 27

329

B könnte gegen A einen Anspruch auf die Zahlung weiterer Verszugszinsen aus §§ 288 Abs. 1, 286 haben.

I. A war im Schuldnerverzug.

II. Der Schuldnerverzug könnte durch den Annahmeverzugs des B beendet worden sein, weil der Annahmeverzug des Gläubigers den Schuldnerverzug über dieselbe Schuld ausschließt.[38]

1. D hat B die Zahlung tatsächlich iSd § 294 angeboten. Gem. § 267 Abs. 1 kann die Leistung auch durch Dritte erfolgen. Nach § 267 Abs. 1 S. 2 ist dafür keine Einwilligung des Schuldners erforderlich. Eine höchstpersönliche Leistungspflicht besteht nicht. B hat das Zahlungsangebot auch zurückgewiesen.

2. Der Annahmeverzug könnte aber gem. § 267 Abs. 2 ausgeschlossen sein. Gem. § 267 Abs. 1 S. 2 ist zwar eine Einwilligung oder Erlaubnis des Schuldners für die Drittzahlung nicht erforderlich. Wenn der Schuldner aber widerspricht, hat der Gläubiger ein Ablehnungsrecht. A hat der Zahlung des D widersprochen, so dass B gem. § 267 Abs. 2 zur Ablehnung berechtigt war. B war daher nicht im Gläubigerverzug.

3. Der Schuldnerverzug des A ist also nicht durch den Gläubigerverzug ausgeschlossen.

Ergebnis: B hat gegen A weiterhin Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen aus §§ 288, 286 Abs. 1.

Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 6 Modalitäten der Leistungserbringung › IV. Teilleistungen (§ 266)

IV. Teilleistungen (§ 266)

Fall 29:

A schuldet B die Lieferung von fünf Kaninchen. Diese sollen allesamt aus einem Wurf stammen, welcher in Kürze erfolgen soll.

a) A und B haben bei Abschluss des Vertrags vereinbart, dass A einzelne Kaninchen zurückhalten darf, wenn dessen Tochter bestimmte Kaninchen besonders süß findet. Die Tochter des A findet nach erfolgtem Wurf zwei Kaninchen besonders süß.

b) Aus dem Wurf haben nur drei Kaninchen überlebt.

A bietet nunmehr dem B drei Kaninchen an. B weigert sich, die drei Kaninchen anzunehmen und besteht auf Lieferung von fünf Kaninchen. Es ergebe sich nämlich aus dem BGB, dass er Teilleistungen nicht anzunehmen brauche. Dadurch entstehen dem A in der Folgezeit Fütterungskosten in Höhe von 30 Euro.

A möchte nun von einem befreundeten Jurastudenten wissen, ob er diese Kosten von B ersetzt verlangen kann? Lösung Rn 340

1. Grundlagen

330

Bei teilbaren Leistungen (also etwa der Lieferung von fünf Kaninchen wie in Fall 29) kann der Schuldner daran interessiert sein, die Leistung „in Häppchen“ zu erbringen. Dem Gläubiger wird das dagegen im Regelfall eher lästig sein. Sein Interesse geht vielmehr dahin, die ganze Leistung gleich „am Stück“ zu erhalten und sich nicht auf häppchenweise Lieferung einlassen zu müssen. Diesen Interessenkonflikt entscheidet § 266 grundsätzlich zugunsten des Gläubigers: Der Schuldner ist, so sagt die Norm, zu Teilleistungen nicht berechtigt. Das Gesetz schützt das Gläubigerinteresse, nicht unzumutbar belästigt zu werden und durch Teilleistungen erhöhten Zeitaufwand zu haben.[39]

331

§ 266 schweigt darüber, ob der Gläubiger Teilleistungen verlangen und einklagen kann. Daran kann er interessiert sein, etwa, um Gerichtsgebühren zu sparen. Nach allgemeiner Meinung steht dem Gläubiger dieses Recht zu, freilich nur in den Grenzen von Treu und Glauben, also ohne etwa den Schuldner dadurch zu schikanieren.[40]

 

2. Teilbarkeit der Leistung

332

§ 266 setzt voraus, dass die Leistung teilbar ist. Das ist der Fall, wenn die Leistung ohne Wertminderung oder Gefahren für den jeweiligen Leistungszweck geteilt werden kann. Maßgeblich sind das jeweilige Rechtsgeschäft und die Verkehrsanschauung. Teilbar sind zB Geldschulden sowie die Verpflichtung zur Lieferung mehrerer Sachen (vgl Fall 29) oder größerer Warenlieferungen (etwa 20 Tonnen Mehl). Nicht teilbar ist etwa die Verschaffung des Eigentums oder eines Rechts.[41] Technische Teilbarkeit ist nicht entscheidend: Auch die Lieferung eines Autos mag teilbar sein, aber wer ein Auto kauft, erwartet zu Recht keinen Bausatz mit Millionen Einzelteilen. Die Leistungspflicht kann auch hinsichtlich mehrerer Komponenten teilbar sein. Insbesondere lässt sich die Pflicht des Verkäufers zur mangelfreien Leistung aus § 433 Abs. 1 S. 2 von der Pflicht zur Übergabe und Übereignung (aus § 433 Abs. 1 S. 1) trennen. Wird die verkaufte Sache mangelhaft übergeben und übereignet, hat der Verkäufer seine Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 (S. 1 und 2) nur teilweise erfüllt: Die Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 ist erfüllt, nicht aber die Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2. In diesen Fällen spricht man – weil es bei Mängeln nicht um die Quantität, sondern um die Qualität einer Sache geht – auch von „qualitativer Teilleistung“.[42]

3. Begriff der Teilleistung

333

Eine Teilleistung ist jede Leistung, die hinter der vollständigen Leistungspflicht des Schuldners zurückbleibt. So liegt es, wenn statt zehn Tonnen Mehl nur fünf geliefert werden, wenn die Sängerin statt der versprochenen zehn Lieder nur sechs zum Besten gibt oder wenn der Monteur statt der vereinbarten fünf Heizkörper nur vier montiert.

4. Konsequenzen der Teilleistung entgegen § 266

334

§ 266 ist unter anderem für den Schuldner- und den Gläubigerverzug relevant: Wenn der Schuldner entgegen § 266 nur eine Teilleistung anbietet, kann der Gläubiger die Teilleistung zurückweisen, ohne in Annahmeverzug gem. §§ 293 ff zu geraten. Umgekehrt kann der Schuldner, wenn die entgegen § 266 angebotene Teilleistung zurückgewiesen wird, in Schuldnerverzug kommen (§ 286). Die weiteren Rechte des Gläubigers entsprechen der Situation, in der überhaupt kein Leistungsangebot erfolgt. Der Gläubiger kann also grundsätzlich die Gegenleistung gem. § 320 verweigern, für die Leistung eine Frist setzen und nach deren Ablauf vom gesamten Vertrag zurücktreten (§ 323) oder auch Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen (§ 281). Auch kann § 286 erfüllt sein, so dass der Schuldner gegebenenfalls Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, Abs. 2 leisten muss.

335

Der Gläubiger kann die Teilleistung allerdings auch annehmen, denn § 266 begründet nur ein Recht, nicht aber eine Pflicht zur Annahmeverweigerung. Nimmt er die Teilleistung an, kann er vom ganzen Vertrag nur dann zurücktreten (bzw Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen), wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat (§§ 323 Abs. 5 S. 1, 281 Abs. 1 S. 2).[43] Diese Grenzen gelten freilich nicht für den ausgebliebenen Leistungsteil; insoweit kann der Gläubiger schlicht eine Frist setzen und nach deren Ablauf aus § 323 Abs. 1 bzw §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 1. Alt. vorgehen.

Teised selle autori raamatud