Liebe und Alltag in der DDR

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12. Kapitel

I

ch kann es nicht mehr sagen, wie wir es hinbekommen

,

Meine Vermutung, dass wir uns Donnerstag getroffen haben, entnehme ich den Zeilen in meinem 30. Brief vom 28. 6.:

Der Zug hatte wieder eine halbe Stunde Verspätung. Aber es waren Taxen da, so dass ich schon um 1:45 Uhr in der Unterkunft war. Es ist jetzt 18:00 Uhr und der Tag ist endlich gelaufen, d.h. ich habe alles erledigt, was ich heute machen musste, obwohl mein Fahrrad heute Morgen kaputt war. Aber erstmal zur Schlüsselübergabe. Die begann eine halbe Stunde später. Dann kam der Chef vom AWG-Stützpunkt und hat geredet. Danach mussten wir einzeln in die Küche. Ich war als erste dran. Es kam heraus, dass wir für die Renovierung der Wohnung 150 AWG-Stunden gutgeschrieben bekommen haben. Dann wären es nur noch 60, die Du nach der Armeezeit leisten müsstest. Aber die kann ich auch bezahlen. Das ist doch toll, oder? Die 180,00 Mark bekomme ich auch noch zusammen. Unsere zukünftigen Nachbarn haben rumgemosert, weil sie erst als 10. dran kamen. Sie waren mit einem Möbelwagen aus Jarmen vorgefahren. Aber sie mussten warten. Ach übrigens, an dem Schlafzimmerfenster ist ein Fahnenhalter angebracht. Darüber freust Du Dich doch besonders, oder?

Dann war ich noch einkaufen. Alles was wir ab morgen zum Renovieren brauchen und ein Fresskorb für die Helfer.“

Dann berichtete ich noch genau, wer uns was für die Wohnung geschenkt hat. Zum Schluss:

Das Wichtigste habe ich Dir nun geschrieben. Ach ja, für unsere Wohnungstür haben wir 5 Schlüssel bekommen. Du kannst also 3 verlieren. Ich liebe Dich mein Fratz Hannes. Lass es Dir im Feldlager nicht so schwer werden. Ich freue mich schon auf den 24. o. 25. o. 26. Juli“

Das mit den Schlüsseln war eine kleine Anspielung. Mein Hannes verlor öfter mal was, besonders irgendwelche Schlüssel, von der Arbeit oder der Wohnunterkunft. Später waren es auch gerne mal Tankdeckel von Leihwagen, bis er mal einen bezahlen musste.

Am morgen des 29. 6. meldete ich mich wie üblich wieder:

Guten Morgen mein Fratz! Heute geht es los. Ich warte jetzt auf Olaf.“

Ja jetzt ging das Renovieren los. Detailliert schilderte ich meinem Soldaten im Feldlager, wer was machen wird. Wichtig war mir das alles an diesem Wochenende fertig tapeziert ist. Ich dachte, dass ich das Streichen der Wände notfalls alleine schaffe.

Ich liebe Dich Fratz. Hoffentlich bist Du mit unserer Arbeit zufrieden. Ich bin ganz aufgeregt! Hoffentlich stelle ich mich nicht zu dämlich an. Ich habe zwar schon mal mit Mutti tapeziert und gemalert, aber das ist ewig her. Dein Werkzeug habe ich auch gleich mit in die Wohnung genommen. Hoffentlich musst Du nicht so lange auf diesen Brief warten. Wenn Du ihn liest, sind wir mit tapezieren und streichen fertig. Da er ziemlich lang ist, musst Du ihn wohl in Etappen lesen.“

Natürlich habe ich mich am Abend wieder gemeldet und einen Bericht über die geschaffte Arbeit geschrieben:

Guten Abend mein Fratz Hannes! Es ist jetzt 23:15 Uhr. Aber bekomme keinen Schreck, ich war schon um 21:00 Uhr bei Konni und hab mit ihr ferngesehen. Aber Gerald und Olaf haben wie ein altes eingespieltes Team zusammen gearbeitet. Um 10:00 Uhr hat Olaf die erste Bahn geklebt, um 19:30 Uhr die letzte. Sie haben beide Zimmer geschafft. Becker braucht morgen nur noch den Flur tapezieren! Ella und ich haben alle Fenster geputzt und gewischt. Morgen kann ich dann schon streichen. Die Farbe ist schon angerührt. Wenn Becker auch so fix ist, kann er mittags nach hause.“

Dann erzählte ich noch, dass unser Namensschild weg war. Keine Ahnung, wer das gebrauchen konnte. Aber ich hatte schnell ein neues gemacht. Am nächsten Morgen ging es schon ab 7:00 Uhr für mich weiter. Ich wollte noch Marianne treffen, wegen der Fahrten mit dem Kleinzeug und um 9:00 Uhr Becker abholen. Auch dass Olaf Montag die Lampen, die meisten hatten wir geschenkt bekommen, in der Wohnung anbringen wird u.v.m., was mit der Organisation der Renovierung zu tun hatte. Heute würde man sagen, es lief. Und ich brachte immer wieder meine Hoffnung an, dass alles meinem Fratz gefallen wird:

Ich freue mich schon auf Deine Augen, wenn Du nach Hause kommst in den Riemserweg 9 und das alles siehst! Du musst vom Bahnhof aus die H-Linie nehmen, nicht dass Du aus Versehen die G-Linie nimmst!“

Die fuhr damals in das Stadtviertel, in der unsere Wohnunterkunft war.

So nun muss ich aber los. Lass Dir die Zeit bis zum Urlaub nicht lang werden. Aber dafür sorgen ja schon Andere. Ich küsse Dich ganz doll und lange! Dein Fratz Helena.“

A

m 30. 6. abends beginnt mein Brief nach der

Heute war vielleicht ein Tag. Mariannes Auto muss morgen in die Werkstatt, ist aber noch fahrtüchtig. Deshalb haben wir heute schon alles in die Wohnung gefahren. Ich sitze hier nur noch mit einer Tasse einmal Besteck und Teller, ein paar Sachen und den Möbeln. Becker hat den Flur tapeziert. Ella und Olaf haben noch die Lampe und Bücher von Mutti vorbei gebracht. Als alle weg waren, 18:00 Uhr, habe ich noch das Wohnzimmer vorgestrichen. Und dann das erste Mal in unserer Wohnung geduscht! Herrlich, kann ich Dir sagen. Ein eigenes Bad!“

Ich berichtete von meinen Plänen für die nächsten Tage. Wann Olaf die Lampen und die Gardinenstangen anbringen wird. Es lief tatsächlich alles nach Plan. Und es war hilfreich, dass ich durch meine 10/4-Schichten, jetzt am Stück 4 Tage frei hatte.

Dann erzählte ich, dass in der Unterkunft Zoff unter den Mitbewohnern ist, die es kaum abwarten konnten, dass ich auszog, dass mich das aber nicht mehr interessierte. Abends war ich ja eh groggy, wenn ich von der Wohnung kam und wenn ich mal fernsehen wollte, ging ich zu Konstanze.

Der 1. Juli beginnt natürlich wieder mit einen Gruß und ein paar Zeilen für Hannes und was mir noch so einfiel, woran ich am Vortag nicht mehr gedacht hatte.

Karl und Becker wollen den Umzug alleine machen. Sie meinen, dass sie das zu zweit schaffen. Ich freue mich schon so auf Deinen Sonderurlaub und wie Du alles findest, was wir gemacht haben! In Deinem ersten Urlaub kommst Du gleich in unser Zuhause!“

Wenn ich das heute alles so lese, denke ich schon, dass ich seit Hannes bei der Armee war, permanent unter „Strom“ stand und mich im Wechselbad der Gefühle befand.

A

us dem 15. Brief von Hannes

Ich möchte Dir heute noch mal unter halbwegs normalen Bedingungen schreiben. Mein Bus fuhr um 22:55 Uhr. Ich war um 23:15 Uhr im Objekt. Weißt Du, wer im Bus saß? Unsere Vermieterin Manuela oder wie sie heißt. Habe sie natürlich über die Lage der Dinge aufgeklärt.“

Hannes und Namen, das passte nie zusammen! Dann berichtete er vom Armeealltag:

Habe vorhin meine erste Feldtasche gepackt. Die zweite nehme ich mir morgen vor. Wir hätten auch gleich unseren ganzen Schrank mitnehmen können, der ist jetzt schon fast leer. Für die drei Wochen habe ich nur noch zwei Mal Unterwäsche, drei Paar Socken und acht Kragenbinden. Du kannst Dir also vorstellen, wie das dann aussieht. Wegen dem Sonderurlaub habe ich noch mal gefragt. Ich habe dem Spieß gesagt, dass ich dann das erste Wochenende fahren würde. Wie viel Tage ich bekomme, hängt von seiner Laune ab, sagte er mir.“

Ich glaube mit „ihm“ meinte Hannes den Feldwebel, genannt Spieß. Das klingt schon gewaltig nach Willkür, wenn man das heute liest.

Die 6 Reservisten, die bei uns sind, haben an einem Tag 11 Flaschen Klaren leer gemacht, Waren total besoffen. Na ja, wenn man nur noch 30 Tage hat, geht das schon mal.

Sind wir nun stolze Wohnungsbesitzer? Du hast bestimmt viel geackert und hast hoffentlich, wie geplant Hilfe? Ich mach mir halt auch so meine Gedanken. Heute Abend werde ich wohl den Belmondo-Film gucken um abzuschalten.

Ich liebe Dich ganz, ganz, ganz doll!

P.S. Ab wann soll ich denn an die neue Adresse schreiben?

Heute sind es noch 485 Tage!“

Hannes meinte natürlich, die Tage, die er noch bei der Armee verbringen darf.

Während dessen gingen meine Tage wie im Flug vorbei. Und so begann ich erst am 2.7. wieder, einen Brief an meinen tapferen Soldaten zu schreiben. Aber ich hatte wohl ein schlechtes Gewissen, obwohl mir klar war, dass Hannes meine Post ohnehin nur zweimal in der Woche während des Zeltlagers bekam, wie er ja berichtet hatte.

13. Kapitel


Mein lieber Fratz!

Ich komme heute (2.7.)erst wieder zum Schreiben. Gestern war ich total groggy, war erst um 0:30 Uhr in der Unterkunft. Ich habe bis um 23:45 Uhr gemalert. Jetzt brauche ich nur den Flur das zweite Mal streichen. Habe fast alles selbst gemacht, eine Wand im Schlafzimmer hat Ella gestrichen. Aber mit der einen Wand im Wohnzimmer habe ich Mist gemacht. Ich wollte sie grün tönen. Das wurde aber quitte-grün. Nun musste ich die Wand noch zweimal weiß streichen,

 

Ich frage mich jetzt, warum wollte ich die Wand unbedingt grün tönen? Hatte ich die grüne Couchgarnitur, die ich in Ella´s Beisein getestet hatte doch schon? Die war nämlich in sich grün gemustert.

Olaf hat gestern die Lampen angebracht und die Löcher für die Haken auf dem Balkon gebohrt. Dann hat er den Spiegelschrank im Bad anbringen wollen. Dabei ist er mit dem Bohrer in der Küche angekommen. Ich konnte nur noch lachen und habe gesagt:, Von der anderen Seite kann ich ja einen Topflappen anhängen!´. Es ist nämlich gleich neben dem Herd. Donnerstag macht Olaf dann die Gardinenstangen ran. Ich freue mich so auf Dich und darüber, dass Du im Urlaub nicht mehr in die Wohnunterkunft kommen musst!

Heute hatte ich Post von Deinen Eltern. Deine Mutter hat sich erbarmt und am 30.6. sich für meine Zeilen bedankt. Hat sie auch an Dich geschrieben? Sie haben mir auch nicht zum Geburtstag gratuliert.“

Hier muss ich doch mal erwähnen, meine Schwiegereltern waren vom Anfang unserer Ehe bis zum Ende sehr speziell.

Ich bin ganz schön k.o., das Streichen mit der Rolle geht ganz schön in die Arme. Aber nun ist es ja bald geschafft und Konni hilft mir beim Saubermachen. Apropos: Konni: Ihre Aussprache war ja heute. Alle waren da, nur der Obermacker von der Unterkunftsverwaltung nicht. Er wollte wohl seine Niederlage nicht öffentlich hinnehmen. Jedenfalls bleibt sie nun erstmal in ihrem Zimmer.“

Ich beende den Tagesbericht an Hannes mit ein paar Bemerkungen abschließend zu seinen Eltern und dass ich mit dem schmerzenden Handgelenk aufhören muss zu schreiben, nicht ohne liebe Grüße und ihn meiner Liebe versichert zu haben.

G

leich am nächsten Morgen

Nun bist Du schon zwei Monate dort und mir kommt es viel länger vor. Aber die nächsten drei Wochen werden für uns beide wohl sehr schnell vergehen, oder?

Fratz, Du wirst Augen machen, wenn Du kommst! Das Wohnzimmer ist dann nämlich fast komplett fertig. Ich hoffe, dass Dir alles gefällt und versuche es so schön, wie möglich für uns zu machen.“

Diese Zeilen sagen mir, ich hatte doch schon alle Möbel für das Wohnzimmer, als Überraschung für meinen Schatz. Das deckt sich auch mit meinen Erinnerungen.

A

m Abend des 3. 7. kann ich Hannes

Und das kam so. Ich bin während der Pause auf Arbeit mal schnell zum Kuchenstand vorgelaufen und war ganz in Gedanken, wegen unserer Wohnung. Ich dachte gerade darüber nach, wo ich Bretter für ein Regal herbekomme. Da spricht mich ein Arbeiter an: ,Nun mal nicht so schnell!´. Er kam mir irgendwie bekannt vor, klar aus dem „Struck“ aber ich sage, ganz in Gedanken: ,Ich brauche Bretter´ und er antwortet doch prompt, in dem er fragt: ,Wie viele und wie groß?´. Da war ich baff, sagte aber die Größe und drei Stück. Du wirst es nicht glauben, Fratz, mittags brachte er mir die Bretter! So brauchte ich nur noch die Leitergestelle dazu kaufen und Olaf hat es mir gleich angebaut. Die Bretter sind so toll, das ist nie und nimmer Abfallholz. Und das Beste ist, sie kosten nichts. Er wisse ja, wie das so ist, wenn der Mann bei der Armee ist, wollte helfen. Na, ich gebe ihm am Wochenende im ,Struck´ einen Kaffee aus.

Fratz, freust Du Dich ein bisschen mit, dass doch noch alles so gut klappt? Ich denke doch, oder? Wie geht es Dir? Kannst Du mir mal schreiben? Ab nächste Woche Mittwoch kannst Du ja schon an die neue Adresse schreiben. Mir ist wie Weihnachten, weil ich so viel Vorfreude habe! Hoffentlich gefällt Dir alles!

Ach mein Liebling, noch drei Wochen bis wir uns sehen! Hoffentlich geht mit Deinem Urlaub alles klar! Schade, dass Du bei allem nicht dabei sein kannst! Konni meinte ja scherzhaft, unsere Männer würden sich ins gemachte Netz setzen und das müsse ja eigentlich umgekehrt sein. Aber keine Angst, ich lass Dir noch Arbeit übrig. Außerdem müssen wir ja im Frühjahr wieder renovieren, weil das Haus noch arbeitet. Da ist es auch gut, dass ich jetzt nur einfache Tapete genommen habe.“

Am Morgen des 4. 7. melde ich mich mit den Worten:

Ich habe heute wieder wirres Zeug geträumt: Plötzlich standen Deine Eltern vor der Wohnungstür um gute Ratschläge zu geben. Meinst Du die kreuzen hier unangemeldet auf? Das machen sie ja bei Oma und Hans auch immer so. Na ja, ich vergesse diesen Traum schon wieder. Morgens wird man hier von der Kälte wach und das im Juli. Hoffentlich ist es bei Dir in der Nähe von Berlich nachts wärmer. Hast Du auch genug zu essen? Schreib bloß mal. Es ist nämlich doch ganz schön doof, wenn keine Post von Dir kommt, auch wenn ich weiß, dass so schnell keine kommen kann.

So nun muss ich aber los, hab ja noch ein Arbeitsverhältnis.“

Auc

h mein nächster Brief beginnt mit

Bin gleich nach der Arbeit in die Wohnung gefahren und habe Erdbeeren eingeweckt. Es sind 4 große und 4 kleine Gläser geworden.“

Jetzt denke ich gerade, dass ich so was noch gemacht habe! Sicherlich, weil es auch Erdbeeren selten und wenig gab und Hannes und ich sie gerne aßen. Aber Ella und ich haben auch meine selbst genähten Gardinen aufgehängt. Wir fanden, diese sind toll geworden.

Langsam wird aus dem Betonkasten eine Wohnung! Deine Boxen stehen jetzt 3,5 Meter auseinander, das ist ein Klang! Es ist schon wieder Zeit zum losgehen. Entschuldige, dass dies nur ein kurzer Brief geworden ist. Heute in einer Woche ist es soweit, dann ziehe ich um. Ich bin schon ganz aufgeregt!“


Ich war heute mit Konstanze

schon um 15:00 Uhr in unserer Wohnung. Wir sind von der Arbeit aus getrampt, um Zeit und Busgeld zu sparen. In der Beziehung wohnen wir dann günstig.“

Das Ostseeviertel, in das Hannes und ich zogen, war gleich der erste Stadtteil von Greifswald, der in Richtung Lubmin lag.

Wir haben wieder geputzt und anschließend beide ausgiebig geduscht. Der Boiler ist nicht leer geworden. Das ist doch gut, oder? Danach waren wir bei Konni fernsehen und haben uns von der vielen Arbeit erholt.“

Am 6. 7. morgens stellte ich fest, dass ich in einer Woche schon in der neuen Wohnung aufwachen werde:

Ich bin gespannt, wie das wird.“

14. Kapitel

M

ein 37. Brief geht wieder über 2 Tage,

Man konnte damals ganz legal Baumaterialien im AKW erwerben. So genanntes Rest- oder Abfallmaterial. Allerdings musste das bei Beton spontan und schnell gehen. Dann machte ich mir Sorgen, dass Hannes im Feldlager nachts frieren könnte:

Frier Dir bloß nichts ab!“

Was ich damit wohl meinte?

Es scheint, als wäre im Juli 1985 das Wetter merkwürdig gewesen. Seit ein paar Tagen war es am Tag heiß aber in der Nacht kalt, was ich sogar in meinem Unterkunftszimmer merkte. Gleichzeitig gab es dort immer noch kein warmes Wasser. Was mich ja nicht groß störte, da ich ja in der Wohnung duschen oder baden konnte. Aber am Vortag hatte ich festgestellt, dass unser Keller dort unter Wasser stand:

Ein Glück, dass ich die Kartons auf einen Metallreif mit einer Sauerkrautplatte gelegt habe. Das habe ich hier gefunden. Hier ist sowieso rundum Baustelle. Es gibt auch noch keine Mülltonnen. Richtig fertig ist das Haus auch noch lange nicht. Es gibt auch noch keinen Fernsehanschluss. Der Antennenverteiler soll in den 3. Aufgang. Der soll nächste Woche fertig werden. Na warten wir es ab!

Heute Mittag war mir auf Arbeit richtig schlecht. Bestimmt die ganze Aufregung. Jetzt ist es aber wieder gut.

Fratz, was macht der Dreck? Wenn Du auf Urlaub kommst, mache ich Dir erst mal ein schönes Bad. Es badet sich ganz toll in einer eigenen Badewanne, kannst Du mir glauben! So nun muss ich aber los. Sei ganz lieb gegrüßt und geküsst von Deinem Fratz Helena. P.S. Hoffentlich bekomme ich bald Post von Dir.“


Dies ist mein vorletzter Brief

aus der Unterkunft, mein Fratz. Einen kann ich noch schreiben, dann erst wieder aus der Wohnung. Ich bin heute nicht in die Wohnung gefahren, sondern gleich in die Unterkunft. Da ich unser Bettzeug schon wegbringen wollte, damit ich das Freitag nicht machen muss. Da gab es doch tatsächlich Theater, ich könne das nicht vor dem Auszug machen. So ein Blödsinn! Man, war ich sauer. Nun mache ich erstmal passive Erholung und gehe in die Wanne. Das warme Wasser ist wieder da. Morgen und Donnerstag fahre ich aber wieder in unsere Wohnung. Ich will noch mit Marianne den Kühlschrank hinbringen, damit der am Freitag einsatzfähig ist. Abgetaut habe ich ihn schon. Endlich unsere erste eigene Wohnung, Fratz! Ich freue mich so! Noch mehr freue ich mich, wenn Du dann kommst und alles siehst! Mit dem Geld sieht auch alles gut aus. Becker hat mir

dass ihr

Treueprämie bekommen habt und ich habe meine Auslöse von Juni noch. Aber am 15. oder 16. geht ja schon wieder Gehalt auf mein Konto. Aber mit Geld befasse ich mich erst wieder nächste Woche. Welche Zeitungen wir bestellen wollen können wir ja bereden, wenn Du da bist. Das ,Neue Leben´ lasse ich von Mutti umbestellen. Konni fährt morgen wieder nach Berlin. Sie hat sich dort bei dem neuen Kaufhaus beworben und sie wollen ja eh nach Berlin ziehen, wenn Frank von der Armee kommt. So lange wohnt sie bei ihren Eltern, wenn das mit der Arbeit klappt. Wie mag das wohl in einem Jahr um die Zeit sein? Dann haben wir es fast geschafft, mein Fratz!“

Meine Briefe vom Juli sehen übrigens sehr mitgenommen aus, die Umschläge besonders, aber auch die einzelnen Blätter. Man kann erkennen, dass Hannes sie im Feldlager gelesen hat. So auch mein letzter Brief aus der Wohnunterkunft, den ich am Abend des 10. 7. beginne:

M

ein geliebter Fratz!

Dies wird der letzte Brief aus der Unterkunft. Hinter unserem Haus haben sie heute den Müll zusammen geschoben. Ich war nach der Arbeit gleich da. Ella und Olaf bringen heute noch den Sessel von Mutti hin und morgen bohrt Olaf noch Einiges und Ella bringt uns zweimal Bettwäsche. Becker hat mir heute gesagt, dass wir am Freitag doch schon um 8:00 Uhr anfangen können. Das mit dem Zement hat sich erledigt. Da sind wir dann auch früh fertig. Fratz, ich bin so gespannt, was Du sagen wirst! Hoffentlich bist Du mit Allem zufrieden! Vielleicht bist Du ja schon in zwei Wochen da. Wenn schönes Wetter ist können wir baden gehen und tanzen. Ich weiß gar nicht, ob ich noch tanzen kann, Du? Nicht dass du nachher auf der Tanzfläche marschierst!“

Am nächsten Morgen, der vorletzte in der Unterkunft, berichte ich dann von einem Traum:

Ich habe geträumt, Du kommst auf Urlaub. Du hattest eine Feldjacke an und Jeans. Dann bin ich leider wach geworden.“, und:

Heute gehe ich das letzte Mal von hier aus zur Arbeit. Sei nicht böse, wenn ich erst wieder Freitagabend oder Samstag schreibe. Ich liebe Dich ganz doll! Dein Fratz Helena.“

Am Umzugstag hatte ich endlich Post von Hannes:


Mein lieber Fratz! Es grüßt Dich erst einmal ganz lieb

Dein Hannes!

Heute ist Samstag (6. 7.). Es ist 20:15 Uhr und ich habe mal Ruhe. Eine Woche Feldlager ist also fast rum und das bei herrlichem Wetter. Na ja, vlt. besser, als wenn es regnen würde und kalt wäre. Wir schlafen mit 14 Mann in einem Zelt und Gerüche sind hier viele vertreten. Wenn Du diesen Brief bekommst, sind es noch 14 Tage und ich bin zu hause (hoffentlich!). Wie ich Deinem Brief entnehme, bist Du also sehr fleißig. Ich glaube schon, dass mir gefällt, wie Du es einrichtest. Dass ich nur noch 60 Stunden bei der AWG machen muss. Ist natürlich sehr positiv für mich. Den Fahnenhalter werde ich wohl gleich als erstes abbauen, aber erst nach dem ,hökern´. Du kommst ja ganz schön spitz, wegen der fünf Schlüssel meine ich. Hört sich ja so an, als ob ich schon jemals einen verloren hätte. Morgen ist Sonntag, aber trotzdem ist hier bis 17:00 Ausbildung, in der Woche von 8:00 bis 17:00 Uhr. Wie geht es Deinem Handgelenk, hoffentlich besser. Bis zum SU sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes. Ich liebe Dich natürlich immer noch ganz doll.“

 

Welche Freude, dass ich diesen Brief noch am Umzugstag bekommen habe. Bloß nicht verlegen, dass ich ihn noch mal lesen kann, in Ruhe nach dem Umzug. Ich erinnere mich, dass ich Hannes Briefe öfter gelesen habe, auch in Ermangelung von Nachschub.

N

ach dem Umzug gleich die nächsten Berichte

Ich schätze, ich werde heute Abend so lange möhlen, bis alles da ist, wo ich es hinhaben will.“

Am nächsten Tag schreibe ich Hannes alles ausführlicher:

Ich sitze jetzt im Wohnzimmer und höre Radio nur von der Litze. Der Antennenanschluss wurde gestern doch nicht verlegt. Verzeih mir bitte, wenn ich alles ein wenig durcheinander schreibe, ich habe Dir ja so viel zu erzählen. Als ich Deinem Brief bekommen habe, hattest Du auch Post. Ich habe den Brief mit in meinen gelegt. Du brauchst aber keine Angst haben, ich habe diesmal nicht geantwortet. Ist Trixi die Schwester von den Nicoleis? Der Brief klingt ganz anders, als der von Yvonne.

Ella hatte am Donnerstag das Bettzeug vergessen und so habe ich unter Wolldecken geschlafen. Das hat vielleicht gekrabbelt. Als sie heute das Bettzeug brachte, hat sie gestaunt, wie toll das Wohnzimmer aussieht. Auch Konni gefällt es. Sie war natürlich gestern Abend schon mal da zum Gucken und wir haben gemütlich Abendbrot gegessen.

Heute habe ich Deine ganzen Sachen gewaschen und gleich auf dem Balkon aufgehängt, das ist echt prima. Montag kommt der Kleiderschrank, dann sind die Sachen, die jetzt noch im Schlafzimmer auf Deiner Liege liegen auch weg.

Ich habe die Litze vom Fernseher heute über die Lampe gehängt, so kann ich ohne schnurren fernsehen. Heute kommt eine Westernkomödie, die werde ich mir mal ansehen. Ich bekomme aber nur das 2. Programm. Das erste geht über Litze nicht. Aber mit Fernseher an oder Radio fühle ich mich nicht so allein. So nun gehe ich aber ins Bett. Heute mit bezogenen Betten. Gute Nacht mein liebster Fratz!“

Am nächsten Morgen berichtete ich, dass es nun nicht mehr von der Wolldecke gekrabbelt hat, aber eine Heerschar Mücken im Zimmer waren:

Dieses Ostseeviertel ist ein Mückenviertel! Wenn die nicht bald den Müll wegbringen und Mülltonnen aufstellen, haben wir hier bald ein Fliegen- und Mückenparadies, wie in einem Moor. Dann kam Marianne und wollte mit mir an den Strand nach Lubmin fahren. Sie wollte da ihren Uwe nach der Schicht treffen. Ich habe abgelehnt. Erstens habe ich noch genug zu tun hier und zweitens, was soll ich da zwischen den beiden?

Ich muss morgen unbedingt was gegen Mücken und Fliegen kaufen, das ist ja furchtbar!

Fratz, ich liebe Dich so! Nicht mal mehr zwei Wochen und dann bist Du hier! Ich hoffe sehr, dass es klappt. Es muss einfach klappen und dann so lange, wie möglich, hörst Du?! Ich habe solche Sehnsucht nach Dir! Ich könnte jetzt glattweg heulen! Die Musik im Radio muntert mich gerade auch nicht auf. Aber ich werde gleich noch Wäsche waschen, dann komme ich wieder auf andere Gedanken.

Saugen muss man hier jeden Tag, ist ja rundum nur Baustelle. Sie bauen uns noch in G-Form zu. Also bis später mein Fratz!

Ich habe noch an Oma und Hans geschrieben, sie freuen sich bestimmt.“

Dann schrieb ich weiter mit Berichten, was ich an einigen Möbeln noch machen, bzw. verändern will und was ich dazu noch brauchte. Wenn nicht gerade Sonntag gewesen wäre, wäre ich wohl noch in die Stadt gefahren und hätte Allerlei gekauft. Aber so plante ich den Einkauf für den nächsten Tag.

Ich habe eben unseren Namen an den Briefkasten gemacht. Hoffentlich habe ich darin bald Post von Dir! Ich glaube, ich schreibe Trixi doch. Sie tut mir nämlich leid, mit ihrer Flucht in die Vergangenheit. Du brauchst keine Angst haben, dass wird ein ganz vernünftiger Brief!“

Es ist ja doch interessant aus heutiger Sicht, wie unterschiedlich ich die Post von Yvonne und Trixi damals bewertet habe. Als ich diese Briefe jetzt gelesen habe, fand ich sie beide nicht schlimm.

An diesem Wochenende habe ich einen 14 Seiten langen Brief an Hannes geschrieben. Wann er das wohl alles lesen konnte. Na, beschwert hatte sich Hannes ja nie darüber, dass er zu viel Post oder zu lange Briefe von mir bekam.

Die letzten Zeilen in diesem Brief schrieb ich am Montagmorgen, den 15.7.1985:

Ein Glück, dass heute Montag ist. Nun kann ich in die Stadt fahren und Mückentötolin kaufen. Heute Nacht sind die Mücken wieder über mich hergefallen. Zum Schluss habe ich die Küchengardinen über mich gehängt. Aber das Gesumme hat mich irre gemacht. Ich glaube, das wäre ein Thema Für Hitchcock! Wie ist es denn bei Dir im Feldlager, habt ihr auch so viele Mücken? Ich habe vor Verzweiflung geheult, bin dann ins Wohnzimmer umgezogen und hab Radio angemacht. Um 7:00 wollte ich aufstehen, weil ja heute der Schrank kommen sollte. Das war ja wohl nichts, um 8:30 Uhr bin ich aufgeschreckt und habe gleich auf dem Hausflur nachgesehen, ob sie den Schrank dort hingestellt haben. Aber sie kamen kurz danach. Glück gehabt!“

Dann beschrieb ich den Kleiderschrank und:

Unser Schlafzimmer ist noch nicht voll und wenn man die Möbel ein bisschen anders stellt, passt hier auch noch ein Kinderbett rein.“

Wow, dass ich an so was gedacht habe! Da war wohl doch ein intensiver Kinderwunsch in mir.



Ich habe sogar Mückentötolin bekommen!“ ,

freue ich mich in meinem nächsten Brief an Hannes. Auch Spray zum Einreiben war dabei, wie ich jetzt lesen kann. Ich kann mich an diese Plage überhaupt nicht mehr erinnern. Aber daran, dass ich Möbel beklebt und gestrichen habe, damit sie zusammen passend im Schlafzimmer stehen. Wenn alles so lief, wie geplant, konnte ich schon schreiben:

Fratz nächste Woche kommst Du in unser zu Hause. Das hört sich doch schon besser an, nicht mehr so lange. Hoffentlich hast Du Zeit, meinen dicken Brief zu lesen. Wenn nicht musst Du es in Etappen tun. Vielleicht hattest Du ja doch noch mal Zeit, mir zu schreiben! Ich würde mich so freuen, wenn ein Brief von Dir der erste in unserem Briefkasten wäre! Warum ist nicht schon nächste Woche! Kannst Du nicht schon Mittwoch oder Dienstag kommen? Ich kann es kaum noch abwarten, dass Du da bist!“

Am Morgen des 16. 7. konnte ich endlich berichten, dass ich phantastisch geschlafen habe. Aber auch, dass der Kleiderschrank aufgebaut ist. Dank Nachbarschaftshilfe und Olaf.

Das war vielleicht ein Akt. Aber das ganze Theater beim Schrank zusammen bauen, erzähle ich Dir, wenn Du hier bist, Fratz. Du lachst Dich kaputt! Da fällt mir ein, wir haben einen Telefonanschluss im Flur. Soll ich uns anmelden? Das soll hier gar nicht so lange dauern, vlt. ein Jahr nur. Das haben Nachbarn erzählt. Man trifft sich hier manchmal im Hausflur und redet über dies und jenes, wie die Mülltonnen usw.“

Am nächsten Morgen fuhr ich das erste Mal vom Ostseeviertel mit dem Bus zur Arbeit nach Lubmin. Ich brauchte auch nicht mehr so früh aufstehen.

Hier reicht es, wenn ich um 5:00 Uhr aufstehe und um 5:45 Uhr losgehe.

Ich hoffe diese Woche vergeht ganz schnell! Nach der Arbeit will ich noch ein paar Besorgungen machen. Ich möchte, dass es schön wohnlich ist, wenn Du kommst. Gestern habe ich noch Erdbeeren eingefrostet, dann kannst Du auch frische essen, wenn Du hier bist. Ich kann es kaum abwarten. Vielleicht habe ich ja heute Post von Dir!“

Es war schon der 17. 7. Die letzte Post von Hannes kam ja am Umzugstag, den 12. 7. Aber ich hatte Glück! Als ich von der Arbeit und den Besorgungen nach hause kam, war ein Brief von Hannes in unseren Briefkasten! Sein erster Brief an den Riemserweg 9 und der erste Brief in diesem Briefkasten! Welch eine Freude für mich.