BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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Teil I Grundlagen › § 2 Überblick und Systematik des Schuldrechts

§ 2 Überblick und Systematik des Schuldrechts

Inhaltsverzeichnis

I. Das Schuldverhältnis als rechtliche Sonderverbindung

II. Allgemeiner und Besonderer Teil des Schuldrechts

III. Schuldverhältnisse: Begriff, Einteilung und Abgrenzung

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Fall 5

(nach BGH NJW-RR 2017, 272): Hauseigentümer E fuhr auf Kur, sein Nachbar N versorgte während seines Kuraufenthalts das Haus und bewässerte den Garten. Leider drehte er leicht fahrlässig nach der Gartenbewässerung nur die Spritze am Schlauch zu, nicht aber den Wasserhahn. Der Wasserdruck löste den Schlauch aus der Spritze, das austretende Wasser drang in das Untergeschoss des Hauses und verursachte erhebliche Schäden. Die Gebäudeversicherung regulierte den Schaden des E, nahm jedoch N und seine Haftpflichtversicherung auf Ersatz dieser Schäden in Anspruch.

Fall 6 (nach BGH NJW 1974, 1705):

A, B und C schlossen sich zu einer Lottogemeinschaft zusammen, bei der A und B dem C wöchentlich ihren Wetteinsatz gaben und C im eigenen Namen den Lottoschein mit bestimmten festliegenden Zahlenreihen ausfüllte und zur Annahmestelle brachte. Auf Grund beruflicher Verpflichtungen kam C vor einer Ausspielung der Abrede nicht nach, wodurch der Lottogemeinschaft ein Gewinn iHv ca 10.000 Euro entging. Können A und B Schadensersatz von C verlangen?

Teil I Grundlagen › § 2 Überblick und Systematik des Schuldrechts › I. Das Schuldverhältnis als rechtliche Sonderverbindung

I. Das Schuldverhältnis als rechtliche Sonderverbindung

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Das zweite Buch des BGB befasst sich mit dem Recht der Schuldverhältnisse. Schuldverhältnisse bestehen paradigmatisch zwischen zwei Personen – dem Schuldner[1] und dem Gläubiger. Den Kern des Schuldverhältnisses beschreibt § 241 Abs. 1 S. 1: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.“ Im Fokus des Schuldrechts steht also das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner, das den Gläubiger zur Forderung einer Leistung vom Schuldner berechtigt. Das in § 241 Abs. 1 S. 1 beschriebene Forderungsrecht entspricht der Definition des Anspruchs in § 194 Abs. 1. § 241 Abs. 1 verdeutlicht, dass der Schuldner zur Leistung auch dann verpflichtet ist, wenn der Gläubiger gar kein geldwertes Interesse an der Leistung hat.[2]

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§ 241 Abs. 1 S. 1 spricht das Recht des Gläubigers an. Dieses Recht impliziert eine Pflicht des Schuldners.[3] Beispielsweise impliziert das Recht des Verkäufers, vom Käufer Kaufpreiszahlung zu verlangen (§ 433 Abs. 2), die Pflicht des Käufers, den Kaufpreis zu zahlen. Der Anspruch auf die Leistung und die Pflicht zur Leistung sind gleichsam zwei Seiten einer Medaille.

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Schuldverhältnisse verbinden durch diese Relation von Recht und Pflicht zwei Personen auf besondere Art und Weise. Wir haben natürlich auch ohne Schuldverhältnisse Rechte und Pflichten, sogar allen anderen Personen gegenüber (erga omnes). Das setzt § 823 Abs. 1 voraus: Wir alle haben ein Recht gegen alle anderen, dass uns niemand grundlos vorsätzlich oder fahrlässig an Leben, Körper oder Gesundheit verletzt. Um solche absoluten Rechte geht es im Schuldrecht aber nicht, solange eine solche Verletzung nicht erfolgt ist oder zumindest droht. Vielmehr betrifft das Schuldrecht besondere Rechte und Pflichten, die auf einer engeren Beziehung zweier Personen beruhen und nur zwischen ihnen (inter partes) bestehen (Relativität der Schuldverhältnisse[4]).

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Zweipersonenverhältnisse sind das Paradigma des Schuldrechts. Dieses Paradigma ist freilich häufig durchbrochen, wenn Dritte im Schuldrecht eine Rolle spielen.[5]

In Fall 6 könnte ein Schuldverhältnis zwischen allen drei Teilnehmern der Lottogemeinschaft bestehen. Ersichtlich handelt es sich zwar nicht um ein Verhältnis nur zweier Personen. Fragt man nach Ansprüchen der A und B gegen C, wird aber deutlich, dass A und B einerseits dem C als mögliche Gläubiger der denkbaren Ansprüche gegenüberstehen, C seinerseits als möglicher Schuldner A und B gegenüber. Damit ist auch hier die Prüfung etwaiger Ansprüche auf das Paradigma der Zweipersonenverhältnisse hin geordnet.

Teil I Grundlagen › § 2 Überblick und Systematik des Schuldrechts › II. Allgemeiner und Besonderer Teil des Schuldrechts

II. Allgemeiner und Besonderer Teil des Schuldrechts

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Das Klammerprinzip ist ein rechtstechnisches Markenzeichen des deutschen BGB, das sich am deutlichsten in seinem Allgemeinen Teil (1. Buch des BGB) zeigt, der diejenigen allgemeinen Regeln vor die Klammer zieht, die grundsätzlich für das gesamte BGB gelten sollen. Aber auch das 2. Buch des BGB wendet bei Schuldverhältnissen erneut das Klammerprinzip an: Das Allgemeine Schuldrecht, also die §§ 241 bis 432, zieht Regeln wie bei einer mathematischen Gleichung der Form „xa + xb = x (a + b)“ vor die Klammer. Diese Regeln finden auf alle „in die Klammer“ einbezogenen Schuldverhältnisse Anwendung – unabhängig vom Entstehungsgrund der Schuld. Beispielsweise gilt die Regel des § 266, wonach der Schuldner im Zweifel nicht zu Teilleistungen berechtigt ist, für alle im Besonderen Schuldrecht normierten Schuldverhältnisse (also etwa für Kauf- oder Werkverträge ebenso wie für deliktische Schuldverhältnisse beispielsweise aus § 823 Abs. 1). Allerdings sind viele Normen des Allgemeinen Schuldrechts vor allem auf Verträge zugeschnitten und spielen in der Praxis des Rechts auch meist nur bei ihnen eine Rolle (Beispiele: §§ 243, 267, 364).

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Im Besonderen Teil des Schuldrechts, der mit dem 8. Abschnitt des 2. Buchs beginnt, finden sich sodann besondere Regeln für spezifische Schuldverhältnisse. Das bringt der Titel des 8. Abschnitts „Einzelne Schuldverhältnisse“ anschaulich zum Ausdruck. Zu diesen gehören zunächst vor allem vertragliche Schuldverhältnisse. So ist ab § 433 der Kaufvertrag als Paradigma des gegenseitigen Austauschvertrags geregelt. Die wichtigsten gesetzlichen Schuldverhältnisse sind in Titel 26 (Ungerechtfertigte Bereicherung) und Titel 27 (Unerlaubte Handlungen) geregelt.

Teil I Grundlagen › § 2 Überblick und Systematik des Schuldrechts › III. Schuldverhältnisse: Begriff, Einteilung und Abgrenzung

III. Schuldverhältnisse: Begriff, Einteilung und Abgrenzung

1. Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinn

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Wenn § 241 Abs. 1 S. 1 von der Berechtigung des Gläubigers spricht, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, so nimmt die Norm ebenso wie § 194 Abs. 1 eine spezifische Rechtsposition in den Blick, nämlich den Anspruch des Gläubigers. Mit ihm korreliert die Pflicht des Schuldners, die jeweilige Leistung zu erbringen. Dieser Anspruch und die mit ihm korrelierende Pflicht werden auch als Schuldverhältnis im engeren Sinn bezeichnet.[6]

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Der Begriff des Schuldverhältnisses kann jedoch auch in einem weitergehenden Sinn verwendet werden, der über Anspruch und Pflicht iSd §§ 241 Abs. 1 S. 1 und 194 Abs. 1 hinausgeht: Weder § 241 Abs. 1 S. 1 noch § 194 Abs. 1 bezeichnen weitere Rechte und Pflichten, die sich aus der engen Beziehung von Schuldner und Gläubiger ergeben können. Auf sie weist aber schon § 241 Abs. 2 hin, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann (Schutzpflichten). Wer einen Maler damit beauftragt, die Wand eines Zimmers zu streichen, hat einen Anspruch gegen den Maler, dass er ebendies tut. Aber er hat gem. § 241 Abs. 2 auch ein ganzes Bündel weiterer Rechte: Darauf, dass der Maler die Einrichtungsgegenstände des Zimmers nicht beschädigt oder dass er keine Wertgegenstände klaut und so fort. Der Maler kann auch zur Aufklärung bzgl etwaiger Gesundheitsgefahren verpflichtet sein, die beispielsweise aus dem Einsatz bestimmter Lacke resultieren können.

 

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Mit dem Schuldverhältnis im weiteren Sinn ist das gesamte komplexe Bündel rechtlicher Relationen gemeint, das aus der konkreten engeren Beziehung zwischen (paradigmatisch) zwei Personen resultiert.

Dazu gehören die von § 241 Abs. 1 S. 1 in den Blick genommenen Forderungsrechte (und die mit ihnen korrelierenden Pflichten), aber dazu gehören vor allem auch die in § 241 Abs. 2 beschriebenen Schutzpflichten. Letztere können auch schon im Vorfeld eines Schuldverhältnisses bestehen (vgl § 311 Abs. 2) und sie enden nicht, wenn die Leistungspflicht iSd § 241 Abs. 1 S. 1 erloschen ist. Beispielsweise kann der Verkäufer eines Backofens gem. § 241 Abs. 2 verpflichtet sein, für eine gewisse Zeit Ersatzteile vorrätig zu halten. Die konkrete Zeitspanne, für die der Verkäufer verpflichtet ist, hängt vom jeweiligen Produkt und seiner üblichen Lebensdauer ab.[7] Er kann auch zur Warnung oder zum Rückruf verpflichtet sein,[8] etwa, wenn er nach der Erfüllung Kenntnis davon erlangt, dass ein Dauerbetrieb des Backofens für mehrere Stunden mit einer erheblichen Explosionsgefahr einhergeht. Relevant ist das vor allem bei technischen oder auch chemischen Produkten.[9] Typische Anwendungsfälle sind etwa Produktbeobachtungspflichten von KFZ-Herstellern.[10]

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Das BGB verwendet den Begriff „Schuldverhältnis“ je nach Regelungskontext sowohl mit der Bedeutung „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ als auch in der Bedeutung von „Schuldverhältnis im engeren Sinn“. Welche Bedeutung vorliegt, ergibt sich im Wege der Auslegung, wobei der jeweilige Regelungsgegenstand und -kontext meist problemlos weiterhelfen. So meint § 362 Abs. 1 nicht das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, sondern bloß das Schuldverhältnis im engeren Sinne, wenn er davon spricht, dass das „Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.“ Andernfalls ließe sich nicht begründen, weshalb es nachwirkende Nebenpflichten und Schutzpflichten (wie etwa zum Produktrückruf oder zur Bereithaltung von Ersatzteilen) auch noch nach Erfüllung gibt. Demgegenüber ist beispielsweise in § 311 Abs. 1 vom Schuldverhältnis im weiteren Sinne die Rede, wenn der Vertrag als regelmäßiges Erfordernis für die Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft bezeichnet wird.

2. Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse

a) Überblick

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Schuldverhältnisse können nach ihrem Entstehungsgrund in rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse eingeteilt werden. Die Regeln des Allgemeinen Schuldrechts gelten grundsätzlich sowohl für rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse als auch für gesetzliche Schuldverhältnisse. Das ergibt sich aus dem Klammerprinzip, das im BGB auch im Schuldrecht eingesetzt ist, um den Rechtsstoff zu ordnen.[11] Allerdings gibt es Teile des Allgemeinen Schuldrechts, die sich nur auf rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse beziehen (etwa §§ 305-310) oder auch nur auf Verträge (§§ 311-361) oder auf gegenseitige Verträge (§§ 320-326).

b) Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse

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Die im Schuldrecht fokussierte enge Beziehung zwischen zwei Personen kann insbesondere auf Rechtsgeschäften beruhen.

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Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen, wenn und weil ein Rechtsgeschäft zwischen mindestens zwei Personen vorliegt. Fast immer ist damit ein Vertrag gemeint. Verträge spielen für unser Leben eine wichtige Rolle: Viele Menschen haben als Mieter einer Wohnung ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis mit einem Vermieter (§ 535). Oft schließen wir Kaufverträge (§ 433) ab. Wenn jemand eine Malerin engagiert, damit sie sein Haus tapeziert, liegt ein Werkvertrag (§ 631) vor.

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In ökonomischer Perspektive sind Verträge unverzichtbar, um die Verteilung knapper Ressourcen zu steuern. Verträge bilden eine zentrale Grundlage für Märkte, auf denen Güter und Dienstleistungen ausgetauscht werden. Natürlich sind funktionsfähige Märkte auch etwa auf kartellrechtliche- und wettbewerbsrechtliche Regeln angewiesen. Die schuldrechtlichen Regelungen bilden aber jedenfalls eine wichtige Grundlage für jede Form der Marktwirtschaft. Verträge können die Gesamtwohlfahrt einer Volkswirtschaft erhöhen. Sie verteilen auch Chancen, Risiken und Vermögen. Die Regeln des Schuldrechts tragen zu dieser Verteilung erheblich bei.[12] Dabei werden sie natürlich von einer Reihe anderer Regeln unterstützt – etwa von steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Bestimmungen.

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Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen grundsätzlich aus einem zweiseitigen, also beide Seiten verpflichtenden Rechtsverhältnis. In seltenen Fällen entsteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis aber auch aus einem einseitigen Rechtsverhältnis. Das wichtigste Beispiel ist die Auslobung (§ 657). Eine Auslobung liegt etwa dann vor, wenn ich per Zettelausschlag in der Nachbarschaft dem Finder meiner Katze 50 Euro verspreche, wenn er sie mir bringt. Allein darin liegt jedoch noch kein Schuldverhältnis: Die Aussetzung der Belohnung hat noch keine enge Beziehung zwischen zwei konkreten Personen geschaffen – jeder, der die Katze findet und mir bringt, kommt in Betracht. Das ändert sich erst, wenn der Erfolg eingetreten oder die Handlung ausgeführt ist: Dann ist zwischen der ausführenden Person und der die Belohnung aussetzenden Person ein Schuldverhältnis entstanden. Das zeigt die Rechtsfolge des § 657: Der Aussetzende ist dem Handelnden verpflichtet, die Belohnung zu entrichten. Diese Pflicht ist ein Schuldverhältnis iSd § 241 Abs. 1 (ein Schuldverhältnis im engeren Sinn) und zugleich Bestandteil eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinn.

c) Gesetzliche Schuldverhältnisse

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Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen allein durch ein Gesetz, ohne dass dafür ein Rechtsgeschäft erforderlich wäre. Nötig ist nur, dass der Tatbestand des jeweiligen Gesetzes erfüllt ist. Die wichtigsten gesetzlichen Schuldverhältnisse im BGB sind die deliktischen und die bereicherungsrechtlichen Schuldverhältnisse.

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Die im Schuldrecht fokussierte Sonderverbindung ergibt sich dann unmittelbar aus dem Gesetz. So können unerlaubte Handlungen (Delikte) ein Schuldverhältnis begründen. Unerlaubte Handlungen sind vor allem in den §§ 823 f, 826 geregelt. § 823 Abs. 1 knüpft etwa eine Schadensersatzpflicht daran, dass eine Person rechtswidrig und schuldhaft ein bestimmtes Rechtsgut einer anderen Person verletzt. Beispiele bieten die vorsätzliche Körperverletzung einer Person durch eine andere Person und die vorsätzliche Sachbeschädigung. Wenn ich absichtlich Kaffee über Ihr Smartphone schütte und es dadurch zerstöre, ist der Tatbestand des § 823 Abs. 1 erfüllt – ich habe rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum einer anderen Person verletzt. Allein durch mein deliktisches Tun ist ein Schuldverhältnis iSd § 241 zwischen mir und der geschädigten Person entstanden. Auf dieses Schuldverhältnis finden nach seiner Entstehung die Regeln des Allgemeinen Schuldrechts Anwendung. So beurteilt sich beispielsweise nach den §§ 249 ff, auf welche Weise und in welcher Höhe ich Schadensersatz leisten muss.[13]

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Auch deliktische Schuldverhältnisse bringen Schutzpflichten iSd § 241 Abs. 2 mit sich. Das gilt allerdings erst ab dem Moment ihrer Entstehung. Ein Beispiel sind Schutzpflichten bei der Schadensersatzleistung durch Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1. So könnte ich im Kaffee-Smartphone-Beispiel als Smartphone-Experte Schadensersatz gem. § 249 Abs. 1 dadurch leisten, dass ich das Smartphone selbst repariere. Darauf muss sich der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 S. 1 freilich nicht einlassen. Er kann auf Schadensersatz in Geld bestehen.[14] Wenn sich der Geschädigte gleichwohl auf die Reparatur durch den Schädiger einlässt, ist er durch Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 zusätzlich geschützt. Wenn ich die Reparatur des Smartphones auf Ihrem Holztisch vornehme, so trifft mich etwa die Pflicht, während der Reparatur keine ätzenden Flüssigkeiten auf Ihren Holztisch zu spritzen.

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Auch die seit dem SMG 2002[15] in § 311 Abs. 2 geregelte culpa in contrahendo (Haftung aus geschäftlichem Kontakt) ist in der Systematik des BGB seitdem den gesetzlichen Schuldverhältnissen zuzuordnen.[16] Denn das Schuldverhältnis aus culpa in contrahendo entsteht, wenn die Voraussetzungen des § 311 Abs. 2 erfüllt sind. Danach können Schuldverhältnisse mit Nebenpflichten iSd § 241 Abs. 2 durch geschäftliche Kontakte entstehen – insbesondere durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder bei der Anbahnung von Verträgen. Ihren Funktionen nach steht die culpa in contrahendo allerdings zwischen den rechtsgeschäftlichen und den gesetzlichen Schuldverhältnissen. Ihr zentraler Regelungsort, § 311 Abs. 2, zeigt vor allem in den Nr 1 und 2, dass die culpa in contrahendo die vertragliche Haftung im Vorfeld „ergänzt“, obwohl ein Vertrag eben nur „fast“ besteht – eben, weil es erst zu Verhandlungen über einen Vertrag oder zu seiner Anbahnung gekommen ist (aber noch nicht unbedingt zu einem Vertrag). Allerdings liegt in diesen Fällen eben noch kein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis vor – wir bewegen uns ja noch im Vorfeld des Vertragsschlusses. Funktionell gleicht die culpa in contrahendo vor allem Schwächen der deliktischen Haftung aus. Insbesondere ermöglicht sie die Haftung für reine Vermögensschäden und die Anwendung des § 278; durch letztere wird die andernfalls drohende Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 verhindert.

 

3. Schuldverhältnisse außerhalb des zweiten Buchs des BGB

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Schuldrechtliche Sonderverbindungen finden sich aber nicht nur im zweiten, sondern auch in anderen Büchern des BGB. Im Allgemeinen Teil finden wir Leistungspflichten etwa in § 122 oder § 179. Auch im Familien- und Erbrecht gibt es zahlreiche Beispiele für schuldrechtliche Sonderverbindungen, so etwa das Forderungsrecht des Vermächtnisnehmers gegen den Erben aus § 2174 oder der Anspruch eines Ehegatten auf Ausgleich des Zugewinns aus § 1378. Im Sachenrecht finden sich ebenfalls Ansprüche, die oft als „dingliche“ Ansprüche bezeichnet werden. Beispiele sind der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 und der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Eigentümers aus § 1004.

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Auch auf diese Schuldverhältnisse außerhalb des zweiten Buchs des BGB finden die Normen des Schuldrechts grundsätzlich Anwendung.[17] Teilweise wird dagegen angenommen, § 241 Abs. 1 meine nur ein Tun oder Unterlassen in Gestalt einer „Leistung“, nicht aber (wie § 194 Abs. 1) jedes Tun oder Unterlassen. In § 241 Abs. 1 seien daher nur schuldrechtliche Ansprüche aus dem zweiten Buch des BGB angesprochen; die Normen des Allgemeinen Schuldrechts seien nur dann auf Ansprüche außerhalb des zweiten Buchs des BGB anzuwenden, wenn sie im Einzelfall passen.[18] Diese Unterscheidung, die vor allem für „dingliche“ Ansprüche herangezogen wird, überzeugt allerdings kaum:[19] Auch dingliche Ansprüche (etwa aus § 985) bestehen innerhalb eines rechtlichen Bandes zwischen zwei konkreten Personen – nämlich dem Eigentümer und dem Besitzer. Dass der Anspruch aus dem als Bündel verschiedener Rechtspositionen konstruierten umfassenden Eigentumsrecht gegenüber jedermann folgt, ändert daran nichts. Vielmehr liegt es hier ebenso wie bei deliktischen Ansprüchen aus § 823 Abs. 1: Vor Verwirklichung eines deliktischen Tatbestands liegt ebenso wenig ein Schuldverhältnis vor wie vor Entstehung eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses iSd §§ 985, 986 Abs. 1. Im Moment der Entstehung resultiert indes eine besonders enge Verbindung zwischen Eigentümer und Besitzer – ebenso wie in den Fällen, in denen der Tatbestand des § 823 Abs. 1 erfüllt ist.

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Freilich kann es besondere Regelungsregime geben, die in ihrem Anwendungsbereich den Rückgriff auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht verhindern oder modifizieren. Ein wichtiges Beispiel bieten die §§ 987 ff (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis). Daneben kann es im Einzelfall – insbesondere wegen sachenrechtlicher Besonderheiten – erforderlich sein, schuldrechtliche Regeln teleologisch zu reduzieren.[20]

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So hat der BGH zu Recht entschieden, dass die §§ 280, 281 auf den Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 Anwendung finden.[21] Dabei sind allerdings sachenrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen, nämlich die Wertungen der §§ 987 ff. Danach muss der nicht berechtigte Besitzer einer Sache dem Eigentümer nur dann Schadensersatz leisten, wenn er verschärft haftet – wenn er also bösgläubig oder verklagt ist. Diese Wertung ist bei der Anwendung der §§ 280, 281 zu berücksichtigen, so dass der Eigentümer Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 nur dann verlangen kann, wenn der Besitzer, der seine Herausgabepflicht aus § 985 verletzt, bösgläubig oder verklagt ist. So sichert der BGH dem Eigentümer eine einfache Möglichkeit, vom Herausgabeverlangen auf ein Schadensersatzverlangen überzugehen. Dafür besteht auch ein praktisches Bedürfnis.[22]

In Fall 6 kommen vertragliche und deliktische Ansprüche von A und B gegen C in Frage.[23] Dingliche Ansprüche kommen hingegen nicht in Betracht, weil A und B nicht etwa den Lottoschein von C herausverlangen oder C unzulässig das Eigentum von A oder B beeinträchtigt. Auch hat C nichts Vermögenswertes erlangt, so dass A und B keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen C haben werden. Die drei Personen stehen ebenso nicht in einer familien- oder erbrechtlich relevanten Beziehung.

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