Konkurrenzen im öffentlichen Dienst

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2. Zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG

8

Der Sachkomplex der „Statusrechte und –pflichten“[5] umschließt denjenigen Teilbereich des Beamtenrechts, der durch die Typisierung des Beamtenverhältnisses als „öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis“ (Art. 33 Abs. 4 GG) und die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums mitsamt der sie prägenden „hergebrachten Grundsätze“ (Art. 33 Abs. 5 GG) bundeseinheitlich verbürgt ist und verbürgt bleiben soll.[6],[7]

a) Zur Regelung des Laufbahnrechts der Landesbeamten[8]

9

Die Länder müssen beachten, dass das Laufbahnprinzip[9] als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nicht zu ihrer Disposition steht[10] und dass das gleichfalls verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG prinzipiell gesicherte Amt im statusrechtliche Sinne[11] nicht nur an die besoldungsrechtliche Einstufung, sondern auch an die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe anknüpft.[12] Der Verzicht des Bundes auf eine rahmensetzende Regelung zum Laufbahnrecht der Landesbeamten hat erwartungsgemäß von Land zu Land zu mehr oder weniger stark differierenden Ausgestaltungen – etwa bei der Anerkennung von Laufbahnbefähigungen – geführt, die sich durchgängig durchaus nicht als mobilitätsfördernd erweisen (können) und die – wie es sich z.B. im Zusammenhang mit dem Fehlen einer zureichenden länderübergreifenden Harmonisierung bei Höchstaltersgrenzen für die Einstellung zeigt[13] – nicht immer einem fairen Procedere bei der Gewinnung geeigneten Nachwuchses zuträglich sind.

b) Zum Besoldungsrecht in den Ländern[14]

10

Die zwischenzeitlich eingetretene Entwicklung auf dem Besoldungssektor offenbart ein starkes Auseinanderdriften. Der Umfang des beträchtlichen Besoldungspartikularismus wird anschaulich, wenn man die Schwankungsbreite anhand der Besoldungsgruppen A 7, A 9 und A 13 betrachtet. Nach dem Besoldungsreport 2016 des DGB haben sich die dort erfassten Differenzen der durchschnittlichen Jahresbruttobesoldung zwischen Bayern mit dem höchsten und Berlin mit dem niedrigsten Jahresbetrag auf jeweils 3.975,22 €, 4.371,56 € bzw. 6.336,77 € belaufen. Wirtschaftlich schwache Länder hinken infolge der Föderalismusreform mithin hinter wirtschaftlich starken Ländern hinterher – unter anderem mit der Konsequenz eines Vorsprungs der „reicheren“ Länder bei den Bemühungen um qualifizierten Nachwuchs. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25.5.2015 – BvL 17/09 –[15] wird die Spreizung der Besoldung in den Ländern im Kern kaum aufheben, sondern im Laufe der Zeit allenfalls mindern.[16]

Anmerkungen

[1]

Siehe dazu BVerfGE 130, 52 (juris Rn. 59f.).

[2]

Vgl. Degenhardt in: Sachs GG Art. 73 Rn. 43.

[3]

Die Anwendbarkeit des Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG auf Bundeswehrangehörige ist nicht unstreitig. Zum Teil wird Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG als vorrangig betrachtet (vgl. in diesem Sinne BVerfGE 39, 110, 112; 62, 354, 367). Siehe dazu auch die Literaturhinweise bei Degenhardt in: Sachs GG Fn. 242 zu Art. 73.

[4]

Vgl. dazu BVerfGE 61, 149 (202).

[5]

Siehe hierzu eingehend Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 1 Rn. 6 f. m.w.N.

[6]

Zur Auslegung der durch das 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in Art. 33 Abs. 5 GG eingefügten sog. Fortentwicklungsklausel BVerfGE 119, 247 (juris Rn. 52, 84 ff.).

[7]

Unter Art. 33 Abs. 5 GG fällt auch der verfassungsverbürgte Schutz der hergebrachten Stellung besonderer Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts zählt namentlich der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit (vgl. BVerfG NVwZ 2016, 764, juris Rn. 76 m.w.N.).

[8]

Siehe dazu im Einzelnen Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 2 Rn. 20 ff. sowie hier 10. Kap. Rn. 2 ff.

[9]

BVerfGE 9, 268 (286); 107, 257 (stdRspr.). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet sich freilich keine Aussage zum Laufbahngruppenprinzip.

[10]

Vgl. Degenhardt in: BK Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 (2007) Rn. 40.

[11]

BVerfGE 70, 251 (266 f.).

[12]

Siehe insoweit Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 3 Rn. 10 f.

[13]

Siehe BVerwGE 133, 143. Zu den landesrechtlichen Regelungen vgl. schon Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 1 Rn. 8 sowie eingehend auch Kathke in: Schütz/Maiwald BR Rn. 90 ff. zu § 5 NRW LBG, ferner Holland-Letz/Koehler ZBR 2012, 217.

[14]

Siehe dazu Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 1 Rn. 9 ff.

[15]

BVerfGE.139, 64; siehe ferner BVerfGE 140, 240.

[16]

Siehe nunmehr auch den Vorlagebeschl. des Bundesverwaltungsgerichts v. 22.9.2017 – 2 C 56.16 u.a. – (vgl. dort vor allem juris Rn. 29, 75, 78 und 143, namentlich zur Frage, ob die Alimentation ihre – u.a. anhand der geforderten Einstellungsvoraussetzungen zu prüfende – „qualitätssichernde Funktion“ noch erfüllt, sowie zur Notwendigkeit der Kontrolle, ob sie noch den „Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau“ wahrt).

1. Kapitel Einführung › C. Elemente eines Wettbewerbs im öffentlichen Dienst

C. Elemente eines Wettbewerbs im öffentlichen Dienst

1. Kapitel Einführung › C. Elemente eines Wettbewerbs im öffentlichen Dienst › I. Allgemeines

I. Allgemeines

11

Die Ausdrücke „Wettbewerb“ und „Konkurrenz“ werden im gewöhnlichen wie auch im juristischen Sprachgebrauch weitgehend als Synonyma behandelt. Dagegen ist in den hier gegebenen Zusammenhängen[1] nichts einzuwenden. Entsprechendes gilt für die Worte „Konkurrenzsituation“ und „Wettbewerbssituation“.[2] Der Terminus „Wettbewerbssituation“ wird insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verwendet. So heißt es beispielsweise, dass es bei Auswahlentscheidungen des Dienstherrn der Klärung einer „Wettbewerbssituation“ bedürfe.[3] Ferner findet sich häufiger eine Aussage etwa des Inhalts, dass die dienstliche Beurteilung vor allem der von Rechts wegen gebotenen zuverlässigen Lösung einer „Wettbewerbssituation“ dienen solle.[4]

12

Eine Wettbewerbssituation entsteht typischerweise „unter der Bedingung von Knappheit“: Nicht alle Bewerber, die einen bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil anstreben, können unter den Gegebenheiten mit ihrem Begehren zum Zuge kommen; mit der Verwirklichung seines Zieles nimmt der erfolgreiche Bewerber Mitbewerbern die Chance, ihr gleichsinniges Ziel zu erreichen.[5] Im Sozial- und Rechtssystem des öffentlichen Dienstes wird es sich bei den knappen Gütern vornehmlich um freie und besetzbare Planstellen, aber auch um Dienstposten – d.h. um Ämter im konkret-funktionellen Sinne[6] – handeln; ebenso kann es aber z.B. um die umstrittene Zuweisung einer Wohnung gehen, über die die Dienststelle verfügt.[7]

13

Sofern der in einer Wettbewerbssituation angelegte Konflikt zwischen mindestens zwei Konkurrenten nicht anderweit zu beheben ist und sofern die Verwaltung ihr Vorhaben nicht nachträglich aus sachlichen Gründen aufgibt, führt das Konfliktverhalten der Beteiligten unvermeidlich zur Notwendigkeit einer Auswahlentscheidung, nämlich einer Ernennungs- oder einer Verwendungsentscheidung[8] durch den Dienstherrn.

14

Von einer „Ernennungsentscheidung“ soll die Rede sein, wenn die Rechtshandlung, die das Auswahlverfahren beendet, durch eine – statusrechtlich relevante – Ernennung[9] „rechtsverbindlich umgesetzt“[10] wird.

15

Übersicht: Ernennungsentscheidungen

Ernennungsentscheidungen des Dienstherrn können veranlasst sein bei

 

der Begründung eines Widerrufsbeamtenverhältnisses,
der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe oder der Umwandlung eines anderen Beamtenverhältnisses in ein solches auf Probe, sei es, dass die Probezeit „zur späteren Verwendung auf Lebenszeit“, sei es, dass sie „zur Übertragung eines Amtes mit leitender Funktion“ abgeleistet wird (vgl. auch § 10 Abs. 3 BBG, § 8 Abs. 3 BeamtStG),
der Begründung eines Proberichterverhältnisses (vgl. auch § 12 Abs. 1 DRiG),
der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit,
der Begründung eines Richterverhältnisses auf Lebenszeit,
der Begründung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit,
der Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in dasjenige eines Berufssoldaten oder umgekehrt oder
der Beförderung eines Beamten, eines Soldaten oder eines Richters.

Hinweis:

Die Richter kraft Auftrags (vgl. §§ 8, 14 DRiG) sind beiseitegelassen, weil es Wettbewerbe um die Einstellung in dieses Rechtsverhältnis kaum geben wird.

16

Wo der Grundsatz der Ämterstabilität[11] bzw. der Stabilität der rechtlichen Stellung von vornherein und grundsätzlich nicht berührt ist, wo es mit anderen Worten um Konkurrenzen geht, die (nur) die Einweisung in einen bestimmten, gewöhnlich durch Dienstpostenbeschreibung konkretisierten Pflichtenkreis betreffen und deren – in welcher Form auch immer geschehende – Klärung und Lösung durch den Dienstherrn im Nachhinein wieder rückgängig gemacht werden kann, erscheint es – auch zur Vermeidung von Missverständnissen – sinnvoll, den Unterbegriff „Verwendungsentscheidung“ zu wählen, so z.B. auch dann, wenn die Vergabe eines Beförderungsdienstpostens – und nicht schon diejenige eines Beförderungsamtes – umstritten ist.

Anmerkungen

[1]

Es ist zu beachten, dass die Worte „Wettbewerb“ bzw. „Konkurrenz“ bei der Darstellung der vorstehend unter B II 2 a) und b) zur Sprache gebrachten Anstrengungen verschiedener Dienstherren um die jeweilige Rekrutierung von Nachwuchs im Interesse begrifflicher Klarheit nicht verwendet sind. Siehe dazu auch die folgende Fußnote.

[2]

Von einem „Wettbewerb im öffentlichen Dienst“ im Sinne einer Konkurrenz zwischen mehreren Dienstnehmern auf der einen Seite und einem Dienstherrn auf der anderen Seite, wie er eigentlich Gegenstand dieses Buches sein soll, unterscheiden sich Fallgestaltungen, bei denen ein Dienstherr einem Dienstnehmer eine Nebentätigkeitsgenehmigung versagt oder eine solche widerruft, weil er im dienstlichen Interesse selbst in der betreffenden Angelegenheit tätig werden möchte (siehe dazu aber Kap. 11 Rn. 5).

[3]

BVerwG NVwZ 2003, 1397 (juris Rn. 13).

[4]

BVerwGE 111, 318 (juris Rn. 13), u.a. unter Bezugnahme auf BVerwG DVBl. 1994, 112 (juris Rn. 12).

[5]

Luhmann S. 521 ff. Vgl. auch BVerwGE 138, 102 (juris Rn. 23): Jede Benachteiligung oder Bevorzugung eines Bewerbers wirke sich auf die Erfolgsaussichten der Mitbewerber aus.

[6]

Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 3 Rn. 10 f.

[7]

Siehe dazu 12. Kap. Rn. 1 ff. Ergänzender Hinweis zu 11. Kap. Rn. 5 ff.: Hier werden auch bestimmte Konkurrenzen zwischen Dienstherrn und Beamten mitberücksichtigt.

[8]

Die Terminologie folgt dem Vorbild des § 3 Abs. 2 SG.

[9]

Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 3 Rn. 1 ff.

[10]

Vgl. BVerwGE 138, 102 (juris Rn. 26). Zum wesentlichen Inhalt dieser höchstrichterlichen Entscheidung siehe Anhang 3 Rn. 4 ff.

[11]

Vgl. auch insoweit BVerwGE 138, 102 (juris Rn. 30) m.w.N. sowie Anhang 3 Rn. 1.

1. Kapitel Einführung › C. Elemente eines Wettbewerbs im öffentlichen Dienst › II. Auswahlziel

II. Auswahlziel

17

Jede Auswahl hat sich grundsätzlich an Zielvorstellungen auszurichten und – erwünschte oder unerwünschte – Nebenfolgen zu bedenken. Für Auswahlentscheidungen im öffentlichen Dienst muss das öffentliche Interesse an der jeweils bestmöglichen Stellenbesetzung richtungweisend sein.[1],[2] Aspekte einer effektiven Personalentwicklung können dementsprechend auch nur bei Beachtung dieses Rahmens – in den Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen – in den Kreis der Erwägungen einbezogen werden (siehe dazu z.B. §§ 46, 47 BLV). Das Anliegen, Bewerbern, insbesondere mit Rücksicht auf die Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn (§ 78 BBG, § 45 BeamtStG), soweit dienst- und haushaltsrechtlich möglich, berufliche Förderung angedeihen zu lassen, ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung[3] zufolge zwar berücksichtigungsfähig, jedoch allenfalls nachrangig.

Anmerkungen

[1]

BVerwGE 138, 102 (juris 21). Vgl. auch BVerwG v. 13.7.2015 – 1 WB 12/15 – NZWehrr 2015, 257 (juris Rn. 23): „Die Normen des Beamtenrechts, die Ausschreibungen vorsehen (§ 8 BBG, § 4 BLV) gelten nicht für Soldaten. Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG, die für die Besetzung höherwertiger Dienstposten gelten, lassen das Verfahren offen, mittels dessen der materielle Grundsatz der Bestenauslese umgesetzt wird; das für Soldaten praktizierte Verfahren einer durch die personalentscheidenden Stellen von Amts wegen durchgeführten Bestenauslese ist dabei als solches rechtlich nicht zu beanstanden.“

[2]

Hier kann es sich fragen, ob das öffentliche Interesse an einer baldmöglichen Stellenbesetzung mit dem aus fachlicher Sicht bestgeeigneten, jedoch zurzeit in einem Ermittlungsverfahren etwa dem Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung ausgesetzten Beförderungsbewerber es rechtfertigen bzw. zulassen kann, die Beförderung eben jenes Bewerbers nächstens vorzunehmen, statt sie zunächst zurückzustellen (vgl. dazu BlnBbgOVG v. 29.1.2018 – OVG 4 S 41.17 – juris Rn. 42 mit Hinweis auf Schnellenbach/Bodanowitz BeamtR § 3 Rn. 68), ferner, ob und inwieweit ein Konkurrent die Beförderung eines Mitbewerbers – ungeachtet der Annahme des Dienstherrn, dass das gegen den Mitbewerber laufende Ermittlungsverfahren keinen Hinderungsgrund darstelle – überhaupt mit der (unter Umständen auch anmaßenden) Begründung problematisieren kann, dass der ausgewählte Bewerber „persönlich ungeeignet“ sei.

[3]

BVerwGE 101, 112 (juris Rn. 20); 111, 318 (juris Rn. 13). Vgl. auch BVerfG ZBR 2013, 346 (juris Rn. 23): Das strukturelle Problem, welches in einem dauerhaften Überhang von Beförderungsdienstposten gegenüber entsprechenden Statusämtern liege, lasse sich nicht durch Beförderung einzelner Beamter, sondern nur durch sukzessive Angleichung von Dienstposten und Statusämtern in den Griff bekommen.

1. Kapitel Einführung › C. Elemente eines Wettbewerbs im öffentlichen Dienst › III. Auswahlmaßstäbe

III. Auswahlmaßstäbe

18

Jede planvoll und systematisch angelegte Auswahl fordert Auswahlmaßstäbe. Diese können – oder müssen – normativ vorgegeben sein. Desgleichen ist es gesetzlicher oder verordnungsrechtlicher Regelung zugänglich, gewisse Gesichtspunkte auch im Blick auf eine Auswahl generell als sachfremd oder sachwidrig und damit als verpönt auszuweisen. Für den öffentlichen Dienst beachtliche verfassungsrechtliche Vorgaben in dem einen wie dem anderen Sinne enthalten Art. 3 GG sowie namentlich Art. 33 Abs. 2 bis 5 GG. Schwerbehinderte Bewerber um Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis können sich nicht mit Erfolg auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG berufen, weil dem das ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Gebot des Art. 87a Abs. 1 GG entgegensteht.[1]

19

Art. 3 GG

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Art. 33 GG

(1) ...

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Art. 87a Abs. 1 GG

Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.

20

Bei Art. 3 Abs. 1 GG ist außer dem allgemeinen, auch hier zu beachtenden Verbot einer willkürlichen Ermessensausübung insbesondere das Gebot der Chancengleichheit („Fairness“) zu verorten. Es verlangt weitestgehende Gleichbehandlung aller in eine Auswahl einzubeziehenden Bewerber. Dies bedeutet vornehmlich:[2]


Niemand, der nach den eigenen Vorab-Festlegungen des Dienstherrn zum Bewerberkreis gehört, darf vorzeitig aus dem Auswahlvorgang grundlos eliminiert werden.
Sämtlichen Bewerbern muss die Möglichkeit eröffnet sein, sich in etwaigen Vorstellungs- und Auswahlgesprächen und/oder innerhalb von Assessment Center-Verfahren gegenüber dem zuständigen Gremium oder Vorgesetzten optimal zu präsentieren.
Alle Bewerber sind nach vergleichbaren Bewertungskriterien und -maßstäben einzuschätzen.

21

 

Art. 33 Abs. 2 GG fordert eine Auslese nach „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“.

22

Erläuterungen


Die Würdigung der (fachlichen) Leistung zielt auf die Bewertung der dem Bewerber zurechenbaren qualitativen und quantitativen Arbeitsergebnisse aus der Perspektive des Beurteilungszeitpunktes. Sie ist eine Meinungsbildung in Richtung auf Vergangenes, das in der Gegenwart – unter anderem als Ausgangsbasis für Prognosen – weiter wirkt.
Die Beurteilung der Befähigung erstreckt sich auf die – typischerweise unterschiedlich ausgeprägten und deshalb nicht in einer Note „zusammenfassend“ zu bewertenden – Eigenschaften des Bewerbers, soweit sie für seine derzeitige und künftige Verwendung bedeutsam sind oder je nach Lage der Dinge bedeutsam werden können. Sie ist damit tendenziell „zukunftsorientiert“.
Die Einschätzung der Eignung, auf der bei Auswahlentscheidungen (jedenfalls bei Ernennungsentscheidungen) der entscheidende Akzent liegt, läuft auf eine im Wesentlichen prognostische Feststellung hinaus. Sie gewinnt besonders dann Bedeutung, wenn die Probezeit eines Beamten ausläuft, sodass sich der Dienstherr darüber schlüssig werden muss, ob er ihn zum Beamten auf Lebenszeit ernennt bzw. – im Falle des § 24 BBG oder einer vergleichbaren landesrechtlichen Vorschrift (z.B. des § 8 BW LBG, des Art. 46 BayBG, des § 5 BremBG oder des § 5 SH LBG) – in das Führungsamt (als Statusamt) befördert, sowie dann, wenn sich das Anforderungsprofil eines erstrebten Amtes oder eines (Beförderungs- oder Erprobungs-)Dienstpostens von demjenigen des innegehaltenen Amtes mehr oder weniger deutlich abhebt.

23

Es ist bedauerlich, dass der Begriff der „Eignung“ in Verwaltungspraxix und Rechtsprechung nicht durchgängig (nur) im vorstehend präzisierten Sinne benutzt, sondern ohne Not zumindest gelegentlich daneben auch undifferenziert als „umfassendes Qualifikationsmerkmal“ gekennzeichnet wird, welches sich auf die „gesamte Persönlichkeit“ des Bewerbers beziehe und „damit“ die beiden anderen Merkmale „Befähigung“ und „fachliche Leistung“ „umschließe()“.[5] In diesem Buch wird der Eignungsbegriff ausschließlich als Prognosebegriff verstanden und entsprechend gebraucht, und zwar


zum einen, weil die Zuordnung verschiedener Bedeutungen zu ein und demselben Ausdruck einem Grundsatz der elementaren Definitionslehre zuwiderläuft, und

24

Die verfassungs- und/oder einfachrechtlich vorgezeichneten und damit grundlegenden Auswahlstandards[7] bedürfen zumindest in der Regel einer Ausdifferenzierung durch die Verwaltung, speziell durch oberste Dienstbehörden, in Form von – wie auch immer etikettierten – Kriterien-, Präferenz- und Verfahrensordnungen. Diese fächern die übergeordneten Maßstäbe in Einzelmerkmale, unter Umständen auch in Gewichtungsfaktoren auf;[8] sie bestimmen Gesamtbewertungsstufen und legen das in Betracht kommende Procedere im Detail fest.[9]

25

Soweit sie dem Gebot uneingeschränkter Prinzipientreue genügen, erzeugen die vorstehend näher charakterisierten Verwaltungsvorschriften behördliche Selbstbindungen, die infolge der Umschaltnorm des Art. 3 Abs. 1 GG mittelbarer Außenwirkung fähig sind;[10] administrative Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen, wie sie sich etwa in Beurteilungs- und/oder Beförderungsrichtlinien finden, erzeugen gar – nicht anders als entsprechende Gesetzes- oder Verordnungsinhalte – geradewegs und ohne ein zwischengeschaltetes Medium verbindliches Recht, sodass eine Abweichung, selbst wenn sie zur Verwaltungsübung geworden sein sollte, im Verhältnis zwischen dem betroffenen Dienstnehmer und seinem Dienstherrn rechtlich unbeachtlich bleibt.[11]