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Siska van Roosemal

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»Dein Vater liegt im Sterben, entartetes Kind! du hast ihn gemordet!«

Dann ließ er Sie in Ohnmacht auf ihren Sitz niedersinken, ging zum Hause hinaus um einen Geistlichen zu holen, und kam bald darauf mit diesem und dem Kirchendiener zurück.

Als der kranke van Roosemal die letzte Hilfe der Kirche empfangen und der Priester sich entfernt hatte, stöhnte er:

»Mein Kind, meine Siska will ich sehn, Doktor . . . aber Verzeihung für Sie – o, peinigt Sie nicht durch strenge Worte.«

»Ich hole Sie; aber Sie muß gestraft, sie muß gebrochen werden. Vielleicht werdet Ihr dann aus dem Himmel auf ein reumütiges, tugendhaftes Kind herabblicken können.«

Mit diesen Worten öffnete der Doktor die Zimmertüre und ging in die Küche hinab. Da saßen Mutter und Tochter mit den Händen vor den Augen und weinten. Siskas Jammerbild hätte ein steinernes Herz erweichen mögen. Seufzen, Stöhnen und ein schreckliches Klagen drang aus ihrer Brust hervor. Ach, diesmal war ihre Verzweiflung nicht geheuchelt. Das zerschmetternde Wort, welches der Doktor als den Fluch des erzürnten Gottes ihr in die Ohren gedonnert, hatte ihre Binde gewaltsam zerrissen. Der Name Vatermörderin, der ihr in flammenden Zügen stets vor Augen schwebte, brannte in ihr Herz wie ein Funke des höllischen Feuers, das ihrer warte.

Der schwere Schritt des Doktors machte Sie erschrocken aufblicken . . . O, da steht er wieder vor ihr, der Racheengel des Herrn! Sein stechendes Auge dringt in ihre Seele; unter seinem gewaltigen Blick fühlt sie ihre Kraft schwinden, ein eisiger Frost macht das Blut in ihren Adern gerinnen . . . Doch Sie reißt sich los von diesem Zauber; sie springt auf, fällt vor dem Doktor auf die Knie nieder, hebt die Hände empor und ruft:

»Euer Zorn ist gerecht! Ich bin ein verworfenes, abscheuliches Geschöpf – aber, im Namen sterbenden Vaters, o Gnade, Gnade für mich!«

Zwei Tränen rollten blinkend über des Doktors Wangen; Sein Gesicht verlor plötzlich den Ausdruck des Zornes, um nur noch die tiefste Betrübnis auszusprechen. Er nahte dem schluchzenden Mädchen, nahm Sie bei der Hand und Sprach, ohne Sie vom Boden aufzuheben:

»Siska, unglückliches Kind! Ihr habt schrecklich gegen Gott gefrevelt; denn er hat gesagt: Du sollst Vater und Mutter ehren; und Ihr, was habt Ihr getan? – Nein, nein, erschreckt nicht; ich will das schreckliche Wort nicht wiederholen. Aber macht jetzt Eure Missetat wieder gut; es gibt noch ein Mittel, Euch mit Gott und Eurem Vater zu versöhnen. Geht hinauf zu ihm, er ruft sterbend nach Euch, – aber nehmt Euch in acht! Wenn er diese Welt verläßt ohne Überzeugung von Eurer Reue und Bekehrung, wenn er den Geist aufgibt ohne Trost, ohne Frieden und ohne Hoffnung für Euch, . . o dann wird der Fluch des Herrn Euch folgen über dieses Leben hinaus!«

Wie bitter, wie herzzerreißend diese Worte auch waren, Siska schien aus ihnen Mut zu Schöpfen; Sie küßte bewegt des Doktors Hände und rief, indem Sie aufsprang und nach ihres Vaters Zimmer lief:

Dank, Dank!«

*                   *
*

Soll ich nun die feierliche Todesstunde des Vaters und die Verzweiflung der Tochter schildern? Soll ich euch Siska zeigen, wie sie heulend und mit gelöstem Haar Bäche von Tränen vergießt? Soll ich euch sagen, wie sie sich den Kopf blutig stößt an dem Sterbebette ihres Vaters; wie sie ihre Schönheit zu vernichten sucht und mit ihren Nägeln ihre Wangen durchfurcht; wie sie alle die Zeichen ihrer Pracht und ihres Leichtsinns zerreißt, zertritt und vernichtet? . . . O nein, dieses Schauspiel wäre zu ergreifend und zu schmerzlich.

Seht, der Vater stirbt, aber ein Ausdruck von Glückseligkeit verklärt sein Angesicht wie das eines Heiligen; seine brechenden Augen sind mit einem trostvollen Gefühle vor das Bett gerichtet. Da kniet Siska, Sie hält ihre Mutter mit beiden Armen umschlossen, küßt sie mit Zärtlichkeit und fleht, stöhnt um Vergebung; der Doktor steht gegenüber und vergießt Tränen der Rührung. Diese Szene sieht der Sterbende, er hebt seine matte Hand über den Rand des Bettes und läßt Sie auf das Haupt seines Kindes niedersinken . . . Dann spricht er, indem seine Seele ihre Flügel entfaltet und von der Erde himmelwärts sich aufschwingt: »Sei gesegnet, gesegnet, o Siska, mein Kind!«



Der hundertjährige Gewürzladen van Roosemals ist nun geschlossen. Mutter und Tochter führen ein einsames und bußfertiges Leben; Sie denken mit Abscheu an die Ursache ihres Unglücks, und ihren Litaneien fügen Sie dies bedeutsame Gebet bei: Von französischem Sittenverderb erlöse uns, o Herr!

Lieber Leser, ich hege einige Hoffnung, daß diese wahre Erzählung deine nachsichtige Aufmerksamkeit wird gefesselt haben, und dann wirst du wohl auch neugierig sein, Siska zu sehen. Wohlan denn, wenn du wirklich dieses Verlangen hast, so gehe am Freitag um Sechs Uhr morgens, oder etwas später in die Dominikanerkirche, öffne die Türe rechter Hand und Schreite fort über den alten Kirchhof bis unter den Kalvarienberg und in die Armenseelen-Gruft. Hier wirst du eine junge Frauensperson knien sehen, ganz in einen schwarzen Mantel gehüllt und das Gesicht tief verschleiert. Wenn du genau aufmerkst, wirst du die Perlen eines Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten hören, und von Zeit zu Zeit wird unter ihrem Schleier ein Seufzer hervordringen, wie der einer armen Seele. Sie selbst jedoch wird regungslos da knien, und in dem Halbdunkel wird sie dir vorkommen wie eine Bildsäule, die da aufgestellt ist. Wenn du dann siehst, daß Sie, endlich aufstehend, einen langen Kuß auf die Hand der dort abgebildeten flehenden armen Seele drückt und langsam die Gruft verläßt, ohne dich bemerkt zu haben, dann kannst du Sagen: Ich habe Siska van Roosemal gesehen!

Die Tochter Spinals werde ich dir nicht zeigen; es gibt Orte, die man nicht nennen mag. Was ihren Bruder betrifft, so hat Frankreich Gefängnisse genug, um Gaudiebe und Schelme zu verwahren.