Tasuta

Bartleby

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Wie sich denken läßt, nahm mein ursprünglicher Geschäftsbereich – als Spezialist für Liegenschaftssachen, Fachmann für ungeklärte Besitzverhältnisse und Abfasser tiefgründiger Urkunden aller Art – nach meiner Betrauung mit dem Beisitzeramt erheblich an Umfang zu. Für Schreibhilfen hatte ich nun eine Menge zu tun. Ich mußte nicht nur die bei mir befindlichen Angestellten mächtig antreiben; auch eine zusätzliche Hilfe war nicht länger zu entbehren.

Auf eine Zeitungsanzeige hin stand eines Morgens ein steifleinener junger Mensch auf der Schwelle meiner Kanzlei, denn es war Sommer und die Tür stand offen. Ich sehe seine Gestalt noch heute vor mir – ausdruckslos sauber, erbarmungswürdig achtbar, hoffnungslos einsam. Es war Bartleby.

Nach einer kurzen Unterhaltung über seine Fähigkeiten stellte ich ihn ein, recht zufrieden, daß ich der Schar meiner Kopisten einen Menschen von so ungemein gesetztem Aussehen einverleiben konnte – einen Mann, dessen Art nach meiner Erwartung wohltätig auf Puters regelloses und Beißzanges feuriges Temperament einwirken würde.

Ich hätte schon vorher erzählen sollen, daß Flügeltüren aus Mattglas meine Kanzleiräume in zwei Hälften teilten, von denen die eine von meinen Schreibern, die andere von mir eingenommen wurde. Je nach meiner augenblicklichen Stimmung ließ ich die Türen offen oder geschlossen. Bartleby wies ich kurz entschlossen eine Ecke in der Nähe der Tür zu, jedoch auf meiner Seite, damit ich diesen stillen Menschen in bequemer Rufweite hätte, wenn irgend eine Kleinigkeit zu erledigen wäre. Ich stellte sein Pult in die Nähe eines kleinen Seitenfensterchens, durch das man ursprünglich auf einige schmutzige Hinterhöfe und Ziegelmauern hatte sehen können, das aber jetzt, da inzwischen gebaut worden war, überhaupt keine Aussicht mehr bot, nur noch ein wenig Licht. Drei Fuß vor dem Fenster erhob sich eine Wand, und das Licht kam von hoch oben, zwischen zwei hohen Gebäuden, wie durch eine schmale Öffnung in einer Kuppel. Um die Sache weiter zufriedenstellend einzurichten, brachte ich einen hohen grünen Wandschirm an, durch den Bartleby meinem Blick völlig entzogen wurde, während er meiner Stimme erreichbar blieb. Auf diese Weise waren, soviel als möglich, Abgeschlossenheit und Geselligkeit vereint. Anfangs erledigte Bartleby ganz erstaunliche Mengen von Schreibarbeit. Als hungere er seit langem nach Kopierarbeiten, fraß er sich förmlich voll mit meinen Dokumenten. Zur Verdauung blieb keine Zeit. Er kopierte Tag und Nacht, bei Sonne und bei Kerzenlicht. Mir hätte sein Eifer recht gut gefallen, wenn es nur ein richtiger, mit Heiterkeit gepaarter Fleiß gewesen wäre. Er schrieb indessen still vor sich hin, bleich und mechanisch.

Wie sich denken läßt, gehört es wesentlich zur Arbeit eines Schreibers, daß er die Richtigkeit seiner Abschrift Wort für Wort nachprüft. Wo sich zwei oder mehr Schreiber in einer Kanzlei beisammenfinden, helfen sie sich gegenseitig bei dieser Arbeit, indem einer die Abschrift vorliest, während der andere das Original vergleicht. Eine sehr öde, ermüdende und eintönige Tätigkeit, die, möchte ich meinen, für manche Menschen von sanguinischem Temperament ganz unerträglich sein muß. Zum Beispiel kann ich mir schwer vorstellen, daß sich Byron, dieser Dichter und Feuergeist, in aller Ruhe mit Bartleby zusammen hingesetzt hätte, um ein juristisches Schriftstück von, sagen wir, fünfhundert engbeschriebenen Seiten zu kollationieren.

Dann und wann, wenn wir eilig zu tun hatten, beteiligte ich mich auch selbst am Kollationieren eines kürzeren Schriftstücks und rief dann Puter oder Beißzange zu diesem Zweck zu mir. Als ich Bartleby so praktisch hinter den Wandschirm in meiner Nähe verwies, hatte ich unter anderem auch den Zweck im Auge, mich bei derartigen rasch zu erledigenden Anlässen seiner Dienste zu versichern. Am dritten Tage wohl, an dem er bei mir war, und bevor sich noch die Notwendigkeit ergeben hatte, die von ihm gelieferten Schreibarbeiten zu kollationieren, wollte ich einen kleinen Vorgang, an dem ich eben arbeitete, rasch zu Ende bringen und rief kurzerhand nach Bartleby. Da ich es eilig hatte und begreiflicherweise daran gewöhnt war, daß meinen Wünschen sofort entsprochen wurde, hielt ich den Kopf tief über die Urschrift auf meinem Schreibpult gebeugt und streckte nur, vielleicht etwas ungeduldig, die rechte Hand mit der Kopie seitwärts aus, damit Bartleby, wenn er aus seinem Versteck hervorkäme, sogleich danach greifen und ohne den geringsten Verzug ans Werk gehen könnte.

In dieser Haltung also saß ich da, als ich nach ihm rief, und setzte ihm in aller Eile auseinander, was, ich von ihm wünschte – mir nämlich beim Vergleichen eines kleineren Schriftstücks zu helfen. Man stelle sich meine Überraschung, ich muß schon sagen meine Bestürzung vor, als Bartleby, ohne sich aus seiner Klause zu rühren, mit seltsam sanfter, fester Stimme zur Antwort gab: »Ich möchte lieber nicht.«

Ich saß eine Zeitlang stillschweigend da und versuchte mich von meiner Verblüffung zu erholen. Der Gedanke drängte sich mir auf, meine Ohren müßten mich wohl getäuscht haben, oder Bartleby habe vielleicht den Sinn meiner Worte völlig mißverstanden. Ich wiederholte mein Ersuchen, so klar und deutlich ich konnte, aber eben so klar und deutlich erhielt ich die vorige Antwort: »Ich möchte lieber nicht.«

»Lieber nicht!« wiederholte ich, sprang voller Erregung auf und durchmaß den Raum mit einem Satz. »Was soll das heißen? Sind Sie übergeschnappt? Ich wünsche, daß Sie mir dieses Blatt durchsehen helfen – hier … !« – und damit streckte ich es ihm hin.

»Ich möchte lieber nicht«, sagte er.

Ich schaute ihn durchdringend an. Sein Gesicht war hager in seiner Gesamtheit; sein graues Auge von trüber Ruhe. Nicht die geringste Spur von Erregung schien ihn zu durchbeben. Wäre nur die mindeste Unsicherheit, Empörung, Ungeduld oder Unverschämtheit an ihm wahrzunehmen gewesen, mit anderen Worten: hätte er nur irgendwie menschlich im normalen Sinn auf mich gewirkt, so hätte ich ihn zweifellos mit allem Nachdruck aus dem Hause gewiesen. Wie die Dinge aber lagen, hätte ich genau so gut meine gipserne Cicerobüste aus dem Hause weisen können. Ich schaute ihm noch eine Zeitlang zu, wie er seine Schreiberei fortsetzte, und ließ mich dann wieder an meinem Pult nieder. Das ist ja seltsam, dachte ich. Was tat man da am besten? Aber die Geschäfte drängten, und so entschied ich mich, die Sache einstweilen auf sich beruhen zu lassen und später bei günstigerer Zeit zu regeln. Ich rief Beißzange von nebenan zu mir und hatte das Papier rasch durchkorrigiert.

Einige Tage darauf beendete Bartleby die Abschrift von vier umfangreichen Schriftstücken, der vierfachen Abschrift einer von mir beim Obersten Kanzleigericht eingeholten Zeugenaussage. Wieder wurde eine genaue Durchsicht notwendig, und da es sich um einen wichtigen Rechtsstreit handelte, war besondere Sorgfalt geboten. Im gegebenen Augenblick rief ich Puter, Beißzange und Pfeffernuß aus dem Nebenzimmer zu mir, in der Absicht, meinen vier Angestellten die vier Kopien in die Hand zu geben und selbst die Urschrift vorzulesen. Die drei hatten sich bereits in einer Reihe niedergelassen jeder sein Schriftstück in der Hand, und nun rief ich auch noch Bartleby herbei, damit er sich der interessanten Gruppe beigeselle.

»Bartleby! Rasch – ich warte!«

Ich hörte das leise Scharren der Stuhlbeine auf dem mit keinem Teppich belegten Fußboden, und gleich darauf erschien er am Eingang zu seiner Einsiedelei.

»Was ist gefällig?« sagte er sanft.

»Die Abschriften, die Abschriften«, sagte ich hastig. »Wir wollen kollationieren. Hier –« und ich hielt ihm die vierte Abschrift hin.

»Ich möchte lieber nicht«, sagte er und verschwand still hinter seinem Wandschirm.

Einige Augenblicke war ich zur Salzsäule verwandelt und stand sprachlos zuhäupten meiner sitzenden Angestelltenkolonne. Dann faßte ich mich, trat auf den Wandschirm zu und erkundigte mich nach den Gründen eines so ungewöhnlichen Verhaltens.

»Warum weigern Sie sich?«

»Ich möchte lieber nicht.«

Bei jedem anderen wäre ich nun sofort in schreckliche Wut geraten, hätte auf jedes weitere Wort verzichtet und ihn mit Schimpf und Schande des Hauses verwiesen. Bartleby aber hatte etwas an sich, was mich nicht allein seltsam entwaffnete, sondern auch, aufs wunderlichste, rührte und aus dem Konzept brachte. Ich begann ihm ins Gewissen zu reden.

»Es handelt sich um Ihre eigenen Abschriften, die wir kollationieren wollen. Ihnen selber wird damit Arbeit gespart, denn eine Durchsicht genügt dann für alle vier Exemplare. So will's der Brauch; jeder Abschreiber ist verpflichtet, daß er beim Kollationieren seiner Abschriften hilft. Ist es nicht so? Wollen Sie nicht sprechen? Antworten Sie!«

»Ich möchte lieber nicht«, erwiderte er in flötensanftem Ton. Ich hatte den Eindruck, daß er während meiner an ihn gerichteten Worte jede meiner Behauptungen sorgfältig bei sich erwog, daß er den Inhalt meiner Worte durchaus begriff und ihre zwingende Logik nicht anzufechten vermochte, daß ihn aber irgend eine vordringliche Überlegung dazu veranlaßte, dennoch die bewußte Antwort zu geben.

»So gedenken Sie also meinem Ersuchen nicht zu entsprechen – einem Ersuchen, das sich auf Brauch und gesunden Menschenverstand stützt?«

Er gab mir kurz zu verstehen, daß ich ihn in diesem Punkt richtig verstanden hätte. Ja: sein Entschluß sei unumstößlich.

Es kommt nicht selten vor, daß ein Mensch, den man auf noch nie dagewesene und kraß der Vernunft widersprechende Weise vor den Kopf gestoßen hat, in seinem selbstverständlichsten Glauben irre wird. In ihm erwacht sozusagen die unbestimmte Vermutung, daß vielleicht, so seltsam es auch sei, Recht und Vernunft auf der anderen Seite sein könnten. Sind irgendwelche unparteiischen Personen zugegen, so wird sich der solcherart Irregewordene an sie wenden, um bei ihnen für seinen wankenden Gemütsfrieden eine Stütze zu finden.

 

»Puter«, sagte ich, »was halten Sie davon? Bin ich nicht im Recht?«

»Mit schuldiger Ehrerbietung, Sir«, sagte Puter in seinem geschmeidigsten Ton, »ich glaube wohl.«

»Beißzange«, sagte ich, »was meinen Sie?«

»Ich? Hinausschmeißen würde ich ihn!«

(Der mit Aufmerksamkeit folgende Leser wird sich an dieser Stelle darüber klar sein, daß die Szene am Vormittag spielt, weswegen Puters Antwort in höflichen, ruhigen Ausdrücken gehalten, Beißzanges Erwiderung dagegen übellaunig gefaßt ist. Oder, um es mit einem schon früher gebrauchten Bilde zu sagen: Beißzanges schlechte Laune hatte Dienst, Puters Übellaune hatte dienstfrei.)

»Pfeffernuß«, sagte ich, denn ich wollte auch die geringste Stimme zu meinen Gunsten aufbieten, »was sagst du dazu?«

»Ich sage, Sir, der hat 'n Vogel!« erwiderte Pfeffernuß grinsend.

»Sie hören, was die Leute sagen«, sagte ich, an den Wandschirm gewandt. »Nun kommen Sie heraus und tun Sie Ihre Pflicht!«

Mir ward keine Antwort zuteil. Ich überlegte einen Augenblick, in heilloser Verwirrung. Wieder waren es die Geschäfte, die mich drängten, und ich beschloß abermals, die Entscheidung der Frage bis auf spätere ruhige Zeit zu verschieben. Mit einiger Mühe bewerkstelligten wir es, die Schriftstücke ohne Bartleby zu kollationieren, wenn auch Puter alle paar Seiten seine Meinung bescheidentlich dahin vernehmen ließ, daß dies Verfahren ganz und gar ungewöhnlich sei, indes Beißzange mit der Nervosität des Magenkranken seinen Stuhl hin und her rückte und zwischen zusammengebissenen Zähnen ab und zu ein Knirschen und Zischen der Verwünschung hervorstieß auf den hartgesottenen Esel hinter dem Wandschirm. Was ihn (Beißzange) angehe, so sei dies das erste und letzte Mal, daß er unbezahlt die Arbeit für einen anderen verrichte.

Bartleby saß derweilen in seiner Klause, auf nichts bedacht als auf seinen eigenen Schreiberkram.

Einige Tage vergingen; Bartleby saß wieder über einer langwierigen Arbeit. Das seltsame Verhalten, das er jüngst an den Tag gelegt, ließ mich mit Genauigkeit auf ihn achten. Ich beobachtete, daß er nie zum Essen ging, genau gesagt, daß er überhaupt nie das Haus verließ. Außerhalb meines Büros war er mir, soviel ich mich erinnerte, noch nie begegnet. Als ewiger Wachtposten hauste er in seinem Winkel. Doch stellte ich fest, daß um elf Uhr vormittags Pfeffernuß auf die Öffnung in Bartlebys spanischer Wand zutrat, als würde er von einer, von meinem Platz aus unsichtbaren Handbewegung stillschweigend dorthin befohlen. Er verließ sodann die Kanzlei, mit einigem Kleingeld klimpernd, und erschien wieder mit einer Handvoll Pfeffernüsse, die er in der Klause ablieferte, nicht ohne zwei Stück als Lohn für seine Mühe zu empfangen. Er lebt also von Pfeffernüssen, dachte ich. Mittagbrot, oder was man so nennt, ißt er nicht. Er muß demnach Vegetarier sein – aber nein: er ißt ja auch keine Vegetabilien, er ißt lediglich Pfeffernüsse. Mein Geist erging sich in allerlei müßigen Betrachtungen darüber, welche Wirkung es wohl auf die menschliche Konstitution ausüben müsse, wenn jemand ausschließlich von Pfeffernüssen lebte. Pfeffernüsse heißen deshalb so, weil sie als charakteristischen Bestandteil und als entscheidende Geschmackszutat Pfeffer enthalten. Und was war Pfeffer? Etwas Hitziges, Gewürziges. War Bartleby hitzig und gewürzig? Durchaus nicht. Pfeffer tat demnach auf Bartleby, keine Wirkung. Wahrscheinlich war es ihm lieber so.

Nichts kann einen ernsthaften Menschen so aufbringen wie passiver Widerstand. Ist der, dem auf solche Weise begegnet wird, von einigermaßen humaner Gemütsart und der Widerstandleistende seinerseits harmlos in seiner Passivität, dann wird der Fall eintreten, daß jener, bei einigermaßen guter Stimmung, Mitleid walten läßt und mit Hilfe seiner Einfühlungsgabe auszudeuten versucht, was ihm verständlich unerklärlich bleibt. Dergestalt beurteilte auch ich, von Ausnahmefällen abgesehen, meinen Bartleby und seine Eigenarten. Der arme Kerl!, dachte ich; er meint es nicht böse; offensichtlich hat er keine Unverschämtheit im Sinn; sein Aussehen schon bietet die Gewähr dafür, daß keine Absicht hinter seinen Verschrobenheiten steckt. Er ist mir nützlich. Ich komme mit ihm zurecht. Wenn ich ihn an die Luft setze, gerät er womöglich an einen weniger nachsichtigen Brotgeber und dann wird er grob angepackt und verhungert vielleicht zuguterletzt ganz elendiglich. So ist es. Für mich bietet sich hier eine wohlfeile Gelegenheit, mich so zu benehmen, daß ich mit mir selbst zufrieden sein kann. Wenn ich mich des Bartleby annehme, wenn ich ihn in seiner kuriosen Dickköpfigkeit gewähren lasse, so kostet mich das wenig oder nichts, und ich lege mir damit seelisch eine Art Kapital an, das mir dereinst vielleicht einen süßen Gewissenstrost bedeutet. Freilich erlitt diese Einstellung Bartleby gegenüber mitunter auch eine Unterbrechung. Bartlebys Passivität ging mir manchmal auf die Nerven. Es trieb mich rätselhaft, ihn auf einer neuen Widersetzlichkeit zu ertappen – einen Zornesfunken aus ihm hervorzulocken, an dem ich mich selber entzünden könnte. Ich hätte genau so gut versuchen können, mit meinen Fingerknöcheln aus einem Stück Windsorseife Feuer zu schlagen. Eines Nachmittags übermannte mich der böse Trieb, und folgende kleine Szene entspann sich: »Bartleby«, sagte ich, »wenn diese Papiere alle abgeschrieben sind, werde ich sie mit Ihnen kollationieren.«

»Ich möchte lieber nicht.«

»Wie denn? Sie werden sich doch nicht auf diese eigensinnige Grille versteifen wollen?«

Keine Antwort.

Ich riß die Flügeltür neben mir auf und wandte mich an Puter und Beißzange mit dem, Ausruf: »Bartleby erklärt schon wieder, daß er seine Papiere nicht kollationieren will. Was halten Sie davon, Puter?«

Es war Nachmittag, nicht zu vergessen. Puter saß glühend da wie ein Teekocher; seine Glatze dampfte, seine Hände tasteten fahrig zwischen seinen beklecksten Papieren.

»Was ich davon halte?« brüllte er; »ich halte das davon, daß ich demnächst mal zu ihm hintergehe hinter seine spanische Wand und ihm eine runterhaue.«

Mit diesen Worten sprang er auf und warf die Arme in eine Ringkämpferpositur. Er wollte alsbald losrennen und sein Versprechen erfüllen, aber ich hielt ihn zurück, weil ich mir mit Schrecken überlegte, welche Folgen es haben könnte, wenn ich Puters nachmittägliche Kampfeslust unvorsichtig wachriefe.

»Setzen Sie sich hin, Puter«, sagte ich, »und hören Sie, was Beißzange zu sagen hat. Was meinen Sie, Beißzange? Hätte ich nicht das Recht, Bartleby fristlos zu entlassen?«

»Verzeihung, das haben Sie zu entscheiden, Sir. Meiner Meinung nach ist sein Verhalten durchaus ungewöhnlich und, Puter und mir gegenüber, unbillig. Vielleicht handelt es sich aber nur um eine vorübergehende Laune von ihm.«

»So, so?« rief ich, »Sie haben Ihre Ansichten ja erstaunlich geändert. Sie sprechen auf einmal sehr nachsichtig von ihm.«

»Das Bier!« schrie Puter dazwischen, »die ganze Nachsicht kommt nur vom Bier! Beißzange und ich haben heute zusammen gegessen. Schauen Sie nur, wie nachsichtig ich bin, Sir! Soll ich hinein und ihm eine langen?«

»Sie sprechen von Bartleby? Nein, Puter, heute nicht«, erwiderte ich. »Nehmen Sie bitte die Fäuste herunter.«

Ich schloß die Tür und trat abermals auf Bartleby zu. Mehr noch als zuvor verspürte ich die Lust, es aufs Ganze ankommen zu lassen. Widerspruch zu erleben wäre mir hochwillkommen gewesen. Ich entsann mich, daß Bartleby nie die Kanzlei verließ. »Bartleby«, sagte ich, »Pfeffernuß ist ausgegangen; gehen Sie doch eben mal rüber aufs Postamt, Bitte«, – es war nur drei Minuten entfernt – »und sehen Sie nach, ob etwas für mich da ist.«

»Ich möchte lieber nicht.«

»Sie wollen nicht?«

»Ich möchte nicht.«

Ich taumelte zu meinem Pult und versank in tiefes Nachdenken. Die zwanghafte Lust von vorhin kehrte wieder. Gab es noch etwas, worin ich mir von diesem armseligen Hungerleider, meinem bezahlten Angestellten, eine schmähliche Abfuhr holen konnte? Fand sich nicht noch ein Auftrag, ein durchaus vernünftiger und billiger Auftrag, den auszuführen er sich, bestimmt weigern würde?

»Bartleby!«

Keine Antwort!

Lauter: »Bartleby!«

Keine Antwort!

Mit Stentorstimme: »Bartleby!«

Wie der leibhaftige Geist, nach den Gesetzen magischer Beschwörung erst der dritten Aufforderung erbötig, erschien er im Eingang seiner Klause.