Gabrielas Reise nach Trentino

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Gabrielas Reise nach Trentino
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Helena Zauber

Gabrielas Reise nach Trentino

und in ein neues Leben zu zweit

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Reisebeginn

Ankunft und Zwischenstopp in Leipzig

Die Fahrt nach Bozen

Die unendliche Geschichte von Gabriela und Marcus

Das erste Date

Das zweite Treffen

Fahrerinnenwechsel an der Raststätte

Janosch

Der Sternzeichenmann und andere Katastrophen

Sylvias Friedrich

Steven

Nachtfahrt durch Berge

Ankunft im Hotel

Fahrt nach Caldonazzo

Der Abend mit Familie de Luca

George

Der nächste Morgen

Am See

Terme di Levico

Spaziergang durch Caldonazzo

Fahrt nach Trento ins Landesarchiv

Abschied von Familie de Luca

Fahrt um den Caldonazzosee

Bootstour mit Paul, Amanda und Cesar

Abschied und Fahrt nach Winterthur

Tagesausflug zum Schloss Kyburg

Heimfahrt über Stuttgart und Harburg

Frühstück mit Gitte und Manuela

Georges Überraschung

Anhang

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Helena Zauber

Impressum neobooks

Reisebeginn

Diese fiktive Geschichte ist inspiriert von realen Ereignissen

Ich bedanke mich recht herzlich bei meinen Lektorinnen Brigitte Liebscher, Heidrun Rechenberger und meiner Freundin Gabriela Grytz!

Helena Zauber

März 2021


Endlich ist es soweit. Gabriela kann sich ihren lang gehegten Traum erfüllen und an den Ort ihrer Urahnen fahren. Schon lange hatte sie diesen Wunsch, spätestens aber seit sie auf einer Kurzreise von München nach Venedig vom Reiseleiter hörte:

„Hinter diesem Berg ist der Caldonazzosee!“

Sie war damals sehr erstaunt von einem See zu hören, der so klang wie ihr Geburtsname. Als Kind wurde sie oft deswegen gehänselt, aber das störte sie selten. Dann kam die Zeit in der es egal war, wie ihr Geburtsname lautete, sie heiratete und entschied sich für den gemeinsamen Familiennamen Schmidt. Den brauchte sie dann auch nicht mehr zu buchstabieren, na gut, fast nicht mehr.

Nach der Trennung von ihrem Ehemann nahm sie ihren Geburtsnamen wieder an und der Wunsch als Frau Caldonazzi nach Caldonazzo an den Caldonazzosee zu fahren wurde wieder präsenter.

Aber zunächst wollte sie sich um ihren neuen Beruf kümmern und lernen, bzw. studieren. Und sie hat es geschafft, ist als Dozentin bundesweit beruflich erfolgreich unterwegs.

Vor vier Jahren richtete sie ihre erste eigene Wohnung ein und lebt mit ihrer Mutter als Nachbarin an einem stillen Örtchen nahe Stade. Auch ihre Kinder sind erfolgreich in interessante Berufe eingestiegen und leben ihr eigenes Leben, leider weiter weg v on Stade. Es war jetzt also alles gut. Doch manchmal beschlich Gabriela der Gedanke, dass da vielleicht etwas in ihrem neuem Leben fehlte. Es waren nun acht Jahre vergangen seitdem sie sich von ihrem Mann nach 30 Jahren Ehe getrennt hatte und sie in diesen Jahren den einen oder anderen Mann kennen lernte. Aber es stellte sich heraus, dass die meisten von ihr und ihrem beruflichen Engagement begeistert waren, aber bei näherem Kennenlernen

doch immer wieder der Vorwurf kam, warum sie denn in ihrem Alter noch so viel arbeitete und das auch noch bundesweit. Ja das mit dem Alter war so eine Sache! In diesem Jahr ist Gabriela 60 geworden, was man ihr aber nicht ansah, jedenfalls bekam sie das immer wieder gesagt, von Männern, Frauen und Teilnehmern ihrer Kurse. Selbst ihre Mutter behauptete das. Tatsächlich hatte sie sich, wie sie selbst fand, gut gehalten. Mit 1,66 m, einem Gewicht von ca. 75 gut verteilten Kilos und ihrer südländischen Ausstrahlung umgab Gabriela eine Dynamik, die viele begeisterte.

Irgendwann beschloss sie, dass wohl eine Affäre das Beste für sie sei. Man traf sich, wenn beide Zeit und Lust hatten und genoss die gemeinsamen Treffen. Aber auch hier kam dann der Zeitpunkt, an dem sie feststellte, das ist es auch nicht. Zumal sie immer darauf warten musste, dass Marcus sich meldet, weil er verheiratet war. Nie konnte Gabriela ihn spontan anrufen, höchstens eine Whats-App-Nachricht schreiben und dann manchmal ewig auf seine Antwort warten.

Aber das hat Gabriela nun hinter sich gelassen. Sie machte eine sogenannte

„To-Do-Liste“ für sich und ganz oben stand: Nach Caldonazzo fahren. Und jetzt war es soweit. Endlich!

Um den ganzen weiten Weg nicht alleine fahren zu müssen, teilte sie die Reise in Etappen ein, um für jede eine Mitfahrgelegenheit anzubieten. Bis Leipzig, wo sie ihren Vater besuchen und ihre Tochter treffen will, kam eine junge Studentin mit. Sie unterhielten sich während der Fahrt über alles Mögliche und so schaffte Gabriela die erste Etappe ohne große Vorkommnisse in fünf Stunden mit angeregter Unterhaltung. Für die große Etappe von Leipzig nach Bozen würde eine Frau mitkommen, die in Bozen ihre Tochter besuchen will. Gabriela war froh, dass jemand, der die Strecke kennt, bei ihr sein wird. Immerhin ging die Fahrt über den Brenner. Das flößte Gabriela doch einigen Respekt ein.

Ankunft und Zwischenstopp in Leipzig

Aber nun freut sie sich erstmal über das Wiedersehen mit Ihrem Vater, dessen Frau Ines und Ihrer Tochter Simone, welche sie gleich begrüßt:

„Hallo Mama, wie war die Fahrt?“

„Hallo Simone! Alles lief gut und ich hatte kaum Stau. Außerdem bin ich das Fahren seit nun sechs Jahren in meinem Beruf ja gewohnt“,

antwortet Gabriela fröhlich und umarmt Ihre 32-jährigeTochter zur Begrüßung, ebenso ihren Vater, der schnell zu ihnen kommt. Es ist ein herrlicher Sommerabend und ihr Vater schlägt vor:

„Ines und ich dachten, wir können zum Abendessen grillen und dann erzählst du uns erst mal genau, wie du diese Reise geplant hast. Wenn ich das richtig verstanden habe, möchtest du von dort aus ja auch noch zu André nach Winterthur fahren, quasi eine kleine Rundreise machen.“

Ines ruft aus dem Gartenhäuschen:

„Oh ja, das interessiert mich auch sehr“, und während sie mit einer Schüssel Kartoffelsalat heraus kommt fügt sie hinzu:

„Das ist doch auch bestimmt sehr anstrengend für dich, diese Fahrt alleine zu unternehmen! Hallo Gabriela! Schön, dass du mal wieder hier bist.“

Gabriela lacht und antwortet:

„Hallo Ines! Ja das stimmt, aber ich habe mir für die Reise bis Bozen eine Mitfahrerin besorgt, die morgen ab Leipzig mit mir fährt.“

„Wie eine Mitfahrerin besorgt?“, fragen Gabrielas Papa und dessen Frau gemeinsam.

 

„Ah, du hast über eine Mitfahrzentrale die Reise angeboten“, vermutet Gabrielas Tochter jetzt, die selbst in ihrer Studienzeit solche Mitfahr-Plattformen nutzte, um günstig ihre Eltern oder Freunde zu besuchen.

„Ja genau, Simone“, antwortet Gabriela jetzt, „ihr, also du und André, habt mich auf diese Idee gebracht. Und wenn ich dich morgen zum Bahnhof gebracht habe, hole ich Sylvia beim Messecenter hier in Leipzig ab. Sie möchte ihre Tochter in Bozen besuchen und ich muss nicht alleine fahren.“

„Das hört sich gut an“,

wirft Ines ein, die in der Zwischenzeit allerlei Salate und Fleisch aus dem kleinem Gartenhäuschen auf die Terrasse gebracht hat,

„Aber nun schaffe erst mal deine Sachen ins Haus, Gabi. Ich habe dir und Simone das Wohnzimmer zum Schlafen fertig gemacht. Wir können ja heute den Abend draußen verbringen bei dem schönen Wetter“,

und zu ihrem Mann sagt sie fröhlich:

„Walter, ich denke, du kannst jetzt den Grill anmachen. Ich habe schon richtig Hunger auf deine Superwürste und die Mädels bestimmt auch.“

„Au ja!“,

antworten Gabriela und Simone fast gleichzeitig und müssen lachen.

Gabriela bringt ihre Sachen ins Haus und macht sich ein wenig frisch. Als sie wieder auf die Terrasse kommt, brutzeln schon Würstchen und Steaks auf dem Grill.

Simone erzählt gerade ihren Großeltern von ihrer neuen Arbeit in Leuna, wo sie eine neue Anlage in Betrieb nehmen wird und deshalb leider nicht mit nach Caldonazzo fahren kann. Als sie ihre Mutter sieht fragt sie diese:

„Warum kann denn deine Freundin Manuela nicht mitkommen?“

„Aus einem super guten Grund“, sagt Gabriela und berichtet, „nach dem sie ihre Prüfung als Rettungssanitäterin bestanden hat, bekam sie zum 1. August eine unbefristete Stelle beim DRK in Hamburg. Es wäre komisch für Manuela gewesen, beim Vorstellungsgespräch gleich nach Urlaub zu fragen.“

„Ja das kann ich verstehen“, wirft ihr Vater ein, „es ist heutzutage ja schon ein Wunder, wenn man einen unbefristeten Vertrag bekommt. Aber es ist doch schade, dass weder Simone noch deine Freundin dich begleiten. Hättest du den Urlaub nicht verschieben können?“

„Leider nein, Papa. In meinem jetzigen Beruf als Dozentin in der Erwachsenenbildung, kann ich tatsächlich nur in den Ferien Urlaub machen. Aber ich freue mich schon darauf, auf der Terrasse des Hotels ausgiebig zu frühstücken und dabei die Leute zu beobachten. Ich bin auch gespannt, ob ich was verstehe, wenn sie reden. Immerhin habe ich noch ein wenig italienisch zu lernen versucht“, erklärt Gabriela ihrem 82-jährigen Vater, der noch erstaunlich fit ist für sein Alter, wie man so schön sagt, körperlich und geistig.„Italienisch? Wann hast du das denn noch gemacht?“,

fragt nun Simone erstaunt, „du musstest doch auch so viel Neues lernen in der letzten Zeit:“

„Na ja“, lacht Gabriela, „ich bin ja viel mit dem Auto unterwegs und da habe ich mir Hörbücher besorgt und wenn ich Lust hatte im Auto gehört.“„So die ersten Würstchen sind fertig!“, ruft Simones Opa nun und, „alle zu Tisch bitte!“

Alle setzen sich und nehmen Salate, Brot und Würstchen und hauen ordentlich rein. Dabei

erzählen die vier sich das Neueste, was sie so seit dem letzten Treffen, bzw. Telefonat erlebt haben. Gabrielas Vater nennt das scherzhaft „updaten“ und fragt auch nach André, Gabrielas 34-jährigem Sohn, der seit 10 Jahren in Winterthur lebt und arbeitet.

Gemeinsam mit Ines räumen Gabriela und Simone nach dem Essen alles ins kleine Gartenhaus. In der Miniküche ist kaum Platz für zwei, deshalb schlägt Simone vor:

„Omi, lass das mal Mama und mich machen. Setz dich zu Opa auf die Terrasse, du hast für heute genug getan.“

„Das ist aber lieb von euch, Kinder“, freut sich die 81-jährige zierliche Frau, nimmt ein Sudokuheft und geht nach draußen auf die Terrasse zu ihrem Mann.

„Sag mal Mama, findest du nicht auch, dass Ines wieder recht fit nach ihrer langen Krankheit ist? Ich finde es Klasse, wie sie das hier noch alles so toll vorbereitet“, stellt Simone nun fest und sieht ihre Mutter fragend an.

„Ja das finde ich auch“, antwortet diese, „und nächstes Jahr wollen beide sogar ihre Goldhochzeit feiern“, fügt Gabriela hinzu.

„Wow, Wahnsinn!“, staunt Simone und fragt, „wie viel Jahre sind das denn, wenn man Goldhochzeit feiert?“

„50 Jahre“, antwortet Gabriela. „Echt?“, Simone verdreht die Augen, schüttelt mit dem Kopf. Aber dann erzählt sie von ihrer neuen Arbeit, den Kolleginnen und auch von einem neuen Freund, den sie seit acht Monaten hat.

Sie unterhalten sich noch ein bisschen während sie die Küche aufräumen und gehen dann nach draußen auf die Terrasse wo sie von Ines fröhlich empfangen werden mit den Worten:

„Gabi, dein Vater möchte heute zur Feier des Tages mit euch sein sogenanntes Herrengedeck trinken!“

„Was für ein Herrengedeck?“, fragt Simone.

Walter erklärt seiner Enkelin, dass das ein Mixgetränk aus Bier und Sekt ist und dass sie das früher oft in Gaststätten getrunken haben. Seine Enkelin hört interessiert zu, aber Ines und Gabriela verdrehen lachend die Augen, weil beide diesen Vortrag schon gefühlte 1000 Mal gehört haben. Sie nutzen die Gelegenheit und unterhalten sich über alles Mögliche, während Gabrielas Vater seiner Simone inzwischen ausführlich die Familiengeschichten erzählt, so weit er sie kennt.

Für Gabriela hat er das schon vor Jahren mal aufgeschrieben. Nun ist sie gespannt auf die Gegend aus der ihre Vorfahren stammen. Es gibt ihrem Urlaub sozusagen den roten Faden. Dann wird es langsam dunkler und alle beschließen ins Bett zu gehen.

Gabriela kann nicht gleich einschlafen. Sie ist doch aufgeregt, wegen der Autofahrt, die sie morgen vor sich hat. Gut, dass eine Beifahrerin dabei ist, die die Strecke schon kennt und am Telefon schon sehr sympathisch klang. Schon bei diesen Gesprächen war ihnen aufgefallen, dass sie ähnliche Biographien haben. Fast im gleichen Alter und im Handel tätig, waren sie nach der Wende in die sogenannten alten Bundesländer gezogen und hatten dort ähnliche Karrieren gemacht.

Gabriela denkt an die letzten Jahre zurück, die für sie sehr aufregend aber auch spannend waren. Alles hatte sich für sie verändert. Aber am Ende für sich selbst positiv, wie sie findet.

Über diese Gedanken schläft sie dann doch ein.

Am nächsten Morgen erwacht sie ausgeruht und nach einem guten gemütlichen Frühstück mit Ines, ihrem Vater und Simone macht sie sich reisefertig.

„Zu welcher Uhrzeit hast du dich denn mit dieser Sylvia verabredet?“, fragt ihre Tochter.

„Wir haben zwischen 10:00 und 11:00 Uhr ausgemacht“, antwortet Gabriela, „und dass ich anrufe, wenn wir losfahren. Der Bahnhof liegt ja auf dem Weg zu unserem Treffpunkt.“

„Super, dann können wir ja alles in Ruhe machen. Bist du sehr aufgeregt, Mama?“, fragt Simone nun ein wenig besorgt,

„immerhin ist das ja deine erste große Ferienreise alleine.“

„Na ja, ich bin schon ein wenig aufgeregt, immerhin will ich in den nächsten Tagen über 2500 km fahren“, gibt Gabriela zu, „aber das war ja klar, dass das mal so kommt. Ihr seid ja schon länger aus dem Haus und dass ich mich nach der Trennung von Marcus nicht zu hause verkrieche, ist doch auch klar, oder?“, dann muss sie lachen und sagt:

„Stell dir mal vor, ich lerne da jetzt einen Italiener kennen, dann kehre ich ja vielleicht an den Ort meiner Vorfahren zurück!“

„Du nun wieder, Mama“, lacht auch Simone, „womöglich noch einen italienischen Prinzen auf dem weißen Pferd!“

Nun ist es ganz aus. Sie spinnen sich ein Szenarium zu recht und albern dabei herum. Ines kommt ganz erstaunt zu ihnen und fragt:

„Na, was habt ihr Beiden denn?“

„Mama lernt in Caldonazzo ihren Prinzen auf einem weißen Pferd kennen!“, platzt Simone lachend heraus.

Ines lacht nun auch und sagt:

„Ach Kinder, so was gibt es doch nicht mehr! Der letzte Prinz ist euer Vater und Opa! “

Darüber müssen sie alle drei lachen und als Gabrielas Vater um die Ecke schaut und fragt:

„Na was haben meine Damen denn jetzt?“, müssen sie noch mehr lachen.

„Ich habe den Mädels nur erklärt, dass du der letzte Prinz auf dem weißen Pferd warst!“ lacht Ines ihren Walter an.

Nun lachen sie alle gemeinsam.

Doch dann heißt es Abschied nehmen. Walter und Ines wünschen Gabriela eine gute Reise mit einem Zwinkern und von Simone kommt der Abschied am Bahnhof.

In Gabriela steigt die Vorfreude und Aufregung wieder höher. Sie ruft Sylvia an, dass sie auf dem Weg ist. Als sie bei dem vereinbarten Treffpunkt ankommt, läuft Sylvia gleich auf sie zu. Sie umarmen sich spontan, die am Telefon empfundene Sympathie bestätigt sich auch im Realen.

Sie räumen Sylvias Gepäck ins Auto, steigen ein und sagen gemeinsam:

„Na dann: Gute Fahrt!“

Die Fahrt nach Bozen

„Mein Navi sagt, dass wir mindestens sieben Stunden unterwegs sind, also genug Zeit zum Erzählen. Ich bin schon ganz gespannt, was du so in der letzten Zeit erlebt hast. Du hast mir ja schon einiges beim Telefonieren angedeutet“, beginnt Gabriela die Unterhaltung.

„Oh, davon kannst du träumen, dass wir nur sieben Stunden bis Bozen brauchen, das habe ich noch nie geschafft, egal wie ich dort hin gefahren bin, mit Bus oder Mitfahrgelegenheit. Wir werden viel Zeit zum Reden haben!“, antwortet Sylvia lachend und startet, da sie wie vorher am Telefon ausgemacht, für den ersten Streckenabschnitt bis München das Fahren übernimmt.

„Nun erzähl schon, was ist mit dem Typen geworden, von dem Du mir erzählt hast, wie hieß er doch gleich, Marcus?“, bittet sie schmunzelnd Gabriela.

„Willst du nicht lieber warten, bis wir aus der Stadt sind?“, fragt diese zurück.

„Ach, weißt du, ich bin hier so oft gefahren, Richtung München, die Strecke kenne ich in- und auswendig! Nun erzähl schon.“

Tatsächlich war es so. Sylvia war nach der Wende 1989 viele Jahre beruflich in München tätig. Als Bezirkleiterin einer Drogeriekette ist sie zur Vielfahrerin geworden, konnte sich aber nie dazu entschließen, ganz nach München zu ziehen, auch weil in Leipzig ihre zwei Töchter lebten. Die ältere hatte zu diesem Zeitpunkt auch schon zwei Kinder und Sylvia wollte ihre Enkel aufwachsen sehen. So pendelte sie, wie so viele in der Zeit und auch heute noch, zwischen München und Leipzig. Als sich für sie vor zwei Jahren die Gelegenheit bot, in den Ruhestand zu gehen, hatte sie nicht lange überlegt und lebt seitdem wieder ganz in Leipzig, hatte ihr Auto verkauft, da sie dies in Leipzig nicht brauchte. Sie nutze für ihre Fahrten nun die immer günstiger werdenden Reisebusse oder Mitfahrgelegenheiten, wie mit Gabriela. Nebenbei arbeitet sie für ein paar Stunden in der Woche in einem kleinen Buchladen, um u.a. ihre Besuche bei der jüngsten Tochter zu finanzieren, die vor drei Jahren nach Bozen geheiratet hatte. Aber auch, um mit ihren Enkeln hier in Leipzig was unternehmen zu können. Das alles wusste Gabriela von ihren Telefonaten. Auch, dass Sylvia fünf Jahre älter war als sie. Gabriela schaut Sylvia von der Seite an und denkt:

„Na, wie 65 Jahre sieht sie nicht aus“, und wundert sich, dass ihre neue Freundin, keinen Partner findet, der mit ihr gemeinsam ein Stück des Lebens gehen will. Auch darüber hatten sie sich am Telefon schon unterhalten und über Marcus, Gabrielas Geliebten, von dem sich diese im Juni diesen Jahres getrennt hatte.

Die unendliche Geschichte von Gabriela und Marcus

„Nun erzähl schon!“, bittet Sylvia Gabriela. „Wir hatten doch verabredet, dass wir uns auf unserer Fahrt alles genau erzählen und außerdem bin ich auch neugierig! Fang schon an, ich will alles wissen, wie es begann bis zum Ende im Mai. Außerdem haben wir bis München mindestens vier Stunden Zeit!“

„Okay, ich fang ja schon an!“, lacht Gabriela, „aber, wenn es dir zu viel wird, sag bitte Bescheid.“, fügt sie hinzu.

„Ja, ja!“, winkt Sylvia ab, „mache ich!“

Gabriela schaut lächelnd zu ihr und überlegt, wie hat es angefangen?

„Es war im Sommer 2011 und ich hatte im Frühjahr noch einmal versucht, meine Ehe mit Ulf zu retten. Aber nach drei Monaten merkte ich, dass er sich nicht mehr ändern will oder kann und mir weiterhin an allem die alleinige Schuld gab. Allmählich kamen mir der Wille und die Lust auf eine Zweisamkeit mit Ulf abhanden. Sein Desinteresse an mir, dem was ich tat und plante, taten mir weh. Es machten sich Sehnsüchte in mir breit, nach Nähe,

 

Kommunikation und Zärtlichkeiten. Aber damals war ich noch nicht bereit, mich offiziell von Ulf zu trennen.“

„Ja, das kenne ich“, meldet sich Sylvia dazu: „Das war bei mir ähnlich! Du siehst, wir haben mehr Gemeinsamkeit, als du ahnst“, fügt sie lächelnd hinzu.

Und weiter: „Du hast bestimmt gedacht, das muss doch auch irgendwie anders gehen!“

„Ja das stimmt! Ich dachte, dass ich mir vielleicht erst mal jemanden für eine Affäre suche und dann in Ruhe die Trennung von Ulf plane oder so.

„So ähnlich ging es mir auch, aber ich war, als ich diese Gedanken hatte, schon getrennt von meinem Werner. Aber die Vorstellung, eine Affäre zu haben, fand ich damals auch gut.

Nie mehr stationär, nur noch ambulant, war mein Kredo! “, wirft Sylvia lachend ein. Gabriela prustet los, kriegt sich nicht mehr ein.

„Der Spruch ist Klasse, Sylvia!“ Sie brauchen beide, bis sie sich wieder beruhigen, so sehr müssen beide nun lachen. Irgendwann kann Gabriela wieder reden und erinnert sich:

„Richtig wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was ich wollte. Da halfen auch alle Gespräche mit Freundinnen nicht. Eine hatte dann aber den Tipp, ich solle mich doch mal auf einer bestimmten Internetseite anmelden und schauen, was passiert. Es gebe viele in unserem Alter, die nicht loslassen können von einer langen Beziehung

aber unzufrieden in dieser sind. Ich überlegte eine Weile und kam dann zu dem Schluss, was schon passieren solle? Ich könne mich ja mal dort umschauen und meldete mich auf dieser Internetseite an. Oh je, was da los war, auf meinem Profil! Ich hatte doch tatsächlich innerhalb von zwei Tagen 150 Mails! Obwohl ich kein Foto eingestellt hatte. Entscheidend für die vielen Zuschriften war wohl, dass ich angegeben hatte, dass ich eine Affäre suche.“

„Lass mich raten“, meldet sich Sylvia wieder: „Es waren keine für dich aufregenden oder deine Sinne anregenden Zuschriften dabei, bis dann das Schreiben von deinem Marcus kam.“

„Hey, ja das stimmt und ich erinnere mich noch an jedes Wort:

,Hallo Unbekannte, bevor ich mit der Tür ins Haus falle, stelle ich mich mal kurz vor.

Me in Name ist Marcus. Ich bin 46 Jahre alt. Bin etwas üb er 2 Meter groß und habe ein paar P fund e zu v i e l. Ich lebe in einer langweiligen Beziehung. Wegen Selbstständigkeit und aus finanziellen Gr ünd e n bin ich leider (noch) zu feige auszusteigen.

Ich bin ein r uhig er Ge nussm e nsch. Kein Matcho od er Pr oll. U n ter hal te mich gern und liebe es bei in tere ssan te n Ge sp r äch e n zuzuhören.

Ich mag s e h r g er n e lang e s schön e s K usch e ln und K nu t sch e n. So w i e s tre ich e ln , massieren und schöne Erotik ohne Zwang und H et z e . Drogen, Gewalt, Ni k o t in , A l k oholi ker, Schmutz und Siff, F er ns e hdau er schau er (GZSZ, DSDS, R ich ter sho w und wie sie all e heißen...) sind für mich ein absolutes ,No go´.

Vielleicht habe ich ja G lüc k und wir hab e n e inig e G e m e i n s a m k e i t e n . Dein A l ter und A uss e h e n ist für mich z we i tr angig. B ild er aus t ausch ist für mich nich t nötig.

Ich such e kein ONS! Nur für läng er ohne Terminstress.

Ich bin für das di rekte Date nach einem Telefongespräch. Irgendwo an einem n ette n

Ort ( Re s t au r an t, Caf é , …) wo man sich, beschnuppern´ kann um zu sehen, ob da vielleicht eine gemeinsame Chemie ist. Ich bin ehrlich und nich t nach tr ag e nd , falls es nich t k lapp e n soll te .

Ich w ü r d e mich freuen, von di r zu lesen. Auch wenn es , n e ga t i ist. Vielleicht bis bald...

Marcus aus der Hansestadt Hamburg´.“

„Wow, das las sich bestimmt toll! Irgendwie total passend, auch von den ähnlichen Lebenssituationen damals her! Oder?“, wirft nun wieder Sylvia ein:

„Wie hast du geantwortet? Dass du geantwortet hast ist mir klar!“, fügt sie hinzu.

„Klar, habe ich geantwortet!“, lacht Gabriela; „das hättest du auch gemacht, oder?“ Sylvia nickt und blickt kurz zu ihrer Freundin um ihr zu signalisieren, weiter zu erzählen.

„Also ich habe geschrieben:

, Hallo Marcus,

wir hab e n v i e l e Gemeinsamkeiten, b e sond er s das mit den F er ns e hs e ndung e n. Leider bin ich dem Ni k o t in verfallen, wie man unschwer in meinem Profil erkennen kann. Auch trinke ich g er n e mal ein G läsch e n Wein und auf Feiern auch Cuba Libré.

Aber bei mir ist es auch ähnlich in der Beziehung, habe di e gleichen Gründe nich t auszusteigen. Auch alles and ere passt.

LG Gabriela´“

„Klasse, wie ging es weiter?“ fragt Sylvia: „Dass es weiter ging, weiß ich ja“, kichert sie dann.

„Hm, wie ging es weiter?“, murmelt Gabriela und denkt schmunzelnd zurück.

„Wir hatten täglich über E-Mail Kontakt. Von dieser Internetseite hatten wir uns schnell abgemeldet. Aber hauptsächlich wegen mir. Wenn ich dort on war, bekam ich auch sofort Nachrichten. Es nervte einfach, wenn die immer aufploppten, während ich Marcus eine Nachricht schrieb. Na, das kennst du vielleicht ja auch. Wir schrieben also jeden Tag und manchmal rief Marcus auch an. Schnell verabredeten wir unser erstes Treffen.“

Plötzlich wird sie mit hoher Geschwindigkeit nach vorne gedrückt und muss sich mit den Armen abstützen.

„Sorry, der vor uns ist ohne blinken auf unsere Spur gekommen“, entschuldigt sich Sylvia und fragt: „Alles gut?“

„Ja, klar! Das habe ich auch ganz oft, wenn ich unterwegs bin! Keine Ahnung, warum so viele nicht blinken, wenn sie die Spur wechseln!“

„Ja, das kenne ich auch noch von meinen Fahrten und ich achte schon immer darauf, aber dieser war besonders spontan. Aber erzähle bitte weiter. Ich finde das total spannend, auch weil ich doch so einiges höre, was ich ähnlich erlebt habe. Aber das erzähle ich dir, wenn wir getauscht haben.“

„Ja, das glaube ich dir. Ich denke, dass Frauen über 50 so einiges erleben bei der Partnersuche im Netz. Ich höre da von Freundinnen oft Sachen, die glaubt man kaum. Darüber müsste man tatsächlich mal ein Buch schreiben!“, kichert sie.