Auf zum Nullarbor

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Im Murray River Land
Scheißarbeit!
22.01.2013: Morgan – Waikerie: 38 km

Gut ausgeschlafen wache ich erst um 6.00 Uhr auf. Draußen lacht der Lachende Hans. Heute möchte ich nur bis Waikerie radeln, um der langen Strecke von hier bis Renmark bei der Bullenhitze aus dem Wege zu gehen. Es könnte ja wieder heiß werden. Erst um 8.00 Uhr verlasse ich den hier unten nicht bewachten Campingplatz und stelle mich bei der Fähre an. Die kurze Abfahrt bis hinunter auf die Fähre ist ziemlich steil. Ich steige schon 20 m vor der Abfahrt auf mein Rad, um es gut mit Bremsen hinunter im Griff zu haben. Es geht ganz gut. Ich bin der einzige Fahrgast bei dieser Fahrt. Der Fährmann wünscht mir eine sichere Weiterfahrt, als ich mein Rad die steile Auffahrt am gegenüberliegenden Ufer hinauf schiebe.

Es steht kein Hinweisschild an der Straße. Ich komme mir hier irgendwie verkehrt vor. Aber mir wurde vorher gesagt, dass ich mit der Fähre übersetzen und dann weiterradeln muss. Wieder strahlt die Morgensonne vom wolkenlosen Himmel auf die Erde. So radle ich mit einem unguten Gefühl weiter. Normalerweise hätte ich gen Osten fahren sollen. Der Schatten der Bäume verrät mir aber, dass ich gen Westen unterwegs bin. Auf meiner Landkarte kann ich eine kleine Biegung erkennen. Also geht es weiter.

Und tatsächlich, nach einer längeren, sehr welligen Fahrt sehe ich das kleine Schild Waikerie. Dahin möchte ich. Wenn ich sehr früh dort ankomme, werde ich mir überlegen, ob ich es noch weiter schaffe.

Anfangs durchquere ich unbebaute und wilde Landschaft, später finde ich Weinplantagen. Das sieht hier sehr gut aus! Aber wenn ich an Süd-Tirol und deren Weinplantagen denke, dann haben diese Weingutbesitzer keine Ahnung davon, dass die wilden Triebe mit den vielen Blättern abgeschnitten werden müssen, damit die Kraft allein in die Trauben geht und die Sonne an die Beeren.

Die Weinplantagen häufen sich. Diejenigen, die ich fotografiere, sind Rotweintrauben. Später lösen die Weinplantagen Apfelsinen-Plantagen und dann Pampelmusen-Plantagen ab.

Nun erreiche ich den Murray River wieder und sehe ihn ziemlich tief links unten durch das bewaldete Gebiet fließen. Der Murray River ist ja die Lebensader für ganz Südaustralien. Davon sind alle Menschen und Tiere hier abhängig.

Die Plantagen liegen aber nicht aneinander, sondern sind unterbrochen von wilden Gebieten.

Plötzlich entdecke ich durch die erste Baumreihe einige junge Leute und einen Erwachsenen, die etwas tun und sich unterhalten. Das ist für mich interessant. Ich drehe um, schiebe mein Rad auf die andere Straßenseite, stelle es dort ab, bewaffne mich mit meinem Fotoapparat, gehe zu ihnen und frage: „Darf ich hier fotografieren?“

„Ja, das dürfen sie. Woher kommen sie?“

„Aus Germany.“

Darauf fragt der Erwachsene in die junge Runde: „Wer von euch ist aus Deutschland?“

Das sind drei Personen: ein junges Mädchen und zwei junge Männer, sagen wir, Schüler. Alle hier Anwesenden sind dabei, frisch geerntete Knoblauch-Zwiebeln von den Wurzeln, dem Blattstiel und der schmutzigen äußeren Hülle zu befreien.

Zuerst gehe ich zu dem Mädchen, das mich einladend freundlich anlächelt. Wir beide unterhalten uns prima auf Deutsch. Ich fotografiere sie und verspreche ihr, dieses Foto zu ihren Eltern zu schicken. Desgleichen mache ich es mit den beiden fleißigen jungen Männern.

„Ich werde eure Fotos zu eurem Elternhaus schicken. Und was soll ich dazu schreiben?“

„Dass das hier eine Scheißarbeit ist!!!“

Ich bitte für diesen Ausdruck um Entschuldigung. Aber der kommt den jungen Männern so richtig tief aus der Seele. „Wir arbeiten schon seit Anfang August des letzten Jahres hier und möchten uns ordentlich viel Geld verdienen, mit dem wir dann in den letzten Wochen durch Australien fahren wollen. Aber dieser niedrige Lohn reicht kaum dazu, unsere Unterkunft und Nahrung zu bezahlen.“

Ich tröste sie und meine: „Bald sind die Pampelmusen und der Wein reif, womit ihr entschieden viel mehr Geld verdienen könnt.“

Sie lächeln gequält. Sie sind von Deutschland nach Sydney gekommen, von wo ihnen die Arbeit nacheinander zugewiesen wird. Aber sie werden bestimmt durchhalten! So radle ich weiter.

An einer Tankstelle – keinem Roadhouse – unterbreche ich meine Fahrt. Mir ist nach eiskalter Trinkschokolade. Auch sind meine von zu Hause mitgebrachten Tütchen für das Frühstück heute früh ausgegangen. Und ein Mars oder Snickers für über Mittag gibt es auch nicht mehr in meiner Kühlbox. Das alles kaufe ich mir nun. Mit der Kaufmannsfrau und ihrer Enkeltochter komme ich ins Gespräch, da ich meinen Sturzhelm auf dem Kopf trage. Das, was ich ihnen über meine bisherige Tour hier in Australien erzähle, ist für die beiden Damen sehr interessant. Von der 70-jährigen Dame stammten die Großeltern aus Deutschland. Leider vergesse ich, sie zu fragen, wo sie dort wohnten und weshalb die Großeltern damals ausgewandert sind. Diese beiden Damen können weder Deutsch sprechen noch verstehen.

Und als ich ihnen von dem abgeschnittenen Kopf erzähle, den man am Strand von Rottnest Island fand, erzählen sie mir, dass es ein 10-jähriges Mädchen war, das diesen Kopf in einer Tüte fand. Später stellte man fest, dass dieser Mann voller Drogen war. Mehr weiss diese Dame auch nicht.

So verlasse ich diese Tankstelle und habe nur noch 10 km bis Waikerie zu radeln. Hin und wieder sehe ich links unten den Murray River.

Diese letzten Kilometer schaffe ich auch noch und radle auf einen sehr schönen Caravan-Park, der leider auch $10 teurer ist als die anderen. Habe unter hohen Bäumen einen Grasplatz erhalten und sofort mein Zelt aufgestellt. Nun sitze ich nach dem Duschen und dem Beantworten all meiner Geburtstagsglückwünsche an einem Bord für Wäsche und schreibe. Meine Wäsche ist draußen schnell getrocknet.

Nun gehe zu meinem Zelt und lege mich schlafen.

Bei jungen Gastarbeitern im Backpacker Hostel
23.01.2013: Waikerie – Renmark: 90 km

Mitten in der Nacht wache ich wieder von der eingefallenen Kälte auf. Diesmal werde ich nicht wieder warm. Um 5.00 Uhr stehe ich müde auf, rolle meine Unterlage zusammen und stelle fest, dass mein Schlafsack an der Fußspitze, wo ich ihn als Schutz meiner Füße vor dem hereinziehenden kalten Wind in die Tasche gesteckt hatte, außen nass geschwitzt ist. Also lege ich ihn draußen auf meinem Fahrrad so hin, dass der Wind ihn trocknen kann. So schnappe ich mir meine Waschtüte mit meiner sauberen Garderobe – der mit der dickeren Hose, die eine dünne Fleece-Schicht innen aufweist und auch meine festeren Socken, sowie das graue Sporthemd und gehe zur Dusche.

Unter dem Bord hing gestern schon diese Spinne. Ob sie giftig ist, weiß ich nicht. Sie hängt noch immer erwartungsvoll unter ihrem Netz und wartet auf neue Nahrung. Ich mache einen großen Bogen um dieses Bord. Ab nun sind mir alle Borde oder Sitzbänke suspekt. Überall kann so ein Tierchen lauern. Aber daran werde ich mich auch noch gewöhnen. Die Menschen hier leben doch alle damit – warum ich nicht auch?

Mit neuen Sachen vollständig angezogen, kehre ich zu meinem Zelt zurück und packe alles auf mein Rad. Und als ich die runde, blaue Cool Box auf meinen Gepäckträger legen will, fällt mir ein, dass ich darin ja noch seit Perth 2 l Wasser mittransportiere. Warum eigentlich? Das Wasser war doch für das Nullarbor gedacht. Und dieses Gebiet liegt doch glücklicherweise schon hinter mir. Und über Tag trinke ich höchstens 1 ½ l. Warum schleppe ich mich eigentlich damit noch ab? Kurzentschlossen hole ich den Wasserbeutel heraus und begiesse damit einen Baum. Ungewohnt leicht läßt sich die runde, blaue Cool Box auf meinen Gepäckträger legen. Da hinein werde ich nun alle meine Esswaren stecken. An diese komme ich dann besser in den Pausen ran.

So nehme ich die Straße nach Renmark bei strahlender Morgensonne und 16°C unter meine Räder. Die Straße ist ganz schön wellig. Aber aufgrund meiner Gepäckerleichterung kann ich angenehm leicht hinaufgelangen. Den Sturzhelm tief vorn in die Stirn gezogen, blendet mich die Sonne nicht. Es rollt sich prima. Waikerie ist umgeben von endlosen Weinplantagen. Mal wieder halte ich an, um mir die Trauben anzusehen. Dunkelblaue! Ich fotografierte sie und fahre weiter. Später halte ich wieder an, um zu sehen, ob hier gelbe Trauben hängen. Nein, auch dunkelblaue. Ich nasche eine kleine Beere davon. Sie zergeht zuckersüß und saftig auf meiner Zunge! Eine ganze Traube wandert in meine Packtasche für den Abend. Ohne schlechtes Gewissen aufgrund der vielen Trauben, die dort an jeder Weinpflanze hängen, radle ich glücklich weiter.

In einem Ort finde ich ein Geschäft, in dem Autoreifen verkauft werden. Das erinnert mich an meinen Bruder Helmut, der Autoschlossermeister von Beruf war. Deshalb weiss ich, dass hier intelligente und tatkräftige Männer vorhanden sind. Ich stoppe und schiebe mein Rad in die große Eingangshalle. Ein Mann sitzt in seinem offenen Büro und schaut ganz verwundert auf mich, die ich mit meinem Sturzhelm auf dem Kopf und dem bepackten Rad bei ihm in der Halle stehe. Er tritt mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu mir. Und dann erkläre ich ihm mein Missgeschick mit dem umgekippten Fahrrad und zeige ihm die nach rechts verbogene Lowrider-Aufhängung am Vorderrad. Nur 1 cm ist noch zwischen meinem Laufrad und dem Metallbogen vorhanden.

Flott nehme ich die kleinen Packtaschen und meine Lenkertasche ab und überlasse ihm mein Rad. Er braucht nicht lange, um zu wissen, was dagegen zu tun ist. Sofort schiebt er das Fahrrad in die nächste Halle, in der sein Kollege mit einem großen Lkw-Rad beschäftigt ist, bittet ihn, mal herzukommen, sich so hinzuhocken, dass das Vorderrad stramm zwischen seinen Knien eingeklemmt ist und dreht oben an meinem Lenker. Und schwupps – meine Lowrider-Aufhängung sitzt wieder richtig!!!! Ein Wunder!!! Ich strahle die beiden Männer an und bedanke mich. Für sie war es nur eine kleine Abwechslung in ihrer Arbeit, und mir haben sie sehr gern geholfen. Ab nun kann ich wieder mit bestem Wissen und Gewissen voll in die Pedalen treten, ohne Angst zu haben, dass irgendwann plötzlich das Rad von der Lowrider-Aufhängung blockiert wird. Ein tolles Gefühl!

 

Nach einiger Zeit werde ich auf eine gute Fotomöglichkeit hingewiesen. Ganz erwartungsvoll radle ich weiter und suche sie. Es ist der Murray River, der unter einer und später einer weiteren Brücke entlang fliesst. Ich lehne mein Rad hinter der Brücke ans Geländer, wandere zu Fuß am Brückengeländer zurück und verewige diesen legendären Fluss in meinem Fotoapparat. Auf einer Seite erhebt sich eine mindestens 20 m hohe ockerrote Felswand. Auf der anderen Seite der Brücke stehen abgestorbene Bäume wie die einer untergegangenen Allee im Wasser.

So rolle ich weiter. Überwiegend sind wenigstens auf einer Seite Weinstöcke zu sehen. Die andere Seite ist entweder mit wilder, unberührter Natur bewachsen oder weist Stoppelfelder auf.

An diesem Sturt Highway befindet sich ein breiter Seitenstreifen, auf dem ich gut radeln kann. Auf diese Weise kommen die Road Trains nicht in Konflikte und können einfach geradeaus fahren. Hin und wieder wird aber vorher gehupt. So radle ich Renmark entgegen. Nach einem Caravan-Park Ausschau haltend, dringe ich immer weiter in diesen für den Murray River bekannten Ort. Aber auf den ersten Caravan Park will ich nicht, weil er im Binnenland liegt. Ich erkundige mich in einer Tankstelle, ob es hier noch einen zweiten Caravan Platz gibt. Ja, gibt es. Dazu soll ich weiterfahren. Außerhalb des Ortes befindet er sich am Fluss.

Als ich ihn erreiche und mich anmelde, soll ich pro Nacht $39 bezahlen. Und in diesem Ort wollte ich zwei Nächte verbringen! Das übersteigt mein Budget. So drehe ich um und möchte mich nach einem Backpacker Hotel umsehen. Ja, es soll zwei geben. Das erste finde ich. Es ist unbewohnt. Ich folge dem Hinweis nach dem zweiten und finde es tatsächlich. Zuerst wird am Telefon nachgefragt: „Sie sind tatsächlich 75 Jahre?“

„Ja, das stimmt. Ich bin mit dem Fahrrad hier in Australien unterwegs.“

„Sie können kommen.“

Allerhand junge Leute bevölkern es. Mir wird ein Bett in einem 4-Bett-Zimmer zugewiesen. Die beiden Mädchen, beide aus Korea, räumen ihre Sachen von den beiden leerstehenden Betten für mich. Aber ich lasse noch alles Gepäck draußen am Rad, nehme nur mein kleines Notebook und setze mich in den Aufenthaltsraum, um meine Korrespondenz zu beantworten.

Hier lese ich, dass mein gestern von Gudrun in Waikerie aufgenommenes Video schon im facebook steht und von einigen auch schon gesehen wurde. Leider können meine Englisch sprechenden Freunde nichts davon verstehen. Beim nächsten Mal muss ich die Übersetzung gleich zur Hand haben.

Total müde dusche ich und krabble ins Bett. Ein Teil der hier gerade anwesenden Jugendlichen sind mit dem Auto in die Stadt gefahren, um schoppen zu gehen. Ich wurde vorher auch gefragt, ob ich mich ihnen anschließen möchte. Aber ich habe für heute meinen Sport getrieben. Da ich für zwei Nächte buchte, kann ich morgen prima ausschlafen. Möchte mir morgen den Hafen und die hier üblichen Raddampfer ansehen und fotografieren, ansonsten mich mal wieder erholen.

24.01.2013: Ruhetag in Renmark: 0 km

Meinen Wunsch, hier eine kleine Murray-River-Bootsfahrft mitzumachen, zerschlägt sich sofort. In der Information höre ich, wie teuer so etwas ist: $50 – $60 soll ich für eine Motorbootfahrt mit einem winzigen Schiffchen bezahlen. Nein, das ist mir entschieden zu teuer. Und außerdem liegt mir nur daran, mit einem Raddampfer zu fahren! Der fährt hier überhaupt gar nicht. Den werde ich wohl erst in Mildura sehen können – hoffentlich; denn ich möchte doch wenigstens einen fotografieren.

So mache ich mich auf den Weg zu einem Geschäft, in dem ich mir eine dünne und trotzdem warme Decke für die kalten Zeltnächte kaufen kann. Ich soll zum BIG W gehen, einem großen Supermarkt mit allen möglichen Geschäften. In der Abteilung für Camping finde ich nur andere Sommer-Schlafsäcke. Aber so eine dicke Rolle zusätzlich auf meinem Gepäckträger? Das ist nicht das, was ich suche. Aber was soll ich machen? Das ist besser als gar nichts. So gehe zu Woolworths, um mir Buttermilch zu kaufen, falls sie welche haben.

Dabei fällt mir ein Stand mit Souvenirs für Touristen auf, auf dem auch eine kleine zusammengerollte Fleece-Decke liegt. Sie ist genau das, was ich mir vorgestellt habe: klein und leicht genug für die Weiterfahrt. Auf dem Absatz mache ich kehrt, gebe den Schlafsack wieder zurück und erhalte das Geld wieder. Nun kaufe ich mir diese kleine mittelblaue Decke mit der australischen Flagge darauf.

In diesem Geschäft finde ich die Firma Telstra. Dort beschwere ich mich, weil mein Handy nicht funktioniert, obgleich ich für drei Monate schon bezahlt habe. Das junge Mädchen nimmt mein Handy und stellt fest, dass ich bis Ende März bezahlt habe, aber dass nur noch etwas mehr als $6 darauf zur Verfügung stehen. $20 zahle ich ein.

Unterwegs hatte ich ja die drei jungen Deutschen bei der Arbeit fotografiert und versprochen, dieses Foto zu ihren Eltern nach Hause zu schicken. So fehlt mir ein Fotogeschäft, in dem ich von meinem Foto-Chip die Fotos erhalte. Ja, dieses Geschäft gibt es auch im BIG W. Auf die Rückseite der Fotos schreibe ich die Adresse und daneben an die Eltern eine kleine Nachricht, dass es ihnen gut geht. Auf die Postkarten werden einfach Briefmarken geklebt und ab fliegen sie nach Deutschland.

Der Weg zur Post ist weit. Sie liegt an der Fluss-Schleife. Die Sonne brennt gnadenlos herab. Aber ich trage ja einen Hut mit breiter Krempe. Neben der Post sehe ich mir die etwas welk werdenden Rosen an. Gerade tritt der Hauseigentümer aus der Tür. Ich frage ihn, ob es seine Rosen sind, die so herrlich duften.

„Ja“, meint er. „Leider haben wir diesmal den heißesten Sommer solange ich zurückdenken kann. Die Sonne brennt so sehr auf die Rosen, dass die Blütenblätter von außen beginnen, sich einzuringeln.“

Am Flussufer stehen Bänke unter den hohen Sugar-Gum-Bäumen. Dort setze ich mich hin und erhole mich von dem vielen Herumlaufen. Hinterher wandere ich zu meinem Backpacker Hotel. Dabei stelle ich fest, dass es in der Nähe des Highways nach Mildura liegt. Das ist ein sehr angenehmer Gedanke für morgen früh.

Bei meinem Quartier wieder eingetroffen, finde ich dort die jungen Leute wieder, die hier übernachten. Einer von ihnen stammt aus Hannover, der einzige Deutsche hier. Er erzählt mir: „Dieses Backpacker Hotel wird eigentlich nur von den jungen Arbeitern aus aller Welt bewohnt. Morgens werden wir abgeholt, zu unserer Arbeitsstelle gebracht und danach wieder zurückgefahren. Ich bin schon seit Anfang August 2012 hier und habe Geld gespart. Demnächst will ich mir erst einmal Australien ansehen. Und wenn das Geld zu Ende sein sollte, dann will ich wieder in den Arbeitsprozess eintreten. So machen es alle hier.“

Während ich hier sitze und schreibe, läuft der Fernseher, vor dem einige der jungen Leute ihr selbst hergestelltes Essen verzehren und dabei den Sketchen im TV Programm zusehen.

Morgen soll es weiter in Richtung Mildura gehen. Da die Strecke für mich für einen Tag zu lang ist, werde ich in der Mitte den in der Karte eingezeichneten Campingplatz anrollen und dort schlafen. Es soll Wasser vorhanden sein.

Vom vielen Herumlaufen im Ort werde ich richtig müde, packe aber noch meine Packtaschen, hole meine dünne Fahrradgarderobe heraus und stecke die dickere von gestern in die Tasche.

25.01.2013: Renmark – Lake Cullulleraine: 87 km

Um 5.00 Uhr halte ich es nicht mehr im Bett aus. Um die beiden Mädchen aus Korea nicht zu wecken, hebe ich ganz vorsichtig und leise meine gestern schon hingestellte Waschtüte samt meiner Lenkertasche hoch und verschwinde im Bad. Als ich gerade beim Abtrocknen bin, betreten die anderen Mädchen den Raum und wollen sich für die Arbeit fertig machen. Sie duschen morgens nicht, sondern putzten sich nur die Zähne und waschen sich das Gesicht und die Hände. Jeder, wie er will.

In der Küche komme ich mit einem jungen Holländer, Nick, ins Gespräch, der jedes Jahr im Mai bei der KIELER WOCHE als Skipper eines Traditionsseglers in Kiel weilt. Er spricht perfekt Deutsch. Ich bitte ihn, wenn er im nächsten Jahr wieder in Kiel weilt, sich bitte bei mir zu melden.

Ein junger Chinese, Mason aus Hongkong, wünscht mir eine gute Fahrt mit meinem Rad. Auch der junge Engländer mit den goldenen Haaren sagt mir ganz nett Lebewohl und wünscht mir eine erfolgreiche Fahrradtour hier in Australien.

Als ich starten möchte, sitzen gerade noch zwei junge Mädchen draußen am Tisch. Ich frage, ob mich eine von ihnen bitte beim Start fotografieren kann. Das tut die eine, während die andere mir auch eine gute Fahrt wünscht.

Die jungen Leute, die hier wohnen, arbeiteten noch lange nicht alle in derselben Gruppe. Ken, der alles befehligt, hat hier jedes Jahr Arbeitswillige, für die er ein ganzes Jahr Arbeit vermittelt. Sie arbeiten in verschiedenen Gruppen oder allein irgendwo, werden aber dann dorthin gefahren und wieder abgeholt.

So starte ich und komme kurz darauf am Caravan Park vorbei, den ich bei meiner Ankunft verschmähte, weil ich dachte, er läge total aus meiner Richtung, in die ich weiterfahren wollte. Dem ist aber nicht so. Aber es sollte wohl so sein, dass ich die jungen und sehr fleißig im Akkord arbeitenden Leute kennenlernen sollte und mich mit ihnen auch unterhalten durfte. Es war für mich sehr lehrreich.

Der Wind wird fast Sturm mit Windstärke von mindestens 6 und dann von vorn. Aber so gut ausgeruht wie ich bin und noch früh am Morgen mit 18°C, radelt es sich ganz gut. Die Trucks und Road Trains können mich noch nicht so sehr erschüttern. Das folgt erst im Laufe des Vormittags. Wenn ich einen kommen höre, dann geht das so bei mir:

Zähne aufeinander beißen, Luft anhalten, den Lenker mit den Händen sehr fest halten, die Arme steif machen und ordentlich pedalieren. Dann rauscht er mit einem Höllenlärm an mir vorüber – eigentlich immer mit einem Sicherheitsabstand – und läßt mich mit meinem Rad dann mit seiner Windhose im Sturm tanzen, dass mir meine weiße Fahrradbluse am Rücken hochgesogen wird. Das wiederholt sich oft und immer öfter. Später kommen die meisten Road Trains und Trucks von vorn auf der anderen Seite. Als der Wind noch von vorn und dann von Süden bläst, erreicht mich ihre Windhose auch immer, aber lange nicht so stark wie die derjenigen, die mich direkt in meiner Richtung überholen.