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Wie man Maler wird

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Die Großmutter lief eilig zum Bettchen, nahm Fränzchen heraus, setzte es auf ihren Schoß und bemühte sich, das Kind zu beruhigen, während ihre eigenen Tränen ihr über das Gesicht herabflossen. Die Mutter fing gleichfalls zu weinen an und es herrschte nun in dieser Familie eine so innige, bittere Betrübnis, als wenn sich ein schreckliches Unglück ereignet hätte. Dann sprach die Großmutter mit Gereiztheit zu dem Manne: »Wie könnt Ihr Euer Kind doch so quälen? Ihr werdet es noch umbringen . . . «

Die Mutter: »Ja, ja, das wird wohl noch daraus werden; du wirst ihm wohl in sein Loch helfen . . . Warum kannst du Franz nicht auf die Akademie gehen lassen, sag’? Wenn er nun einmal Talent dazu hat?«

Der Vater (höchst ärgerlich, seine Faust zeigend): »Macht mich nicht bös!«

Fränzchen (er springt von dem Schoß der Großmutter und läuft zu seinem Vater): »Ach Väterchen lieb, werde nicht bös, . . . ich will Maurergesell werden.«

Der Vater (küßt das Kind mit Zärtlichkeit; eine Träne blinkt ihm im Auge): »Fränzchen, mein Kind, ich will nicht bös werden. Geh nur getrost in dein Bett.«

Fränzchen (er nimmt des Vaters Hand und streichelt sie): »Vater, du weißt wohl, daß der Jakob hier aus dem Eckhause auch auf der Akademie ist, und sein Vater ist doch auch nur Maurer.«

Der Vater: (ganz beruhigt): »Ja Kind, aber das ist was anderes. Er macht da keine Männerchen, sondern er ist in der Steinmetzenklasse.«

Fränzchen: »Was machen sie denn da, Vater?«

Der Vater: »Das weiß ich nicht; wahrscheinlich Häuser. (Er besinnt sich ein wenig; das Kind sieht ihm ängstlich in die Augen.) Aber hört; ich sehe wohl, daß ihr mir doch keine Ruhe lassen werdet. So laßt den Franz denn in Gottes Namen auf die Akademie gehen, wenn ihr ihn darauf bringen könnt. (Das Kind hüpft auf vor Freude, küßt seinen Vater, küßt seine Mutter, küßt seine Großmutter und erfüllt die Stube mit seinem Freudengeschrei.) Aber unter einer Bedingung, nämlich: daß, wenn Franz nicht gut und schnell lernt, er auf mein erstes Wort von der Akademie wegbleibt.«

Fränzchen (mit strahlenden Augen und mit Begeisterung): »O, ich werde gut lernen, Väterchen lieb!«

Der Vater: »Geh jetzt nur schlafen, Kind.«

Fränzchen kroch wohlgemut und eilig in sein Bett. Die drei andern Personen nahmen die Lampe vom Tisch und stiegen eine kleine steile Treppe hinauf, um sich gleichfalls zur Ruhe zu begeben. Oben angekommen, hielten sie noch Rat über die Mittel, die angewendet werden könnten, um für Fränzchen einen Platz auf der Akademie zu erwirken. Nach ziemlich langer Verhandlung beschloß man folgendes:

Des Nachbars Trees!4 hat Bekanntschaft mit dem Lehrjungen des Barbiers, der den Bedienten des Herrn Direktors Wappers rasiert. Durch Trees würde man die Fürsprache dieses Lehrjungen gewinnen können; dieser sollte mit seinem Meister reden; der Meister mit des Herrn Wappers Bedienten und der Bediente mit Herrn Wappers selbst. Herr Wappers würde dann darüber mit Herrn van Bree sprechen.

Sie zweifelten nicht, daß diese ungewöhnliche Verkettung von Fürsprechern ihnen zum Ziele verhelfen würde, und wurden hiervon noch mehr überzeugt, als die Großmutter bemerkte, daß nichts vorteilhafter sei, als die Fürsprache eines Barbiers, in Betracht, daß man demjenigen schwerlich etwas abschlagen werde, der uns täglich das Messer an die Kehle setzt u.s.w.

Nun, übermorgen sollen Mutter und Großmutter ihren Sonntagsstaat anziehen: das saubere Leibchen, den stoffenen Rock, die Spitzenhaube und die Schuhe von Baumwollensamt. Sie sollen einige Zeichnungen von Franz mitnehmen, um sie den Herren von der Akademie zu zeigen, und Großmutter soll das Wort führen, um ihnen darzutun, welches Talent in Fränzchen steckt.

2
Gang zur Akademie. – Die Nachkommen Eulenspiegels. – Beratung der Professoren über Fränzchens Beruf. – Untersuchung der Beweisstücke. – Die Akademie kriegt einen Schüler mehr

Die Sonne, die größte Malerin der Welt, war beschäftigt, hinter dem Horizont ihre Palette zubereiten; sie vereinigte und mischte auf derselben die schönsten Farben, welche sie besitzt, um diesen feierlichen Tag – um Fränzchens ersten Schritt auf der Bahn der Kunst mit einem ungewöhnlichen Glanze zu bescheinen. Schon wirft sie mit einem einzigen Pinselstrich die graugelbe Grundfarbe auf ihre unermeßliche Leinwand, und die Stadt Antwerpen steht da als angelegte Skizze, sichtbar im Dämmerlichte.

Die Hähne, die götzendienerischen Anbeter der Sonne, begrüßen ihr Nahen mit gellenden Kehllauten und schreien so lange und so durchdringend, daß Großmutter darob erwacht, und gleich ihren ersten Gedanken dem Glücke ihres Fränzchens widmet.

Obwohl die Nacht als schrecklich geschildert wird, ist sie doch nicht selten eine Wohltäterin. Sie allein ist gerecht nach allen Seiten: die Guten erfüllt sie mit Freude und Friede; die Bösen quält sie durch wahre oder eingebildete Strafen. Als Gottes Gesandtin sieht sie in das Innerste der Herzen und kündigt dem Menschen voraus an, welchen Lohn und welche Züchtigung seine Taten verdienen und erwarten müssen.

Die schönsten Bilder hatte sie diesmal aus ihrer Gaukeltasche hervorgeholt und vor den Blicken der träumenden Großmutter erscheinen lassen. Sie hatte Reichtümer gesehen, Häuser so schön wie Paläste, Pferde wie Hirsche, Kutschen wie Throne, Lustgärten wie Paradiese – grünende Lorbeerkränze! Und inmitten von allem dem ihr Fränzchen, seine Mutter und seinen Vater und sich selbst. – erwachend rieb sie sich die Augen, um die reizenden Bilder wiederzusehen; und doch, als sie nicht ohne Bedauern fand, daß alles nur ein Traum gewesen, verging ihre freudige Stimmung nicht ganz. Die süßen Vorahnungen verließen sie auch im wachen Leben nicht.

Kaum war die Stadt mit einer zweiten, einer goldgelben Tinte überzogen, als auch schon die ganze Familie auf den Beinen war. Der Mann mußte früh bei seiner Arbeit sein und konnte nicht ohne Frühstück gehen; die Eltern kamen also alle drei herab.

Mit einem gleichzeitigen Blick sahen, sie nach Fränzchen und bemerkten, daß er bereits in seinem Bettchen aufrecht saß und bei dem noch zweifelhaften Morgenlicht ganz selbstvergessen beim Zeichnen war.

Die Mutter ging, nachdem sie Feuer angezündet hatte, zu dem Kinde, hob es aus seinem Bette und ließ es niederknien:

»Sprich heute ein gutes Gebetchen, Fränzchen,« sagte sie, »daß der liebe Gott uns Glück beschere.«

Der Kleine kniete so sittsam und feierlich nieder, daß deutlich zu sehen war, welche Andacht und Inbrunst er in sein Gebet legte. Mit feiner Stimme sprach er:

 
Des Morgens, wenn ich aufsteh’,
Zwei Engelchen ich vor mir seh‘;
Engelchen lieb, Engelchen gut,
Macht, daß Fränzchen nichts Böses tut.
 

Nach diesem Gebet wurde das Kind angezogen und gewaschen und sobald man es dann frei ließ, nahm es seine Stückchen Papier, setzte sich zum Feuer und machte sich ans Nachzeichnen irgend eines Gegenstandes, der sich in der Stube befand.

Bald war der Kaffee gekocht, die schweren Butterbrote geschnitten, die Tassen ausgesetzt. Bevor sie jedoch zu essen anfingen, machten alle ein Kreuz; Fränzchen aber fügte sein gewöhnliches Gebetchen hinzu:

 
Jesulein, komm, iß mit mir,
Die liebste Mutter bring ich dir;
Jesulein, allwo du bist,
Alles reich gesegnet ist.
Eßt und trinkt, doch denkt andächtig,
Daß es kommt von Gott allmächtig.5
 

Ein Handwerksmann verliert nicht viel Zeit bei Tisch; in wenigen Augenblicken waren die Butterbrote verschwunden. Der Vater zog seinen Kittel an und ging fort mit den Worten:


»Bis Mittag denn!«

Nun begann erst die große Vorbereitung: Fränzchen wurde noch einmal ausgekleidet und aufs neue mit spanischer Seife und warmem Wasser gewaschen; seine lockigen Haare wurden sauber ausgekämmt, und dann sein Sonntagsjäckchen, gestreiftes Höschen und sein reines Überkleid ihm angezogen.

Nun gingen die Frauen an ihre eigene Toilette.

Aus einem Schranke wurden zwei schneeweiße Spitzenhauben hervorgeholt, zwei Röcke, ein schwarzer und einer mit großen Blumen, zwei Paar Samtschuhe, zwei Leibchen, ein langes und ein kurzes, und ein kattunener Mantel der Großmutter. Dies war alles.

Mit diesen Kleidungsstücken mußten die Frauen sich zieren und herausputzen, um vorteilhaft vor den Herren der Akademie zu erscheinen.

Als der Aufputz beinahe fertig war, frug die Großmutter:

»Aber, Annemie, du bist doch sicher, daß Nachbars Trees über unser Anliegen mit dem Lehrjungen des Barbiers des Bedienten des Herrn Wappers gesprochen hat?«

Die Mutter: »Ja, er sagt, daß es wohl viel Mühe kostet, jemand auf die Akademie zu bringen; aber er hat versprochen, daß er alles, was er tun kann, für uns tun will; und daß sein Meister wohl » gut Freund ist mit dem Bedienten des Herrn Wappers.«

Die Großmutter: »Die Akademie wird um sechs Uhr geöffnet; wir müssen machen, daß wir nicht zu spät kommen. Spute dich also.«

 

Die Mutter: »Aber wißt Ihr auch, wohin wir eigentlich gehen müssen? Sie sagen, daß die Akademie so groß ist, daß man leicht einen ganzen Tag darin herumirren kann.«

Die Großmutter: »Geh, sei doch nicht so einfältig! Mit Fragen kommt man wohl gar bis nach Rom.«

Die Mutter: »Ja, das ist wahr. Aber was sollen wir dann zu den Herren sagen? Denn Ihr wißt wohl, daß Ihr die Herren nicht ansprechen dürft wie unsereins, und daß die vornehmen Leute leicht auf ihre Zehen getreten werden. Wenn Ihr Euch nun einmal versprächet!«

Die Großmutter: »Das hat keine Not; laß mich nur machen. Wenn ich hineinkomme, dann sage ich: Guten Tag, mein Herr van Bree! Guten Tag, mein Herr Wappers! Ihre Dienerin, meine Herren! – Können sie das nun übelnehmen? Ist dies doch höflich genug?«

Die Mutter: »Ja, ja. Aber dann? Wie wollt Ihr ihnen nun die Sache unseres Franz beibringen? Seht, da steckt der Hacken.«

Die Großmutter (mit Ungeduld): »Sei nur ruhig; ich nehme die Zeichnungen von unserm Franz mit; und wenn ich ihnen die sehen lasse, dann werden sie vielleicht schon selbst wollen, daß er auf der Akademie bleibe. Komm, es ist gleich Sechse, laß uns gehen. – Fränzchen, gib mir mal alle die Papiere her, daß ich sie in meinen Sack stecke. Bist du fertig, Annemie? Vergiß du nichts! – So schließe denn die Türe zu.«



Welche Freude war nicht in Fränzchens Herz, als er zwischen seiner Mutter und Großmutter nach der Akademie ging! Wie leicht und flüchtig waren seine hüpfenden Schritte! Mit welcher Liebe betrachtete er jeden Knaben, der mit einer Rolle Papier in der Hand an ihm vorüberging! . . . Schon waren alle diese Schüler der Akademie seine Freunde. Hätte er sie nur umarmen können!

An dem Tore der Akademie angekommen, bevor noch die Klassen geöffnet waren, fielen die zwei erschrockenen Frauen zwischen einen Haufen wartender Jungen, die auf ihre Fragen nur mit Spöttereien antworteten. Beschämt und verlegen wollten sie sich bis zum Öffnen des Tores wieder entfernen; allein die ausgelassenen Buben liefen rings um sie her und umschlossen sie mit einem undurchbrechbaren Kreis. Dann folgte ein Konzert von hundert Pfeifen, die wie Messer in die Ohren schnitten; ein gräßliches Brummen in die Papierrollen und hundertfältiges Rufen: Ahnfrau, Ahnfrau, Wauwau, Wauwau! und ein zerschmetterndes Geschrei: Hurra, Hurra! so daß die bedrängten Frauen nicht mehr hörten noch sahen und dem Weinen nahe waren. Aber glücklicher- vielmehr unglücklicherweise wurde das Tor der Akademie in diesem Augenblick geöffnet.

Gleich der tobenden Flut, die einen Damm durchbricht, strömten die Knaben durch das Tor hinein. Die Frauen konnten dieser wüsten Gewalt nicht widerstehen und wurden durch den Torweg und durch den Hofraum gedrängt und fortgestoßen, bis sie sich in einem langen Gang befanden, ohne zu wissen, wie sie dahin gekommen, und noch ganz betäubt von dem Sturme. Der Großmutter stand ihre Haube ganz schief, ohne daß es ihr möglich war, sie wieder in die rechte Form zu bringen; Fränzchens – Haare waren wirr, und die Kleider der beiden Frauen garstig verknüllt.

Mit stiller, bebender Stimme sprach die Großmutter: »Heiliger Gott, Annemie! was ist das für ein Leben? Das gleicht einem Haufen Teufel!«

Die Mutter: »Ach Gott! Mutter, ich dachte, daß sie uns noch eine halbe Stunde weiter fortgestoßen hätten. Aber wo sind wir hier? Das ist wie ein Kloster. Seht, dort kommt ein kleiner Junge; der sieht keinem Taugenichts gleich; fragt ihn einmal, wo das Zimmer des Herrn van Bree ist.«

Die Großmutter (zu dem Knaben): »Männchen, weißt du nicht, wo wir hingehen müssen, um Herrn van Bree zu sprechen? Wo ist Herr van Bree?«

D e r  J u n g e (er streckt die Zunge zwischen den zwei Zeigefingern heraus): »In seiner Haut steckt Herr van Bree, kommt er heraus, dann ist ihm weh.«6

Die Großmutter: (in Verzweiflung): »Pfui, pfui, welche Eulenspiegel allzumal! Annemie, hier kommen wir nie zurecht. (Es kommt ein Bube, der ihre Haube bei einem Flügel faßt und sie ihr beinah vom Kopfe reißt.) O pfui, ihr Schurken! Sie werden uns noch die Kleider vom Leibe reißen . . . Wollen wir nicht lieber nach Haus gehen?«

Die Mutter: »Geschwind, geschwind, setzt Eure Haube zurecht! sie ist ja zerzaust wie eine Katze, der die Gassenbuben mitgespielt haben. Wir sehen jetzt nicht darnach aus, um vor den Herren zu erscheinen.«

Fränzchen (mit leiser Stimme): »Seht, Großmütterchen, da kommt ein Herr; seht, er nimmt den Hut vor Euch ab. Dort geht er in die Türe!«

Die Großmutter: »Ach Gott! jetzt wissen wir noch nichts.«

Fränzchen: »Ja, aber Großmütterchen, da steht was ober der Türe zu lesen. Laß uns einmal sehen.« (Sie gehen zur Türe.)

Die Mutter: »Kannst du das lesen, Fränzchen?«

Fränzchen: »Ja Mutter. (Er betrachtet die Aufschrift einen Augenblick und liest:) Zimmer der Direktion.«

Die Großmutter: »Was wir aber auch dumm sind! Das ist ja nun das Zimmer des Herrn van Bree und des Herrn Wappers . . . Und wenn ich mich recht besinne: der junge Herr war Herr Wappers selbst. – Fränzchen, du mußt deine Kappe abnehmen.«

Fränzchen: »Ja, Großmutter.«

Die Großmutter: »Klopfe einmal.«

Die Mutter: »Ja, aber dürfen wir wohl klopfen? Da hängt eine Glocke ober der Türe, . . . wir wollen lieber anläuten.« (Sie suchen vergeblich nach dem Glockenzug, welcher inwendig im Zimmer hängt.)

Die Großmutter: »Das ist artig, he? Komm, klopf nur.« (Es kommt ein Knabe vorbei, welcher, um die Frauen in Verlegenheit zu setzen, einen gewaltigen Tritt gegen die Türe macht, so daß der Gang davon erdröhnt.)

Die Mutter (erschrocken): »Ach, Mutter, laßt uns davonlaufen, ich wag’ es nicht länger hier zu bleiben.«

4Abkürzung fürs Theresia.
5Eines der schönsten gereimten Kindergebete, die man finden kann, sowohl wegen seiner Zartheit, als wegen der weisen Ermahnung, womit es schließt.
6Dieser Spottvers ist nicht etwa eine Eigentümlichkeit belgischer Rangen. In verschiedenen Gegenden Ostpreußens, z.B. im Ermland antworten Kinder auf die Frage: Wer? mit: »Peter Blär, hockt unterm Tisch und guckt hervär.« Ähnlich auch in der Schweiz. Der Name Peter Bär kommt in einem Märchen vor, dessen Held von einem Bären abstammt. J. W. Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie ll, 67. A.d.Ü.