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Montezuma schlägt zu
18.01.2013: Wilmington – Orroorroo: 54 km

Ach ja, mein Tachometer funktioniert heute früh wieder. Er verträgt die Hitze also auch nicht. Habe eben an meinen Verwandten, Hans in Melbourne, geschrieben, ob es für mich besser wäre, auf Tasmanien oder Neuseeland zu radeln. Ich warte auf seine Antwort. Auf jeden Fall ist es nicht zumutbar, bei 50°C mit dem bepackten, schweren Rad durch die sengende Sonne zu radeln.

Plötzlich trifft mich Montezumas Rache. Und keine Toilette ist weit und breit! Welche Katastrophe! Von Schlafen kann in dieser Nacht nicht die Rede sein. Die sich hier angesammelte Hitze lässt meinen Schweiß in Strömen fließen. Das sehe ich als Schlankheitskur an und wälze mich von einer Seite zur anderen. Um 4.30 Uhr klingelt mein Wecker. Ich staune, dass ich ihn so laut höre, obgleich er etwas weiter entfernt auf einem kleinen Tisch steht. Werden meine Ohren auf dieser Fahrradtour durch die Hitze vielleicht auch wieder gesund?

Als ich aus der Tür trete, staune ich nicht schlecht: Gestern noch stand das Kreuz des Südens klar und deutlich am schwarzen Nachthimmel. Und heute früh? Wolken rasen am Himmel entlang. Das Wetter hat umgeschlagen, genauso wie es von meinen facebook-Freundinnen vorangekündigt wurde. Nur traute ich da dem Frieden noch nicht. Aber es stimmt! Heute kann ich also getrost ganz bis Orroorroo, meinem heutigen Etappenziel, radeln. Es stürmt sehr.

Die Giftspinne in den sanitären Räumen, in denen ich mich duschen möchte, kann mich gar nicht mehr erschrecken. Sie sieht aus wie ein kleiner Weberknecht, der am Verhungern ist nur mit dem Unterschied, dass sie kürzere Hinterbeine und einen länglichen, orangefarbenen Körper aufweist. Sie verschwindet unter der Bank in der Dusche. Gestern habe ich eine von dieser Sorte plattgemacht. Lohnt sich gar nicht. Es gibt davon sicher unendlich viele.

Wieder zurück in meinem Quartier, verfärbt sich der Horizont in helles Gelb. Mein Wasser-Körner-Frühstück ausgelöffelt, alles gepackt, das Fahrrad hinausgeschoben und mit den Packtaschen behängt, schiebe ich zu meinem Wirt. Er saugt gerade seinen Teppich. So verabschiede ich mich von ihm und sage: „Ich kann meine Fahrradtour gen Osten fortsetzen.“

Regentröpfchen benetzen meine roten Packtaschen. Deshalb ziehe ich mir meine rosa Windbluse an. Falls es noch richtig regnen sollte, würde die Windbluse reichen; denn es sind 23°C. Alles würde vom Sturm schnell wieder trocknen.

Zwischen den am Himmel entlang rasenden, dunklen und helleren Wolken erscheint hellblauer Himmel. Bald wird wohl auch die Sonne hindurch lugen. Aber der Sturm macht mir doch sehr zu schaffen. Er drückt von rechts ordentlich gegen meine Packtaschen. Von zu Hause weiss ich, dass ich nur dann nicht umgeblasen werde, wenn ich in möglichst hoher Geschwindigkeit fahre.

Die Straße fährt sich gut. Sie ist nicht durch Frostschäden beschädigt. Es wird immer heller. Aber einen Sonnenaufgang wie sonst gibt es aufgrund der ziemlich dichten Wolkendecke nicht. Um 6.30 Uhr starte ich, weil es erst dann hell wird. Wie lange werde ich heute brauchen, um anzukommen, falls mich der Sturm später noch von vorn erwischt? Aber ich denke positiv und sage mir meinen biblischen Spruch auf: Fürchte dich nicht. Denn siehe, ich bin bei dir alle Tage bis an der Welt Ende.

So trete ich ordentlich in die Pedalen. Um diese Zeit fährt noch kein Auto. Die Straße gehört mir ganz allein. Sie besteht aus sehr grobem Material, das aber schon von den Autos plattgefahren wurde. Unterwegs lege ich eine Pause ein und esse von meinen süßen Keksen. Mit viel Wasser spüle ich nach. Auf diesem Rastplatz sitzen viele rosarote Kakadus in den Bäumen und kreischen. Und weiter geht es.

Als vor mir ein Hotel angekündigt wird, meldet sich bei mir der normale Hunger. Aber was hier als Hotel steht, kann nur als Ruine bezeichnet werden. Doch gibt es eine Tür, an der ich klingeln kann, um etwas zu kaufen. Das tue ich. Aber es öffnet niemand. So schaue ich genau durch die Gittertür und sehe links einen rosaroten Kakadu auf einer Sessellehne sitzen. So nehme ich die restlichen Kilometer unter die Räder.

Einmal hätte mich eine Sturmbö fast mit meinem Rad umgeworfen. Zum Glück konnte ich noch schnell genug aus den Klickpedalen kommen und abspringen. Sandstürme fegen vor mir über die Straße. Schafe weiden mal links, mal rechts auf den urigen Feldern.

Und dann erreiche ich Orroorroo schon nach 50 statt 56 km. Angenehm! Ziemlich am Anfang finde ich den dortigen Caravan Park und werde von der Inhaberin sehr ausführlich über meine zukünftige Streckenführung ins Riverland aufgeklärt. Sie besitzt für ihre Gäste gutes Kartenmaterial. Auch schenkt sie mir einen Mückenspray, mit Hilfe dessen die mich belästigenden Fliegen verschwinden. Sie führt mich zu dem besten Platz für mein Zelt, wo es nachher im Schatten steht.

Aufgrund meines Schlafmangels lege ich mich in mein Zelt und schlafe auf der Stelle ein. Danach setze ich mich im Aufenthaltsraum mit Waschmaschine und Trockner auf den Fußboden und schreibe. Mich quält der Hunger. Möchte meine Dose mit den Nudeln in Tomatensoße öffnen und heißhungrig auslöffeln.

Auf dem Weg von der Dusche zurück zu meinem Zelt sehe ich einen Caravan-Fahrer mit seiner Frau aus seinem Auto steigen und mir lächelnd entgegen kommen. Sie begrüßen mich gleich mit der Feststellung: „Sie sind aus Deutschland und radeln hier in Australien. Möchten sie mit uns in unseren Caravan kommen? Wir möchten sie bei uns zum warmen Abendessen einladen.“

„Aber ich bin schon satt und stehe im Pyjama vor ihnen. Mir fallen schon vor Müdigkeit die Augen zu. Vielen Dank für ihre Einladung. Gleich muss ich schlafen gehen, um morgen sehr früh aufzustehen und losradeln zu können.“

Wir unterhalten uns noch über meine Tour und seine in England absolvierten zwei großen Fußwanderungen, erstens von Küste zu Küste quer und dann von John O’Groats in Schottland bis Land’s End. Er zeigt mir seine strammen Waden. Ja, das ist ein Sportsmann. Ich gratuliere ihm und verabschiede mich.

Während ich mich gerade so schön gemütlich in meinen kleinen Schlafsack kuschel, fängt es draußen an zu regnen. Der Sturm hat ganz nachgelassen. Das möge er bitte morgen auch tun.

19.01.2013: Orroorro – Jamestown: 70 km

Um 4.00 Uhr morgens ist es im Zelt kalt und draußen noch viel mehr. Das Wetter hat total umgeschlagen. Das kommt davon, dass ich die Hitze per Email nach Hause schickte. Das kenne ich schon von früher. Draußen ist es stockfinster. Und da meine Packtaschen bis auf die Waschtüte fertig gepackt im Zelt stehen, lege ich mich noch einmal aufs Ohr. Hier wird es nämlich erst um 6.00 Uhr hell. Auf meinem Weg in die sanitären Anlagen stelle ich zu meiner Freude fest, dass der Sturm nachgelassen hat. Gut für mich. Als ich vom Duschen in die Freiheit trete, hat sich der Himmel gelichtet. Viele weit entfernte kleinere Wolkengebilde schwimmen dunkel am hellblauen Firmament. Alle Menschen schlafen noch.

Als ich den Caravan Park verlasse, kommt rufend ein Mann hinter mir her auf die Straße. Er hält seine Zahnbürste noch in der Hand und fragt mich: „In welche Richtung möchten sie fahren?“

„Nach Jamestown“, gebe ich zur Antwort.

„Ja, dahin will ich auch mit meinem Caravan und werde sie später überholen.“

Lächelnd verabschieden wir uns. Dann rolle ich in den Morgen hinein. Es radelt sich gut; denn ich habe endlich ordentlich ausgeschlafen.

Langsam kommt Wind auf, der sich immer stärker an mir und meinem Rad bemerkbar macht. Meine Straße nach Jamestown durchschneidet viele abgeerntete Weizenfelder. Später sehe ich beidseitig urige Felder, auf denen Schafe weiden. Sobald sie meiner ansichtig werden, rasen sie weg.

Zweimal lege ich an der Straße eine Ruhepause ein, mag mich aber nicht an die Straßenseite setzen, weil es hier sehr viele Ameisen gibt. Das habe ich unangenehm auf meiner Fahrt von Ceduna nach Wirrula feststellen müssen, als ich mich unbedarft in den Schatten eines Mallee-Trees setzte, um mich auszuruhen. Da blieb ich nicht lange sitzen, denn es piekte mich plötzlich sehr an meinem Popöchen und meinem Rücken. Zuerst dachte ich, dass das das vertrocknete Gras mit seinen Spitzen war. Aber verkehrt gedacht! Als ich mich hinstellte und mir meine Sitzfläche am Boden ansah, ging mir ein Licht auf: Da hatte ich mich doch tatsächlich in einen Ameisenhaufen gesetzt! Na, das passiert mir nur einmal, hoffe ich.

Rechtsseitig hüpft vor mir ein Känguru am Zaun entlang, überquert die Straße und setzt seine Flucht vor mir in weiteren Sprüngen fort. Später sehe ich es wieder auf der rechten Seite. Es kann aufgrund der Zäune beidseitig der großen Straße nicht weiter ausweichen. Bald schnürt ein Fuchs vor mir von rechts nach links, später von links nach rechts über die Straße. Und ganz viel, viel später liegt ein totgefahrener auf der großen Straße. So ein prachtvolles, gesundes Tier! Er tut mir richtig leid, sicher, weil er auch nicht aufgrund der Zäune weiter fliehen konnte. Ob er noch Jungtiere im Bau zu versorgen hat? Wer übernimmt das nun?

Nach noch einer Erholungspause, denn der Sturm kommt stark von vorn, unterbreche ich meine Tour bis Jamestown noch einmal, weil rechts an einem alten Haus auf einem Schild „Winery“ steht. Ein Mann steigt dort aus einem Pickup, läßt seinen hässlichen, grauen, anthrazit gepunkteten Hund herunter und öffnet die Tür. Ich hoffe, hier etwas essen zu können. Er weist mich hinein, muss aber selbst draußen vor dem Haus arbeiten. Er kommt aus Adelaide und hat hier in der Nähe seine Kühe – Cattles – stehen. Ich darf mich drinnen hinsetzen, erschauere aber beim Anblick der dort drinnen aufgestellten Gegenstände. Dieses Gebäude wird wohl nur von Männern als Treffpunkt für Feten benutzt. Eine weibliche Statue mit BH und Slip in normaler Größe steht hinter dem Tresen auf einer Empore. Ich gehe weiter in den hinteren Raum. Dort stehen ein uraltes Klavier und daneben eine vollständige Schlagzeuganlage. Ich fotografiere alles und wende mich dem Ausgang zu. Auf diese Weise betrete ich noch einmal den ersten Raum, den ich gar nicht so richtig beim Eintreten wahrgenommen habe. Hier stehen vier weiche Sofas und auf einem Bord witzige, selbst angefertigte Figuren aus Metalldosen. Aber was „den Vogel abschiesst“ und was mich auf den Wirt nicht mehr warten, sondern von hier fliehen läßt, das ist daneben der Oberschädel eines Totenkopfes. Dabei fällt mir der abgeschnittene Männerkopf von Rottnest Island ein. Nein, das ist zuviel für mich! Draußen schnappe ich mir mein Rad und fliehe.

 

Mittags erreiche ich die kleine Stadt Jamestown, radle bis in das Stadtzentrum und kaufe ein. Es ist fast alles aus meinen Packtaschen aufgegessen. Nachschub ist nötig.

Auf dem Caravan Park erhalte ich einen Rasenplatz für mein Zelt, der aber noch total im heißen Sonnenschein liegt. Wenn die Sonne weiter herumgegangen ist, stelle ich gegen Abend mein Zelt auf; denn ich bin sehr müde und sehne mich nach meinem erholsamen und verdienten Schlaf. Fünf Perlhühner aus Afrika picken das Ungeziefer aus dem Rasen, der gerade besprengt wird.

Im Waschraum finde ich aufgrund des Steinfußbodens und des darin herrschenden Schattens eine kühle Unterkunft, wenngleich hier kein Stuhl steht. Aber das kenne ich schon von den anderen Caravan-Parks. So lege ich mir eine Zeitung auf den Fußboden, setze mich darauf, nehme meinen kleinen Computer auf meine Oberschenkel und beginne, meine Erlebnisse aufzuschreiben. Mein bepacktes Rad lehnt derweil draußen an dieser Hausmauer.

Gegen 18.00 Uhr ist die Sonne herumgezogen und hinterlässt genügend Schatten auf dem sehr weichen und großen Rasen. Endlich kann ich mein Zelt aufstellen und mich darin schlafen legen. Es ist noch warm. Deshalb trage ich nur meinen Pyjama.

20.01.2013: Jamestown – Burra: 73 km

In der Nacht wache ich vor Kälte auf. Mein Thermometer zeigt mir nur 10°C an. Für diese Zwecke liegt schon neben meinem Schlafsack meine weiche, gelbe und warme AUSTRALIA-Fleece-Jacke von Reni. Sie reicht bis über mein Popöchen. So lege ich mich wieder hin. Aber dann wache ich wieder auf, weil meine Oberschenkel in meinem kleinen Daunenschlafsack frieren. Die bedecke ich mit meinem kleinen Fleece-Handtuch und stülpe über das Fußende meines Schlafsacks meine dort schon liegende Tasche. Selig schlafe ich wieder ein und wache um 4.00 Uhr in der Frühe auf.

Ja, 10°C draußen. Was anziehen? Zum Glück habe ich die Fahrradgarderobe für kalte Tage doch nicht ganz nach Townsville vorgeschickt. Mit meiner schwarzen, warmen Fahrradshorts, meiner schwarzen, langbeinigen Fahrradhose mit von innen Fleece-Bezug, meinen wärmeren Socken, dem langärmeligen Unterhemd, der rosa Windbluse und der gelben warmen Fleece-Jacke angezogen, starte ich in den kalten Morgen. Der Himmel ist wolkenlos. Mein Wirt erzählte mir gestern, dass es heute bis 30°C werden soll. Damit kann ich leben.

Auf einer sehr ruhigen Straße rolle ich sachte bergauf in Richtung Hallett. Heute geht es auf der verhältnismäßig niedrigsten Bergstrecke auf die andere Seite der Bergkette. Zuerst werden es 16 km gegen den immer stärker werdenden Gegenwind. 8 km darf ich dann herrlich bergab und dort im weiten Tal entlang rasen. Danach geht es wieder zur Sache, diesmal aber nur 8 km bergauf. Von dort oben blicke ich hinunter in ein weiteres Tal und gegenüber auf die nächste Berghürde. Als ich dort hochkrieche, muss ich tatsächlich noch absteigen und den Rest hinaufschieben. Aber es hat sich gelohnt.

Um mich ein wenig zu erholen, lege ich hier eine kleine Pause ein, esse zwei Milky Ways und trinke einen halben Liter Wasser. Hier in Australien wage ich ja nicht mehr, mich dabei hinzusetzen, weil ich, wie schon geschrieben, dem Ameisenproblem an meinem verlängerten Rückgrat aus dem Wege gehen möchte.

Aber dann rolle ich wie der Wind herrlich hinab und mit etwas Schiebewind immer weiter. In Hallett möchte ich irgendwo eine Essenspause einlegen, wo ich mich dabei hineinsetzen kann. Die Tankstelle, wo es etwas gibt, ist leider geschlossen; denn heute ist Sonntag. So rolle ich weiter und weiter, bis ich Burra erreiche und den Caravan-Platz suche. Aber der ist nicht da, wo er normalerweise liegt, nämlich am Anfang. Total enttäuscht setze ich mich in ein Restaurant, lasse mich erschöpft und total hungrig nieder und lasse mich von der Wirtschaft verwöhnen. Das ist meine erste gute Mahlzeit während meiner Fahrradtour.

Nach der Bezeichnung der Angestellten hier, habe ich noch eine längere Strecke zurückzulegen, um den hiesigen Caravan-Park zu erreichen. Das wäre ja auch nicht so schlimm, wenn ich nicht die ganze Strecke bis zur Kreuzung morgen wieder zurückfahren muss, um nach Morgan weiterzuradeln. Das sollen 86 km sein. Und diese 4 km vom Platz bis zur Kreuzung dazu ergeben 90 km. Morgen soll es wieder heiß werden, aber die Strecke total flach sein. Welches Glück!

Bei der Anmeldung erhalte ich einen Rasenplatz, der zurzeit noch im heißen Sonnenschein glüht. Gegen Abend soll sich die Sonne am Himmel so weit gedreht haben, dass er im Schatten liegt. Und ich bin doch sooooo müde!

Als ich meinen Computer zum Überbrücken der Zeit an die Steckdose stecke und mein WIFI anstelle, ereilt mich die nächste Überraschung. Hier habe ich keinen Internet Empfang. Ich gehe zur Anmeldung und erkundige mich, was das bedeutet. Mir wird erklärt, dass mein Internet WIFI hier nicht funktioniert. Hier gibt es eine eigene Internetverbindung, für die ich stündlich bezahlen soll.

Nein, abzocken lassen will ich mich nicht und verzichte darauf, meine Emails zu lesen und einen Kurzbericht fürs facebook zu schreiben. Das mache ich alles morgen. Man möge mir verzeihen.

Nun warte ich beim Gekreische der Kakadus darauf, dass die Sonne weit genug hinter den großen Bäumen verschwunden ist, dass ich im Schatten dieser mein Zelt aufbauen und sogleich schlafen gehen kann. Und ich bin doch soooo müde! Und morgen habe ich doch Geburtstag – ganz allein auf weiter Flur!

Mein Geburtstag in der Fremde
21.01.2013: Burra – Morgan: 90 km

In der Nacht wache ich wieder vor Kälte auf, ziehe mich wärmer an und schlafe dann aber bis 4.40 Uhr weiter. Draußen wird es ja erst um 6.00 Uhr hell. Auch erst dann beginnen die Kakadus und schwarzen australischen Elstern ihr lautstarkes Morgenkonzert. Die Kakadus sind sehr redselig. Schade, dass ich sie nicht verstehe. Sie unterhalten sich fast immer. Und wenn sie in Scharen über dem Platz kreischend hin und her fliegen, wundere ich mich immer, dass sie in den Lüften keinen Zusammenstoß fabrizieren. Nein, dazu sind sie zu gewandt. Von unten sind sie dann immer an ihren rosa Bäuchen und silbergrauen Flügeln zu erkennen.

Nun kann ich mein Zelt schon viel schneller abbauen, ohne mich abzuhetzen. Zwischen 6.30 und 7.00 Uhr verlasse ich in der Regel meinen Caravan Park und breche in der aufgehenden Sonne auf zu meinen noch bevorstehenden Abenteuern. Unter Abenteuern verstehe ich das Sehen von heimischen Tieren und dem Überradeln von Bergkuppen – verhältnismäßig niedrigen. Mein Rad hält noch durch.

Aber nach dem Sturz, das es vor Wirrula machte, hat sich die Lowrider-Aufhängung etwas nach rechts verbogen. Aber noch kann das Vorderrad ohne Schwierigkeiten dazwischen rollen. Möge es so bleiben!

Von meinem Caravan-Park muss ich 2,5 km wieder zurück bis zur Kreuzung nach Morgan fahren. Aber daran schliesst sich wieder eine flache und längere Steigung an. Macht mir nichts mehr aus. Meine Beine sind erstarkt. Außerdem besitzt mein Fahrrad einen wunderbaren „Schwimmring“ mit dem ganz kleinen Zahnblatt vorn in der Mitte.

Nach den beiden ersten Überquerungen meiner heutigen „Pässe“ geht es hinunter in ein herrlich weites Tal. Davon wusste ich schon und freue mich darauf. Nun rolle ich mit einer Geschwindigkeit von 28–35 km/h dahin. Es ist ein berauschendes Gefühl! So hatte ich es mir für jeden Tag vorgestellt. Aber lieber einen solchen Tag zu haben als keinen. Die Sonne scheint vom blauen Himmel aufmunternd herunter und möchte mich auf meiner heutigen Tour ins Riverland begleiten. Beidseitig wächst der Bluebush, den die Schafe hier fressen. Dieser Bluebush wächst vielleicht bis zu einem Meter hoch und strahlt silbrig-hellblau. Davon durchradle ich auf meinem Highway endlose Flächen. Insgesamt springen sieben Kängurus, sechs Emus und ein Fuchs in Sichtweite dahin. Starke Anblicke! Australiens Kängurus sind die Tiere, die ich hier suche und unbedingt sehen möchte! Hier auf dieser endlosen und fast ausgestorbenen Strecke sind sie anwesend. Leider liegen auch drei neue von Autos getötete Kängurus am Straßenrand, auch ein Fuchs und was mich am meisten fasziniert, ein kleiner Kauz. Von seinen Flügelfedern ziehe ich mir beidseitig jeweils die vier Schwungfedern mit dem großen, weißen Fleck heraus und stecke sie mir ein. Sie mögen mich gedanklich die Highways entlang tragen. Ich stelle mir vor, jetzt ein großer Kauz zu sein, der seine wunderschönen Flügel ausbreitet und über dem Highway entlang fliegt.

Nach insgesamt 90 km erreiche ich in Morgan an der Fähre (Ferry) meinen heutigen Caravan Park, dessen Zeltplätze im bratenden Sonnenschein liegen. Deshalb setze ich mich in der Laundry (dem Wäschewaschraum mit den Waschmaschinen) auf dem kalten Fußboden auf eine Illustrierte, habe meine Fahrradschuhe, die Socken und mein Fahrradhemd ausgezogen und kühle mich von unten auf diese Weise ab. Hier laufen neben dem Gebäude die Leute in Badezeug herum und sehen eigentlich noch nackter aus; denn ich trage noch meine lange, dünne Fahrradhose. Habe heute Mittag schon 2 l kalte Trinkschokolade getrunken und ein langes Brötchen mit sehr vielen Leckereien aus Fleisch und Gemüse als Mittagessen verdrückt. Aber Durst quält mich endlos, obgleich mein Bauch total gefüllt ist.

Heute ist mein Geburtstag. Mein Kläuschen und viele Freunde haben mir per Computer gratuliert. So bin ich hier zwar körperlich allein, doch per Computer mit meinen Freunden verbunden. Das ist ein sehr angenehmes und herzerfrischendes Gefühl. Vielen Dank.

Es wird nun Zeit, mein Zelt aufzustellen und schiebe mein Rad auf das River-Ufer, wo für die Zelter ein ganz breiter und wunderbar weicher, dichter und federnder Rasenstreifen zur Verfügung steht. Die Sonne beleuchtet den Murray-River und mit ihm die Fähre, die dauernd von einer Flussseite zur anderen an einer starken Trosse schwimmt. In der Nähe spielen junge Leute. Im Fluss baden Kinder, die von einem Erwachsenen behütet werden.

Als ich mein Zelt dann endlich aufgebaut und innen meine Packtaschen an der linken Seite aufgestellt habe, natürlich auch meine Unterlage und meinen dünnen Daunenschlafsack ausgebreitet, ist es plötzlich draußen dunkel geworden. Was für ein Glück, dass ich früh genug hinunter ging. Die jungen Leute sind auch in ihren Schlupflöchern verschwunden. Diesmal ist es schon 22.00 Uhr, als ich mich für die Nacht warm mit meiner gelben Fleece-Jacke und Socken an den Füßen bekleidet, über meinen Schlafsack eine dünne Decke breite, den Reißverschluss zuziehe und mich schlafen lege.