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König Oriand

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Als er diese Arbeit beendigt hatte, knieete er nieder, murmelte einige Gebete über den Todten, legte ihn in des Grab, schloß die Gruft und pflanzte ein Kreuz von zwei Eichenzweigen darauf.

Dann kehrte er wieder zu seiner Klause zurück, ließ die Ziege in Freiheit nach den Ufern des Baches hüpfen, und nahm das Kind, das wieder eingeschlummert war, auf seinen Schooß.

Erst da wurde seine Aufmerksamkeit erregt durch einen gekrönten Löwen, welcher mit rother Seide künstlich in eine Ecke des weißen Tuches eingestickt war, worin das Kind gewickelt gewesen war. Er wollte diesen Gegenstand sorgfältig bewahren; es könnte nöthigensfalls ein Zeuge werden, um die königliche Abkunft des Helias zu beweisen.

Dadurch erhob sich wieder in ihm die Frage, ob er nicht besser thäte, nach Harlebeka zu gehen und dort Alles zu offenbaren; aber der König wäre in Deutschland, hatte der Sterbende gesagt, und Mattabruna, die dem Kinde nach dem Leben trachtete, besäße eine grenzenlose Macht.

Ueberdies, je länger er den kleinen Helias ansah, eine desto kräftigere und geheimnißvollere Liebe zudem edlen Kinde bemächtigte sich seiner; es schien ihm alsbald, daß er, wenn er es Verlassen müßte, darum trauern müßte gleich einem Vater, dem sein Kind entrissen wird.

In seiner Unentschlossenheit nahm er seine Zuflucht zum Gebet, in der Hoffnung, daß der Himmel seinen zweifelnden Geist erleuchten würde. Er legte das Kind auf das Fuchsfell und kniete nieder vor einer Art von Crucifix, das er im Hintergrunde der Klause errichtet hatte.

Nachdem er lange Zeit gebeugten Hauptes im Gebet versunken geblieben war, stand er auf und sagte zu seinem Hunde:

»Bold, das Kind bleibt bei uns; es ist der Wille von Oben. Ich werde Helias ausziehen in der Furcht Gottes; – und, trägt er vielleicht nimmer auf Erden die Krone der Macht und der Hoheit; er wird dort oben im Himmel die Krone der Tugend und der Frömmigkeit gewinnen. Bold, das arme Kind kann nicht nackt bleiben. Ich werde ihm ein weiches und warmes Kleid von Kaninchenfellen machen. Also, mein guter Bold, von nun an, auf die Jagd, auf die Jagd!«

Der Hund bellte dreimal und verschwand im Walde.

VII

In einer ausgedehnten Fläche an den Ufern des Donau-Stromes, hatte des Kaisers Heer seit ein paar Wochen sich gelagert in der Erwartung, daß die überwundenen Ungarn mit neuer Macht zu Felde ziehen würden.

Die Zelte der kaiserlichen Schaaren und die »Pavillons« ihrer Obersten füllten eine Stunde breit das ganze Thal.

König Oriand hatte seinen Aufenthaltsort auf einer starken Burg gewählt, die mit ihren Wällen und Thürmen den Lagerplatz beherrschte.

Kaum war an diesem Tage die Sonne im Osten aufgegangen, und schon wandelte Oriand mit schnellen Schritten, obschon sinnend, in dem großen Saale der Burg auf und ab.

Er mußte von heitern Gedanken aufgeregt sein; denn er hielt den Kopf aufrecht und seine Augen glänzten vor Freude und Stolz.

So war er wahrlich schön und ehrfurchterweckend. Es zeugten nicht allein seine kraftvollen Glieder und sein funkelnder Blick von ungewöhnlicher Leibesstärke und Geisteskraft; sondern wenn er sich den stählernen Waffenrüstungen näherte, die hier und da an der Wand aufgestellt waren, so übertraf seine Gestalt um mehr als eine Spanne die der mächtigsten Ritter.

Dann und wann blieb er stehen, als suchte er ein feines Geräusch aufzufassen; aber du er nichts vernahm als den schmetternden Ruf der Trompeten und das Gewieher der Pferde im Lager, so setzte er seinen Gang mit sichtbarer Ungeduld fort.

Endlich sank er mit einem schweren Seufzer auf einen Sessel am Tische. Seine Lippen zogen sich zu einem bitteren Ausdruck zusammen, als führe ihm plötzlich eine unangenehme Betrachtung durch den Geist.

Als aber sein Gesicht wieder allmählich erheitert wurde, schlug er dreimal mit dem Kreuze seines Schwerdtes auf den Tisch.

In der Thür erschien der alte Warnfried van Driesthem, der seit einiger Zeit das volle Vertrauen des Königs gewonnen hatte und so zu sagen sein Busenfreund geworden war. »Ihr ruft mich, Herr?«

»Sind keine Boten gekommen diese Nacht? fragte Oriand. »Nicht die mindeste Nachricht, Herr König! war die Antwort.

»Und dennoch, Warnfried, wenn dort in der Heimath kein Unglück geschehen ist, Muß ich seid einem Monat Vater geworden sein!

»So viel Zeit braucht man wohl, um von Harlebeka bis hierher zu kommen. Die Boten können unterwegs Hindernissen begegnen . . . Und überdies, wenn der Herr König sich in seiner Hoffnung täuschte? Es ist möglich.

»O nein, Warnfried, ich bin der Sache sicher; und was noch mehr ist, ein Sohn ist mir geschenkt, so ein schönes Kind, als noch nie eins geboren wurde!

»Ich danke Gott und wünsche Euch Glück, Herr Fürst, murmelte der alte Ritter zweifelnd. Hat denn der Herr König diese Nachricht von Harlebeka erhalten?

»Eine Offenbarung von Oben! antwortete Oriand mit strahlenden Augen. Ich habe ein Kind gesehen und ihm einen Kuß auf die Lippen gedrückt!

»Gesehen? Euer Kind gesehen? wiederholte Warnfried betroffen.

»Ja, setzt Euch, hier an den Tisch und theilt meine Freude. Diese Nacht, während ich schlief, schien es mir, daß ein starker Glanz meine Kammer erleuchtete. Als meine Augen diese ungewohnte Helligkeit ertragen konnten, sah ich plötzlich Beatrix mir nahen, schöner noch als sie – die die Schönheit selbst ist, nicht wahr? – mir jemals vorgekommen ist. Sie hielt ein Kind auf dem Arm und reichte es mir zu, indem sie mit triumphierender Freude rief: »Oriand« Gott hat unsere Ehe gesegnet; du bist Vater, du hast einen Sohn, einen Erben deiner Krone! Da ist unser Kind; gib ihm den ersten Kuß!« Ich beschaute das Kind: es war groß und stark, es vereinigte in seinem Gesicht meine Züge und die Züge meiner vielgeliebten Beatrix. Sinnlos vor Stolz und Freude, schloß ich meinen Sohn in meine Arme. Die Aufregung brach den schönen Traum; ich erwachte; Alles war verschwunden.

»Wunderbar! flüsterte der Ritter. Sollte es in der That Gott sein, der Euch in solch einem Nachtgesicht, selbst die glückselige Nachricht sendet?

»Ich bin davon überzeugt, Warnfried . . . Seit diesem Augenblick konnte ich nicht mehr schlafen. In mir lebt der feste Gedanke, daß ich heute Boten von Harlebeka empfangen werde; und vom ersten Morgenroth an scheint es mir, daß jedes Geräusch mir die Ankunft solcher Boten ankündigt. Ach, wäre ich schon zu Hause, um meinem Sohn wirklich zu sehen und Beatrix zu segnen. Wie werde ich sie nun lieben und ehren, – sie, die bereits vorher das Licht meiner Augen war und nun die Mutter meines Kindes geworden ist! – Bei meiner Krone, wer nun noch ein Wort spricht, das ihr unangenehm sein kann, soll in gräßlichen Peinen sterben!

»Wer sollte es wollen, Herr Fürst? Wer sollte es wagen? bemerkte der Ritter. Unsere Königin ist gut und tugendsam wie ein Engel.

»Die Verläumdung ist ein unvertilgbares Uebel, flüsterte Oriand. Sie läßt sich ebenso wenig ausrotten als das immer wuchernde Unkraut. Hätte Beatrix mich nicht zurückgehalten, ich würde vielleicht doch die Schlangen in einem weiten Blutbade erstickt haben.

»Herr König, laßt durch diesen bittern Gedanken Euer Gemüth nicht umdüstert werden. Die traurigen Gerüchte sind vergeben und vergessen; »Nein, leider, nein, Warnfried. Ich selbst kann sie nicht vergessen; und, was ich auch thue, um die peinliche Erinnerung aus meinem Gedächtniß zu verbannen, sie spukt mir noch bisweilen so neckend vor dem Geiste, daß mein Blut davon kocht . . .

»Horch! Was bedeutet der Hörnerschall da draußen? rief der Ritter, indem er froh überrascht nach dem Fenster ging.

»Nachricht, Nachricht von Harlebeka! jauchzte Oriand aufspringend.

In der That, ein Thürsteher kam und kündigte an, daß etwa zehn Männer, die da sagten, eine eilige Botschaft für den König zu haben, um Erlaubniß bäten, vor ihm zu erscheinen.

»Man führe sie sofort zu mir! gebot Oriand.

Als die Boten in dem Saal erschienen, gedachte der König, von Ungeduld getrieben, ihnen entgegen zu eilen; aber das Vorgefühl einer schrecklichen Nachricht hielt ihn zurück, und ließ ihn sogar mit einem geheimen Zittern zurückweichen. Er schaute schweigend die Boten an, welche zögerten, ihm zu nahen.

Sie waren zwölf an der Zahl. Voran schritten Markus und der alte Conrad, der erste Schöppe der Stadt Harlebeka.

Was den König schmerzlich ergriffen und beunruhigt hatte« waren die traurigen Gesichter Aller. Markus und einige Andern standen sogar die Thränen in den Augen.

»Wohlan, Markus, fragte Oriand, »du bringst eine schlechte Kunde, nicht wahr? Ist mein armes Kind aus dem Leben geschieden?

Der Ritter schüttelte verneinend den Kopf.

»Ist die Königin . . .

»Ach! Ach! seufzte Markus, indem er sein Angesicht mit den Händen verbarg.

»Sprich, sprich, ich will es! gebot Oriand mit Ungeduld. »Euer Schweigen peinigt mich furchtbar.

»Herr König, stammelte Markus, »mein Mund weigert sich die traurige Mittheilung zu machen; meine Liebe, meine Ehrfurcht vor Euch, mein Mitleid mit Eurem Unglück . . . Und dann erstarb ihm das Wort in der Kehle; man sollte gemeint haben, daß eine ungemein große Angst ihn erstickte. Ihm blieb nur die Kraft, aus den alten Vorschöppen zu zeigen.

»Mein Unglück? schrie Oriand. Bei Eurem Leben, Vorschöppe, sagt mir, welch’ Unheil mich getroffen hat!

»Ich werde bei Euch die Botschaft ausrichten, womit Eure verehrte Mutter mich beauftragt hat, antwortete der Greis, etwas zögernd, aber, Herr König, was ich Euch zu melden habe, ist so schrecklich, daß ich zuerst nicht allein um Eure Erlaubniß ersuche, sondern außerdem das Versprechen verlange, daß Ihr nicht an uns Unglücksboten aus Pflicht – Euer schmerzliches Leid rächen werdet.

»Laßt Eure Botschaft hören, sofort ohne Zaudern,« rief Oriand, so heftig auf den Boden stampfend, daß der Saal davon dröhnte.

 

Der Greis schwieg gleichwohl und bog das Haupt.

»Nun, ich gebe Euch Erlaubniß und verspreche, Euch mit Ruhe anzuhören, sagte der Fürst, wohl wissend, daß der alte Conrad ein starkmüthiger Mann war, den man nicht durch strenge Worte bestürzt machen konnte.

»Herr König, begann der Vorschöppe, Euer ganzes Land erschallt von Wehklagen; überall fließen Thränen, Thränen des Schmerzes und der Schaam; überall steigen Verwünschungen auf gegen diejenige, welche unsern Fürsten und seine Krone entehrt hat . . . «

Die Augen des Königs begannen Funken zu schleudern; er rang zähneknirschend seine Glieder, sagte jedoch nichts.

Die Königin hat Euch ein Kind geschenkt, fuhr der Greis fort, aber, o Himmel, Herr Fürst, wie soll mein Mund das entsetzliche Wort sprechen? Das Herz bebt mir im Busen . . . Und doch muß jemand bei Euch diese traurige Pflicht erfüllen. Dieses Kind, Herr König, war . . . war ein junger Hund!«

Ein Schrei sinnloser Raserei fuhr aus des Königs Brust in die Höhe. Er zog sein Schwert und sprang vor nach dem Vorschöppen, während er mit heiserm Röcheln rief:

»Ein Hund? Mein Kind ein Hund? Ihr lügt, schnöde Verläumder!l In Eurem Blute werde ich den Schimpf ersticken!l Sterben sollt Ihr! Man rufe den Seneschall und die Henker!«

»Besänftigt Euch doch, Herr Fürst, bat der alte Warnfried. »Ihr habt Euer Wort gegeben: dieses Versprechen sei Euch heilig! Die Boten erfüllten den Auftrag, den Eure Mutter ihnen auferlegt.

»Sie lügen! polterte Oriand, schäumend vor Zorn. »Wachen! Niemand verlasse diesen Saal; Ihr seid für sie; mit Eurem Leben verantwortlich!

Und die Waffenknechte brachten mit Gewalt diejenigen zurück, welche vor Angst zur Thüre herausgeflüchtet waren.

»Wenn es Euch gefiele, die Boten zu hören, vielleicht würdet Ihr entwirren können, was wahr oder falsch ist an der unglaublichen Nachricht, Herr König, sagte Warnfried. O, könntet Ihr mit Klarheit erkennen, wer da schuldig ist, dann sei Eure Rache mitleidslos; denn daß Jemand Euch betrogen und blutig beschimpft hat, daran ist nicht zu zweifeln . . . aber wer? das ist die Frage.

»Diese kühle Rede gab Oriand Zeit, die Erschütterung seiner Nerven zu überwinden, und er wurde nach seiner Gewohnheit plötzlich gelassen, – wenigstens scheinbar; denn darum daß er den Sturm in seinem Innern verschloß, wüthete derselbe nicht minder.

»Du hast Recht, Warnfried, murmelte er, ein König muß ein Richter und kein Henker sein. Wohlan, man schließe die Thüre des Saals. Ich eröffne das Verhör, und will die Sache ernstlich und mit kaltem Blut untersuchen. Laß die Boten sich mir nähern.«

Er ging zum Tisch, setzte sich in einen Lehnstuhl und ließ den Kopf in die Hand fallen, während er mit starrem Blick und mit einem krampfhaften Lächeln auf den zitternden Lippen, ins Weite schaute.

Bebend und bleich vor Schreck kamen die Boten heran. Der alte Conrad – obschon er eben dem Tode entschlüpft war – schien allein furchtlos.

Markus lehnte mit dem Kopfe an einem Pfeiler des Saales, vergoß Thränen, und schien in endlose Betrübniß versunken.

»Meine Mutter bat Euch gesendet, sagte der König, »Ihr erfüllt Eure Pflicht. Was Ihr mir gemeldet habt, ist so grauenvoll, so unerhört, das die Aufgeregtheit meiner Sinne Euch nicht verwundern mag. Jetzt ist es vorbei. Niemanden von Euch soll ein Leid geschehen; ich; will Alles wissen. Alles! Ihr, Conrad, der Ihr ein weiser Mann seid, nehmt zuerst das Wort und verbergt mir nichts.

»Ich erfülle Euren Willen, Herr Fürst, begann der Vorschöppe. Vom ersten Monat an nach Eurer Rückkehr von Halkiyn, versicherten viele Leute, seltsame Erscheinungen gesehen zu haben, die des Nachts aus der Kammer der Königin aufflogen. Einige haben diese Veröffentlichungen auf dem Scheiterhaufen gebüßt; aber kann auch das Feuer die Menschen tödten, es tödtet gleichwohl die Wahrheit nicht.

Ein düsteres Grollen ließ sich aus des Königs Brust vernehmen; aber er beruhigte sich wieder auf den Rath und die Bitte Warnfried’s der neben ihm saß.

»Gebt nicht acht auf meine gerechte Entrüstung, Conrad,« sagte er. »Fahrt ohne Furcht fort.«

»Seitdem, Herr Fürst, begann wieder der Vorschöppe, ist die Stimme des Volks nicht mehr zu Euch gelangt, um Euch zu melden, was geschah. Sonst hättet Ihr erfahren, daß jede Nacht der Teufel selbst, unter der Gestalt eines schönen jungen Ritters in die Kammer der Königin drang und diese jedesmal mit dem Schlage Eins wieder verließ.

»Der Teufel? murrte Oriand, mit einem Spottlächeln, doch diesmal erbleichend, als ergreife ihn plötzlich ein geheimnißvoller Schreck.

»Ja, der böse Geist. Viele Leute haben ihn gesehen, unter Andern Barwulf, der hier an meiner Seite steht.«

»In der That, Herr Fürst,« sagte der bezeichnete Ritter, ich nicht allein, sondern hundert Andere . . . Und daß es der Teufel war, konnte man hinlänglich bemerken an seinen feurigen Augen und seinen Pferdefüßen.«

»Weiter, weiter!« rief Oriand, der sich äußerste Gewalt anthat, um, scheinbar wenigstens gelassen zu bleiben.

»Ihr seht vorher, Herr Fürst, was ich noch zu sagen habe, antwortete der alte Conrad. Das Voll ruft um Rache gegen die Königin und beschuldigt sie der Zauberei und des Bündnisses mit den höllischen Geistern. Gott hat zur Strafe ihre Schande offenbar gemacht . . . Wir standen Alle mit klopfendem Herzen bereit, um die Geburt Eures Kindes mit Heilrufen zu begrüßen . . . und ach! – ewige Schande für Euch und für unser Land! – Eure Mutter, in Thränen zerschmelzend, und vor Schmerz erliegend, zeigte uns . . . ein schwarzes Ungeheuer, ein Höllenkind, das wir mit Schreck und Abscheu erwürgt haben.«

»Um solche gräuliche Anklagen vorzubringen zu wagen, müßt Ihr wohl sicher sein, daß Ihr die Wahrheit sprecht,« murrte Oriand halb spottend. Ihr begreift, daß, wenn es falsch wäre, keiner von Euch dem schrecklichsten Martertod entgehen würde?«

»Herr König, wir Alle, die wir vor Euch stehen, sind Zeugen. Die Frau, die der Königin beistand, ist vor Schreck gestorben, beim ersten Blick, den sie auf die Mißgeburt warf. Ich bin der Dolmetscher aller Eurer treuen Unterthanen. Wir verlangen den Tod der Zauberin. Wasche ihr schuldiges Blut so viel als möglich den Schandfleck von Eurer Krone!«

»Ja, ja, den Tod, den Tod für die gottvergessene Zauberin, für des Teufels Gesellin!« riefen die übrigen Boten.

Der König blieb eine Weile schweigend und hielt den Blick niedergeschlagen; er schien mit sich selbst zu sprechen, denn seine Lippen bewegten sich. Da er zugleich die; Hand an sein Schwert hielt und den Griff krampfhaft in der Faust wand, begannen die Boten wieder zu fürchten, er würde in blinden Zorn ausbrechen und die am wenigsten Muthigen sahen bereits nach der Thür, um der Gefahr zu entfliehen.

Aber der Fürst hob das Haupt auf und sich zu Markus wendend, fragte er in traurigem Tone:

»Mein Schmerz, der Hohn, der Eurem König widerfährt, machen Euch unglücklich, nicht wahr? Markus, Ihr, mein ergebener Diener und Freund, habt Ihr kein einziges tröstendes Wort für mich? Kein Wort der Entschuldigung für die Königin?«

»Ich bitte Euch, ach! laßt mich schweigen, Herr Fürst! flehte Markus mit gefalteten Händen. »Die Wahrheit ist so gräßlich!«

»Auch Ihr, o Himmel!« jammerte Oriand leise.

Er bezwang seine Aufregung mit Gewalt, und sagte:

»Es ist gut. Geht Alle zu meinem Haushofmeister und gebietet ihm, von meinetwegen, daß er Euch bewirthe, wie es sich gehört. Habe ich Euch nöthig, so lasse ich Euch rufen . . . Warnfried, schließe die Thür des Saales hinter ihnen zu!«

»Der Ritter führte die Boten fort und wandte sich, nachdem er die Thür geschlossen hatte, wieder nach der Mitte des Saales . . . Aber da entfuhr ihm ein Schrei schmerzlichen Ueberraschung. Oriand, der starke, heldenhafte Oriand, lag mit dem Kopf auf dem Tisch und vergoß Thränen in Strömen und weinte und seufzte wie ein Kind! Warnfried suchte ihn zu trösten; und weil der Ritter an die Wahrheit der schrecklichen Nachricht glaubte, meinte er des Königs Zorn gegen Beatrix anfeuern zu müssen, überzeugt, daß er seinen Schmerz erleichtern könnte, indem er seine Gedanken auf die Bestrafung der Schuldigen hinleitete.

Oriand schien jedoch für jetzt dagegen unempfindlich, denn alle Worte, die ihm unter seinen brennenden Thränen entfuhren, waren Klagen über den Verlust seines Vertrauens auf Beatrix und über den Bruch des Liebesbandes, worin er sein Lebensglück gefunden hatte.

»Schnöde Lästerrede!« rief er aus. Beatrix, du keusche, gottesfürchtige Beatrix eine Zauberin? Nein, und sähe . . . ich es vor meinen Augen, ich würde es nicht glauben! . . . Und du, Warnfried, du, der du die Königin ehrtest und ihr geneigt warst, glaubst du an die Wahrheit der furchtbaren Anklage? . . . O, Himmel, du auch? du nickst bekräftigend?«

»Herr König,« antwortete Warnfried traurig; »der böse Geist geht immer umher, um die Menschen zu plagen. Solche hinterlistigen Fallstricke, wie die, welche er Euch gelegt hat, sind nicht selten.«

»Also du glaubst wirklich, daß Beatrix durch Teufelskunst oder Teufelshilfe mich bezaubert und betrogen hat?«

»Hunderte von Menschen versichern, es gesehen zu haben und bieten sich Eurer Rache dar, um von der Wahrheit zu zeugen; selbst Eure eigene Mutter und Euer treuer Diener Markus. Und ist die Frau, die der Königin beistand, nicht vor Schreck gestorben beim Anblick der Mißgeburt? Ich gäbe willig mein Leben, um vernehmen zu dürfen, daß die Anklage das Werk ist von falschen Menschen, von Feinden der Königin; aber, Herr König, kennt Ihr jemand auf Erden, der unserer Königin feindlich ist?

»Nein, Niemanden, Niemanden! seufzte der König. Es sollte also Wahrheit sein? O Fluch! Was thun? Meine Hände in ihr Blut tauchen? Ach, es würde so sein, als durchbohrte ich mein eigenes Leben!«

»Nein, Herr, das würde ich nicht thuen,« rieth Warnfried mit Weisheit. »Ich zweifle nicht an der Schuld der Königin, aber das Urtheil der Menschen ist allzeit fehlbar. Setzt die Königin gefangen auf eine starke Burg, und laßt sie, wenn sie ihre Unschuld nicht beweist, abgeschieden von der ganzen Welt, ihr Leben in Bußübungen endigen.«

Einige Augenblicke blieb der König in Gedanken versunken. Wieder flossen Thränen über seine Wangen. Es war ersichtlich, daß er einen heftigen Kampf durchmachte und gegen seine Unentschlossenheit rang. Sein tief verletztes Herz trieb ihn an zur Unerbittlichkeit und zur Rache; aber Beatrix verlieren? Nimmermehr aus diesem lautern und liebreichen Auge wie aus einem milden Brunnen sein Lebensglück schöpfen können? Allem entsagen, was er so schönes und glanzreiches geträumt hatte, seitdem er sie zum ersten Mal in die Arme gedrückt hatte?

Endlich unterlag doch die Liebe in diesem düsteren Streit.

Er stand auf und sagte zu seinem Vertrauten:

»Warnfried, du wähnst mich schwach, nicht wahr? Es wundert dich, daß ich nicht bereits hundertmal den Tod ihr zugeschworen habe, die mich betrogen und verführt hat? Du wähnst mich unempfindlich für den ewigen Schandfleck, womit sie meine Krone besudelt hat? Wohlan, du irrst dich. Es ist die Uebermacht meiner Wuth, meines Schmerzes, die mich gelassen scheinen läßt . . . Aber warte, es thürmt sich in meinem Innern ein fürchterliches Unwetter zusammen. Der Orkan wird losbrechen, und wehe dann der Betrügerin! Meine Rache wird wie ein Blitz sie zerschmettern, sie verschlingen. Ihr Urtheilsspruch ist gefällt: sie soll sterben!«

»Euer Wille geschehe!« flüsterte Warnfried.

»Geh in meinem Namen zum Kaiser, befahl ihm Oriand. Sag ihm, daß eine eilige, äußerst wichtige Sache mich nach Hause ruft. Ich werde mein Heer zu seinen Diensten lassen unter dem Befehl des Marschalls, und nur meine Leibwache mitnehmen. Laß den Obersten der Leibwache wissen, daß er sofort Alles zur Abreise bereiten soll.«

Warnfried ging zum Saal hinaus.

Als er verschwunden war, sank Oriand mit einem schmerzlichen Schrei auf einen Stuhl und rief:

»Beatrix, Beatrix, war dies der Preis meiner endlosen Liebe? O, du sollst sterben, sterben durch meine eigenen Hände!«

Einen Augenblick darnach rief er wieder:

»Dich verlieren? dich verlierend Gott, Gott, laß mich erliegen unter diesem Schmerz! Laß die Schande mir zum Gift werden. Ich bitte dich, vergönne mir den Tod; mögen meine unseligen Augen sie auf Erden nicht mehr sehen.«

Und er schlug sich die Hände vor das Angesicht und fiel so schwer mit dem Kopf auf den Tisch, daß der Schlag an dem Gewölbe des Saales wiederhallte.