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Volkmar Groß. Der Berliner.
*31.1.1948 Berlin; † 3.7.2014 Berlin

Volkmar Groß ist ein Fall für sich. Er war in seiner Glanzzeit für mich der beste Torhüter, den ich je spielen sah, gleichermaßen stark auf der Linie und aufgrund seiner Körpergröße (1,93 m) der Herrscher des Strafraums. Unter der Präsidentschaft des legendären Vereinsvorsitzenden Otto Höhne, dem Rektor einer Zehlendorfer Grundschule, machte Volkmar Groß bei der „kleinen“ Hertha (Hertha 03 Zehlendorf) durch hervorragende Leistungen auf sich aufmerksam. Der Verein aus dem Nobelviertel im Süden Berlins galt jahrelang als Talentschmiede des Berliner Fußballs und darüber hinaus. Otto Höhne besaß ein Auge für Talente und holte sie reihenweise von noch kleineren Berliner Vereinen nach Zehlendorf in das Ernst-Reuter-Stadion in der Onkel-Tom-Straße. Dort erhielten sie den Feinschliff und wanderten anschließend zu den führenden Klubs in der Bundesliga, unter anderen Helmut Faeder, Christian Ziege, Robert und Niko Kovac. Auch Pierre Littbarski, vom VfL Schöneberg gekommen, machte Zwischenstation bei der „kleinen Hertha“ und ging anschließend zum 1. FC Köln.

Von der „kleinen Hertha“ wechselte Volkmar Groß zur „großen Hertha“ an den Gesundbrunnen, mit der er in die Bundesliga aufstieg. Für Hertha BSC trat er in über 100 Spielen an und gehörte zu den Meistern seines Fachs. Ferenc Puskas, der ungarische Weltstar der fünfziger Jahre, sah ihn in einem Spiel und kommentierte dessen Leistung mit „Weltklasse“.

Jäh unterbrochen wurde sein Aufstieg durch die Verwicklung des Klubs in den Bundesligaskandal im Jahr 1971. Über seinen Mitspieler Jürgen Rumor hatten Funktionäre von Arminia Bielefeld Kontakte zum Team der Berliner hergestellt und 250.000 DM geboten, falls Hertha das Spiel gegen die abstiegsbedrohte Elf von der Alm verlieren würde. Dagegen standen 140.000 DM von Kickers Offenbach im Falle eines Sieges gegen die Bielefelder, die der Offenbacher Bananenhändler und Präsident des OFC Horst Gregorio Canellas ins Spiel gebracht hatte. Bei der durch ihn erfolgten Aufdeckung des Skandals deklarierte der OFC-Präsident die in Aussicht gestellte Summe allerdings als „Scheinangebot“.

Die Berliner verloren das Heimspiel mit 0:1. Volkmar Groß wurde von der Presse dennoch eine gute Leistung bescheinigt. Nach dem Spiel trafen sich die Herthaner Spieler in der Gaststätte Waldhaus an der Havelchaussee auf ein Bier. Dort tauchte auch der Abwehrrecke Jürgen Rumor auf, um etwas Wichtiges mit seinen Kameraden zu besprechen. Das Treffen wurde in der Wohnung von Volkmar Groß fortgesetzt. Das in einem Aktenkoffer enthaltene Geld aus Bielefeld wurde unter den Spielern verteilt. Jeder Beteiligte bekam 15.000 DM. Volkmar Groß hat bis zuletzt behauptet, nicht absichtlich verloren zu haben. Kurze Zeit später ließ „Bananen-Canellas“ auf seiner legendären Geburtstagsparty im Sommer 1971 in Anwesenheit von Bundestrainer Helmut Schön die Katze aus dem Sack. Zunächst wurden nur die Hertha-Spieler Tasso Wild und Bernd Patzke vom DFB für vier Jahre gesperrt. Anschließend erwischte es auch die anderen Beteiligten, darunter Volkmar Groß, der zu den besten deutschen Torhütern gehörte, bereits ein Länderspiel in der A-Nationalmannschaft absolviert hatte und dem noch eine große Karriere bevorgestanden hätte. Volkmar Groß hat sich für sein unehrenhaftes Verhalten zeit seines Lebens geschämt.

Infolge der Sperre ging er für zwei Jahre nach Südafrika, spielte beim FC Hellenic Kapstadt und kehrte über eine weitere Zwischenstation bei Twente Enschede in Holland zurück nach Berlin. 1977 trat er in der Bundesliga-Rückrunde für die Tennis Borussen an. Es folgte ein zweijähriges Gastspiel bei Schalke 04, und der Abschluss der Karriere vollzog sich von 1979 bis 1983 in der North American Soccer League. Anschließend blieb Volkmar Groß noch weitere Jahre in den Vereinigten Staaten und arbeitete dort als Torwarttrainer und Autoverkäufer.

2003 eröffnete er in der Naumannstraße in Berlin-Schöneberg eine „Sportsbar“ (Volkmars Tor/HFC Sporteck), in der er bis zu seiner Krebserkrankung (2008) hinter dem Tresen stand. Hinzu kam eine Lungenerkrankung (COPD), die ihm erhebliche Atembeschwerden bereitete.

Volkmar Groß starb im Alter von 66 Jahren am 3. Juli 2014.

Klaus Thomforde. Das Tier im Tor.
*1.12.1962 Bremervörde-Milstedt

„In der ersten Liga Bälle zu halten finde ich total geil. Da geht mir voll einer ab!“ (Zitat Klaus Thomforde). Wer den Mann im Tor gesehen hat, der will das gerne glauben. Wer ihn persönlich kennt, hat zunächst einmal den Eindruck, dass es sich bei dem Kult-Keeper des FC St. Pauli um einen zurückhaltenden, bescheidenen und freundlichen Menschen handelt. Freundlich ist er ohne jeden Zweifel – und alles andere als ein Selbstdarsteller.

Der Ort Milstedt, in dem das „Tier im Tor“ geboren wurde, zählt gerade einmal 297 Einwohner und liegt in der Elbmarsch. Das Dörfchen zwischen Hamburg und Bremen wurde 1974 in die Stadt Bremervörde eingemeindet. Und der gelernte Finanzbeamte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der berühmteste Sohn seines Geburtsortes.

Thomforde war bereits Beamter auf Lebenszeit, bevor er sich entschloss, in den Profifußball zu wechseln. Er spielte in der Jugend beim Bremervördener SC und dann, von 1983 bis 1992, insgesamt 359-mal im Tor des FC St. Pauli.

Hansi Bargfrede, sein Kumpel, hatte ihn mit zum Training ans Millerntor genommen, und der damalige Trainer der Paulianer, Michael Lorkowski, war von seinem Torwartspiel so begeistert, dass er ihm versprach, er werde ihn zum Bundesligatorwart machen.

Seine Ehefrau Manuela hat Klaus Thomforde im Clubheim kennengelernt. Sie war Fan des FC St. Pauli und wurde Fan von Klaus Thomforde. Das Ehepaar hat drei Söhne, zwei davon tragen den Vornamen Klaus: Malcolm-Klaus und Mortimer Klaus.

Klaus Thomforde erzählt, dass seine Frau ihn in der aktiven Zeit, wenn er auf dem Platz über das Ziel hinausgeschossen sei, ermahnt habe, stets mit dem Hinweis, wie sich sein Verhalten auf die Erziehung der Kinder auswirken könne. Das habe ihm zu denken gegeben. Doch ist der Mann aus der Elbniederung keiner, der sich außerhalb des Strafraums leicht aus der Ruhe bringen ließe.

Als Tormann hingegen wirkte „Klauuuuus“, wie ihn die Fans oft minutenlang feierten, manchmal so, als sei er auf „Droge“. Seinen Rufen und Gesten war zu entnehmen, dass er 90 Minuten lang brannte und fieberte. Todesmutig warf er sich ins Getümmel, und manchmal hielt er Sachen, die für einen Normalsterblichen nicht zu fassen waren. Wenn er dann wieder einen Ball in unverwechselbarer Manier gehalten hatte, rieb er sich die Hände, schüttelte die Fäuste wie in Ekstase und machte die „Säge“. „Das Tier im Tor“ ist bis heute der größte „Pusher“, den man je im Kasten des FC St. Pauli gesehen hat.

Dem Fußball-Magazin „11 Freunde“ erzählte Klaus Thomforde, er habe sich seine Art Torwart zu sein, bei zwei englischen Torhütern des FC Southampton abgekuckt, als man gemeinsam mit dem englischen Klub in einem Trainingslager in Spanien gewesen sei. Die Torhüter Tim Flowers und John Burridge hätten ständig geschimpft wie die Rohrspatzen. Doch anders als seine englischen Vorbilder lebte Klaus Thomforde auf dem Platz vor allem seine Freude aus. Das gab ihm Selbstvertrauen und motivierte ihn zu Höchstleistungen auf der Linie.

In wenigen, schwachen Momenten unterliefen ihm auch Fehler. Wahrscheinlich waren sie seiner Aufregung geschuldet. So hatten einige Zuschauer manchmal das Gefühl, der Keeper der Braunweißen wisse nicht, ob er den Ball im Sechzehner mit der Hand aufnehmen durfte oder mit dem Fuß spielen musste.

Nach seiner langen Karriere als Tormann beim FC St. Pauli, die er wegen eines Kreuzbandrisses beenden musste, machte der gutmütige Mann vom Millerntor als Torwart-Trainer auf sich aufmerksam. Er arbeitete bei Holstein Kiel, in Litauen und ist nunmehr seit vielen Jahren als erfolgreicher Torwart-Trainer der deutschen U-21 Auswahl tätig.

Volker Ippig. Der Hausbesetzer.
*28.1.1963 Eutin

Vor gut zehn Jahren, im kalten Spätherbst, konnten Besucher eines Kreisligaspiels im holsteinischen Wakendorf-Götzberg ein Aufwärmen der Gastmannschaft des TSV Lensahn beobachten.

Der auffälligste Mann bei der Vorbereitung war ein Spieler mit Zipfelmütze, der die Bälle mit Wucht aufs Tor drosch und bereits vor dem Anpfiff lautstark Anweisungen an seine Mitspieler gab. Als das Spiel begann, führte er den Anstoß aus und fungierte im weiteren Spielverlauf als Mittelstürmer, der unermüdlich ackerte und seine Mitspieler immer wieder aufs Neue antrieb. Der hochaufgeschossene Schlaks, bester Mann auf den Platz, war niemand anderes als der ehemalige Torhüter des FC St. Pauli, Volker Ippig. Damals hatte der Lensahner die Vierzig bereits deutlich überschritten.

Volker Ippig ist als Kämpfer für Gerechtigkeit und Sozialismus einerseits und mit seinem außergewöhnlichen und bedingungslosen Torwartspiel andererseits, ganz eindeutig eine wesentliche Figur unter den Gestaltern des FC St. Pauli Images als „linker“ Fußballclub. Er bestritt 144 Pflichtspiele für die „Boys in Brown“.

Als Sechzehnjähriger wechselte Ippig im Jahr 1979 vom Amateurverein TSV Lensahn im Ostholsteinischen zum über 100 km entfernten FC St. Pauli in Hamburg. Im Jahr 1981 stand der junge, großgewachsene Blonde zum ersten Mal im Tor der Ligaelf.

Der Weg zur Nummer 1, den er dann von 1987-1991 im Tor des FC St. Pauli machte, war von einigen Zwischenstationen und Umwegen gekennzeichnet. Ippig arbeitete vorübergehend in einem Heim für behinderte Kinder, nahm sich anschließend eine Auszeit und ging als Aufbauhelfer für ein Jahr nach Nicaragua, um dort am Bau eines Krankenhauses mitzuarbeiten. In der Saison 1986/1987 schaffte Volker Ippig den Durchbruch bei den Braun-Weißen und wurde Stammtorwart.

 

Nebenbei machte der große Blonde aus der holsteinischen Provinz durch seine Lebensart auf sich aufmerksam. Er entsprach in keiner Weise dem damals üblichen Klischee eines Fußballprofis, sympathisierte mit den Hausbesetzern am Hamburger Hafen, fuhr mit dem Fahrrad statt mit einem teuren BMW zum Training und machte aus seiner antiautoritären, linkspolitischen Einstellung keinen Hehl. Bei einem Interview im ZDF-Sportstudio trug die Galionsfigur aller fußballbegeisterten Linken in Deutschland Bauarbeiterschuhe. Bei den kurzen und knackigen Antworten des Interviewten blieb kein Auge trocken, und für die Fußballwelt im Lande war Volker Ippig fortan ein linker Revoluzzer im Torwarttrikot.

Dennoch wurde er zu einer Art Ziehsohn des damaligen FC St. Pauli-Präsidenten und Unternehmers Otto Paulick. Ippig zahlte seinem Förderer und dem Verein dessen Fürsorge durch gute Leistungen zurück.

Wieder einmal als Ablösung von Klaus Thomforde im Tor stehend, gelang es ihm, bei einem Auswärtsspiel gegen den haushohen Favoriten Bayern München durch Glanzparaden den eigenen Kasten sauber zu halten: Der FC St. Pauli, sich wieder einmal im Abstiegskampf befindend, schaffte durch diesen großen Tag seines Torhüters den einzigen Auswärtssieg der Braun-Weißen gegen die auf Meisterschaften und Pokalsiege abonnierten Bayern.

Infolge einer Rückenverletzung beendete Volker Ippig, der erste und überzeugteste Sozialist unter den Bundesligaspielern des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1992 seine Karriere als Profi. Bei einem Training auf gefrorenem Boden hatte sich Ippig einen Knochen an der Wirbelsäule gebrochen. Das brachte ihn allerdings nicht dazu, dem Fußball auf Dauer „Adé“ zu sagen. Einige Jahre später lief er wieder als Mittelfeldspieler und Stürmer beim TSV Lensahn auf.

Auch sonst blieb die Torwartlegende aus Lensahn nicht untätig. Er schloss eine Ausbildung als Physiotherapeut ab, betrieb vorübergehend eine mobile Torwartschule und arbeitete zeitweilig als Torwarttrainer u. a. für den VfL Wolfsburg.

Noch als 55-Jähriger war Volker Ippig im Kader des TSV Lensahn gelistet, und da er Sonntag für Sonntag zum Fußball ging, nahm er seine Sporttasche immer mit. Er hätte im Notfall ja noch einmal einspringen können.

Der Vater von zwei Töchtern ist seit vielen Jahren als Lascher im Hamburger Hafen tätig und fährt täglich von Lensahn nach Hamburg und zurück. Seit 2011 wurde aus einer Tätigkeit auf Abruf eine Festanstellung.

Für die Fans vom Millerntor bleibt der Mann im gelben Pullover eine Symbolfigur ihres Vereins.

Harald Schumacher. Der Tünn.
*6.3.1954 Düren

„Toni“ Schumacher Zwo, der unter jüngeren Fußballfans gelegentlich als der einzig wahre Schumacher gilt, wurde am 6. März 1954 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Düren geboren. Sein Vorbild war der aus Köln stammende Torhüter von Rot-Weiss Essen Fritz Herkenrath, der bei der WM 1958 in Schweden den Kasten der deutschen Nationalmannschaft sauber hielt, von Beruf Lehrer war und später als Professor für Sport an der Technischen Universität Aachen und der Universität Düsseldorf lehrte. Schon die Mutter Schumachers war eine glühende Verehrerin des Volksschullehrers gewesen und forderte ihren Knaben Harald, wenn Besuch kam, auf, „den Herkenrath zu machen“. Der hechtete dann wie ein Irrwisch über die Sofakissen im Wohnzimmer.

Im Alter von acht Jahren begann Harald Schumacher bei Schwarz-Weiß Düren zunächst als Feldspieler. In den Schülermannschaften wurde er auf allen Positionen eingesetzt, bis er auf Empfehlung seiner Mutter zwischen die Pfosten beordert wurde. Von nun an ging’s bergauf.

Nach Nominierungen in der DFB-Jugendnationalelf und beendeter Lehre als Kupferschmied schaffte Schumacher den Sprung in den Bundesligakader des 1. FC Köln. Jupp Röhrig, eine der Geißbock-Legenden in den fünfziger Jahren, hatte ihn empfohlen.

Seinen bis heute unter Fußballfans üblichen Vornamen Toni bekam Harald Schumacher nicht in Erinnerung an den Torwarthelden von Liverpool gleichen Namens. Mit dem Verteidiger Konopka gab es bereits einen „Harald“ in den Reihen der Geißböcke, der diesen Vornamen trug. Und da in Harald Schumachers Geburtsurkunde als zweiter Vorname der seines Großvaters Anton verzeichnet ist, nannten ihn Mitspieler und Freunde nun Toni oder „Tünn“.

Beim einst so großen Effzeh war aller Anfang schwer für den unbekümmerten und schmächtigen jungen Mann aus Düren, der in seinen ersten Auftritten zuweilen hypernervös agierte. Der „Tünn“ brauchte Zeit, um an einem Klasse-Keeper wie Gerd Welz vorbeizuziehen. Unübersehbar war seine Klasse in der Beherrschung des Strafraums und sein Können auf der Linie. Immer ging er auch dahin, wo es weh tat. Sein Aufstieg zu einem der herausragenden Nationaltorhüter war das Ergebnis eines unbezähmbaren Willens und einer unvergleichlichen Leidenschaft, mit der er seine Aufgaben erledigte. Er agierte angstfrei im Strafraum und warf sich ins Getümmel gegnerischer und eigener Spieler, wo immer er es für geboten hielt. Nicht lange und Harald Schumacher hielt sich selbst für den besten Mann seines Fachs im deutschen Fußball. Alsbald hatte auch die Fachwelt keinen Zweifel mehr an der herausragenden Qualität des Kölner Keepers.

Mit dem 1. FC Köln schaffte er im Jahr 1978 das Double: die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokalsieg. Im Jahr 1980 war er einer der herausragenden Spieler der in Italien stattfindenden Europameisterschaft, die die DFB-Nationalelf gewann. Im Endspiel um die Europameisterschaft spielte Schumacher mit einem gebrochenen Finger. Die Verletzung hatte er vor dem Spiel verheimlicht.

Bereits vor der WM 1982 in Spanien galt Harald Schumacher als einer der weltbesten Torhüter. Sein Image wurde jedoch durch ein Foul in der Halbfinalbegegnung des Turniers gegen die französische Nationalmannschaft geschmälert, das er beim Herauslaufen an dem gegnerischen Spieler Patrick Battiston beging, indem er den in hohem Tempo herannahenden Franzosen außerhalb des 5-m-Raums ansprang und verletzte. Battiston erlitt einen Kieferbruch und verlor zwei Zähne. Nach dem gewonnenen Elfmeterschießen zog die DFB-Nationalelf ins Endspiel ein und verlor den Kampf um die WM gegen Italien in Madrid mit 3:1.

Harald Schumacher, der das in die Fußballgeschichte eingegangene Foul so gewiss nicht beabsichtigte, durchlebte in der Folge dieses Auftritts eine schwere Zeit und wurde von Kritikern im Ausland als „Rambo“ und „Nazi“ geschmäht.

Überragend agierte der Kölner dann wieder als Nationaltorhüter bei der WM 1986 in Mexiko. Im mit 2:0 gewonnenen Halbfinale gegen die Franzosen war Schumacher der beste Mann auf dem Platz. Das Endspiel gegen Argentinien ging mit 2:3 verloren. Schumacher wurde zum besten Torhüter des Turniers gewählt und erhielt anschließend zum zweiten Mal die Auszeichnung „Deutschlands Fußballer des Jahres“.

Ein Jahr später avancierte Harald Schumacher mit der Veröffentlichung des Buches „Anpfiff“ auch noch zum Erfolgsautor. Das Buch wurde in 13 Sprachen übersetzt und hatte die Trennung des Klassemanns von Verein und DFB-Nationalelf zur Folge, weil die Veröffentlichung zahlreiche interne und brisante Informationen um das Fußballgeschehen in Deutschland beinhaltete. Schumacher, der seinen Nachfolger im Tor der Nationalelf, Eike Immel, im Buch sinngemäß als spielsüchtig bezeichnete hatte, wechselte zum FC Schalke 04, mit dem er 1988 aus der Bundesliga abstieg.


Mit dem türkischen Eliteklub Fenerbahçe Istanbul wurde er Meister und galt von nun auch in der Türkei als Held des Strafraums. In der Saison 1991/1992 kam es zu einem kurzen Engagement bei Bayern München (8 Spiele); es folgte ein weiterer Auftritt in der Saison 1995/1996 für Borussia Dortmund.

Harald Schumacher blieb auch nach der Karriere als Aktiver dem Fußball verbunden, arbeitete als Torwarttrainer für Schalke 04, Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und als Chefcoach bei Fortuna Köln. Dort wurde er nach einem Streit mit dem unvergessenen Präsidenten Jean Löring als erster und wohl einziger Trainer des deutschen Profi-Fußballs in der Halbzeitpause entlassen.

Von 2012 bis 2019 amtierte Harald Schumacher als Vizepräsident des 1. FC Köln. Bis heute zählt die Legende im Tor der Geißböcke zu den beliebtesten Akteuren im deutschen Fußball, auch wenn die Sympathie für diesen Vertreter des offenen Wortes nicht allerorten geteilt wird.

Eike Immel. Der Zocker.
*27.11.1960 Stadtallendorf

Der Ausnahmetorhüter der achtziger und neunziger Jahre ist gebürtiger Oberhesse. Er wuchs in Erksdorf bei Marburg auf dem Bauernhof seiner Eltern auf und machte seine ersten Schritte als Fußballer beim späteren Hessenligisten Eintracht Stadtallendorf als Feldspieler in der Jugendmannschaft.

Sein großes Talent zeigte sich erst, nachdem er von den dortigen Jugendbetreuern im Tor aufgestellt wurde. Er wurde in verschiedene Auswahlteams des Kreises Marburg-Biedenkopf und des hessischen Fußballverbandes berufen, und so geriet er ins Blickfeld von Beobachtern einiger Bundesligavereine.

Im Alter von 15 Jahren wechselte er zu Borussia Dortmund, lebte dort in einer Pflegefamilie und schloss eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ab. Bereits im ersten Spiel als Bundesligaprofi gegen Bayern München glänzte er mit einer Klasseleistung, die er als seinerzeit jüngster Bundesligatorwart von nun an immer wieder bestätigte.

Schon jetzt gab es Gerüchte über Discobesuche und übermäßigen Alkoholkonsum des Jungstars. Doch im Kasten der Borussen gab es keinen besseren als ihn, und nicht nur dort: Bei der Europameisterschaft 1980 in Italien gehörte er zum Kader der DFB-Nationalelf. Nebenbei fuhr er den einen oder anderen Sportwagen zu Schrott und machte nach seinem Wechsel zum VfB Stuttgart im Jahr 1986 Schlagzeilen in der Boulevardpresse, weil er hohe Summen beim Kartenspiel einsetzte – und dabei oft verlor.

Auch aufgrund beständig guter Leistungen der Nummer 1 im Kasten des VfB errang er mit seinem Verein in der Saison 1991/1992 die Deutsche Meisterschaft. Vom VfB Stuttgart wechselte er zum Premier-League Club Manchester City, mit dem er abstieg und bei dem er in der Folgesaison wegen einer Rückenverletzung nicht mehr zum Zuge kam. Anschließend arbeitete Immel als Torwarttrainer, u. a. bei Besiktas Istanbul und Austria Wien.

Eike Immel setzte auf ein ihm empfohlenes Steuersparmodell und investierte in sechs Luxus-Wohnungen im Hagener Stadtteil Haspe. Da die Wohnungen in einem sozialen Brennpunkt der Stadt gelegen waren, entpuppte sich der Kauf als ein äußerst verlustreiches Geschäft.

Im Sommer 2012 musste sich Immel vor einem Dortmunder Gericht wegen angeblichen Kokainankaufs und nicht gezahlter Unterhaltsleistungen verantworten. Im Falle des Kokainkaufs wurde Eike Immel freigesprochen, nachdem die Hauptbelastungszeugin ihre Aussage widerrief. Der Vorwurf, er habe in einem Bordell in Schwerte in 78 Fällen Kokain zum Eigenbedarf erworben, hatte sich als haltlos erwiesen. In Presse und Medien, die über den Freispruch wegen Drogenbesitzes deutlich verhaltener berichteten als über die Anklage, blieb dennoch – wie in so vielen vergleichbaren Fällen – etwas hängen, und das machte die Zukunft des Nationaltorhüters nicht leichter, auch wenn Eike Immel versicherte, dass er weder drogenabhängig noch ein Puffgänger sei.

Sein andauerndes Rückenleiden machte ihm eine ständige Beschäftigung als Torwarttrainer im Profibereich unmöglich, und infolge finanzieller Schwierigkeiten trat er nun in Talkshows und in der RTL-Dschungel-Show auf. Zeitweilig musste Eike Immel Hartz IV beantragen. Im Universitätsklinikum Gießen ließ er sich im Jahr 2016 operieren und bekam eine neue Hüfte.

Die Kinder Daniel und Desiree standen ihm in der Folgezeit bei und unterstützten ihn. Aus Stadtallendorf erreichte ihn ein Anruf des Unternehmers Wolfgang Schratz. Der holte ihn als Torwarttrainer zurück in seine Heimat.

Heute lebt der Mann, der 19-mal in der DFB-Nationalmannschaft auflief und über 500 Spiele in der Bundesliga absolvierte, wieder in Stadtallendorf. Seit 2017 ist er als Berater des dortigen Eintracht-Vorstandes tätig und trainiert jetzt die Reserve des TSV Eintracht, die in der Kreisliga spielt.

 

Im Frühjahr 2019 berichtete die Marburger Lokalpresse, dass Eike Immel eine Autobiographie geschrieben habe, für die er nach einem Verlag sucht.