Liebe und Alltag in der DDR

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6. Kapitel

S

chon am 20. 5.

Sie hat gleich zwei Briefe geschrieben und per Einschreiben zur Post gebracht. Einen an das ZK der SED und einen an den Chef von Franks Truppe.“

Da bin ich heute gespannt, was daraus geworden ist. Ich vermute mal, es ist gut für Konstanze ausgegangen. Denn in dem Brief schlug ich noch vor, dass Konni ja dann während der Armeezeit der Männer mit in unsere neue Wohnung ziehen könne und ich dann sogar Miete bekäme. Aber ich erinnere mich sehr genau, dass sie nie in unsere Wohnung ziehen musste.

Dann beschreibe ich, dass das Geld, was ich für Schallplatten und Kassetten bekommen habe für Gardinenstoff gereicht hat, dass ich Flurmöbel und Gardinenstangen gekauft habe. Ich erinnere mich daran genau, ich musste es nehmen, wenn es diese Sachen gab. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass es das so in einer Woche wieder gab. Sämtliche Möbel konnte ich vom Ehekredit bezahlen. So versuchte ich auch, gebrauchte Möbel zu kaufen, um Geld zu sparen, um wenigsten einen Kleiderschrank zubekommen und Möbel für unser Wohnzimmer. Noch im Nachhinein muss ich sagen, das gelang mir recht gut. Ein Teil dieser Möbel haben wir noch mit nach Stade genommen, wo wir 1991 im Dezember hinzogen. Ich war natürlich gespannt, was mein Hannes auf all das antworten würde und wartete sehnsüchtig auf Post von ihm.

N

ach der Wohnungsverlosung

Wir werden Riemser Weg 9, 1. links wohnen. Das ist die selbe Wohnung, in der Konni und ich waren. Schlüsselübergabe für die Aufgänge 9 und 10 ist um den 20. Juni herum. Ab 1. Juli gilt der Mietvertrag. Es läuft also alles, wie geplant. Ich ziehe um, wenn Du im Feldlager bist und brauche auch nicht mehr aus der Wohnunterkunft zu ziehen. Darauf gibt es jetzt mit Freundinnen Sekt! Aber Konstanze weiß noch nichts. Wir sind gespannt, was sie für Antworten auf ihre Einschreiben bekommt.

Ich hoffe, Du freust Dich auch! Mehr Glück kann der Mensch nicht haben. Immerhin läuft alles, wie von mir erhofft.“

Da ich seinen Brief schon vor der Verlosung hatte, hatte ich gleich nach der Verlosung die Bestellliste abgearbeitet und es Hannes berichtet. Ich hatte wohl sogar lange Unterwäsche bekommen.

Natürlich komme ich so oder so! Du kannst Fragen stellen!“ , habe ich meinem Schatz bestätigt.

Dann wieder was zur Wohnung:

Wir werden 55,50 Mark Miete bezahlen. Ich musste einen Schein für die Abbuchung ausfüllen, natürlich von meinem Konto. Da ist Heizung und Warmwasser mit drin. Wie das mit der Elektrizität ist, weiß ich noch nicht. Aber das werden wir ja dann sehen. Übrigens haben sie heute auch gleich die Hausvertrauensmänner, die Stellvertreter und die Hausbuchführer bestimmt. Unser Nachbar ist Stellvertreter. Seine Frau machte leider keinen sympathischen Eindruck, wollte gleich von der 1. in die 2. Etage tauschen.

Ansonsten sind es alles junge Leute, die in den Block ziehen, 20 bis 30 Jahre alt. Für das Küchengeld gibt es ein Nassteil, also die Spüle mit Untersatz, einen zweitürigen Hänger und einen zweitürigen Unterschrank. Aber billiger kann man das nicht kaufen und jede Wohnung hat einen Keller. Der Balkon ist so breit wie die Küche und 1,5 Meter tief. Von den Quadratmetern her ist unsere Wohnung wohl größer als die im WBS70. Mach Dir keine großen Gedanken. Wenn Du das Feldlager überstanden hast, kommst Du schon in unsere Wohnung in Urlaub. Richtig fassen kann ich das noch nicht. Endlich eine eigene Wohnung! Du?!

Jetzt noch 10 Tage arbeiten, dann einen Tag frei, dann komme ich zu Dir!

Also noch 12 Tage! Ich kann es kaum erwarten.“

In der Zwischenzeit hatte ich auch erfahren, dass das mit der Bude in Rostock am 2. 6. klappt.

N

un ging es mit Motivation

Das hatte mindestens zwei Vorteile. Stoff für Gardinen war im Gegensatz zu Fertiggardinen relativ günstig und ich konnte mir die Gardinen so nähen, dass diese mir gefielen. Aber es ging in diesem Brief auch wieder ums Geld:

Heute habe ich die 300,00 Mark Genossenschaftsanteile gezahlt. Für die Küche brauche ich mir nun nur 900,00 Mark von Ella und Olaf borgen. Sie kostet ja nur 917,00 Mark. Konni hat wohl kaum eine Chance im Wohnzimmer der Wohnunterkunft zu bleiben. Auf einmal heiratet hier alles, was schon ein Kind hat und ein Wohnzimmer bekommen muss. Alles Kolleginnen von der HO und plötzlich gilt sie als alleinstehend! Ihr Mann zählt nicht mehr, seit er bei der Armee ist! Über mich verlieren sie kein Wort. Nicht, weil ich die Wohnung bekomme, Schlafzimmer braucht zur Zeit keiner.

Heute habe ich versucht, einen Möbeltransporter zu bestellen. Die geben jetzt Termine für Oktober raus. Also muss ich doch mit Eurem Multi-Car umziehen. Der voraussichtliche Umzugstermin ist jetzt der 28. 6. Wenn Du im August auf Urlaub kommst, ist der ganze Trubel vorbei!“

Und gleich am nächsten Tag morgens, es war der 23. 5.:

Heute bist Du drei Wochen weg. Mir kommt es ewig lange vor.“

Dann schrieb ich, wie toll seine Kollegen helfen und sich Gedanken machen. Auch dass jetzt das Geld von meinem Neuerervorschlag kommen könnte. Ah, da erinnere ich mich. Ich hatte doch tatsächlich eine ganze Arbeitskraft mit dem Vorschlag eingespart. Das war damals so gewollt, da gerade in der Gastronomie ständig Arbeitskräftemangel herrschte.

D

en nächsten Brief begann ich

Es ist ein kurzer Brief, nur eine Seite, in dem ich beklage, dass ich keine Post habe und ein Päckchen zum Geburtstag von Hannes Oma bekommen hatte:

Ehrlich, daran habe ich nicht mehr gedacht, ich meine an meinen Geburtstag.“, schrieb ich. Und ich erinnere mich, das war tatsächlich so. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was ich in den vergangenen drei Wochen im Mai 1985 alles zu organisieren hatte. Aber es war ja auch nur mein 25., den ich ohnehin mit Hannes am 2. 6. ein bisschen feiern wollte. So hoffte ich zu mindestens, wenn ich zwischendurch mal kurz daran dachte.

M

ein 14. Brief hatte

Mein lieber Hannes! Heute war wieder keine Post von Dir da. Dafür kam heute Post aus Leipzig von meinem Vater und von Yvonne Anton. Den Brief von Yvonne habe ich öffnen müssen, da ich keinen passenden Briefumschlag hatte, um ihn an Dich weiter zu schicken. Ich habe ihr schon mal geschrieben, dass Du mit mir glücklich bist. Ich hoffe, ich habe nicht gelogen.“

Ups, da war ich wohl ein kleinwenig eifersüchtig! Ich fragte mich natürlich, warum diese Yvonne ausgerechnet jetzt an Hannes schrieb. War da mal was und vor allem, wenn ja wann?

Trotzdem ging ich danach gleich wieder zum Alltäglichen über. Nämlich, was ich nach der Arbeit gemacht habe und dass eine Kollegin ihr Kind mit Kaiserschnitt bekommen hat.

Aber dann schrieb ich doch noch das:

Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, dass ich gleich geantwortet habe. Ob Du nun auch noch schreibst, ist Deine Sache! Du musst wissen, ob es angebracht ist.“

Am Samstag, den 25. 5. hatte ich mich wohl wieder beruhigt:

Noch 8 Tage bis Sonntag! Bekommst Du nun Ausgang? Was macht Ihr Pfingsten?“

Das hatte ich aber auch schon im Vorangegangenen Brief gefragt. Ich schrieb noch, dass das mit Konstanze als Untermieter wohl sehr kompliziert ist. Aber ich machte mir wohl große Sorgen um sie und wo sie nun hinsollte. Immerhin hatte sie noch keine negative Antworten auf ihre Einschreiben. Das konnte ohnehin lange dauern, dachten wir damals. Da ich über Pfingsten arbeiten musste, vergingen die Tage wenigstens schnell. Es muss sehr schönes Wetter gewesen sein, ich schrieb was von 30 Grad und wollte mich mit einer Freundin nach Feierabend zum Sonnen treffen.

So begann ich dann auch am Pfingstsonntag, den 26. 5.:

Ein wunderschönes Pfingstfest und einen schönen guten Morgen mein Fratz!

Über Pfingsten tue ich nichts Besonderes. Schlimm genug, dass ich arbeiten muss (5:46Uhr). Wie hell das draußen ist!

Wir haben gestern doch schon Kursbücher bekommen. An den Zügen nach Rostock ändert sich kaum was.

Über die Feiertage hat nur der „Struck“ auf. Kannst Dir ja vorstellen, was gestern los war. Aber dann vergeht die Zeit schnell. Noch eine Woche, Fratz! Dann komme ich zu Dir! Freust Du Dich auch schon so wie ich?“

Am gleichen Tag nach Feierabend gegen 16:00 Uhr, berichtete ich noch, wie viel Arbeit es gab und von unhöflichen Kunden. Aber dann erzählte ich wieder von meinen Plänen für unsere Wohnung. Ich liebte und liebe das immer noch, Wohnungen einzurichten. Und erst recht, wenn nur wenig finanzielle Mittel vorhanden sind. Kreativität und Improvisationstalent kommen mir dabei noch heute zugute.

Auch der Plan mit den gebrauchten Möbeln schien aufzugehen. So schaffte ich es tatsächlich, die Wohnung fast komplett einzurichten. Neue Möbel waren in der DDR richtig teuer. Aber gebraucht gab es das eine oder andere schicke Schnäppchen.

Dann verabschiedete ich mich. Nicht ohne die folgenden Worte noch zu schreiben:

Hoffentlich vergeht die Woche schön schnell! Ich kann es kaum noch abwarten. Du fehlst mir so, Fratz! Es müsste jetzt einen Knall geben und Du würdest vor mir stehen. Da wäre so schön! Aber leider geht das nicht, Schade! Muss ich eben mit dem Teddy schlafen und lesen im Bett.“

 

Am nächsten Morgen, es ist der Pfingstmontag schrieb ich natürlich wieder einen Guten-Morgen-Gruß. Diesmal berichtete ich von einem Traum:

Jetzt fange ich an zu träumen. Du hast gerade an mir rumgemäkelt, als der Wecker geklingelt hat. Hast gemeckert wegen meiner Figur und ich würde zu viel wiegen.

63 kg seien zu viel. Und wenn ich wollte, dass wir zusammen bleiben, solle ich mich gefälligst auf die 50 herab begeben. Ich habe natürlich widersprochen. Ein Glück, dass der Wecker geklingelt hat und das bloß ein schlechter Traum war.“

Ich muss schmunzeln, wenn ich das heute lese. Solche Träume hatte ich? Na ja, das ist 35 Jahre her.

Dann schlug ich vor, doch am 2. 6. nach Warnemünde an den Strand zu fahren weil das Wetter wohl so schön bleiben soll. Außerdem beschloss, ich diesen langen Brief schon mal zur Post zu bringen, da er sonst zu schwer geworden wäre und begann am Abend des Pfingstmontag den nächsten Brief an meinen Hannes.

7. Kapitel

I

ch konnte zu diesem Zeitpunkt wohl nicht anders

Ich habe heute Nachmittag wieder am Store genäht, aber ich bin noch lange nicht fertig. Die Falten müssen alle einzeln gelegt werden. Ich kriege schon wieder einen Bauch. Hoffentlich habe ich Sonntag nicht meine Regel.

Konstanze hatte wohl doch Erfolg mit ihren Briefen. Jedenfalls mit dem an Frank´s Chef. Der Major hat Frank zu sich holen lassen und gesagt, Konstanze soll nicht umziehen. Außerdem meinte der Major, er würde sich drum kümmern, schließlich habe die Armee den längeren Arm.“

Dann erzählte ich noch von einer Freundin, die jemand heiraten wolle, den sie nicht liebt.

So was könnte ich nicht, mein Fratz!“, war mein Kommentar dazu.

Gleich am nächsten Morgen noch schnell ein paar Zeilen vor der Arbeit. Abends dann wieder mehr und voller Freude mit Traurigkeit:

Eben habe ich Deine beiden Briefe erhalten. Mir kamen auch schon wieder die Tränen. Besonders bei dem, wo drin steht, was ich besorgen soll und gelesen habe, dass Dir auch die Tränen kommen.“

Hannes hatte also auch über Pfingsten geschrieben. Wieder Mal kam seine Post gebündelt an. Mir wäre es damals lieber gewesen, wenigstens jeden zweiten Tag einen Brief, ein paar Zeilen von meinem Schatz zu bekommen. Und so schrieb ich noch am 29. 5. abends:

Hoffentlich klappt alles am Sonntag. Und hoffentlich habe ich morgen wieder Post von Dir. Du kannst es Dir gar nicht vorstellen, wie blöd es ist, fast eine Woche keine Post von Dir zu haben. Aber ich weiß ja, Du kannst sicher nicht immer schreiben. Bei mir wird sich das während des Umzuges auch reduzieren. Wir werden sehen“

A

ber nun erst mal die Briefe von Hannes

Leider hat Hannes nicht immer am Anfang der Briefe das Datum geschrieben, so dass ich oft nur im Inhalt Hinweise finde, von wann der Brief ist. So auch bei diesem:

Mein lieber Fratz! Ich habe heute Deine beiden Briefe erhalten. Deine Post bekomme ich immer von 13:50 bis 14:00 Uhr, also unmittelbar vor dem Mittagessen. Von 14:30 bis 15:00 Uhr habe ich dann meistens Zeit zum Lesen. Seit Mittwoch stehen wir in der speziellen Ausbildung. Montag und Dienstag war noch mal voll Stress, es waren die letzten zwei Tage Grundausbildung. Mir tut noch alles weh, blaue Flecken. Ich muss wahrscheinlich wieder in die 4-Mann-Bude zurück. Wäre nicht so schön, ich habe mich hier wirklich gut eingelebt. Radio haben wir jetzt auch, zwar noch wenig Zeit zum Hören, aber immerhin.

Heute vor drei Wochen bin ich hergekommen, mir kommt es irgendwie länger vor. Dir bestimmt auch, oder? So nun genug von dem Laden hier. Ich habe gerade gefragt, wegen Ausgang am Sonntag. Ich kann mich erst Samstagfrüh ins Ausgangsbuch eintragen und Samstagmittag weiß ich dann, ob es klappt. Ja so ist das eben.

Wegen der Wohnung, ich bin natürlich nicht begeistert davon, wenn Konni mit einzieht. Vielleicht kriegt sie es auch so geregelt, dass sie drin wohnen bleiben kann. Wir werden sehen am 2. 6. Na, das mit Konni hatte sich ja vielleicht schon erledigt.

So, heute am Samstagnachmittag kann ich endlich weiter schreiben. Wir haben gerade zwei Stunden Zwiebeln gepellt. Pfingstsonntag und Pfingstmontag liegen ein Haufen Maßnahmen an, politische Vorträge usw. So kann man die Feiertage auch rum kriegen.“

Und dann zum Schluss die wichtigsten Zeilen für mich:

Ich freue mich riesig auf Sonntag, 2. Juni. Hoffentlich komme ich raus. Ich liebe Dich wie verrückt! Sei lieb gegrüßt von Deinem Hannes. Ich liebe Dich!“

U

nd nun zu dem zweiten Brief, seinem siebten

Es ist Sonntag 14:00 Uhr und wieder so herrliches Wetter. Ich glaube das wird der Jahrhundertsommer. Fratz, ich liebe Dich. Hoffentlich ist bald der 2. Juni. Ich kann es kaum erwarten. Wenn Du diesen Brief liest, dann sind es vielleicht, bloß´ noch vier Tage. Wegen meinem Sonderurlaub müsstest Du mal zum Wehrkreiskommando in Greifswald gehen und Dir bestätigen lassen, dass wir eine Wohnung bekommen.

Überhaupt hat man mir gesagt, dass das WKK für Dich immer der Anlaufpunkt ist, falls Du Probleme hast (Todesfall, Krankheit usw.) Wenn ihr Deinen Geburtstag feiert, trinkt für mich einen mit. Bestelle allen liebe Grüße von mir und ich danke allen, die Dich in dieser schweren Zeit unterstützen, besonders Ella und Olaf. Mir stehen schon wieder Tränen in den Augen. So ist das halt. Ich glaube ich höre jetzt auf. Sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes.“

Ja, ich erinnere mich, wie sehr mich das rührte. Auch heute finde ich es noch unglaublich, wie verliebt wir waren und welche Sehnsucht wir beide fühlten. Und so füge ich den nächsten, den 8. Brief von Hannes gleich noch an, da er ihn Pfingstmontag geschrieben hat.


Ich möchte Dir heute schon wieder schreiben

, wer weiß, wann ich wieder dazu komme. Morgen geht der Stress wieder los. Ich habe echt gesagt, die Schnauze voll. Solch ein Wetter zu Pfingsten hatten wir lange nicht. Wenn ich daran denke, dass es noch ein Pfingsten hier gibt, au weh? Habe über die Feiertage viel Heimweh gehabt, weil man wahrscheinlich zu viel Zeit hatte nachzudenken. Noch 6 Tage bis Du kommst, eine halbe Ewigkeit.

An meine Eltern habe ich immer noch nicht geschrieben. Ich weiß einfach nicht, was ich denen schreiben soll. Hast Du denn schon Post von Deinen Schwiegereltern?

Hattest Du viel Arbeit über Pfingsten? Was macht das zivile Leben überhaupt?

Fühlt Ihr Euch sicherer, wenn ich hier Euch den Frieden schütze?“

Wow, was für eine Frage aus heutiger Sicht. Wenn ich das jetzt lese, fühle ich mich wieder bestärkt in der Ansicht, dass nur Freiwillige zur Armee sollten. Am besten wäre natürlich, es gäbe überhaupt keine Armeen auf der Welt!

M

eine Antworten kommen prompt im Brief vom 29. 5.

Unsere Wohnung scheint fertig zu sein, aber noch habe ich keinen erreicht, der mir einen genauen Termin sagen kann. Das zivile Leben ist ohne Dich beschissen. Und ich würde mich sicherer fühlen, wenn Du bei mir wärst! Ich darf auch nicht daran denken, dass es noch ein zweites Pfingsten ohne Dich gibt. Ich freue mich auf den 2. Juni. Dann bist Du erst einen von 18 Monaten fort. Ich darf gar nicht daran denken.

Sicher werden wir noch viele solcher Stunden erleben, an denen uns das Grausen kommt, wenn wir an die lange Zeit der Trennung denken. Und wir können nur hoffen, dass Frieden bleibt. Verzeih mir, ich will keine trübe Stimmung aufkommen lassen.

Ich selbst traue mich nicht, solche Gedanken zu Ende zu denken.

Aber nun zu etwas Erfreulicherem. Ich habe heute die Bilder geholt. Da waren ja noch welche von Wernigerode bei. Die von Zinnowitz sind alle geworden. Oma und Hans haben uns eine Glückwunschkarte zur Wohnung geschickt und mein Papa auch.

Ella hat noch keine Raufasertapete bekommen. Heute kam keine Ware, weil Pfingsten war. Jetzt in meinem Frei mache ich das mit der Küche klar. Mein Gehalt habe ich diesen Monat noch nicht angerührt und Ehekredit haben wir noch 2270,00 Mark. Ich gebe es nicht mit vollen Händen aus und rechne nur noch. Aber das bequatschen wir alles am Sonntag. Schick mir bitte ein Telegramm, wenn Du keinen Ausgang bekommst, dann brauche ich nicht zu Manuela fahren und den Schlüssel für die Bude holen.

In drei Tagen mache ich mich auf den Weg zu Dir. Was sagst Du dazu? Und wenn Du diesen Brief bekommst, ist es sicherlich schon morgen! Hoffentlich bekommst Du Ausgang!“

8. Kapitel

Am 31. 5., meinem 25.Geburtstag, morgens schrieb ich noch ein paar Zeilen, obwohl


Guten Morgen mein lieber Fratz! Ich habe mich gestern Abend sehr über Deine Geburtstagskarte gefreut! Habe gar nicht damit gerechnet!

Jetzt ist es halb sechs und ich bin schon ne Weile wach und aufgestanden, obwohl ich schlecht geschlafen habe. Wir haben gestern noch das Zimmer umgeräumt. Da sich doch einige Leute zur Feier heute Abend angemeldet haben. Um 22:00 Uhr kam dann der kleine Michel zu mir und wollte bei mir schlafen. Oh man, der macht sich ganz schön dick.“

An diesen Geburtstag habe ich leider keine Erinnerung mehr. Wahrscheinlich hatte ich nur die Gedanken an meinen Besuch bei Hannes im Kopf. „Sonntag besuche ich meinen Fratz, was bedeutet da schon eine Geburtstagsfeier!“



Nachdem ich zwei Tage, am 6. 6. keinen und am 7. 6. nur einen kleinen Brief geschrieben habe, tat ich das am 8. 6., es war ein Samstag wieder ausführlich.

Dieser Brief beginnt wieder früh morgens vor der Arbeit (5:30 Uhr) und endet am folgenden Montagmorgen, damit ich ihn noch in den Briefkasten werfen konnte.

Natürlich beginnt dieser Brief mit:

Mein lieber Fratz, Hannes! Erst einmal meinen herzlichen Glückwunsch zum 1. Hochzeitstag!“

Unseren 1. Hochzeitstag mussten wir nun jeder für sich alleine verbringen. Und so hatte ich auch gleich wieder Fragen an meinen Ehemann:

Was ist mit Deinem Ausgang am Sonntag? Vielleicht kann jemand mit Dir die Wache tauschen, wenn Du eingeteilt bist. Schade, dass diese Woche keine Post von Dir gekommen ist! Was musstet Ihr denn wieder machen, abends? Aber das ist wohl überall bei der Armee so. Konni hat diese Woche auch keine Post von ihrem Frank.

Noch eine Woche , Fratz! Dann komme ich wieder zu Dir!

Ella hat immer noch keine Raufasertapete bekommen. Wenn ich nun doch andere kaufen muss, ist es ja nicht so schlimm. Die Decken sind ja weiß.

Ich war gestern wieder gucken, es sieht so aus, dass die Wohnung rechtzeitig fertig wird. Ach so: Den BMK-LKW bekomme ich nun doch nicht. So ein Mist, was? Na ich werde sehen, dass ich mit Marianne den Kleinkram rüber fahre. Die Möbel dann mit Deinen Kollegen und ihrem Multi-Car.“

Sonntagabend berichte ich, dass Konstanze vorsichtshalber ihre Anbauwand verkauft hat. Auch dass jetzt der Eingang unseres Hauses gestrichen ist und es nicht mehr lange bis zur Schlüsselübergabe dauern kann. Dann die Frage:

Hoffentlich habe ich bald Post von Dir, sonst werde ich hier wahnsinnig! Warum hast Du denn nicht geschrieben? Ich liebe Dich doch so! Wenn ich Dienstag keine Post von Dir habe, werde ich sauer! Fratz, Fratz! Schreibe mir bloß bald! Ich muss doch auch wissen, ob Du Ausgang bekommst, auch wegen der Bude.“

 

Aber dann habe ich schon wieder Ideen, hier für die Einweihungsfeier der Wohnung:

Die Einweihungsfeier für unsere Wohnung starten wir am besten, wenn Du da bist. Damit werden auch die Anderen, die helfen, einverstanden sein. Dann habe ich auch sicherlich schon die Möbel für das Wohnzimmer. So richtig kann ich mir das immer noch nicht vorstellen, dass ich in knapp einem Monat in unserer eigenen Wohnung sein werde. Fratz, schreibe mir bitte! Wenn Du diesen Brief liest, sind es nur noch vier oder fünf Tage bis ich zu Dir komme!“

Am Montagmorgen auch noch ein paar Zeilen, wie es Sonntag auf Arbeit war, dass ich Kartoffelsalat mit Paprika gemacht habe und dann die Worte:

Heute sind es nur noch sechs Tage! Hoffentlich vergehen die so schnell, wie die Tage der letzten Woche. Fratz, ich liebe Dich ganz doll und freue mich schon so auf Sonntag! Du auch?“

Dann endlich kam Post von Hannes, sogar wieder zweimal. Auch er hatte, zu meiner Freude, an unseren Hochzeitstag gedacht:



Herzlichen Glückwunsch

zu unserem Hochzeitstag wünscht Dir ganz lieb Dein Hannes. Auf noch viele gemeinsame und glückliche Jahre mit Dir. Ich liebe Dich ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz doll!“,

stand zu meiner Freude quer geschrieben auf einer Briefkarte. Auf deren Rückseite dann kurz:

Mein lieber Fratz! Ich habe Deine beiden Briefe natürlich erhalten. Muss Dir leider sagen, dass ich gar keine Zeit habe. Seit Montag ist hier Ballett, weil die ganze Woche Kontrolloffiziere von der Division hier sind. Ich liebe Dich ganz doll, aber ich muss aufhören, Stuben- und Revierreinigen ist gleich dran. Ich schreibe noch ausführlicher.“, und das tat er dann auch in seinem 10. Brief, den ich ja auch am 10. 6. erhalten habe.

D

ieser begann, wie immer mit:

Meine lieber Fratz! Ich möchte nun endlich mal in Ruhe schreiben. Es ist morgens 3:30 Uhr und ich sitze hier mutterseelenallein auf dem Flur. Ja, ich habe Dienst, muss GUVD stehen und das am 1. Hochzeitstag. Fratz, sei mir nicht böse, dass ich noch nicht weiter geschrieben habe, aber ich hatte wirklich nicht viel Zeit diese Woche. Es war wieder verstärkter Stress. Der Tag ging von 6:00 bis 22:00 Uhr. Ich liebe Dich ganz doll. Wenn dieser Brief ankommt, sind es wohl bloß noch 5 oder 6 Tage bis zu unserem Treffen. Ja, Fratz, ich bin froh, dass ich `eine selbstständige, resolute Frau` habe. Sonst hätte ich Dich ja wohl nicht geheiratet. Dann bist Du ja sehr spät nach Hause gekommen, als Du das letzte Mal hier warst. Das tut mir leid, aber was will man machen. Ich bin gut ins Objekt gekommen, aber mein Bus fuhr auch erst um 23:00 Uhr. Ehe ich geschlafen habe, war es auch 23:45 Uhr. Aber es war ja doch noch ganz schön gewesen, trotz des Zwischenfalls mit dem Uffz. Dass die Wohnung Dir gefällt, freut mich aber auch. Ich bin jetzt auch schon immer ganz gespannt, wie sie aussehen wird. Mach Dich nicht selbst verrückt, wegen dem Umzug. Es wird schon alles klappen. Du wirst das Kind schon schaukeln, Ich habe vollstes Vertrauen in Dich. Ich werde wahrscheinlich Sylvester fahren (in VKU), das wäre dann vom 30. 12. nach Dienst bis zum 4. 1. zum Dienst früh 6:00. Wenn ich richtigen Urlaub habe, ist auch Dein Großfrei drin. Ich habe mal geguckt wegen dem 7. Oktober. Da dieser ein Montag ist, wäre es sehr günstig, wenn ich dann meinen ersten VKU bekommen würde. Dann wäre ich vom 4. 7. nach Dienst bis 9. 7. zum Dienst zu hause und Du hast auch gerade frei. Wenn das klappen würde, das wäre eine Wucht. Ja das sind die kleinen Träume hier. Der Zwischenfall mit Yvonne ist natürlich nicht gerade sehr schön, aber was soll´s. Lass es ruhen, wie es ist. So Fratz, nun ist es 4:30 Uhr. Ab 5:00 Uhr gibt es genug zu tun für mich. Sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes. Ich liebe Dich, wie verrückt!“

Es zeigte sich also, dass meine Idee, Hannes meinen Kalender zu schicken, genau richtig war. Ich freute mich natürlich auch, dass er den Brief dieser Yvonne nicht wichtig und ernst genommen hat. Dem entsprechend klang mein nächster (19.) Brief vom 10.6. als Antwort auf seine Briefe vom 8. und 9.6.:



Mein lieber Fratz Hannes!

Ich habe mich sehr über Deine beiden Briefe gefreut! Endlich Post von Dir! Musst Du die ganze Nacht auf dem Flur hocken? Wann schläfst Du denn dann? Kannst Du dabei wenigstens Radio hören?

Weißt Du nun schon, ob Du am Wochenende Wache hast?

Ja, wir lassen den Brief von Yvonne ruhen.

Heute bin ich mit dem Zug nach Hause gefahren. Es hat bei uns gewittert mit Hagel. Es wird wohl doch nicht der Jahrhundertsommer. Aber das kann uns ja nicht ärgern, dann musst Du nicht so sehr schwitzen. Morgen wollen Konstanze und ich nach der Arbeit gleich zum WKK fahren. Ich will fragen, wie das läuft mit dem Tag des Umzuges und Konni hat immer noch Ärger, wegen der Unterkunft. Sie will auch noch mal an den Major von Franks Einheit schreiben. Vom ZK hat sie die Antwort bekommen, ihr Fall werde bearbeitet. Ich halte mein Angebot aufrecht, dass sie zu mir kommen kann, wenn Du nicht da bist, aber offiziell in die Massenunterkunft zieht.

Heute habe ich wegen Sonntag an Manuela geschrieben. Hoffentlich klappt alles! Ich liebe Dich doch so!

Ach so: Könntest Du bitte auf Deine Brief das Datum vorne schreiben. Manchmal kommen die ja zu zweit hier an und ich weiß dann nicht, welchen soll ich zuerst lesen. Gute Nacht und ein dickes Küsschen von Deinem Fratz Helena.“

Am nächsten Morgen war ich schon um 4:00 Uhr wach, weil jemand vergessen hatte, sein Radio auszumachen und in Frei gefahren ist.

Danach gab´s irre Träume. Hundekalt ist es auch. Den Träumen nach stehe ich freiwillig auf. Der Kälte nach möchte ich lieber im Bett bleiben. Mein Fratz, weißt Du schon, ob Du Wache hast am 16. 6.? Hoffentlich nicht! Ich liebe Dich ganz doll! Und heute ist erst Dienstag!“