Die Armen

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Dann gin­gen sie wei­ter, im­mer spre­chend; und Bal­rich ver­such­te zu ver­ste­hen, so viel der war­me Wind ihm üb­rigließ, der das meis­te weg­trug. Eins war klar, dass Heß­ling sei­nen Schwa­ger her­un­ter­putz­te wie einen Ta­ge­löh­ner. Er warf ihm den Weg in der Dun­kel­heit vor; das Volk sei ver­roht, es wer­de im­mer ge­fähr­li­cher; und ihre Ge­heim­nis­se hät­ten sie sich auch an­ders­wo sa­gen kön­nen … Wel­che Ge­heim­nis­se? Buck re­de­te von ih­nen nur lei­se. Da­rauf er­in­ner­te Heß­ling ihn, umso lau­ter, an das Geld, das er von ihm be­kom­me, die Pro­zes­se und Ver­hand­lun­gen, die er für ihn füh­ren dür­fe.

»Sol­che nicht!« schrie plötz­lich Buck, – wor­auf es eine Zeit lang still blieb. Bal­rich schlich noch lei­ser, von Nüch­tern­heit er­grif­fen. Wie kam er hier­her? Was hat­te er ge­wollt, wel­cher Fin­ger­zeig war ihm ge­ge­ben? Die Her­ren dort hat­ten ihre Welt, nichts wuss­te man. War, was ihm im Kopf saß, nicht ein Schwin­del des al­ten Gel­lert? Oder er selbst hat­te ge­träumt?

Aber die Her­ren strit­ten wei­ter – ein rich­ti­ger Streit. Heß­ling nann­te sei­nen Schwa­ger einen Schön­geist und Ver­tei­di­ger in Ma­je­stäts­be­lei­di­gungs­pro­zes­sen, den rich­ti­gen Sohn und Er­ben ei­nes al­ten Achtund­vier­zi­gers. Sein Ge­sin­nungs­wech­sel sei ihm be­zahlt wor­den, als Heß­ling ihm sei­ne Schwes­ter gab. Buck habe kein Recht mehr auf Wi­der­stand, auf die­se ge­wis­se un­erns­te Iro­nie, die das freund­schaft­li­che Bei­sam­men­woh­nen in Vil­la Höhe ei­nes Ta­ges ge­fähr­den und ihn brot­los ma­chen kön­ne … Worauf Buck von Ma­nö­vern sprach, ge­wis­sen­lo­sen Trei­be­rei­en, ei­nem Ende mit Schre­cken, und wer be­zah­le dann?

»Wir nicht!« rief Heß­ling und lach­te.

»Nein, alle,« rief Buck. Aber Heß­ling hielt ihm sei­ne Schul­den vor, da gab er klein bei.

Der Ar­bei­ter hin­ter ih­nen fühl­te sich un­heim­lich ver­strickt in eine Nacht der Ver­schwö­run­gen, – und wer weiß wel­ches Mas­senster­ben konn­te her­vor­ge­hen aus dem tücki­schen Ge­mächt die­ser bei­den Bour­geois, die ein­an­der doch hass­ten! Denn ei­nig sind sie nur ge­gen uns; un­ter­ein­an­der möch­ten sie sich um­brin­gen. Be­han­deln wir sie doch nur so, wie sie ein­an­der! Mut! und sieh, was für arme Men­schen, die Furcht ha­ben vor­ein­an­der – und auch vor uns, wenn es Nacht ist und die Sol­da­ten schla­fen. Nur an­grei­fen! Hast du ge­gen sie Waf­fen, und sei es die schlech­tes­te, schä­me dich nicht! Bal­rich dach­te: »Ein ar­mer Herr!« und mein­te Buck. Der war der schwä­che­re, zu­erst an ihn! Ein­schüch­tern, er­pres­sen – was wäre denn un­er­laubt ge­gen eine Ver­bre­cher­ge­sell­schaft.

Schon be­gan­nen die La­ter­nen der Vor­stadt, dem Heß­ling kam wohl der Mut, er sag­te zu sei­nem Beglei­ter: »Magst du nicht wei­ter, kei­ne Um­stän­de!« Und Buck, nach ei­nem Gruß mit dem Hut, kehr­te al­lein um.

Bal­rich in lan­gen Sät­zen sprang zu­rück bis wo es dun­kel war, und hin­ter Äs­ten, die er her­ab­zog, war­te­te er. Es dau­er­te lan­ge, Buck kam da­her, wat­schelnd und bar­häup­tig, schwenk­te sei­nen Hut und sprach mit sich selbst. Mehr­mals blieb er ste­hen, und ob­wohl er den Wind im Ge­sicht hat­te, wisch­te er sich den Schweiß. »Ich kann nicht län­ger!« sag­te er, wie be­schwö­rend. »Ich bin der am schwers­ten Be­las­te­te, der Ver­rä­ter, Gott stra­fe zu­erst mich!«

Da sah er auf, die Stra­fe nah­te schon. Zwei­ge schnell­ten, und ein Mensch trat vor ihn hin. Buck war­te­te; da der an­de­re nichts äu­ßer­te, sag­te er selbst: »Gu­ten Abend.«

»Au­weh,« dach­te Bal­rich, »es ist ge­fehlt.« Und Zorn kam ihm ge­gen Dinkl, den Prahl­hans, der be­haup­te­te, sie schlie­fen im­mer und mit ei­nem Fin­ger kön­ne man sie um­wer­fen. Jetzt frag­te Buck:

»Sie sind wohl er­schro­cken?« – und sei­ner mil­den Stim­me war es an­zu­hö­ren, dass er im Dun­keln ein spöt­ti­sches Lä­cheln auf­ge­setzt hat­te. Bal­rich sag­te hei­ser:

»Sie müs­sen sich nun be­que­men –«

Wei­ter wuss­te er nicht. Un­deut­lich hat­te er sich vor­ge­nom­men, so­fort und auf der Stel­le Geld zu ver­lan­gen und mit Skan­dal zu dro­hen. Buck er­wi­der­te schließ­lich:

»Ich tue nie et­was an­de­res als mich be­que­men. Sie wün­schen also?«

»Al­les ha­ben Sie ge­stoh­len!« schrie Bal­rich. »Sie ge­hö­ren nicht da­hin, wo Sie sind!«

Plötz­lich brach­te Buck ihm das Ge­sicht ganz nahe.

»Sie sind es also doch,« sag­te er. »Ich habe öf­ter an Sie ge­dacht seit heu­te. Sie sind doch über­zeugt, dass auch Sie nicht dort­hin ge­hö­ren, wo sie sind?«

Nach ei­ner Pau­se:

»Son­dern in die Vil­la Höhe?«

»Ich will mein Recht.«

»Ihr Recht. Nun ja. Ge­hen wir doch wei­ter!«

Im Ge­hen:

»Ich gebe zu, wir ha­ben je­der gleich we­nig Recht und fu­ßen ein­zig auf dem Zu­fall. Dass ich nicht mei­nen Platz räu­me, ist Feig­heit, lei­di­ge Feig­heit. Möch­ten denn auch Sie so feig wer­den?«

Er hat­te den Arm Bal­richs ge­nom­men und stütz­te sich dar­auf. Sei­ne Spra­che ward klang­voll und be­wegt.

»Sie sind ein jun­ger Ar­bei­ter und ste­hen vor dem Le­ben. Ihres­glei­chen kann weit kom­men. Ich, ich bin ein ver­lo­re­ner Mensch. Könn­te viel Un­recht ver­hin­dern und, wer weiß, dem Ver­der­ben Un­zäh­li­ger in den Arm fal­len. Aber der Au­gen­blick kommt, da du Weich­ling das Herz nicht mehr hast. Ver­ste­hen Sie?« frag­te er, ste­hen­blei­bend.

Bal­rich ver­stand, dass der da aus der Fas­sung war und hier im Dun­keln mit Din­gen her­vor­kam, die nur ihn an­gin­gen. Ein ar­mer Herr! Er mach­te sei­nen Arm frei.

»Was ich will, muss Sie nichts kos­ten,« sag­te er hart. »Ich will Ihre Zeu­gen­schaft und dass Sie den al­ten Brief her­aus­ge­ben, worin ge­schrie­ben steht, dass das Geld des al­ten Heß­ling von mei­nem On­kel Gel­lert war.«

Buck zö­ger­te nur kurz. Wie­der mit sei­nem ge­wohn­ten Phleg­ma sag­te er:

»Schon gut. Dann kom­men Sie.«

Er ging vor­an. Bal­rich hin­ter ihm fühl­te das Herz im Hals und fürch­te­te, nicht mehr mit­zu­kön­nen. War es denn wahr? Buck hat­te den Brief? Und gab ihn ein­fach her? War dies Wahn­sinn? War es eine Fal­le?

Er hör­te nichts mehr. Erst als Buck ihm nachrief:

»Wo­hin lau­fen Sie denn?« kehr­te er um. Sie wa­ren schon vor Vil­la Höhe. Ein dunk­ler Gar­ten­weg. »Hal­ten Sie sich an mich,« sag­te Buck. »Ich gebe lie­ber nicht das Zei­chen, Licht zu ma­chen. Wir kom­men ohne Licht bes­ser aus.«

Er führ­te ihn um das Haus, an vie­len dunklen Fens­tern vor­bei. Als es hell ward, stand Bal­rich in ei­nem wei­ten, sei­de­nen Raum, gold­gelb mit hel­len Bil­dern. Buck ver­schwand ne­ben­an, dort war es rot­gol­den und voll von Bü­chern. So­gleich kehr­te er zu­rück.

»Da!« – er reich­te den Brief hin. »Über­zeu­gen Sie sich!«

In­des Bal­rich das alte Pa­pier her­vor­zog, ent­fal­te­te, prüf­te, – sprach Buck in Ruhe wei­ter und hol­te da­bei eine Kis­te Zi­gar­ren.

»Dass er nicht mit ver­brannt ist, dür­fen Sie nicht für Zu­fall hal­ten. Den gan­zen Ak­ten­nach­lass mei­nes Va­ters habe ich ge­sich­tet und dies zu­rück­be­hal­ten. Ihr On­kel war ver­schol­len oder tot. Aber Sie, dach­te ich, sein Erbe, müss­ten doch ein­mal auf­tre­ten … Was ha­ben Sie denn?« frag­te er; denn Bal­rich hat­te eine hoch­geröte­te Stirn, und mit wil­den Bli­cken über die Pracht der Räu­me hin, stieß er ein ir­res Ge­läch­ter aus.

»Das ge­hört mir,« sag­te er. Buck ließ sich lang­sam in einen Ses­sel.

»Sie über­trei­ben. Der Pro­zess wird Sie ers­tens viel Geld kos­ten.«

Bal­rich zog die Brau­en zu­sam­men, dass die Au­gen dar­un­ter wie ein schwar­zes Band aus­sa­hen. Er war tief erb­lasst, er kämpf­te mit der Ver­su­chung, über den Men­schen her­zu­fal­len.

»Das bes­te ist ent­schie­den,« sag­te Buck, »Sie neh­men ein Glas von die­sem hier.« Er goss Li­kör ein. »Und auch eine Zi­gar­re;« – wo­bei er un­ter Bal­rich einen Ses­sel schob.

»Ich will nicht,« sag­te der Ar­bei­ter. »Sie sind mein Feind.«

Buck schüt­tel­te den Kopf. »Scha­de, wenn Sie es glau­ben. Das er­schwert un­se­re Sa­che. Zum min­des­ten müss­ten Sie doch be­mer­ken, dass ich dem Herrn Ge­ne­ral­di­rek­tor gern einen Denk­zet­tel ge­ben wür­de. Mit nich­ten will ich Ih­nen ein­re­den, nur im Na­men der idea­len Ge­rech­tig­keit hät­te ich Ihren Brief mir auf­be­wahrt. Ich ver­spre­che mir gute Wir­kung da­von, wenn dem Heß­ling, min­des­tens theo­re­tisch, zum Be­wusst­sein ge­bracht wird, er fuße auf Ent­eig­nung und am An­fang sei­nes Rech­tes ste­he der Raub.«

Buck hat­te glän­zen­de Au­gen und dehn­te sich in sei­nem Ses­sel.

»Noch ein Gläs­chen,« schlug er vor und leer­te selbst eins.

Bal­rich dach­te: »Wie On­kel Gel­lert. Auch die­ser ist ein Tau­ge­nichts, ich muss die Sa­che al­lein ma­chen.«

»Aber,« be­gann Buck wie­der, »zum Mär­ty­rer bin ich nicht ge­bo­ren, sonst säße ich nicht hier in Vil­la Höhe.« Mit dem Lä­cheln der Ver­ach­tung: »Lei­der kann ich ihn nicht er­le­di­gen, ohne auch mich zu er­le­di­gen. Da­rum, al­les mit Ma­ßen.«

»Das sa­gen Sie al­lein,« stell­te Bal­rich fest.

»Nein. Auch Sie müs­sen es ein­se­hen. Tat­säch­lich geht es nur sehr mit Ma­ßen. Auf güt­li­chem Wege, will sa­gen mit Hil­fe je­der nicht le­bens­ge­fähr­li­chen Be­dro­hung wird viel­leicht eine Ver­zin­sung des ein­ge­leg­ten Ka­pi­tals zu er­rei­chen sein, wenn schon kei­ne Tan­tie­men. Das ist nichts Groß­ar­ti­ges, aber un­ter­schät­zen wir nicht den Geg­ner! Er wird, selbst wenn er zahlt, die Echt­heit des Brie­fes leug­nen.«

»Dann gibt es Rich­ter,« be­haup­te­te Bal­rich. Buck zuck­te die Ach­seln.

»Wol­len Sie es dar­auf an­kom­men las­sen, wie ein Ge­richt be­fin­det? Sie als Ar­bei­ter müs­sen sich doch sa­gen: in den Vor­stel­lungs­kreis bür­ger­li­cher Rich­ter passt es nicht, dass ein Ar­mer ein gül­ti­ges Do­ku­ment soll­te bei­brin­gen kön­nen ge­gen einen Rei­chen, ge­eig­net, ihn aus sei­nem Be­sitz zu wer­fen.«

 

»Wenn es aber doch echt ist!« sag­te Bal­rich, ver­bis­sen.

»Die Mög­lich­keit, dass es echt wäre,« er­klär­te Buck, »wird man­cher in­ter­essant fin­den, auch un­ter mei­nen Kol­le­gen man­cher. Den­noch über­nimmt nicht ei­ner die Sa­che ohne einen ho­hen Vor­schuss. Ich selbst in mei­ner Lage kann es nicht, zum Mär­ty­rer nicht ge­bo­ren, wie ich mich füh­le.«

Bal­rich hör­te, nahm auf, und ward un­si­cher, je kla­rer der Herr dort sprach. Man hät­te es nicht ge­glaubt, es sei der­sel­be, der vor­hin im Dun­keln sich fas­sungs­los hat­te ge­hen las­sen. Jetzt saß er in der Hel­le und wuss­te Be­scheid in sei­ner Welt. Für Bal­rich war sie ein nächt­li­cher Ver­hau vol­ler Fal­len, – und ihn stür­me!

»Was wür­den denn Sie tun?« frag­te er klein­laut.

Buck sah ihn an wie einen Sohn.

»Ich? So wie ich bin? Ziem­lich mür­be schon und in mei­nem Ge­dächt­nis ohne Bei­spiel, dass eine ge­rech­te Sa­che, die schwach war, je ge­siegt hät­te? … Dies wür­de ich tun.«

Er nahm den Brief sei­nes Va­ters aus den Hän­den Bal­richs und be­weg­te die bren­nen­de Zi­gar­re dar­auf zu. Bal­rich, mit rau­em Schrei, ent­riss ihm den Brief. Heraus aus dem wei­chen Ses­sel stand er fest auf sei­nen Bei­nen und schnaub­te:

»Ich bin nicht Sie, Gott sei Dank. Und brau­che Sie nicht, und Ihre Kol­le­gen nicht. Mein Recht schaff’ ich mir selbst.«

Buck än­der­te sei­ne Hal­tung und den leich­ten Ton.

»Dazu müs­sen Sie An­walt sein. Wie wol­len Sie das ma­chen.«

»Das weiß ich!« stieß Bal­rich her­vor und stapf­te nach der Tür.

»Halt!« rief Buck. »War­ten Sie noch! Sie hö­ren das Auto, das aus­fährt, um mei­nen Schwa­ger ab­zu­ho­len. Drau­ßen ist jetzt al­les be­leuch­tet.«

Er ging selbst zu dem jun­gen Men­schen, er leg­te ihm die Hand auf die Schul­ter.

»Erst zwan­zig, wie? Und einen fes­ten Kopf, vor­wie­gend Wil­len. Mein Sohn möch­te so sein. Durch mei­ne Schuld ist er an­ders.«

Buck trat zu­rück und sag­te prü­fend:

»Man soll es ver­su­chen. Ich hole Ih­nen et­was, aus dem Zim­mer mei­nes Jun­gen. Er schläft im über­nächs­ten Zim­mer, ich bin so­gar er­staunt, dass er nicht er­wacht ist von Ihrem Schrei­en. Denn mehr­mals ha­ben Sie ge­schri­en. Sein Schlaf ist doch gut,« sag­te der Va­ter zärt­lich und ging lei­se in die Tie­fe sei­ner Woh­nung.

Mit ei­nem Buch kam er zu­rück.

»Da neh­men Sie! Er ist nicht auf­ge­wacht. Die Stun­de der Ver­schwö­rer ist nun auch vor­bei,« sag­te er und zeig­te auf eine Uhr, die Eins schlug. »Gute Nacht.«

Er führ­te Bal­rich ins Freie. Man sah jetzt; aus den Räu­men, die sie ver­las­sen hat­ten, fiel Licht auf den Weg.

Vor der Pfor­te, auf der Land­stra­ße, wen­de­te Bal­rich sich; ge­ra­de er­losch das Licht, – und im Dun­keln such­te er nach der Vil­la sei­ner Wün­sche, sein bren­nen­der Blick hol­te ihre Um­ris­se her­vor, zwi­schen her­aus­sprin­gen­den Flü­geln den zu­rück­wei­chen­den Haupt­trakt und da­vor die Ter­ras­se. »Ich wer­de sie ha­ben,« fühl­te er. »Die schwa­chen, ver­wöhn­ten Men­schen dort in­nen ah­nen gar nichts.« Er griff an sei­ne Brust, nach dem Brief. »Der, der so dumm war, ihn her­zu­ge­ben, ahnt am we­nigs­ten. Sie den­ken, al­les muss blei­ben, wie es ist. Wie viel stär­ker ist der An­grei­fer! Wie be­droht ist der, der et­was hat!« Laut und stark sag­te er:

»Ich wer­de dich ha­ben, so wahr ich dich sehe!«

Da, ge­ra­de da ward der Mond frei, ström­te hin sein Licht über Haus und Gar­ten – schenk­te sie ihm geis­ter­haft, Far­ben des Trau­mes und der lüs­ter­nen Mär­chen, tief­blaue Schat­ten, sil­ber­ne Wand; bot den Be­sitz ihm an wie ein Weib. Er tau­mel­te.

Schon nah­te wie­der das Auto. Bal­rich warf sich rück­wärts in die Tan­nen, brach her­vor wei­ter­hin und eil­te fort im stamp­fen­den Marsch­t­akt, die Stra­ße hin­an in die Fer­ne, stun­den­lang.

Als er zu­rück­kehr­te, um­schlei­er­te blaue Frü­he die Vil­la. Vo­gel­stim­men er­ho­ben sich schon und feuch­te Düf­te, aber noch streif­te Mond­licht die Wege. Von der Ter­ras­se da­hin­ten rie­sel­te es. Oder nein: ein We­sen, her­ab­wan­delnd im schlep­pen­den Sil­ber­ge­wand, lang­sam von Stu­fe zu Stu­fe. Er such­te das Ge­sicht und fand nur Au­gen, die Au­gen sei­ner Schwes­ter Leni.

»Siehst du,« sag­te er ihr, »dies ist für uns.«

Er fühl­te: »Wa­rum ich, statt Heß­ling? Aber weil auch Leni da ist.«

So wein­te er denn, ver­steckt im Ge­büsch der Tan­nen; und nach lan­gem Wei­nen ging er auf die Fa­brik zu, quer­feld­ein, un­ter Ver­mei­dung der Wohn­häu­ser. Un­nütz, dass der Auf­pas­ser am Tor ihm die­se Nacht an­sah.

Am Abend, als er sei­nen Rock wie­der an­zog, be­geg­ne­te er dar­in ei­nem frem­den Ge­gen­stand. Ein Buch – das Buch des Herrn Buck. »Da wird es sich zei­gen, wie ich es ma­che,« dach­te er hoff­nungs­voll und schlug auf. Was war das? Frem­de Wor­te un­ter­ein­an­der, da­ne­ben deut­sche, und Sät­ze wie für Kin­der. Ein Lehr­buch des La­tei­ni­schen – we­ni­ger noch, eine La­tein­fi­bel … Der Ar­bei­ter steck­te sie schnell wie­der ein und ging heim, ge­senk­ten Kop­fes.

Zu Haus aber er­hob er ihn. Er hat­te be­grif­fen und war ent­schlos­sen. Sein Brot, sei­nen Käse – und gleich an den fich­te­nen Tisch, wor­auf sonst nie et­was lag. Jetzt liegt das Buch dar­auf. Es will ge­lernt sein – und dann ein an­de­res und wie­der eins, und noch im­mer stehst du, zwan­zig Jah­re alt, bei dem, was die Kna­ben schon ken­nen. Du weißt nicht wie lan­ge und weißt nicht wie, aber ler­ne! Dein ist die Nacht. Alle Näch­te sind dein. Ler­ne!

Er leg­te sich hin, als es hell ward, goss sich drei Stun­den spä­ter das Was­ser aus dem Krug über den Kopf und ging zur Ar­beit, im Tritt der Ka­me­ra­den.

So fuhr Bal­rich fort zu le­ben, – und die ers­te, der es auf­fiel, war Thil­de. Er be­ru­hig­te sie, gab ihr eine Stun­de hin, die er nach­her vom Schlaf ab­zog; – aber da es so nicht dau­ern konn­te, er­klär­te er ihr ein­fach, nur am Sonn­tag könn­ten sie sich se­hen. Er ar­bei­te des Nachts. Er ar­bei­te an der Ver­bes­se­rung ei­ner Ma­schi­ne, es wer­de ihm Geld und Stel­lung brin­gen, sei­ne gan­ze Zu­kunft hän­ge ab da­von. Sie sah ihn kraft­voll er­regt und ward ganz schüch­tern. Er sag­te noch: »Glaubst du denn, ich will hier nicht her­aus? Ich zwin­ge es und wer­de reich!«

Da wein­te sie und ant­wor­te­te ihm:

»Dann wirst du mich ver­las­sen.«

Er leug­ne­te es, aber sie glaub­te ihm nicht. Das Ver­spre­chen gab sie ihm den­noch, al­les für sich zu be­hal­ten. Dann ging sie, fast von selbst, nie­der­ge­beugt in ih­rem Tuch, und Bal­rich hat­te vor sich sei­ne Nacht.

Zwei Sonn­ta­ge spä­ter, er hat­te so­eben die letz­te Sei­te des Bu­ches ge­lernt, klopf­te es an sei­ne Tür, und mit dem Kopf die­nernd kam ein Bür­sch­lein zu­ta­ge, eins in wei­chem blau­en An­zug, mit Lack­schu­hen und dem ah­nungs­lo­sen Ge­sicht der rei­chen Kin­der. Es leg­te sei­ne Müt­ze auf das Bett und bat ar­tig um den frei­en Stuhl.

»Es wird et­was län­ger dau­ern,« sag­te es. »Papa will, dass Sie mir das Gan­ze her­sa­gen.«

Das Bür­sch­lein öff­ne­te das Buch.

»Ich habe dies näm­lich schon längst wie­der ver­ges­sen,« äu­ßer­te es. »Wa­rum wol­len Sie über­haupt ler­nen?« frag­te es ver­trau­lich. »Ein Ver­gnü­gen ist es nicht.«

Bal­rich sag­te:

»Zum Ver­gnü­gen bin ich nicht da.«

Jetzt ant­wor­te­te der Kna­be:

»Ich weiß, Sie wol­len Geld ha­ben. Sie wol­len un­ser Geld ha­ben. Wun­dern Sie sich nur nicht,« sag­te er un­be­fan­gen. »Papa ist mein Freund und sagt mir man­ches.«

Der Ar­bei­ter, nicht si­cher, was zu den­ken sei, mus­ter­te den klei­nen Rei­chen, der lä­chel­te – und be­merk­te da­bei, dass ei­gent­lich die Au­gen recht hell und wach blick­ten. Nur der Mund stand kin­disch of­fen, und un­be­greif­lich tö­richt er­schie­nen die hoch­ge­bo­ge­nen Brau­en, un­ter die­sen bei­den großen schwan­ken­den Blond­lo­cken. Schma­ler Kopf, die Schul­tern so schwach, – ein Schlag, dach­te Bal­rich, und der fre­che klei­ne Nichts­nutz rutscht vom Stuhl … Statt des­sen be­gann er, holp­rig her­zu­sa­gen. Der Kna­be un­ter­brach.

»Ei­nen Au­gen­blick. Ich hei­ße Hans Buck. Vier­zehn Jah­re elf Mo­na­te. Wol­len wir eine Zi­ga­ret­te rau­chen?«

Die Feh­ler Bal­richs be­rich­tig­te er her­risch aber flüch­tig. Nach ei­ni­gen Sei­ten hat­te er ge­nug.

»Bes­ser habe ich es auch nie ge­wusst.«

Bal­rich sag­te:

»Ich muss es aber bes­ser wis­sen. Ich brau­che es nö­ti­ger.«

»Ihre Sa­che,« mein­te Hans Buck. »Für Klin­ko­rum je­den­falls ist es gut ge­nug.«

Es er­wies sich, dass Bal­rich von Pro­fes­sor Klin­ko­rum er­war­tet wur­de. »Wir kom­men so­gar schon zu spät.« Das Bür­sch­lein stieß den Zwan­zig­jäh­ri­gen zur Tür hin­aus. Ne­ben­ein­an­der durch­quer­ten sie die Wie­se. Mit­ten dar­auf, wo die meis­ten Kin­der lärm­ten, fiel Bal­rich lang hin; das Bür­sch­lein hat­te ihm ein Bein ge­stellt. Es bog sich vor La­chen, in ei­ner Rot­te, die mit­lach­te. Als Bal­rich dann zorn­rot auf­kam, lief Hans schon. Er lief schwe­bend leicht, kei­ne Aus­sicht, dass Bal­rich ihn fing, – wenn nicht ein paar jun­ge Ar­bei­ter ihm, trotz sei­nem Ge­schrei, es göl­te nicht, den Weg ver­stellt hät­ten. Nun ran­gen sie; ein Griff Bal­richs, und der Klei­ne, ver­zwei­felt ge­gen den Bo­den ge­stemmt, war so gut wie auf­ge­ho­ben und ge­wor­fen. Bal­rich aber, der ihn so schwach fühl­te, tat un­ver­se­hens, als ver­lie­re er selbst den Bo­den, und sprang zu­rück.

Sie gin­gen wei­ter, Hans Buck mit ge­press­ten Lip­pen und die Au­gen ge­senkt. Da plötz­lich nahm er Bal­rich beim Arm.

Klin­ko­rum, der es an­läu­ten ge­hört hat­te, emp­fing sie an sei­nem Tisch ste­hend, den grü­nen Schlaf­rock dra­piert über dem Spitz­bauch, und in wei­ßer Kra­wat­te. Er warf den Kopf zu­rück, der Bart stand in sie­ben har­ten Sträh­nen hecht­grau vom Ge­sicht ab, die Lip­pen ent­blö­ßten lan­ge Za­cken mit eben­so vie­len Lücken, und er lach­te er­ha­ben. Un­ter Ge­läch­ter be­gann er eine Rede über den Ernst des Le­bens, das Ei­gen­tum und die Bil­dung. Die letz­te­re gehe vor, er­klär­te er mit ei­nem grü­nen Blick auf den Kna­ben von Vil­la Höhe. Wer aber, sag­te er dem Ar­bei­ter, bis­her in fröh­li­cher Un­wis­sen­heit da­hin­ge­lebt habe, der ler­ne jetzt den Ernst ken­nen, einen Sohn des Wis­sens. Vor­aus­ge­setzt im­mer, er sei be­ru­fen.

Bal­rich, zu­erst ein­ge­schüch­tert, kam bald auf den Ver­dacht, dass dies Ge­schwätz sei, und är­ger­te sich über den Zeit­ver­lust. Da sag­te Hans Buck, dreist und hell:

»Na los!«

Und Klin­ko­rum schnapp­te nur noch, ganz auf dem Trock­nen.

Er ließ bei­de die­sel­be Über­set­zung ma­chen, »um den Ab­stand der Geis­ter fest­zu­stel­len,« – fand aber dann, dass der eine durch Flüch­tig­keit er­set­ze, was der an­de­re an Un­be­leckt­heit vor­aus­ha­be. Hier­bei fie­len die Hän­de Bal­richs ihm un­lieb­sam auf. Er sag­te nichts, sei­ne Pau­sen und die Aus­ru­fe sei­ner Bli­cke be­wirk­ten es aber, dass Bal­rich die Hän­de vom Tisch nahm. Der Fünf­zehn­jäh­ri­ge be­merk­te hier­zu:

»Er tut näm­lich rich­ti­ge Ar­beit;« – wor­auf Klin­ko­rum ihm straf­wei­se vor­aus­sag­te, auch er wer­de sie noch tun müs­sen.

In­zwi­schen ging die Glo­cke, und Be­such trat ein, zwei Her­ren, die schon vor­be­rei­tet schie­nen auf den An­blick des stu­die­ren­den Ar­bei­ters, denn sie nah­men ihn stumm in Au­gen­schein. Hans Buck sag­te schnei­dig: »Darf ich die Her­ren be­kannt ma­chen,« – und stell­te dem Ar­bei­ter die Her­ren Dr. Heu­teu­fel und Kon­sis­to­ri­al­rat Zil­lich vor.

Sie zeig­ten eine Teil­nah­me, die Heu­teu­fel ge­ra­de­zu für wis­sen­schaft­lich er­klär­te. Klin­ko­rum be­kräf­tig­te sie dar­in, er er­läu­ter­te ih­nen in der Über­set­zung Bal­richs die Feh­ler, die das Fort­fal­len selbst der all­ge­meins­ten kul­tur­mensch­li­chen Grund­la­ge zur Voraus­set­zung hät­ten und Zei­chen ei­ner Klas­se sei­en, ei­ner hoff­nungs­los rück­stän­di­gen Klas­se.

Sie schüt­tel­ten die Köp­fe und frag­ten, ob we­nigs­tens im ein­zel­nen Fall eine Aus­sicht sei. Der jun­ge Buck schwatz­te laut da­zwi­schen, und in das Heft Bal­richs zeich­ne­te er recht ge­schickt einen Hai­fisch.

»Ähn­lich?« frag­te er, und Bal­rich er­kann­te Klin­ko­rum – streng­te sich aber nur noch mehr an, um den Re­den der Her­ren zu fol­gen. Es war schwer, die Sät­ze ver­wi­ckel­ten sich ihm, und ge­wis­se Wor­te hat­ten kei­nen Sinn. Ein in­ter­essan­tes Ex­pe­ri­ment, dies wie­der­hol­te Klin­ko­rum mehr­mals. Ein ru­di­men­tä­res Ge­hirn, un­ver­mit­telt in Berüh­rung ge­bracht mit den Hu­ma­ni­o­ra –.

 

Aber es gehe doch, mein­te Dr. Heu­teu­fel, der sei­ner­seits die Hef­te der bei­den Schü­ler ver­glich. Es sehe aus, als kön­ne es je­der.

Dies schi­en dem Pro­fes­sor zu miss­fal­len. Er stell­te schnell meh­re­re Fra­gen an Bal­rich, die Bal­rich nicht ein­mal be­griff, – wor­auf alle lach­ten, auch Hans. Das schmerz­te den Zwan­zig­jäh­ri­gen, er zwick­te das Bür­sch­lein stark in den Schen­kel. Durch sei­nen Er­folg er­mu­tigt, teil­te Klin­ko­rum den Her­ren mit, wie groß die Lie­be zur Wis­sen­schaft bei sol­chen Leu­ten oft sei, – lei­der meis­tens eine un­glück­li­che Lie­be. Die­ser ein­fa­che Ar­bei­ter habe ein vom Schü­ler Buck ver­lo­re­nes Buch ge­fun­den, und es nicht frü­her zu­rück­ge­bracht, als bis er es aus­wen­dig ge­wusst habe. »Sol­cher fast er­grei­fend zu nen­nen­den Streb­sam­keit wa­ren wir im­mer­hin einen Ver­such schul­dig,« sag­te Klin­ko­rum und lach­te mit al­len sei­nen Za­cken. Die an­de­ren Her­ren be­glei­te­ten ihn.

Bal­rich woll­te nicht wis­sen, ob auch Hans sich freue. Er sah vor sich hin und sann düs­ter, dies müs­se ein Ende ha­ben; al­lein wer­de er sei­nen Weg su­chen … Da sag­te Hans, mit ei­nem ge­wis­sen Blick von ei­nem der drei Her­ren zum an­de­ren:

»Aber On­kel Heß­ling wird sich är­gern.«

Und wie sie nun schmun­zel­ten und nur ge­ra­de noch an sich hiel­ten, dies be­merk­te auch Bal­rich. Der Kon­sis­to­ri­al­rat nahm das Wort. Kein Ar­beit­ge­ber, so viel ver­ste­he er, kön­ne gleich­gül­tig blei­ben, über­schrit­ten sei­ne Leu­te eine ge­wis­se Gren­ze der Bil­dung. Dies än­dere das Ver­hält­nis, die Ge­sichts­punk­te und die Rech­te, dies sei in Wahr­heit schon Um­sturz.

Was er ernst und war­nend sprach. Aber hät­te sei­ne Stim­me die Scha­den­freu­de ver­steckt ge­hal­ten bis auf ihre letz­te Spur, die Ge­sich­ter der bei­den an­de­ren ver­rie­ten sie. Bal­rich sah mit Stau­nen, dass der Ge­ne­ral­di­rek­tor hier kei­nen Freund hat­te. Er horch­te auf. Dr. Heu­teu­fel lehr­te:

»Für die Ge­walt ei­nes ein­zel­nen muss ein Ge­gen­ge­wicht ge­fun­den wer­den, und das ist –«

»Die geis­ti­ge Bil­dung,« schloss Klin­ko­rum. Worauf Heu­teu­fel:

»Die Bil­dung und so­gar der Geist sind nur Mit­tel zum Zweck. Ihm und sei­nes­glei­chen muss wie­der ein­mal klar­ge­macht wer­den, was per­sön­li­che Frei­heit heißt. Auf dem Wege, den die Her­ren, und zwar gern ge­se­hen von der Be­hör­de, ein­ge­schla­gen ha­ben, kom­men wir zur Staats­s­kla­ve­rei, so­gar frü­her als man denkt.«

Fei­er­li­ches Schwei­gen. Der Ar­bei­ter Bal­rich er­gab sich ei­nem hef­ti­gen Ver­trau­en zu de­nen, die so spra­chen und dach­ten.

»Das ist aber auch wahr,« be­teu­er­te er und schlug auf den Tisch. »Wis­sen Sie wohl, warum wir nach Gau­sen­feld kei­ne Elek­tri­sche be­kom­men? Weil wir un­ter uns blei­ben sol­len und nicht auf­ge­klärt wer­den sol­len und in sei­ner Kan­ti­ne sau­fen sol­len. Das ist doch wie ein Ghet­to!« rief er, stolz auf die­ses Wort.

Die Her­ren, mit ge­knif­fe­nen Lip­pen, blin­zel­ten ein­an­der schnell zu, und dann tra­ten sie ein Stück weg. Klin­ko­rum äu­ßer­te:

»Für heu­te Schluss. Das nächs­te Mal, Herr Bal­rich, könn­ten ein­mal Sie, an­statt mei­ner, den Un­ter­richt ge­ben, etwa über den Zu­kunfts­staat.«

»Ob­wohl –,« be­merk­te Zil­lich. »Das eher­ne Lohn­ge­setz liegt doch auch schon beim al­ten Ei­sen.«

Bal­rich fühl­te, ent­täuscht und grim­mig: Was soll man ver­lan­gen von den Bour­geois. Dumm wie mein Steiß, und dazu falsch … Ihr Wis­sen ha­ben sie nur, weil sie Geld ha­ben. Her da­mit, und dann ih­nen an den Hals. Da ist nicht Dank noch Scho­nung. Gel­te je­der, was er ist!

Er räum­te zu­sam­men, stand auf, trug sei­nen Stuhl an den frü­he­ren Platz und ver­ab­schie­de­te sich mit meh­re­ren Kratz­fü­ßen. In­zwi­schen spra­chen die Her­ren ge­dämpft.

»Die Sa­chen sind wie sie sind, und man­ch’ ei­ner spricht sie aus. Aber es kommt doch sehr dar­auf an, wer.«

Als der Ar­bei­ter schon drau­ßen war, rück­te Klin­ko­rum mit dem Ei­gent­li­chen her­aus.

»Was soll man sa­gen. Die Be­grif­fe feh­len, folg­lich die Wor­te. Ihm ge­nügt es nicht län­ger, mein Haus, die Zuf­lucht mei­ner Muse, hin­ab­ge­zerrt zu ha­ben in sein Tal der Ar­mut und des Schmut­zes, es ent­wer­tet und ver­elen­det zu ha­ben: er will mich um­brin­gen!«

Sie woll­ten es ihm nicht glau­ben, aber er be­leg­te es mit Zah­len und Da­ten, her­rüh­rend von dem Heß­ling­s­chen Bau­meis­ter selbst. Ein drit­tes Ar­bei­ter­wohn­haus war be­reit zu ent­ste­hen; auf dem Plan be­stand es schon – und wo, und wo? Hin­ter Klin­ko­rum, viel­mehr, im Bo­gen um ihn her, – so­dass er auf drei Sei­ten ver­stellt war, und vorn die Land­stra­ße, Staub und Ben­zin­ge­stank. Das Ende von al­lem, man konn­te ihm nur noch die Hän­de schüt­teln. Klin­ko­rum schwur frei­lich, dies end­lich wer­de nicht so hin­ge­hen, es gäbe Rich­ter …

Bal­rich drau­ßen woll­te schon das Gar­ten­git­ter zu­schla­gen, aber Hans Buck lief her­bei.

»Ich habe ge­horcht. Sind sie dumm und falsch!«

Bal­rich dach­te: Dein Glück! Denn er hat­te das Bür­sch­lein schon ver­wor­fen mit den üb­ri­gen.

»Es sind näm­lich bloß Neid­häm­mel,« er­klär­te Hans Buck. »Und dann das Buch, das du mir ge­stoh­len ha­ben sollst oder so!«

Er sag­te plötz­lich du. Da­bei tanz­te er vor Freu­de.

»Papa hat ge­wollt, ich soll es dem Hai­fisch auf­bin­den, – und der tut, als glaubt er es, denn er kriegt be­zahlt. So sind sie.«

»Das ist – ein ab­ge­kar­te­tes – Spiel?« sag­te Bal­rich schwer­fäl­lig, und starr­te ernst in das schlaue Ge­sicht­chen. Fünf­zehn Jah­re, und wuss­te Be­scheid über die Men­schen, und war lus­tig da­bei! Ihre Nie­der­tracht war ein Spaß für das Bür­sch­lein!

»Kom­m’ mit!« ver­lang­te es. »Bis zu der großen Fich­te, wo man die Vil­la sieht. Wei­ter darfst du nicht.«

Bal­rich er­wi­der­te:

»Nein. Ich will nicht.«

Und er ging über die Wie­se nach Haus B. Hans Buck rief ihm nach:

»Mor­gen Abend wie­der!«

»Aber nicht, weil du es bist,« dach­te Bal­rich. »Und Vil­la Höhe, die will ich erst wie­der­se­hen, wenn sie mein ist, das schwö­re ich. Dann kom­me ich und wer­fe euch hin­aus.«

In die­ser Nacht an sei­nem Tisch dach­te er den­noch viel an Hans Buck. Was Klin­ko­rum ihm mit­ge­ge­ben hat­te, war bald auf­ge­ar­bei­tet, und sei­ne ei­ge­nen Bü­cher hat­te er noch nicht da; ganz leicht hät­te er Thil­de fol­gen kön­nen, abends, als sie ihm nach­sch­lich bis auf die Trep­pe. Er hat­te sie aber fort­ge­scho­ben, und lie­ber dach­te er, aus Spar­sam­keit beim Mond­schein, des fei­nen und schlau­en Kna­ben von Vil­la Höhe, und dass er ihn wie­der­se­hen wer­de.

Am Mon­tag nach Fei­er­abend tra­fen sie sich frei­lich bei Klin­ko­rum, und nach dem Un­ter­richt hat­te Hans Buck nichts Ge­rin­ge­res vor, als dass sie zu­sam­men in die Stadt gin­gen, das Be­zah­len sei sei­ne Sa­che. Aber Bal­rich, mit fins­te­rer Mie­ne, zeig­te auf den Pa­cken Bü­cher, den er be­kom­men hat­te.

»Sechs Stun­den bis zum Mor­gen – das reicht kaum.«

Und er ließ den Leicht­fuß da­ste­hen.

Erst am Sonn­tag wil­lig­te er ein, spa­zie­ren zu ge­hen. Schwe­re Luft, rau­chi­ger Son­nen­un­ter­gang, – und da Bal­rich nichts an­de­res zuließ, gin­gen sie quer­feld­ein und vor­bei an den Ar­bei­ter­vil­len, eben dort, wo er ehe­mals mit Thil­de ging. Auch jetzt herrsch­te Ernst; Hans Buck ging ge­mes­sen und über­leg­te.

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