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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

IX

In dem reichen Saale, an dessen Fenster der arme Jan stand, befanden sich zwei Personen. Der Colonel van Milgem saß in einem sammtüberzogenen Lehnstuhle neben dem marmornen Heerde; es schien ihn ein Gedanke sehr zu beschäftigen, denn er blickte in tiefem sinnen vor sich hin auf den Teppich, welcher den Boden bedeckte. An einer Tafel, auf der mancherlei silbern Nähgeräthe lag, saß ein Mädchen, beschäftigt, Perlen an eine Schnur zu reihen. Ihr Gesichtchen war sehr bleich und trug alle Zeichen einer langen und zehrenden Krankheit; seine blendende Weiße wurde noch gehoben durch die Rabenschwärze ihrer Locken, die bei der leisesten Bewegung wie freundlich ihre Wangen umschmeichelten. Nach langem Schweigen summte sie den Refrain ihres alten Lieblingsliedchens vor sich hin. Dieß schien dem Colonel nicht zu gefallen; immerhin schüttelte er verdrießlich den Kopf und sprach:

»Monika, so singe doch nicht stets dieß Liedchen; es ist nur Nahrung für deinen Trübsinn – und du weißt, daß es mich schmerzt.«

»Gott, hab ich's denn wieder gesungen?« sprach Monika verwundert. »Ich wußte es nicht Vater. Verzeihet mir meine Zerstreuung.«

»Hast du die Börse bald fertig?« frug der Colonel darauf. »Armer Adolph, wie wird er sich freuen über das Geschenk, er, der dich so sehr liebt.«

»Wo mag er nun sein?«

»Das ist schwer zu sagen. Wer weiß, ob er nicht irgendwo in einem Hospitale liegt, ob eine feindliche Kugel ihn nicht schon niedergestreckt hat.«

»Gott, Vater, ihr macht mich zittern.«

»So, du zitterst für ihn? Nimmst du denn einigen Antheil an seinem Schicksal?«

»Ich liebe ihn immerhin, wie meinen Bruder.«

»Du müßtest ihn mehr lieben, Monika. Er verdient es in jeder Beziehung. Er ist ein schöner junger Mann, und besitzt all die Eigenschaften, welche Jemand in den Augen einer Frau erheben können. Dazu war er es, der deinem Vater das Leben bei Dresden rettete. Fände die Liebe selbst nicht den Weg zu deinem Herzen, dann müßte die pure Dankbarkeit dir schon ein Sporn sein, meinem Rathe, meinen Bitten zu folgen, und ihn für seinen Edelmuth und seine Liebe zu belohnen.«

»Vater, sieh mich an. Was könnte ich Adolph geben? Es ist in meinem Herzen keine Stelle neben meiner Liebe zu euch – eine gefühllose Braut also? Soll ich ihn durch meine Kälte und Gleichgültigkeit unglücklich machen? Heischt doch ein Bräutigam mehr zu seinem Glücke von der Braut, als kalte Freundschaft. Dabei aber fühle ich auch eine unüberwindliche Abneigung gegen Bande, die mich meiner Freiheit berauben würden.«

»Welcher Freiheit, Monika? Der Freiheit zu träumen und zu brüten über Gott weiß welche Dinge? Gebe der Himmel, daß du diese Freiheit verlierest, welche dich nur verzehrt und krank macht. Sieh doch nur, Kind, wie schön wäre es nicht, wenn wir nun unser Landgut zu Moll bewohnen, wenn du einen Freund hättest, der mit dir die Haide durchstreifen könnte, mit dir die Buche und den Bach besuchte, um in der That uns ein Gefährte in der Einsamkeit zu sein! Sie ist ja so kalt und todt, wenn keine Liebe sie belebt; das Herz trocknet aus, wenn es nicht von einem Andern bethaut wird.«

»Vater, das mag Alles wahr sein, doch Adolph ist kein Sohn der Haide. Er verstände die Sprache der Grille nicht; keine Tanne beschattete die Spiele seiner Jugend, und müßte die Unermeßlichkeit des Haidenmeeres ihm nicht eintönig scheinen, der er ein Sohn des Gebirges ist? Ach, gestehet es auch nur Vater, zwischen mir und meiner geliebten Haide stände er als ein Fremdling.«

Monika's Worte mißstimmten den Colonel; seine Züge trübten sich, und sich zu der Tochter wendend sprach er ernster:

»Monika, mein Kind, vermögen die Bitten deines Vaters denn gar nichts mehr bei dir? Seit Jahren habe ich für Adolph bei dir gefleht, ich habe alles angewandt, um euch einander näher zu bringen – und immer noch weigerst du es mir, dein Loos mit dem seinen zu verbinden. Warum aber? Nur um dich ganz Träumereien hinzugeben, die dich tödten. Du sagst, weil du ihn nicht liebtest. Wohlan, er fordert keine Liebe von dir.«

Monika starrte ihren Vater verwundert an und frug:

»Er fordert keine Liebe? Was will er denn von mir?«

Der Colonel fuhr ernster noch und mit Nachdruck fort:

»So zwingst du mich denn, Monika, dir Dinge zu sagen, die nie über meine Lippen hätten kommen sollen. Seit Jahren, Monika, eilst du mit schnellen Schritten dem Grabe zu, welches du selbst dir gräbst. Ich kann dich nicht ansehen, mein theures, einziges Kind, ohne zugleich den Tod harrend an deiner Seite zu erblicken. Die Angst dich zu verlieren, zerreißt mir das Herz schon seit Jahren; dieß über meinem Haupte schwebende Schwert kürzt auch mein Leben und läßt mich unsäglich leiden. Ich habe Adolph in meiner bangen Brust lesen lassen, ich habe ihm gesagt, daß nur ein Mittel bliebe, dich deinen düstern Träumen und dem Tode zu entreißen. Ich selbst habe ihn gebeten, gefleht, dich um deine Liebe, um deine Hand zu bitten. Er, der einst den Vater rettete, er wollte auch mein Kind retten, und er zerriß andere Bande, um dieß zu vermögen; er gab die Hoffnung hin, einst bei seiner alten Mutter in seinen schönen Bergen wohnen zu können, um uns auf die öde Haide zu folgen. Das that er, um dir das Leben zu bewahren, um als dein Schutzengel den Tod von deiner Seite zu scheuchen. Kann dieß Alles, Monika, nur eine leichte Dankbarkeit in dir erwecken? Rissen denn alle Saiten in deinem Herzen, daß du mir nichts zu antworten vermagst, als ein Nein?«

Monika war tief ergriffen; dieß bezeugte ihr Angesicht genug. Sie antwortete:

»Vater, ich bin undankbar gewesen gegen Adolph, gegen euch; das bekenne ich mit tiefer Betrübniß. Aber was fordert ihr auch von mir? So sehet doch ein, daß ihr all meine Erinnerungen vernichten wollet. Willigte ich ein, Adolphs Gattin zu werden, dann müßte ich ihm einen großen Raum in meinem Herzen geben. Undankbar würde ich nicht sein können, durch zärtliche Zuneigung würde ich seinen Edelmuth vergelten, wenn auch nicht durch warme Liebe. Dann aber müßte ich von Allem abstehen, was mein voriges Leben mir ließ, aber . . . «

Eine hohe Freude strahlte aus des Colonels Augen, er faßte Monika's Hand und sprach:

»Meine liebe Monika, du mußt deine Träume opfern, um dein Leben zu erhalten; sage mir daß du Adolph als Bräutigam erkennst; mache mich glücklich. Mein theures Kind, sieh, ich flehe dich, sage Ja, sage, daß du einwilligest!«

Sichtlich bebte die Jungfrau und stumm ließ sie das Haupt auf die Brust sinken.

»Kind, mein Kind!« wiederholte der Colonel. »O laß mich nicht länger in Ungewißheit! O sage Ja!«

Langsam erhob Monika das Auge und entgegnete:

»Wohlan denn, Vater, wenn das euch glücklich machen kann . . . «

Ein plötzlicher Schauder überlief sie in dem Augenblicke; sie erhob den Finger und lauschte zitternd leise summenden Tönen.

»Was ist dir?« frug der Colonel erstaunt.

»Horcht, horcht!« antwortete sie selig lächelnd.

Näher drangen nun die Töne und der Colonel hörte auch:

 
Rikke-tikke-tak,
Rikke-tikke-tu.
Eisen warm,
Hoch den Arm,
schlaget zu,
Rikke-tikke-tu.
 

Er kannte die Gewalt des Liedes über Monika’s Gemüth; nun schien es ihm ein Schimpflied, welches man ihm seiner geringen Abkunft willen sänge; zornig riß er an dem Schellenzuge und stampfte mit dem Fuße auf den Teppich.

»Ich will wissen, wer sich erkühnt, mich hier zu höhnen!« rief er.

Ein Diener erschien; er sprach:

»Ein Unverschämter stehet draußen und singt. Geh, nimm die Andern zu dir und faß ihn; ich will ihn sehen. So er Widerstand leistet, brauchet Gewalt.«

»Vater!« rief Monika flehend. »Was sagst du, Gewalt? Weißt du, gegen wen?«

»Wir werden sehn,« entgegnete der Colonel aufgebracht.

Monika kehrte zu ihrem Tischchen zurück und setzte sich traurig auf ihren Stuhl.

Die Hausthüre öffnete und schloß sich. Ein Diener erschien in dem Saale:

»Colonel, es ist ein armer Bettler, der so schwach und kränklich ist, daß er kaum mehr weiter kann. Der Unglückliche dachte nicht an Widerstand. Er steht im Hausflur. Sollen wir ihn nicht wieder gehen lassen?«

»Nein, nein," rief der Colonel. »Ich will das Rätsel aufgelöst wissen. Darunter steckt was. – Was zitterst du denn, Monika? Kennst du den Bettler? Bringt ihn herein!«

Kaum hatte der arme Jüngling gesenkten Hauptes und mit niedergeschlagenen Augen die Schwelle der Saalthüre überschritten, als Monika laut aufschrie, auf ihn zu lief, seine Hand faßte und rief:

»Gott, Jan! bist du es?«

»Ich bin es,« antwortete der Arme, ohne seine Augen aufzuschlagen.

Der Colonel stand eine Weile stumm da, und rieb sich die Stirne, wie wenn ein plötzlicher Verdacht in ihm aufgestiegen wäre. Der schwand aber jedenfalls bald, denn er faßte freundlich Jan's Arm, zog ihn sanft mit sich bis zu einem der hohen Sammtsessel, und ließ ihn da niedersitzen. Monika hatte Jan's Hand nicht losgelassen, sie auch blickte sprachlos vor sich hin.

Der Colonel kehrte zu seinem Stuhle zurück und sprach:

»Jan van Daele, warum hast du in deinem Unglück dich meiner nicht erinnert? Sagte ich dir nicht, daß ich zu jeder Zeit dein Schützer und Schirmer sein werde? Zu welchem Elende bist du gesunken! Doch beruhige dich; von nun an sollst du an nichts mehr Gebrechen leiden.

»Fasse Muth, ich bin nicht undankbar und habe eine große Schuld bei dir abzutragen.«

Mit den Worten ging er zu einem Schreibtische, nahm eine Handvoll Napoleonsd'or heraus, legte sie auf ein Spieltischchen neben Jan und sprach:

»Sieh, mein lieber Freund; es ist nicht ein Almosen, was ich dir biete, es ist nur eine kleine Vergeltung für das, was du einst an meiner Tochter gethan hast. Ich bitte dich, nimm das von mir, deinem Freunde.«

Jan wandte das tief eingefallene Auge von dem Spieltischchen ab und dem Colonel zu, und sprach lächelnd:

 

»Gold, immer Gold und nur Gold!«

Dann blickte er auf seine zerrissenen Kleider und fügte hinzu:

»Ja, Gold könnte mir dienen, ich könnte Kleider kaufen und ihr lohnen, die für mich sorgte. Doch sparet mir die Erniedrigung, Herr. Aus eurer Hand mag ich kein Geld entgegennehmen, und sollte ich den Tod damit abkaufen können.«

Eine Bewegung, welche Jan's Hand bei diesen Worten machte, rückte diese aus der Monika's los. Das arme Mädchen wankte ihrem Stuhle zu und setzte sich nieder, das Auge stumm auf den Jüngling geheftet.

»Aber Jan, mein Freund,« fuhr der Colonel fort, »du bist unrechtfertig gegen dich und gegen mich. So du kein Geld von mir willst, dann sage mir, was ich anders für dich thun kann. Du machst mich glücklich, wenn du mir ein Mittel an die Hand giebst, dir einen Dienst erweisen zu können; ich werde dir stets dankbar dafür bleiben.«

»Ihr wollt mir einen Dienst erweisen,« entgegnete Jan. »Wohlan, ich flehe euch um eine Gnade. Wollet ihr mir die gewähren?«

»Sprich, Jan, ich will alles thun, was du verlangst. Was hättest du gerne?«

Der Jüngling richtete sich höher auf in seinem Stuhle und sprach:

»Colonel, morgen beginnt ein neues Leben für mich; eine unüberschreitbare Mauer werde ich zwischen mein vergangenes Leben und meine Zukunft setzen. Man reißt sich so leicht nicht los von Erinnerungen, die mit Herz und Hirn, die mit unserm innersten Leben verwuchsen, und vielleicht wäre ich in diesem Streite an dem Rande eines harrenden Grabes gestrauchelt. Das Schicksal aber war mir günstig; ich bin nun ihr gegenüber, die allein mich verstehen kann. Lasset mich nur sprechen, damit sie höre, welches mein Loos war und dann, dann sage ich freudig Lebewohl dem Traume, der mich tödtet. Das, Colonel, ist die Gnade, welche ich mir von euch erbitte. Gebt zu, daß ich spreche, zürnet nicht über das, was ich sagen werde; ihr schenkt mir mehr, als das Leben.«

Es lag etwas so Leidendes, so Einnehmendes in Jan's Wesen, daß der Colonel sich tief ergriffen fühlte. Außerdem war er gar neugierig, eine Erklärung zu hören, die vielleicht manche Vermuthung, welche seit einigen Tagen in ihm aufgestiegen war, bewahrheiten würde. Er sprach gütig:

»Sprich, mein Freund, ich werde dir aufmerksam zuhören.«

Der Jüngling begann also mit bewegter Stimme:

»Ich war jung, mit meinem Loose zufrieden und lebensfreudig. Mein Herz trieb mich dazu, in einer Magd eine Schwester zu sehen, und ich gewann sie um so lieber, je mehr sie leiden mußte. Es war ein reines, schuldloses Gefühl, welches sich unmerklich in meine Brust einwurzelte, später aber zum zehrenden Feuer wurde. Noch glüht in meiner Hand die Stelle, Colonel, welche auf der Haide der erniedrigende Napoleonsd'or drückte. Ihr dachtet, mich durch irdisch Gut über den Raub meiner Schwester zu trösten. Das war mir, wie ein Todesstoß; da gewahrte ich die ganze Unermeßlichkeit meines Unglückes; die Verzweiflung griff mir tief in's Herz, welches eure Abreise schon so blutig zerrissen hatte, ich vergaß Alles, um nur einem Gedanken zu leben. Nichts konnte mich trösten, nichts mich beruhigen; ich war verloren für die Arbeit, gleichgültig gegen Alles, ich lebte in schmerzlichen Träumereien – meine Mutter sah ich auf dem Krankenbett, doch in meiner Brust war kein Raum für neue Betrübniß. Man wollte mich mit Gewalt von der Stelle wegreißen, an der ich das Leben sah, man hoffte, daß ich dann genese, doch ich widerstand allen Bitten, allen Vorstellungen, allem Flehen. Warum? – Weil der Himmel der Haide blauer ist? Weil ihre Luft so balsamgleich duftet? Weil ich an ihrer Unermeßlichkeit hing? Ach nein – sie aber hatte da gelebt und gewandelt und ich kannte jeden Rasen, auf dem sie einst gesessen, jedes Stellchen an den Bäumen, welches ihre Hand berührt, jedes Kräutchen, auf dem ihre Thränen geglänzt hatten; ich litt, weil ich sie für immer verloren glaubte. Auf Anrathen des alten Pfarrers, auf die Bitten und Thränen meiner Mutter ging ich endlich nach Mecheln, um zu Studieren und in den Pflichten des Geistlichen eine Waffe gegen meine Erinnerungen zu finden.«

»Was aber litt ich da erst in der Einsamkeit des Seminars! Die Wissenschaft, das Lesen der Alten entwickelte meine Phantasie mehr und mehr, und ich wurde nun ganz Sklave meiner Träumereien. Von Allen mich fern haltend suchte ich stille Plätzchen auf, mich denselben hinzugeben und ihr Liedchen zu summen. Alle meine Mitschüler verlachten mich darob, doch ihr Spott heilte mich so wenig, als die Strenge meiner Lehrer. Endlich nahte die Zeit, wo ich erklären sollte, ob ich geistlich werden wolle oder nicht. Doch, o Gott, was konnte mir das helfen; ich war unwürdig, dem Altare zu nahen, ich konnte nicht beten; zwischen Gott und mir stand sie. Ich weigerte mich also und verließ das Seminar. Meine Mutter war unterdessen gestorben, ich hatte noch einen kleinen Theil von meinem Erbe. Mein Leben verträumte ich sorglos, unbekümmert um die Zukunft verzehrte ich, was mir übrig blieb. Auch das nun folgende Elend fand mich fühllos, ich schlief unter dem blauen Himmel, unter Karren, auf den Wällen; nichts konnte mich rühren, mich aus meiner Gleichgültigkeit wecken.«

Jan schwieg eine Weile; er athmete schwerer vor Ermüdung.

Monika lag mit dem Haupte auf dem Tische, sie weinte bitter. Auf den Boden schauend, saß der Colonel da.

Endlich fuhr Jan fort:

»Noch eins versuchte ich, ich nahm starke Getränke im Uebermaße, doch auch dieß half mir nicht. Da ging ich eines Tages halb verzweifelt auf dem Meirplatze umher, als plötzlich die verloren Geglaubte in einem Wagen an mir vorbei flog – ich stürzte besinnungslos zu Boden, und als ich mich nach einer Weile wieder aufraffte, floh ich in die stillsten Eckchen der Stadt. Abends legte ich mich, müde von all dem Umirren, auf einen Wagen zum Schlafe nieder, stürzte aber herunter und so hart auf die Steine, daß ich regungslos liegen blieb, während ein Strom von Blut meiner Stirne entschoß.«

»Eine arme Frau nahm mich auf ihr Speicherkämmerchen und pflegte mich; ihr blieb fortan mein ganzes Herz; wollte ich einst gerne sterben, dann muß ich nun leben, sie zu lieben, ihr für ihre Treue zu lohnen. Und nun lasset mich; vergesset, was ich um euer Kind gelitten habe, Herr Colonel; ich entbinde euch von aller Verpflichtung gegen mich, nur vergebet mir die Worte, die ich jetzt zu euch gesprochen, mir armen Sinnlosen, ihr werdet nie wieder was von mir hören noch sehen. Lebt wohl und schenke Gott euch Glück und segen!«

Unter diesen Worten war Jan aufgestanden und trat der Thüre zu, doch da sprang Monika von ihrem Stuhle, warf ihre langen Locken von der Stirn, wischte schnell die Thränen aus ihren Augen, und streckte die Hand wie befehlend gegen Jan aus, indem sie rief:

»Bleib, o bleib!«

Und, flehend die Hände faltend, warf sie sich vor ihrem Vater nieder und bat:

»Ach Vater, vergebt, vergebt mir. Haltet ihn hier oder ich sterbe. Auch sein Bild schwebte mir in meinen Träumen vor, er ist ja mein Bruder, er war ja mein treuer Schutz, ich liebe ihn ja, – Er allein kann mich retten, o laßt ihn hier. O ihr weint, ihr fühlet, was er gelitten hat. Vater, guter Vater, lasset mich nicht sterben. Im Namen meiner seeligen Mutter bitte ich euch —«

Der Colonel hob schnell seine Tochter auf und sprach mit tiefer Rührung:

»Das war also das Räthsel! solch ein Herz! Es sei, Monika, mein Kind – er ist dein Bräutigam.«

Ein schneidender Schrei entflog Jan's Brust; er hielt sich an einem nahen Stuhle, sank aber bald, überwältigt vor Freude und Glück, zusammen; Monika stürzte mit weit offenen Armen hin zu ihm, der Colonel wischte sich die Thränen aus den Augen.