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Bartleby

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»Ja.«

»Will der verhungern? Dann brauchen Sie ihn nur auf Gefängniskost zu setzen – das genügt.«

»Wer sind Sie?« fragte ich. Ich wußte nicht recht, was ich aus einem so wenig amtlich redenden Gesellen an diesem Ort machen sollte.

»Ich bin der Mann mit dem Essen. Die Herrschaften, die Freunde hier sitzen haben, stellen mich an, damit sie etwas Gutes zu futtern bekommen.«

»Ist das so?« fragte ich, an den Beschließer gewandt.

Er sagte, es stimme.

»Na schön«, sagte ich und ließ dem Essensmann (denn so nannte man ihn) etwas Silbergeld in die Hand gleiten, »ich möchte, daß Sie auf meinen Freund besonders achtgeben. Besorgen Sie ihm das beste Essen, das Sie auftreiben können. Und dann: seien Sie immer recht höflich zu ihm.«

»Stellen Sie mich doch bitte vor«, sagte der Essensmann und schaute mich mit einem Ausdruck an, der mir zu bedeuten schien, er sei ganz Ungeduld und wünsche sich dringend eine Gelegenheit, seiner guten Erziehung die Zügel schießen zu lassen.

In der Erwartung, es werde für den Schreiber von Vorteil sein, erklärte ich mich einverstanden. Ich bat den Essensman um seinen Namen und ging mit ihm zu Bartleby hinaus.

»Bartleby, da ist ein Mann, der es gut meint. Er wird Ihnen manches nützen können.«

»Ihr Diener, Sir, Ihr Diener«, sagte der Essensmann und machte hinter seiner Schürze eine tiefe Verbeugung. »Hoffentlich sagt es Ihnen zu hier, Sir? gepflegtes Grundstück – kühle Wohnräume – hoffentlich bleibt der Herr eine Weile bei uns – alles tun, daß Sie sich behaglich fühlen. Was möchten Sie heute zum Essen haben?«

»Ich möchte heute lieber nicht essen«, sagte Bartleby und wandte sich zum Gehen. »Es würde mir nicht bekommen – ich bin an Mahlzeiten nicht gewöhnt.« Mit diesen Worten entfernte er sich langsam nach der anderen Seite des Hofes und stellte sich vor einer kahlen Mauer auf.

»Nanu?« sagte der Essensmann, mit einem erstaunten Blick an mich gewandt. »Der ist wohl komisch, was?«

»Ich glaube, er ist ein bißchen gestört«, sagte ich traurig.

»Gestört? Gestört also? Wissen Sie, Ehrenwort, wenn Sie mich gefragt hätten, ich hätt'n für einen von den Herren Falschmünzers gehalten. Die sind immer so bleich und wohlerzogen, die Falschmünzers. Mir tun sie immer leid, Sir, weiß Gott, mir tun sie immer leid. Haben Sie Monroe Edwards gekannt?« fragte er eindringlich und wartete, daß ich antworten sollte. Er legte seine Hand mit einem wehleidigen Ausdruck auf meine Schulter und seufzte: »Er ist in Sing-Sing gestorben, an der Schwindsucht. Sie haben ihn also nicht gekannt, den Monroe?«

»Nein, ich habe nie in Falschmünzerkreisen verkehrt. Aber ich kann mich leider nicht länger aufhalten. Kümmern Sie sich um meinen Freund da drüben. Es soll Ihr Schade nicht sein. Auf Wiedersehen.«

Einige Tage später erhielt ich abermals Zutritt zu den Gräbern und lief durch die Gänge auf der Suche nach Bartleby. Ich konnte ihn aber nicht finden.

»Es ist noch nicht lang her, da hab ich ihn aus seiner Zelle kommen sehen«, sagte ein Wärter. »Vielleicht ist er auf den Hof hinaus und macht sich Bewegung.«

Ich wandte mich der angegebenen Richtung zu.

»Suchen Sie nach dem Stillen?« sagte ein anderer Wärter, an dem ich vorüberkam. »Draußen liegt er – schläft da draußen im Hof. Vor 'ner Viertelstunde hab ich gesehen, wie er sich niederlegte.«

Im Hof herrschte völlige Stille. Die gemeinen Sträflinge durften nicht hinein. Die Mauern ringsum, erstaunlich dick gebaut, hielten jeden Laut ab. Die gleichsam ägyptische Architektur lastete düster auf mir. Unter meinen Füßen aber sproß ein weicher, hier eingefangener Rasen, Man war hier wie im Herzen der uralten Pyramiden, wo kraft seltsamer Magie, von Vögeln vertragen, durch die Ritzen Grassamen eingedrungen war und aufgegangen.

Seltsam zusammengesunken zu Füßen der Mauer, die Knie angezogen, auf der Seite liegend, den Kopf auf den kalten Steinen – so fand ich ihn liegen, den verkommenen Bartleby. Nichts rührte sich. Ich wartete; dann trat ich nahe hinzu, beugte mich über ihn und sah, daß seine trüben Augen offen standen; im übrigen schien er tief in Schlaf versunken. Es trieb mich, ihn anzufassen. Ich fühlte seine Hand – da lief ein prickelnder Schauder meinen Arm empor, mein Rückgrat entlang, bis hinab zu meinen Füßen.

Das runde Gesicht des Essensmanns blickte auf mich herab. »Sein Essen ist fertig. Will er heut wieder nicht essen? Oder lebt er ohne Essen?«

»Lebt ohne zu essen«, sagte ich und drückte ihm die Augen zu.

»He? – Der schläft doch, was?«

»Mit Königen und Ratsherren«, sagte ich leise.

Eigentlich ist dieser Geschichte kaum noch etwas hinzuzufügen. Mit einiger Phantasie kann man sich die Schilderung von der Beerdigung des armen Bartleby leicht selber ergänzen. Doch möchte ich, bevor ich mich vom Leser trenne, gern noch das eine sagen: sollte ihn die kleine Erzählung hinlänglich gefesselt haben, so daß er etwa wissen möchte, wer Bartleby war, und welches Leben er vor seinem Eintritt in den Bekanntenkreis des Erzählers geführt haben mag, so kann ich nur erwidern, daß ich diese Wißbegierde vollauf teile, aber leider durchaus nicht zu stillen in der Lage bin. Ich weiß auch nicht recht, ob ich hier eine unbeträchtliche Nachricht mitteilen soll, die mir einige Monate nach dem Hinscheiden meines Schreibers gerüchtweise zu Ohren gekommen ist. Worauf sie sich gründete, konnte ich niemals in Erfahrung bringen; kann also auch nicht sagen, wie weit ihr zu glauben ist. Immerhin, für mich ist der äußerst unbestimmte Bericht von einem gewissen anregenden Interesse gewesen, so traurig er auch klang, und so mag es anderen ähnlich ergehen – ich erwähne ihn daher hier in aller Kürze. Er lautete so: Bartleby habe einen untergeordneten Schreiberposten im Amt für unbestellbare Briefe in Washington innegehabt und sei dort infolge eines Wechsels in der Verwaltung plötzlich entlassen worden. Wenn ich über dieses Gerücht nachdenke, überfallen mich immer unaussprechliche Empfindungen. Unbestellbare Briefe! – Haben sie nicht etwas von Gestorbenen? Man stelle sich einen Menschen vor, den schon Natur und Schicksalsungunst für eine fahle Hoffnungslosigkeit vorbestimmen – kann es für einen solchen Menschen einen geeigneteren Beruf geben als den beständigen Umgang mit den unbestellbaren Briefen, den Briefen, die er für den Flammentod sortieren muß? Denn ganze Wagenladungen solcher Briefe werden alljährlich verbrannt. Manchmal entnimmt der blasse Beamte dem zusammengefalteten Papier einen Ring – der Finger, für den er bestimmt war, modert vielleicht schon im Grab; oder eine Banknote, die Botin rascher Hilfsbereitschaft – aber der, dem sie Hilfe bringen sollte, weiß nichts mehr von Essen und von Hunger nichts. Verzeihung denen, die verzweifelnd starben; Hoffnung denen, die hinübergingen ohne Hoffnung; gute Nachricht denen, die gestorben sind unterm Würgegriff der ungelinderten Not. Briefe, um des Lebens willen abgesandt, eilen sie dem Tod entgegen.

Ja, Bartleby! Ja, Menschentum!