Liebe und Alltag in der DDR

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9. Kapitel

A

uch Hannes hat am Pfingstsonntag noch mal geschrieben.

Ich möchte wieder mal was von mir hören lassen, wenn es Dir recht ist.“

Und wie recht es mir war!

Es ist Sonntag, 18:30 Uhr und ich habe gerade Fußball-Panorama gesehen. Eine feine Sache in Farbe, bloß blöd, dass man auf einem Hocker sitzen muss und das im Flur. Morgen geht der Stress wieder los, eine neue Woche fängt an. Ich sehe unser Wochenende in Gefahr kommen. Wir müssen wahrscheinlich Wache stehen, aber ich werde mich noch genau erkundigen. In genau 2 Monaten bin ich bei Dir im Urlaub. Im Radio läuft gerade ,Ìch sterbe nicht noch mal´. Du weißt doch was ich meine. Wir müssen unbedingt tanzen gehen, ich freue mich schon riesig darauf. Wie war Dein Wochenenddienst, so wie immer? Deine Schwiegereltern haben sich bestimmt auch noch nicht gemeldet, oder? Was ist eigentlich mit Konni geworden? Hast Du schon neue Termine für die Wohnung? Was macht das Transportproblem? Ich wollte, ich wäre doch lieber bei allem dabei. Aber es ist nun mal nicht zu ändern. Übrigens, Post bekommen wir im Feldlager, die wird wohl von hier nachgeschickt. Aber ich werde nicht schreiben können. Dann bist Du also mindestens 3 Wochen ohne Post. Das waren aber auch zwei schlechte Nachrichten heute.“

J

a, das waren schlechte Nachrichten.

Hoffentlich müsst Ihr keine Wache stehen!“

Ich wünschte es mir so sehr.

Den Liedtext, den Hannes erwähnte, fand ich nicht passend und fragte:

Hast Du Angst, es selbst mal singen zu müssen?“, und weiter:

Natürlich gehen wir tanzen, wenn Du auf Urlaub kommst. Am besten ins ,Boddenhus´, da haben wir es dann nicht so weit nach hause. Von meinem Wochenenddienst habe ich Dir ja schon geschrieben.“

Dann berichte ich von Zoff in der Wohnunterkunft, wegen der Küchen- und Badreinigung, dass mich das aber nicht mehr gestört hat, da meine Tage dort ja eh gezählt waren. Dann fiel mir ein:

Wieso bist Du erst in zwei Monaten auf Urlaub. Du bekommst doch Deinen Sonderurlaub noch.

Termine für die Wohnung habe ich noch nicht. Aber man sagte mir heute, das kann ganz plötzlich kommen.“

Ja und dann ausführlich zu Konnis Situation:

Um Konnis Sache steht es ganz schlecht! Sie hat heute einen Anruf von der SED-Kreisleitung bekommen und ist heute Nachmittag gleich hingefahren. Die Genossin dort hat ihr gesagt, in der Massenunterkunft sei das doch gar nicht so schlecht. Sie habe auch mal in einem Studentenwohnheim gewohnt. Nun hat sich Konni doch über den Schwarzwohner in ihrer Wohnung beschwert. Aber die Objektleitung kümmert sich nicht mehr um so was, das müsse der Betrieb regeln. Na und wie der das regelt, kannst Du Dir ja vorstellen. Sie hat zum Schluss nur gesagt: Ich muss raus und die Schwarzwohner können drin bleiben! Die Genossin meinte dann noch, wenn Frank auf Urlaub kommt, können die anderen aus dem Zimmer ja so lange ausziehen! Bietet ihr also an, dass er sich dann dort schwarz aufhält. Du kannst mir glauben, sie hat die Nase voll! Ich verstehe auch nicht, warum sie Konni nicht ein kleines Zimmer geben. Da braucht der Betrieb auch nur ein Bett bezahlen. Na jedenfalls will die Genossin am 2. Juli eine Aussprache veranstalten, mit Konstanze, unserem Chef und einen Kollegen von der Kaderabteilung. Am Montag wollen wir mal zur BGL fahren, mal sehen, was die dazu sagen. Du siehst wie beschissen man dran sein kann, wenn der Mann zur Armee muss. Aber Konstanze kann sich meiner Unterstützung sicher sein. Schon alleine, weil ich immer daran denke, dass es mir hätte genauso gehen können.

So, Fratz, ich hoffe, ich habe Deine Neugier für heute gestillt. Ich liebe Dich ganz doll und bin ewig Deine Dich liebende Helena. Gute Nacht.“

Gleich am nächsten Morgen wieder Zeilen an Hannes. Diesmal über einen guten Traum:

Heute Nacht haben wir unsere Wohnung bekommen. Ich habe das eine Zimmer gleich eingerichtet, aber leider keine Tapeten gefunden.“

Daran sehe ich heute wieder, wie sehr mich das Ganze auch in meinen Träumen beschäftigt hat. Auch bei meiner Mutter gab es Veränderungen.

Meine Mutter habe ich gestern angerufen, sie lässt schön grüßen. Gestern war sie beim Arzt. Jetzt ist klar, sie wird nicht mehr beim DFD arbeiten. Dieses Jahr wird sie das wohl überhaupt nicht mehr. Sie ist noch krank geschrieben und dann geht sie noch zur Kur. Haben Deine Eltern Dir denn schon mal geschrieben? Ich möchte wissen, was in denen vorgeht! Vielleicht sind sie böse weil ICH ihnen das mit der Wohnung geschrieben habe. Na wer weiß!“

Was damals mit meiner Mutter in Wolgast war, wurde mir erst später wirklich klar.

Auf Anraten der DFD-Bezirksvorsitzenden ist sie von ihrer Wahlfunktion als

DFD-Kreisvorsitzende zurück getreten und zog 1986 auch nach Greifswald in das Haus, in dem in der Zwischenzeit auch die Familie meiner Schwester lebte.

Hannes Eltern waren ja, wie erwähnt, speziell. Aber ich kann es bis heute nicht verstehen, dass nicht mal seine Mutter sich gemeldet hat. Immerhin war er ihr einziges Kind!

A

m Abend des 12. 6. berichtete ich

Heute ist die Bestätigung gekommen, dass die AWG Deine Anteilsstunden stundet. Zwei Jahre nach Beendigung des Wehrdienstes musst Du sie dann bringen.“

So hatte ich wenigstens gute Nachrichten für meinen Hannes.

Dann wieder Gedanken zum bevorstehenden Umzug:

Hoffentlich hält Marianne Wort! Dann könnten wir schon Fernseher, Tonband und den anderen Kleinkram rüber bringen. Wenn sie ein paar Mal fährt, bezahle ich ihr auch das Spritgeld. Ich werde sie mal morgen anrufen. Heute hat Dein Kollege Heinz gefragt, ob Du beim Umzug dabei bist. Ich habe gesagt, dass Du zu der Zeit im Feldlager bist, aber dass wir feten werden, wenn Du da bist. Er hat geantwortet, Du würdest also kommen, wenn alles fertig ist, aber das man das nicht ändern könne.“

Dann verabschiedete ich mich mit den Worten:

So mein Fratz, ich werde jetzt noch ein wenig lesen und versuchen zeitig zu schlafen.

Ich wünsche Dir eine Gute Nacht! Ich liebe Dich, Hannes!“

Auch den Morgen des 13. 6. beginne ich mit ein paar Zeilen an meinen Soldaten:

Heute habe ich meinen vorletzten Arbeitstag! Noch drei Tage, das heißt am 3. komme ich ja schon zu Dir. Hoffentlich geht alles klar und Du hast keine Wache! Ich freue mich auf unser Wiedersehen und bin jetzt schon wieder ganz aufgeregt. Ich liebe Dich eben und da kannst Du nichts gegen machen!“

D

och dann wurde klar, dass die Befürchtungen,

Ich muss Dir heute ganz wichtige Dinge mitteilen. Vom Samstag 17:00 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr stehe ich Wache. Ich werde aber trotzdem Ausgang beantragen. Bis 18:00 Uhr könnte ich es schaffen raus zu kommen. Dann können wir ja noch lostoben. Wenn nicht, tut es mir leid. Unser anderes Wochenende (30.6.) ist wahrscheinlich auch futsch, wir fahren nämlich am 30. 6. bereits los ins Feldlager.

Du müsstest Dich also schon mal auf den Samstag (29. 6.) einrichten. Für den Umzug brauchst Du mir gar nichts schicken. Das geht alles so seinen Gang (angeblich). Ich habe schon angesprochen, dass ich das erste Wochenende nach dem Feldlager fahren würde (27./28. 7.). Na ja Fratz, wir werden sehen, wie es wird. Sonntag können wir dann alles besprechen, ob in der Kaserne oder draußen, wird sich zeigen. Den Umständen entsprechend geht es mir einigermaßen gut. Ein paar blaue Flecken und etwas erkältet, aber was soll´s. Das Wichtigste ist eben, dass wir uns lieben, oder? Ich liebe Dich, glaube ich, von Tag zu Tag mehr? Ich kann es gar nicht erwarten bist Du kommst. So, nun bin ich vom Mittag zurück und habe Deinen Brief, den ich sehnsüchtig erwartet habe, erhalten. Ab 17:00 Uhr stehe ich wieder Dienst (GUvD). Da werde ich in der Nacht, bestimmt Zeit haben zu schreiben.“

Oh je, was für schlechte Nachrichten! Was mich natürlich nicht von einem Antwortbrief am 13. 6. abgehalten hat. Und ich konnte mich ja schon auf weitere Post freuen, da Hannes es ja geschrieben hatte, dass er sicherlich in der Nacht noch Zeit dafür hätte. Aber wenn ich jetzt die Briefe durchsehe, erkenne ich, dass er erst am Freitag nach unserem Treffen wieder geschrieben hat. Obwohl er da wieder das Datum vergessen hatte, kann ich erkennen, dass es der 21. 6. gewesen ist und mich der Brief wohl am 22. erreicht hat.

Bis dahin habe ich aber noch fleißig geschrieben. Doch nun erst mal zu meinem

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2. Brief vom 13. 6.

Mein lieber Hannes! Ich habe mich heute sehr darüber gefreut, dass ich Post von Dir hatte. Einiges, was Du schreiben musstest, war natürlich weniger erfreulich. Fratz, dann sehen wir uns Sonntag ja noch später! Und wie ist das dann mit dem 29. 6.? Da fahren die Züge nur im großen Abstand. Na ja, dann muss ich eben mal eine Busfahrt ertragen. Warum hast Du hinter dem Satz: `Ich liebe Dich glaube ich von Tag zu Tag mehr` ein Fragezeichen gemacht? Weißt Du es nicht genau? Wenn Du beim GUvD noch mal geschrieben hast, bekomme ich ja morgen noch mal Post. Das wäre ja herrlich. Dann kannst Du ruhig immer GUvD sein, damit ich alle Tage Post von Dir bekomme!“

 

Dem war ja leider nicht so, aber das wusste ich noch nicht, als ich diesen Brief schrieb und so berichtete ich weiter:

Um Konni sieht es ganz böse aus! Ein Glück, dass ich den Ärger nicht habe, aber ich kann mitfühlen! Sie soll bis Dienstag aus dem Zimmer sein, sonst wird sie zwangsgeräumt. Ja Du hast richtig gelesen: zwangsgeräumt. Das hat man gestern für sie bestellt. Die Typen sollten alle mal zur Reserve. Da hat sie so auf das ZK gehofft. Das sind doch unsere obersten Volksvertreter, oder? Mich regt diese Sache sehr auf.“

Dann verabschiede ich mich freudig bis Sonntag von meinem Hannes.

Leider kam kein Brief mehr von meinem Schatz, aber ich glaube am Samstag kam ein Telegramm, dass Hannes keinen Ausgang bekommt. Ich weiß es tatsächlich nicht mehr, habe aber zwischen den Briefen zwei Telegramme gefunden mit dem Bescheid. Leider sind diese ohne Datum. Unvorstellbar heute! Aber auch Hannes hatte in dem kurzen Text kein Datum angegeben. Aber wenn ich die Telegramme bekommen habe, wusste ich ja worum es geht. Mein Brief nach unserem Treffen, bestätigt meine Vermutung. Ich habe ihn in der Kaserne besucht, nicht ohne Hannes die von ihm gebrauchten Sachen zu bringen und seine Wäsche mit zu nehmen.

10. Kapitel

A

ber erst mal schilderte ich Hannes

Guten Morgen mein lieber Hannes! Du siehst, ich bin zu hause. Die Fahrt verlief einigermaßen, d.h. die Züge fuhren leidlich pünktlich.“

Dann berichte ich von besoffenen Typen und einer Fastschlägerei unter Matrosen. Auch dass ich vom Greifswalder Bahnhof mit einem Schwarztaxi nach hause gefahren bin und es nicht bezahlen musste, weil es ein Kollege von mir war, der sich ertappt gefühlt hatte. Aber um 12:00 Uhr habe ich schon wieder an Hannes geschrieben. Ich wollte noch vieles erledigen an diesem Tag und so nahm ich diesen Brief gleich mit und begann um 21:30 Uhr den nächsten.

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ch sah wohl eine Gelegenheit,

Dann war ich mit Ella zusammen eine Wohnzimmerlampe kaufen. Die sieht wirklich gut aus und war für die heutigen Verhältnisse billig (256,50 Mark). Es war auch die letzte, sie mussten mir das Muster verkaufen. Ich hoffe, Du bist zufrieden mit mir. Und mache Dir wegen der Arbeit keine Gedanken, es gibt ja nur zwei Möglichkeiten. Aber ich halte es im ,Struck´ kaum noch aus. Das kannst Du mir glauben. Der Brief von Manuela ist heute gekommen. Den Briefkastenschlüssel habe ich jetzt. Da brauche ich jetzt nicht mehr in Rostock hin- und her fahren. Den Budenschlüssel können wir nun immer aus dem Briefkasten holen, wenn ich Dich besuche. Alles in Allem sieht das doch gut aus, mein Fratz.“

Wenn ich das jetzt lese, bin ich doch recht positiv verwundert, was ich alles organisiert habe in den paar Wochen, seit Hannes bei der Armee war. Und mit Hilfe meiner Schwester, konnte ich auch die Küche bezahlen. Das berichtete ich dann auch freudig am Abend des 18. 6.:

So mein Fratz, ich bin zurück. Bei der AWG haben wir jetzt keine Schulden mehr. Habe heute alles bezahlt, auch die restlichen Stunden. Die habe ich heute auch gleich angerufen. Der Termin verschiebt sich wohl. Da kann es sein, dass Umzugstermin = Tapeziertermin wird. Dann kann ich aber nicht am 29. kommen. Wenn ich das genau weiß, versuche ich in der Woche irgendwie zu kommen, vlt. am Mittwoch, den 26.6.. Dann nehme ich nämlich meine Umzugstage am 26. und 27. Das mit der anderen Arbeit geht auch nicht. Sie dürfen niemand von Lubmin ,wegnehmen´. Es wäre auch märchenhaft gewesen, hätte alles wie geplant, geklappt. Raufasertapete haben wir auch nicht bekommen. Ella kauft heute ganz billige (3,75/ 10 Meter). Die kleben wir dann verkehrt rum an und streichen sie weiß an. Das reicht auch erst einmal. Schöner können wir es ja machen, wenn Du von der Armee zurück bist.“

Dieser Brief, der bis zum 18. 6. geht, endet natürlich nicht ohne die üblichen Grüße an meinen Hannes und die Worte:

Ich liebe Dich ganz doll!“, so wie jeder unserer Briefe in den verschiedensten Varianten.

I

n meinem Brief vom 20. 6. morgens,

Da sie nichts von NVA in den Verträgen gefunden haben und Frank ja nicht gekündigt hat, kann sie drin bleiben. Das wäre ne Wucht. Nun macht Konni auch keine Schichten! Ich kann das noch gar nicht glauben!“, berichtete ich Hannes.

A

uch der nächste Brief enthält noch mal eine

Ich habe nun beschlossen, dass ich am 12. 7. umziehe. Bis dahin werden sie den Schlüssel ja wohl rausrücken. Becker hat mir erzählt, die Aufgänge sind fertig aber es fehlen die Herde. Wenn der Schlüssel nächste Woche kommt, tapeziere ich am 29.6.. Dann komme ich am 28. zu Dir. Da nehme ich dann meinen Haushaltstag für Juni. Ich hoffe, dass Du damit einverstanden bist. Ich schreibe Dir das noch genauer. Sei bitte nicht böse, dass ich Dich auf später vertrösten muss. Ich liebe Dich heiß und innig! Das kannst Du mir glauben!“

Am nächsten Morgen, es war der 21. 6., noch schnell ein paar Grüße an Hannes vor der Arbeit. Und ich erinnere ihn noch, dass ja sein Jahrhundertsommer nun beginne.

Was mich wundert jetzt beim Lesen meiner Briefe, dass ich nicht nach Post von Hannes fragte. Hatte er mich am 16. 6. vorgewarnt? Ich hoffe, dass mir die nächsten Briefe Aufklärung darauf geben.

D

ann schreibe ich am 22. 6. morgens wieder.

Abends dann wieder mehr über den Tag und natürlich wieder über das Thema „Konstanze und ihr Zimmer“.

Offensichtlich war das immer noch nicht zu ihren Gunsten abgeschlossen. Der Chef der Unterkunftsverwaltung, wollte der Bezirksleitung nicht nachgeben und hatte Konni für Montag zu sich bestellt. Ich plante an dem Tag, mit ihr mitzugehen.

Aber dann auch wieder Vorschläge für das Treffen mit Hannes in Rostock:

Am Freitag nehme ich auf alle Fälle meinen Haushaltstag. Ich muss ihn ja im Juni schon nehmen. Vielleicht bekommst Du ja Ausgang. Schreibe mir bitte ab wann das dann ist. Ich habe ja jetzt den Postkastenschlüssel für Manuelas Bude. Wenn Du Ausgang bekommst, brauche ich ja erst Samstag früh zurück fahren und wir könnten bis 23:00 – 23:30 Uhr zusammen sein.“

Das wünschte ich mir so sehr. Seit Hannes bei der Armee war, also seit fast 8 Wochen konnten wir keine Zweisamkeit genießen. Dann erzählte ich, dass alle Freundinnen entweder nach hause gefahren sind, arbeiteten oder Besuch von ihren Freunden hatten:

Ich werde heute also wieder einen einsamen Fernsehabend verbringen. Da gewöhne ich mich langsam an das Alleinsein im Ostseeviertel. Fratz, ich liebe Dich ganz doll und ich habe solche Sehnsucht nach Dir!“

Am Sonntag, den 23. 6. geht der Brief natürlich morgens weiter.

Ich hatte es mir angewöhnt, dass ich morgens noch mal schrieb, bevor ich die Briefe an Hannes zum Briefkasten brachte. Am Wochenende sind die Briefe dementsprechend länger, da sie erst Montag weggingen. Irgendwie schlau, finde ich heute. Und so beginnt auch dieser Sonntagmorgen mit Zeilen an meinen Hannes.

Von der Arbeit aus konnte ich an den Wochenenden wohl auch mal telefonieren:

„Vielleicht kann ich heute mal Mutti anrufen.“, schrieb ich und dann auch gleich wieder:

Ich denke gerade, wenn ich Dich besuchen komme, sind schon fast zwei Monate rum. Schon? Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Ich freue mich jetzt schon auf Deinen Urlaub. Hoffentlich habe ich Montag von Dir mal wieder Post! Zur Zeit geht’s auch wieder mit der Arbeit im ,Struck´. Also, es ist auszuhalten.“

Die gleichen Fragen nach Post noch mal am Montagmorgen. Dann der Hinweis, dass ich meine Mutter doch nicht anrufen konnte, aber plane, sie in meinem Frei zu besuchen. Dann eine Anmerkung auf die Wäsche, die Hannes mir mitgegeben hatte:

Was war das eigentlich für Unterwäsche? Ich habe sie nicht sauber bekommen, trotz Einweichen, Vorwaschen, Kochen und Waschen. Entfärber gibt es ja nicht zu kaufen.“

Na ja, das war wohl Wäsche, die Hannes beim Militärsport anhatte. Ich habe da gerade so Bilder im Kopf, wenn Soldaten durch den Schlamm robben müssen. Ich bin mir aber sicher, dass ich das auch ohne Entfärbermittel hin bekommen habe.

S

elbstverständlich beginne ich den nächsten Brief am

Nach Feierabend hatte ich mal wieder genäht. Ich wollte wohl unbedingt vor dem Einzug alles für das Wohnzimmerfenster fertig haben. Außerdem war ich so beschäftigt und dachte nicht dauernd sehnsüchtig an meinen Hannes. Das heißt, ich stellte mir schon vor, wie er sich freuen würde, wenn wenigsten ein Zimmer in der neuen Wohnung fertig wäre. Dann wieder ein Bericht über meine Freundin Konstanze:

Konni und ich waren heute bei dem Chef der Wohnunterkünfte. Mich hat er gleich rausgeschmissen. Aber ich habe ihn im Vorzimmer gehört. Er hat Ihr ein ,Angebot` gemacht, sie solle in das Barackendorf ,Leuna II´ in Lubmin ziehen. Jetzt ist sie soweit, dass sie einen Aufhebungsvertrag machen will, vorher aber noch mal mit der Bezirksleitung telefonieren. Und Du hast damals gesagt, ich bräuchte nicht aus der Unterkunft raus. Wäre jetzt die Wohnung nicht so schnell gekommen, hätte ich jetzt das gleiche Theater wie Konni, Zwangsräumung! Entschuldige bitte, dass ich so viel von ihr schreibe. Aber das beschäftigt mich doch sehr. Dabei vergesse ich uns aber nicht. Ich habe schon an Manuela geschrieben, dass wir Freitagabend kommen.“

Auch dieser Brief geht am Folgemorgen weiter:

Dein Jahrhundertsommer regnet sich so richtig ein. Mal aufpassen, ob es am Siebenschläfer auch regnet. Hoffentlich regnet es nicht, wenn ich umziehe oder mit Marianne den Kleinkram rüber fahre. Heute werde ich noch mal bei der AWG anrufen, langsam muss doch da mal was kommen. Mir wird das Warten langsam lang.“

Dann kamen wieder detaillierte Beschreibungen, was ich wie machen wollte. So z.B., wo mein Schwager Olaf, die Löcher auf dem Balkon für die Wäscheleine bohren sollte u.v.m. Aber auch ein aktueller Bericht über die Wohnunterkunft:

Seit gestern Abend ist hier das warme Wasser weg. Das kann uns im Riemserweg nicht passieren. An das Einteilen der 80 Liter im Boiler gewöhnen wir uns bestimmt. Oder was sagst Du dazu? So mein Fratz. Das war es für heute früh. Hoffentlich habe ich heute Post von Dir! Aber wenn nicht, liebe ich Dich trotzdem! Dein Fratz Helena.“

11. Kapitel

U

nd ich hatte Post! Endlich!

Mein lieber Fratz! Ich muss mal die Gelegenheit nutzen und versuchen, etwas zu schreiben. Heute ist schon Freitag und ich habe noch nichts von mir hören lassen. Du kannst mir glauben, ich hatte wirklich keine Zeit. Seit gestern 17:00Uhr stehe ich hier schon Wache hier draußen im Wald. Noch 7 Stunden, dann ist für heute Schluss. Vom Samstag zu Sonntag stehen wir schon wieder. Ja ,ja es ist hart, aber da müssen wir durch.“

Ich erinnere mich, dass Hannes davon erzählt hat. Es gab da wohl ein Waffendepot mitten im Wald, das zu den Kasernen in Rostock gehörte.

Ich habe Deine liebe Post erhalten und mich darüber gefreut, auch wenn wieder einige Hiobsbotschaften darin waren. Willst Du wirklich in einer Boulettenbude anfangen? Da zieht es ja an allen Ecken und Kanten. Warum fängst Du nicht in der Kaufhalle ,Ostseeviertel´ an, die soll doch jetzt auf sein. Nun denkst Du bestimmt, der kann auch bloß noch meckern. Aber ich will doch bloß, dass Du nichts überstürzt.“

Also hatte mein Hannes den Brief von mir noch nicht, in dem ich ihm schrieb, dass das nichts wird. Aber er hat nach der Wache noch ein paar Zeilen geschrieben:

So nun bin ich wieder von der Wache zurück. Wir werden gegen 19:30 Uhr im Objekt sein, total verdreckt, mit Stoppelkinn und fix und fertig. Nachher noch ca. eine Stunde Ausrüstung und danach noch Stube und Revier reinigen. Um 22:00 Uhr falle ich dann tot ins Bett und das Selbe morgen noch mal, dann bin ich durch. Sei bitte also nicht böse, wenn ich so wenig schreibe. Das Wichtigste ist, ich liebe Dich.“

 

Ja, das war das Wichtigste! Trotzdem vermisste ich eine Antwort auf die Frage, ob wir uns am Freitag treffen können. Aber es war ja erst Dienstag. So hoffte ich natürlich, dass ich bis Donnerstag noch Post aus Rostock bekommen werde. So schrieb ich weiter an Hannes, wie inzwischen gewohnt am Abend des 25. 6.:


Guten Abend mein lieber Hannes!

Ich habe mich heute sehr gefreut, dass ich endlich Post von Dir hatte! Schade, dass Du so wenig Zeit hattest. Aber dann gewöhne ich mich schon mal an die Feldlagerzeit.

Konni hat heute die Bezirksleitung angerufen. Sie muss kein Zimmer nehmen in ,Leuna II´, wenn ihr das nicht zusagt.“

Am Mittwochmorgen stellte ich fest:

Ich glaube, ich habe immer die gleichen Themen für Dich. Meine Liebe zu dir, die Wohnung und Konni. Hoffentlich wird Dir das nicht langweilig.“

Und dann berichtete ich doch wieder zum Thema Wohnung. Ich hatte keine passenden Möbel für das Wohnzimmer gefunden. Ich erinnere mich, dass ich damals tatsächlich den An- und Verkauf für Möbel regelmäßig besucht habe. An den Kauf der Sofagarnitur kann ich mich sogar erinnern, weiß aber nicht mehr wann das war. Erinnern kann ich mich daran auch nur, weil ich Probesitzen gemacht hatte. Das war Ella, die dabei war, peinlich. Außerdem hatte ich auch noch ausprobiert, wie man das Sofa zum Schlafen umbaut. Sicherlich habe ich ja Hannes davon berichtet und werde diesen Sofa-Kauf in einem der Briefe noch finden. Zum Thema Möbel schrieb ich dann noch:

Es wird schon irgendwie gehen, wir müssen Geduld haben. Ich hoffe ja, dass wir schon im Riemserweg wohnen, wenn Du auf Sonderurlaub kommst. Leider wirst Du Ella und Olaf nicht sehen, da sie ab dem 15. 7. in Leipzig sind und dort Urlaub machen. Wenn Du im August auf Urlaub kommst, ist Olaf wohl zur Reserve. Er muss nun doch hin, obwohl der Chef vom NEG gesagt hat, er wäre unabkömmlich. Es ist schon wieder Zeit zum Losgehen, mein Fratz. Ich verabschiede mich bis Freitag!“

Dann müssen sich die Ereignisse überschlagen haben. Meinem nächsten Brief entnehme ich, dass ich doch am Donnerstag schon zu Hannes gefahren bin, weil Freitag die Schlüsselübergabe war. Aber auch Hannes schrieb in seinem 14. Brief, den ich wahrscheinlich erst nach dem Wochenende erhalten habe, noch von unserem Treffen am Freitag, den 28. 6.1985. Auf dem Umschlag kann ich den Poststempel vom 27. 6. erkennen.


Ich werde also wieder versuchen, einen Brief zu schreiben.

Heute und morgen (Dienstag) haben wir Politunterricht. Von Mittwoch zu Donnerstag stehen wir wieder Wache. Für Freitag habe ich mich erstmal ins Ausgangsbuch eingetragen. Ich hoffe für uns beide, dass es klappt. Ich liebe Dich doch ganz doll! Ich habe jetzt von Dir 30 Briefe bekommen, eine ganz stattliche Anzahl. Ich schätze Du hast von mir höchstens 15, oder?

Komme gerade vom Mittag. Es gab Erbseneintopf. Den gibt es hier glaube ich zweimal in der Woche. Na, ja, der Hunger treibt´s rein. Von Dir war gar keine Post da. Hast Du etwa Schlüsselübergabe? So nun ist auch der zweite Politiktag vorbei.

Ins Feldlager geht es in der Nacht von Sonntag zu Montag. Am 21.7. sollen wir dann wieder zurück sein. Post bekommen wir dann zweimal in der Woche, die wird aus Rostock nach geschickt. Ich freue mich schon auf Freitag, auch wenn ich keinen Ausgang bekomme. Aber in einem Monat bin ich bestimmt zu hause.“

Da Hannes es seit zwei Wochen nicht mehr in den MHO geschafft hatte, kam noch eine Bestellung für Nahrungsmittel dazu. Er beendete den Brief mit diesen Worten:

Ich habe wieder mal die Schnauze voll. Gleich ist Abendbrot, um 19:30 Uhr ,Aktuelle Kamera´ gucken. Dann habe ich eine Stunde Zeit, 3 Paar Schuhe zu putzen, die Sachen in Ordnung zu bringen usw. Dann ab 21:15 Uhr Stuben- und Revierdurchgang und so läuft das jeden Tag hier. Ich höre lieber auf, heute reicht es mir wieder. Sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes. P.S. bis Freitag 17:00 Uhr.“

Ja mein Hannes war definitiv kein Fan der NVA und schon gar nicht als Soldat in dieser.