Das Eselchen des heiligen Nikolaus und andere Weihnachtsgeschichten

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Das Eselchen des heiligen Nikolaus und andere Weihnachtsgeschichten
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Impressum

Das Eselchen des heiligen Nikolaus und andere Weihnachtsgeschichten

Helmut Höfling

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Helmut Höfling

ISBN 978-3-8442-6296-4

Das Eselchen des heiligen Nikolaus

Eine vorweihnachtliche Erzählung

Grauchen träumt von der Himmelsweide

Das Eselchen war noch ganz klein, als es seine Mutter verlor. Der Eselstreiber, ein armer Mann, hatte die Eselin nicht lange schonen können. Schon drei Tage später, nachdem das Eselchen auf die Welt gekommen war, musste sie wieder Säcke schleppen. Unterwegs war sie zusammengebrochen. Da halfen auch keine Schläge und Fußtritte. Nur mit Mühe hatte sie sich noch bis zum Stall schleppen können. Dort starb sie dann in der Nacht.

Doch vor ihrem Tod versuchte sie noch, das Eselchen zu trösten: „Komm näher, Grauchen“, bat sie mit schwacher Stimme. “Das Sprechen strengt mich so an.“

„Ja, Mutter.“ Das Eselchen nickte und machte einen Schritt vorwärts, so dass sie jetzt beide Kopf an Kopf standen.

„Schade, dass wir uns jetzt trennen müssen.“

„Bitte, bleib doch bei mir“, flehte das Eselchen und schmiegte sich ängstlich an den Hals der Mutter.

Doch die sterbenskranke Eselin schüttelte den Kopf und erklärte traurig: „Das hängt nicht von mir ab, mein Grauchen.“

„Wenn du mich jetzt allein lässt, dann kann ich nie mehr fröhlich sein.“

„Alles im Leben vergisst man einmal - auch mich.“

„Nein“, widersprach das Eselchen fest, „ich werde immer an dich denken und traurig sein.“

Ein müdes Lächeln schien über das Gesicht der sterbenden Eselin zu gleiten wie der letzte schwache Strahl der Abendsonne über den winterlichen Wald.

„Dass du immer an mich denken willst, macht mich glücklich“, sagte die Eselin gerührt. „Aber traurig brauchst du deswegen nicht zu sein.“

„Soll ich mich vielleicht darüber freuen, dass du bald tot bist?“

„Ich bin nicht tot - nur weit weg von dir.“

„Weit weg...?“, wiederholte das Eselchen, ohne den Sinn dieser Worte richtig zu erfassen.

„Ja, im Himmel. Dorthin kommen alle Tiere.“

„Was tust du denn im Himmel?“

„Mich ausruhen von der Arbeit hier auf Erden und zusammen mit den anderen Tieren fröhlich sein und mich auf der Himmelsweide tummeln.“

„Das klingt ja lustig“, rief das Eselchen aus, jetzt wieder froher als vorhin.

„Das ist es auch“, versicherte die alte Eselin und nickte dazu schwach.

Da drängte sich das kleine Eselchen ungestüm an seine Mutter und bestürmte sie: „Bitte, liebe Mutter, nimm mich mit in den Himmel, bitte!“

Doch die sterbende Eselin schüttelte verneinend den Kopf mit den langen Ohren und behauptete: „Dazu bist du noch viel zu jung. Du musst dich erst mal auf der Erde umschauen.“

„Aber ich möchte bei dir bleiben.“

„Jetzt nicht, mein Grauchen. Doch eines Tages sehen wir uns bestimmt wieder - dort oben im Himmel, und dann wollen wir uns nie mehr trennen und immer fröhlich sein. Darum sei nun nicht mehr länger traurig.“

Das Eselchen war trotzdem traurig. Am liebsten wäre es auch gestorben, um wieder bei der Mutter zu sein. Aber es war gar nicht so einfach zu sterben.

Vielleicht komme ich auch in den Himmel, ohne tot zu sein...?, dachte das Eselchen. So weit ist es doch nicht bis dorthin... Ich sehe die Sterne blinken und dahinten den Mond. Wenn ich immerzu laufe, bin ich bestimmt bald da...

Also rannte es los - mitten in der Nacht und immer auf den Himmel zu. Doch je länger es rannte, desto weiter schienen die Sterne wegzurücken. Sie leuchteten schwächer und schwächer, bis sie sogar völlig verblasst waren. Auch vom Mond blieb keine Spur mehr übrig.

Enttäuscht hielt das Eselchen an. Der Weg zum Himmel war doch viel weiter, als es gedacht hatte. So würde es wohl nie dorthin gelangen.

Es begann zu weinen, und erschöpft von dem vielen Laufen in der Nacht brach es zusammen. Das Eselchen merkte nicht, dass es schon bald einschlief, und auch nicht, dass es im Schlaf träumte: vom Himmel und von seiner Mutter. Es sah sich selbst auf die Himmelsweide laufen und hörte seine Mutter rufen.

Das Eselchen meinte, dieser Traum sei Wirklichkeit. Ja, es hörte tatsächlich eine Stimme wie die seiner Mutter!

Da wachte das Eselchen auf und blinzelte verwundert umher: Es war Morgen geworden.

Schade, dachte es enttäuscht, ich habe alles nur geträumt. Jetzt bin ich noch viel trauriger als zuvor.

Das braune Fohlen

Grauchen wollte schon wieder anfangen zu weinen, als es erneut den Ruf hörte. Jetzt war es bestimmt kein Traum mehr. Erstaunt hob das Eselchen den Kopf, und was es da erblickte, ließ es allen Kummer vergessen: Hinten auf der Weide grasten Tiere, die so aussahen wie das Eselchen selbst - oder besser gesagt, fast so. Es befand sich sogar eine Mutter darunter mit einem brauen Fohlen.

Da sprang das Eselchen auf und trabte munter darauf zu. „Ia-ia“, wieherte es freudig zur Begrüßung. „Guten Morgen.“

„Morgen“, entgegnete das Fohlen kurz und beäugte den Neuankömmling misstrauisch. „Wo kommst du denn her?“

„Von dahinten.“

„Und wo willst du hin?“

„In den Himmel.“

„Da kommst du doch nicht hin“, meinte das braune Fohlen überzeugt.

„Das scheint mir auch so, ia-ia“, seufzte das Eselchen.

„Bleib lieber hier, dann können wir zusammen spielen.“

„Ja, das möchte ich schon gern.“

„Wie heißt du denn?“

„Grauchen.“

„Das ist doch kein richtiger Name“, sagte das braune Fohlen verwundert.

„Meine Mutter hat mich aber immer so genannt“, versicherte das Eselchen. „Wie heißt du denn?“

„Komet.“

Jetzt wunderte sich das Eselchen: „Komisch.“

„Gar nicht“, widersprach ihm das braune Fohlen. „Meine Mutter will, dass ich mal so schnell sausen kann wie ein Komet am Himmel. Darum hat sie mich so genannt.“

„Ich kann auch so schon schnell laufen. Soll ich’s dir mal zeigen, Komet?“

„Gut, Grauchen, rennen wir um die Wette. Wer zuerst drüben an der Eiche ist, hat gewonnen.“

Aber so weit kamen sie mit ihrem Wettlauf nicht. Die Mutter des braunen Fohlens war aufmerksam geworden und rief:

„Komm zurück, Komet!“

Keuchend blieb das Fohlen stehen „Ich wollte nur bis zur Eiche laufen“, erklärte es.

„Hierher, sofort!“

„Ja, Mutter.“

Argwöhnisch musterte die Stute den fremden Spielgefährten des Fohlens, als die beiden gehorsam und widerwillig zugleich herantrotteten.

„Wen hast du denn da bei dir?“

„Das ist mein neuer Freund“, erklärte das braune Fohlen so selbstverständlich als kenne es Grauchen schon lange.

Frohgelaunt nickte das Eselchen, so dass seine langen Ohren schlackerten. „Ich heiße Grauchen, ia-ia, guten Morgen.“

„Hm...“, brummte die Stute missbilligend und schnaubte durch die Nüstern.

„Sieht er nicht lustig aus, Mama?“, rief das Fohlen unbekümmert.

Die Stute schüttelte den Kopf. „Er gefällt mir gar nicht, viel zu klein...“

„Ich muss ja noch wachsen“, verteidigte sich Grauchen.

„Zu kurze Beine...“, hatte die Stute weiter auszusetzen.

„Ja“, stellte das Fohlen fest, indem es an sich herunterschaute, „meine sind länger.“

„Und viel zu lange Ohren“, nörgelte die Stute weiter.

„Ja, meine sind kürzer.“

„So ein struppiges Fell!“

„Ja“, bestätigte Komet erneut, „meines ist glatter.“

„Kurz und gut: Dein sogenannter neuer Freund sieht hässlich aus“, urteilte die Stute streng.

„Aber ich möchte trotzdem gern mit ihm spielen.“

„Nichts da!“

„Bitte, bitte“, drängte das Fohlen weiter.

Doch die Stute blieb unerbittlich und ließ sich auch nicht durch die flehentlichen Augen von Grauchen umstimmen.

„Nein, Komet, du bist etwas Besseres“, entschied sie. „Wenn ich zuließe, dass du mit diesem hässlichen Kerl da spielst, dann würdest du selbst genauso. Das ist kein Umgang für dich. Darum weg mit dir, Grauchen, und wage dich nicht mehr in unsere Nähe.“

Freunde halten zusammen

Die Bekanntschaft mit dem brauen Fohlen war nur ein kurzes Glück für das Eselchen. Es hatte nichts Böses getan - und trotzdem wurde es so schlecht und hartherzig behandelt, und nicht nur von der Mutter seines neuen Spielgefährten. Auch die anderen Tiere auf der Weide wollten von dem Fremdling nichts wissen, den sie für so unansehnlich hielten.

Seltsam, die tun gerade so, als seien sie etwas anderes als Esel, dachte das Eselchen.

Damit hatte es eigentlich auch Recht. Sein Freund Komet und dessen Mutter, überhaupt all die anderen Tiere auf der Weide, waren nämlich keine Esel, sondern Pferde - Reitpferde sogar! Aber da das Eselchen bisher nichts anderes als Esel gesehen hatte, hielt es auch ein Pferd für seinesgleichen.

Den Pferden erging es nicht anders: Sie hatten noch nie einen Esel erblickt. Sonderbar...!, grübelten sie. Der kleine Kerl ist so hässlich, dass er fast nicht mehr wie ein Pferd aussieht...

Wenn das Eselchen auch nicht mit dem Fohlen zusammen spielen durfte, so lief es dennoch nicht weg. Es blieb vielmehr in der Nähe, da es hoffte, die Mutter seines Freundes werde ihre Meinung noch ändern.

Doch es hatte sich getäuscht. Als am Mittag die Sonne brannte, liefen die Pferde zum Eichenhain hin und suchten den Schatten auf. Das Eselchen jedoch musste in der Hitze ausharren. Auch durfte es nicht aus dem Wiesenbach trinken. Wo immer es sich blicken ließ, jagten die anderen das Eselchen weg und verspotteten es.

 

Allmählich kam sich das Eselchen schon selbst vor wie ein hässliches Pferd. Was soll ich nur tun?, überlegte es. Ich habe keine Mutter mehr... In den Himmel komme ich auch nicht... und mit meinem Freund darf ich nicht spielen. Niemand will mich haben. Ia-a, was soll ich nur tun...?

Da zogen schwarze Gewitterwolken auf, und bald donnerte und blitzte es. In dicken Tropfen klatschte der Regen nieder.

Ängstlich drängten sich die Pferde zusammen. Doch zum Glück brauchten sie nicht lange in diesem Wolkenbruch auszuharren, denn vom Gutshof her tauchte ein Knecht auf.

„He-hüh, he-hüh, in den Stall mit euch!“, rief der Knecht schon von weitem und knallte mit der Peitsche. „He-hüh, he-hüh!“

Wiehernd rannten die Pferde über die Koppel. Sie freuten sich schon auf den trockenen Stall.

In diesem Durcheinander gelang es dem Fohlen zur Seite zu springen und mit dem Eselchen einige Worte zu wechseln: „Komm mit, Grauchen!“

„In den Stall?“

„Ja“, erklärte das Fohlen. „Du kannst doch nicht hier draußen im Regen bleiben.“

„Wenn deine Mutter mich sieht und die anderen all, dann lassen sie mich doch nicht hinein.“

„Im Stall ist genug Platz, und bist du erst mal drin, dann verkriechst du dich einfach hinten im Stroh.“

„Ia-ia“, stimmte das Eselchen frohen Herzens zu.

„Komm schon, Grauchen!“

So trabte also das Eselchen hinter den Schimmeln, Rappen und fuchsbraunen Stuten und Hengsten zum Gutshof. Ein Pferd nach dem anderen verschwand im Stall. Das Eselchen wartete so lange an der Ecke, bis auch das letzte drin war. Dann legte es die Ohren nach hinten, fasste sich ein Herz und rannte los. Aber gerade als es durch den Eingang stürmen wollte, schloss der Knecht von innen die Stalltür. Mit voller Wucht prallte das Eselchen dagegen.

„Ia-ia-ia-ia-ia...“, so jammerte es, weil es sich den Kopf so heftig angestoßen hatte. Doch mit diesem Gejammer verriet es sich. Denn bereits nach dem ersten „Ia“ hatte der Knecht erstaunt die Stalltür wieder geöffnet, und als er da plötzlich das Eselchen entdeckte, zögerte er nicht lange, sondern packte es an den langen Ohren und sperrte es ein.

Es kam jedoch nicht zu seinem Freund Komet, überhaupt nicht zu den Pferden, sondern in den Stall, wo die Kühe standen. Das Leben, das jetzt für das Eselchen begann, war gar nicht schön. Zwar bekam es genug zu fressen, aber draußen spielen mit seinem Freund Komet durfte es nicht. Im Gegenteil, sobald es groß und stark genug war, musste es schwer arbeiten: Säcke schleppen und Karren ziehen.

Die Pferde dagegen hatten nichts zu tun. Sie waren ja auch edle Reitpferde. Desto mehr verspotteten sie das arme Eselchen, mit dem die Knechte nicht gerade sanft umgingen.

„Da kommt ja das hässliche Langohr.“

„Ich würde mich schämen, so herumzulaufen.“

„Kaum zu glauben, dass so Kerl mit uns zusammenleben wollte.“

So höhnten die Pferde. Nur das Fohlen, das immer noch gern mit dem verachteten Eselchen spielen wollte, stimmte in diesen Spottgesang nicht mit ein, sondern bekannte tapfer:

„Ich habe Grauchen trotzdem gern.“

„Schweig, Komet!“, tadelte ihn seine Mutter.

„Grauchen tut mir leid, dass er so viel arbeiten muss.“

„Das ist das einzige, wozu er taugt“, meinte eine besonders hochnäsige Stute.

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