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Siska van Roosemal

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Diese Worte waren nicht nach Siskas Geschmack, das sah man deutlich an ihrem verzogenem Munde. Sie antwortete im Tone eines fast trotzigen Bemitleidens:

»Ihr denkt wohl gar, daß ich drei Jahre in einem französischen Pensionat war, um unbeliebt und tölpelhaft zu bleiben? Dieser junge Herr ist ein Bekannter von mir; seine Schwester Klothilde war meine Freundin und er besuchte Sie öfter.«

»Ist es vielleicht Peter Vonderzang?« fragte die Mutter.

»Ja, es ist Peter Vonderzang!«

»Und du schämst dich nicht, Siska, soviel Ziererei zu machen mit dem Sohne von deines Vaters Bartscherer? mit dem kahlen, faulen Bengel, der nichts kann, als Seinen Vater aufzehren und pflastertreten?«

»Aber Mutter, darum kann er ja doch eine feine Bildung bekommen haben. Er hat in Paris gelebt und ist er gleich nur ein Haarkünstler, so ist er doch ein geschliffener Mensch, der die Welt kennt.«

»So, das nennst du die Welt kennen? Nichts tun, herumlaufen und den Eltern Verdruß machen? Nun denn, Siska, ich sage dir, daß ich's nicht leide, daß du mit solchen unverschämten Prunkhansen Bekanntschaft machst; und was deinen Namen betrifft: ich heiße Siska und du heißt auch Siska. Gott weiß, aus welchem Ketzeralmanach du diesen lächerlichen Namen Eudoxie magst aufgefischt haben.«

Siska war gereizt; sie antwortete in beißendem Tone:

»Ist es meine Schuld, daß die Fräulein im Pensionat meinen gemeinen Namen geändert haben? – und wahrhaftig, ich heiße lieber Eudoxie van Roosemal, als daß ich mir stets mit dem platten bauernflämischen Namen Franziska van Roosemal die Ohren zerreißen lasse.«

Unglückliche Mutter! Sie dachte in diesem Augenblicke an die Aufführung der Hortense Spinal und bebte vor Angst an allen Gliedern. Sicher hätte sie ihrer Tochter noch härtere Wahrheiten gesagt; allein sie standen nun vor der Türschwelle des Gewürzladens und traten hinein. Es befand sich gerade niemand darin als Meister van Roosemal selbst, der eben beschäftigt war, Kaffee zu mahlen. Es kostete Siska jetzt keine Gewalt, ihren Vater zu umarmen, da kein fremdes Auge Sie beschämen konnte. Der gute Mann gab sich im ersten Augenblick ganz seiner väterlichen Zärtlichkeit hin und küßte das aufgeputzte Mädchen mit Herzensfreuden. Diese Liebeserweise wurden gleichwohl zu früh durch Siska unterbrochen; denn ihr entfuhr unmittelbar der französische Ausruf:

»Mama, ma chambre? Wo ist mein Zimmer, Mama? Ich kann ja diese Schachteln nicht hier im Laden stehen lassen. Kutscher, helft mir dies hinauftragen!«

Eine Stunde darnach hatte Siska sich in ihr Zimmer eingeschlossen und war geschäftig, ihre mancherlei Hüte und Kleider auszupacken, ihre Pomadetöpfe und Riechfläschchen aufzustellen und ihre Locken in neue Wirbel zu Schlagen. Man hörte ihre Stimme bis in den Laden herab; sie trillerte das ewige französische Geleier von »ó ma belle, Sois moins cruelle« u.s.w.

Vater van Roosemal stand wie verwirrt hinter seinem Ladentisch; die rechte Hand ruhte müde auf der Kurbel der Kaffeemühle und mit der linken kratzte er sich hinter den Ohren wie ein ratloser Mensch; seine Augen starrten bewegungslos vor sich hin in den Laden; eine peinliche Überlegung hatte ihn entrückt. Auch er dachte an Hortense Spinal und murmelte von Zeit zu Zeit:

»Esel, der ich bin! Hätte ich doch lieber meinem eigensinnigen Weibe Arm und Bein gebrochen. Doktor Pelkmann hat wahr gesagt, daß ich hinter den Ohren kratzen würde. Aber was hilft jetzt das Klagen? Ein Schlechtes Pflaster für den Tod!«


Mehr Angst, mehr Beklommenheit und vorzüglich mehr Gewissensbisse folterten die arme Mutter; in einer halbdunklen Ecke ihrer Küche saß sie in Schmerz versunken und weinte mehr oder minder helle Zähren, je nach der Ängstlichkeit ihrer Gedanken.

Aber leider half das Weinen und Klagen so wenig als das Ermahnen und Bitten; es war alles vergebliche Mühe; Siska blieb auf ihrem Willen. Nach und nach gewann die mütterliche Zärtlichkeit bei Frau van Roosemal doch wieder die Oberhand, und durch die Mühe, die sie sich gab, Siska bei dem unwilligen Vater zu entschuldigen und in Schutz zu nehmen, endigte sie Selbst damit, nichts schlechtes mehr an ihr zu sehen; wohl einige Grillen und ein wenig Eigensinn, aber nichts Arges. Das Mädchen ist ja noch jung; das wird sich Schon ändern. – Durch solche Nachgiebigkeit gewann die Mutter mehr Liebeserweise von ihrer Tochter und tröstete sich damit, den Kunden versichern zu können:

»Unsere Siska hat viel gelernt, Nachbar; Sie kann ihr Französisch besser als ihr Flämisch. Es ist eine Perle von einem Mädchen.«

Und in der Tat, wie alle Bürgerstöchter, die in einem französischen Pensionat erzogen wurden, besaß Siska eine sehr artige Bildung. Von der französischen Sprache wußte Sie genug, um eitle Worte zu wechseln und von amour und toilette zu schwatzen. Im Gespräche selbst ward zwar das Französische schrecklich verhunzt; aber ihre Dreistigkeit und freie Haltung ließen solche Fehler leicht übersehen. Die Rechenkunst verstand Sie nicht; das ist auch eine viel zu trockene, mühsame Wissenschaft für so zarte Fräulein; Sie konnte nicht einmal eine Rechnung zusammenzählen; nur soviel hatte sie gelernt, um zu wissen, daß, wenn man drei Liebhaber zugleich hat, man wohl einen davon verlieren kann, ohne ganz verlassen zu sein. Aus der Erdbeschreibung hatte Sie behalten, daß Paris die schönste Stadt der Welt sei, das Schlaraffenland der jungen Frauenzimmer, wo man allezeit spielt und tanzt, wo zehnmal mehr Schauspielhäuser als Kirchen sind, wo die Moden und Pomaden erfunden werden u.s.w. Aus der Fabelkunde oder Mythologie hatte Sie nur gelernt, daß die Göttin der Liebe Venus heiße und daß der kleine Kupido ihr Sohn sei. Ferner wußte Sie die französischen Namen von allen Kleidern und Stoffen, von allen Haarzierden, allen Pomaden, Wohlgerüchen und Essenzen, von allen Pasteten und Torten . . . Seht, darin bestand die Bildung der Siska. War Sie nun eine Perle von einem Mädchen oder eine verwelschte Zierpuppe?

Vater van Roosemal würde diese Frage nicht günstig beantwortet haben, wie aus folgenden Worten hervorgeht, die er um jene Zeit zu Doktor Pelkmann sprach:

»Hätten wir Euren Rat befolgt, Doktor, dann würde Siska jetzt vergnügt und einfach hinter dem Ladentisch stehen; sie würde uns lieben und wir würden mit Lust dahin wirken, ihr ein gutes Erbteil und ein blühendes Geschäft zu hinterlassen. Aber was ist es jetzt? Sie sitzt im Laden mit einer seidenen Schürze und frisiertem Haar, ohne Haube; Sie plaudert und scherzt den ganzen Tag mit den jungen Milchbärten und den kahlen Ratten, die unter dem Vorwande, Zigarren zu kaufen, mein Haus berennen und die Bürger vertreiben. Die Hälfte meiner Kunden habe ich bereits verloren. Freund Pelkmann, wenn ich tot bin, wird der väterliche Laden auch zugrunde gehen; denn Siska wird nie einen Mann ihres Standes heiraten wollen; und wozu, sagt mir, sind die papierenen Junker nütz? – Ihr hattet recht, Doktor; eine gründliche flämische Erziehung hätte aus meiner Siska eine tüchtige, Sparsame Hausfrau gemacht; sie würde mehr nützliche Dinge wissen als jetzt, würde gottesfürchtig und eingezogen geblieben sein; aber nein, sie mußte in ein Pensionat kommen und Französisch lernen! – Es ist möglich, und doch kann ich's kaum glauben, daß eine solche Erziehung für ein Edelmannskind paßt. Was ich aber gewiß weiß, ist, daß sie ein Bürgermädchen gründlich verdirbt. Aber, was bedeutet es, Doktor? Wenn das Kalb ertrunken ist, deckt man den Brunnen ein und kratzt sich hinter den Ohren, wie Ihr sagtet.«


5
Besser späte Reue, als keine

Vom ersten Tage ihrer Rückkehr ins väterliche Haus an hatte Siska alles in demselben zu bekritteln und verächtlich zu finden nicht aufgehört. Nichts konnten die guten Eltern tun, sie fand es gemein, niedrig und unziemlich; und da das verwelschte Ding in allerlei Listen und Verstellungskünsten wohl geübt war, so bog und lenkte Sie den Willen ihrer Eltern wie warmes Wachs.

Ach, vor drei Uhr konnte Sie nicht zu Mittag essen; Sie hatte ja keinen Bauernmagen. Bei dieser Erklärung wurde der Vater ärgerlich, die Mutter betrübt, beide, weil Sie ihr Leben lang zur gewohnten Stunde ihr Mittagsmahl genommen hatten und vor einer Veränderung erschraken, die ihre ganze Tagesordnung über den Haufen warf. Aber Siska fing an zu Schmollen und sauer zu sehen; es half nichts; in diesem Punkte zeigte sich der Vater unbeugsam. Siska weinte sich die Augen rot; es half doch nichts, obgleich die Mutter ihr jetzt aus Mitleid beistand. Nun fiel Siska in Ohnmacht; sie bekam heftige Krämpfe und gebärdete sich wie jemand, der seinen Bündel schnürt, um in die andere Welt zu gehen. Ein verwelschter Arzt, erfahren in den eigensinnigen Krankheiten fein erzogener Damen, wußte soviel schauderhafte Dinge von dem schwachen, reizbaren Nervensystem der Frauen zu erzählen, daß die besorgten Eltern beschlossen, nun doch um drei Uhr zu Mittag zu essen. Wie oft hat sie seitdem der Hunger gepeinigt, da Sie, regelmäßig des Morgens um vier oder fünf Uhr aufstehend, so lange fasten mußten, während die faule, gemächliche Siska nie vor neun Uhr zum Vorschein kam.

Und dann die Küche! welch ärmliche Kocherei! Nichts als Erdäpfel, Kohl oder Wirsing und Ochsenfleisch, gesotten oder gebraten; immer dasselbe. Siska fühlte sich von Zeit zu Zeit so schwach, so übel! – Sie muß ein Täubchen oder ein paar gebratene Vögel essen; so etwas wird ihr besser schmecken und besser bekommen. – Ihre Taschen stecken immer voll Pfefferminz- und Zitronen-Zeltchen und nicht ohne Grund; denn das arme Kind hat allerlei Weh: Magenweh, Herzweh, Kopfweh, Nervenweh, Weh überall . . . Ach, die Arme!

Mit ihrer Mutter des Morgens in die Sechs-Uhr-Messe gehen, das wird sie nicht tun: im Winter ist es zu kalt und im Sommer mag sie nicht zwischen all dem gemeinen Volke sitzen; es könnte ihr übel dabei werden. Das Hochamt dauert viel zu lang; sie bekommt kalte Füße auf dem Steinpflaster. Aber die Zwölf-Uhr-Messe, das ist ihre Sache; da sieht sie schöne Toiletten, um Sie nachzuäffen. Und dann kann Sie noch einmal über den Grünen Kirchhof wandeln und ihre schöne neue Mantille den jungen Herren von gutem Ton zeigen; wohlgemerkt: meistens Schneidergesellen, Zigarrenspinnern und Ladenburschen.

 


Seht, Sie hat ihre alte Mutter genötigt, ihre Spitzenhaube mit einem Seidenen Hut zu vertauschen und Schnürstiefel an ihre Füße zu heften; Sonst würde sie nicht mehr mit ihr öffentlich ausgehen. Aber wie unglücklich sieht Mutter van Roosemal aus unter ihrem neuen Kopfputz! Sie kratzt fortwährend an ihren Ohren, denn Sie ist das Rauschen des steifen Hutfutters noch nicht gewöhnt; und sie kann kaum drei Schritte tun, ohne mit ihren geschnürten Füßen Bewegungen zu machen wie jemand, der in eine durchlöcherte Matte oder in einen Misthaufen verwickelt ist; so wenig wollen die Schnürriemen mit ihren Füßen Bekanntschaft machen. Die arme Frau! Die Nachbarn verlachen sie, während sie Perlen schwitzt und gern durch die Steine sinken möchte vor Scham . . . Doch, vergeßt nicht, daß Sie das alles für ihre Tochter leidet, und es also kein Wunder ist, daß Sie ihren Schmerz ohne Klagen verbeißt.

Was Vater van Roosemal betrifft, so wird er am meisten durch die launenhafte Siska gepeinigt. Bis dahin war er immer Herr in seinem Hause gewesen und hatte seine Sachen stets so vorsichtig angelegt, daß Sie ihm in keinem Augenblicke seines Lebens irgend Schief gegangen waren. Jetzt sah er voraus, daß Sie in Verwirrung kommen müßten; allein er hatte fast nichts mehr im Hause zu Sagen; was er für gut fand und anordnete, verwarf seine Tochter, und nicht selten wagte sie's merken zu lassen, daß Sie seine Gedanken für beschränkt und einfältig hielt. Wurde der alte Mann dann bös, so geriet das Haus in Kampf und Aufruhr, er von der einen Seite und Siska mit der Mutter von der andern. Man weiß aber, wenn es auf Zank und Zwist ankommt, dann ist der Mann ein unmächtiges Kind in Vergleich mit der Frau; er macht sich einige Maß schwarzes Blut, schlägt brav auf den Tisch und knirscht mit den Zähnen; aber hat er auch das letzte Wort gehabt? – Gewiß nicht. Jetzt erst lacht die Frau ihn aus oder denkt sich bei sich: »Nur zu, Mann, schlag nur aus, reiß nur an den Strängen; das macht alles nichts, mein Wille geschieht doch.«

Dem Doktor Pelkmann hatte man es auch so arg gemacht, daß das Haus ihm zuwider geworden war und er es nun sorgfältig mied. Vater van Roosemal war nicht zwischen Zank und Streit aufgewachsen; er hielt Frieden und Stille Freundschaft für das größte Glück auf Erden; auch ließ er zuletzt viele Dinge gegen seinen Willen geschehen, um unnützen Wortstreit zu vermeiden. Dessen ungeachtet wurde sein Gemüt von diesem ewigen Zwang und dem plötzlichen Umsturz seines ganzen Haushaltes in tiefe Trauer versenkt, und nicht selten begrüßte ihn irgend ein Bekannter mit den Worten: »Aber van Roosemal, was seid Ihr mager geworden! Wart Ihr krank?«

Nur in einer Sache war es dem guten Mann bis jetzt geglückt, siegreich zu bleiben, nämlich in den Ausfällen, welche Siska gegen den Gewürzladen selbst richtete. – O, der Sollte, der mußte umgestaltet werden! – Doch dies kostete mehr Mühe und List. Hinter diesem Ladentisch war van Roosemal aufgewachsen, da Stand noch der Stuhl, worauf seine Mutter ihn gesäugt hatte; dieses Fäßchen und Kistchen hatte er schon angelächelt, bevor er noch Sprechen konnte. Da war keine Ritze, kein Zeichen, woran sich nicht eine jugendliche Erinnerung knüpfte; wegen jenes geborstenen Porzellantopfes dort hatte ihm sein Vater am Tage vor seinem Tod eine so treffende Ermahnung über die Sparsamkeit gegeben, daß Sie noch jetzt unauslöschlich in Seinem Gedächtnis stand. Die schwarzen Flecken auf jenem grünen Fäßchen rührten von seinen eigenen Kinderhändchen her; denn aus diesem Fäßchen hatte ihm Seine Mutter oft ein Stück Zucker gegeben, und das Kind sich darum angewöhnt, das Tönnchen liebkosend zu streicheln. Auf jenem Tische dort sind die Buchstaben J. S. Eingeschnitten. Sie bedeuten Johann, Siska, und sind ein Denkmal Seiner ersten und einzigen Liebe. Mit einem Worte, dieser Laden war Sein Vaterland, seine Welt; alles, was sich darin befand, war ein Bestandteil seines Wesens, seines Lebens.



Wer aber vermöchte nun auch zu sagen, welche Flut von Tränen Siska vergossen, wie oft sie ohnmächtig geworden, wie viele Tage sie zu essen sich geweigert, wie viele Krämpfe und Nervenanfälle sie bekommen, um den unerbittlichen Willen ihres Vaters zu brechen und den Laden nach französischem Stil umgestalten zu können! Ja, dies hat ein ganzes Jahr gedauert; zwölf Monate voll Zwist, voll Hausverdruß und Elterngram sind vorübergegangen, ehe der alte van Roosemal, wie ein besiegter Soldat, den Kopf sinken ließ und mit Tränen in den Augen sagte: »So macht denn fort!«

Aber dieses Wort, das wie sein eigenes Todesurteil ihm das Herz durchschnitt, brach zugleich seinen Geist und seinen ganzen Körper nieder; er fing an abzuzehren, wurde bleich und schwach und schien an einem geheimen Leiden dem Grabe zuzuwanken. Nicht selten erbebte Siska wie ein Rohr, wenn das blitzende Auge ihres greisen Vaters einen beschuldigenden Blick in ihr Auge schoß; aber er sprach nicht, der entmutigte Mann, – er starrte regungslos auf die Werkleute hin, die seinen Laden über den Haufen zu werfen beschäftigt waren. Alle Seine teuersten Erinnerungen sah er vernichtet und in dem Maße, als diese unter dem Pinsel des Anstreichers, oder unter dem Stemmeisen des Schreiners verschwanden, wurde sein Atem und Sein Leben kürzer.

Bald war der einfache, bürgerliche Kramladen in ein prächtiges Magazin umgeschaffen; alles blinkte von Kupfer und Firnis; der Ladenschrein war geziert mit kleinen Engeln, die Kaffee mahlten, Zigarren rauchten oder Tabak wogen; die Fensterscheiben waren so groß wie Spiegel und mit französischen Aufschriften bedeckt; lichte Gasflammen erhellten dies alles; eine Ladenjungfer und ein Diener standen hinter dem Tisch mit verschränkten Armen; und Siska, oder Fräulein Eudoxie van Roosemal, saß auf einer Erhöhung am Fenster und las einen französischen Roman.

Dieser Stand der Dinge dauerte geraume Zeit, zum Verdrusse des entmutigten Vaters. Es war nun so weit gekommen, daß er für alles gleichgültig schien, selbst für die Freundschaft von Spinal. Dieser hatte auf van Roosemals Rat einen Handel in Häuten und Leder angefangen und in kurzer Zeit viel Geld damit verdient, so daß er imstande gewesen wäre, die geborgten tausend Gulden zurückzuzahlen, wenn van Roosemal die Annahme derselben nicht Standhaft verweigert hätte. Von seinen Kindern hatte Spinal seitdem nichts vernommen.

Während in dem Laden alles immer mehr in Verwirrung geriet und die Geldkasse leer wurde, lag Vater van Roosemal krank darnieder; da er aber niemals über Schmerzen oder Ungemach klagte, so glaubte man oder setzte voraus, daß es eine gewöhnliche Unpäßlichkeit sei und begnügte sich, ihn gut und sorgfältig zu bedienen.

Eines Morgens jedoch wünschte er, daß man Herrn Pelkmann und Spinal zu ihm rufen möchte. Letzterer war gerade in Handelsgeschäften nach Köln gereist. Der Doktor kam Sogleich und blieb lange mit dem Kranken allein. Was zwischen den beiden vorging und was sie sprachen, wissen wir nicht. Endlich nach einer Stunde hörte man jemand die Treppe herabkommen – und der Doktor trat in den Laden. Sein Aussehen war bleich wie das eines Toten und stach unheimlich ab gegen seinen schwarzen Mantelkragen; seine Augen funkelten und seine Wangen zitterten krampfhaft wie bei einem ergrimmten Menschen; durch die Öffnung seines Mantels konnte man sehen, wie seine Faust sich ballte. Seit dem Augenblicke seines Erscheinens im Laden hielt er seine flammenden Blicke wie Pfeile auf Siska gerichtet und Schritt nun wie ein Gespenst hinter den Tisch auf Sie zu. Sie, voll Angst und Schrecken, streckte beide Hände voraus, als wolle Sie diese unheimliche Erscheinung von sich abwehren; allein der Doktor öffnete seine Faust, faßte ihren Arm, drückte ihn fest und sprach mit schrecklicher Stimme: