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Wer sind wir und was machen wir?

Wie können wir uns selbst beschreiben? Fangen wir mal so an: Das Hofkollektiv Wieserhoisl ist eine lustige Truppe von befreundeten jungen Menschen, die motiviert sind, sich ihre eigene Lebensrealität zu gestalten.

Damit du uns und unser Lebensumfeld ein bisschen näher kennenlernen kannst, fangen wir gleich zu Beginn mit den grundlegendsten Infos an: Wer zu uns gehört, was wir machen, wo wir leben.

Zu dem Zeitpunkt, an dem diese Zeilen hier geschrieben werden, besteht die Hofkollektivgruppe aus fünf Erwachsenen und drei Kindern. Altersmäßig sind wir um die 40 Jahre alt. Unser neuester Mitbewohner ist da mit seinen 23 Jahren ein kleiner Ausreißer. Die Kinder sind 2009, 2011 und 2017 hier am Hof zur Welt gekommen. Zurzeit lebt nur eine Mitbewohnerin aus einem anderen Ursprungsland als Österreich mit uns: Elena ist Spanierin. Aber auch früher lebten immer wieder mal Mitbewohner*innen aus anderen Ländern bei uns, z. B. Antonin, der in der Gründer*innengruppe dabei war und aus Frankreich kommt. Dadurch entsteht hier auch immer wieder ein bisschen internationales Flair. Die größte Besetzung am Wieserhoisl-Hof gab es 2009/10: mit neun Erwachsenen und drei Kindern. Die kleinste Konstellation existierte über eine kurze Zeitspanne im Sommer/Herbst 2007 mit drei Erwachsenen und einem Kind. Zwischen den Anfangsjahren und heute sind Menschen aus der Gruppe wieder ausgezogen, andere sind eingezogen. Kinder wurden geboren, ein lieber Freund ist in unserer Mitte an Krebs verstorben. Beziehungen haben sich aufgelöst, andere sind neu entstanden. Wir sehen uns als recht stabile Gruppe, im Laufe der Jahre haben uns dennoch einige Um- und Auszüge begleitet. Bewegung und Umbruch gab es also immer.

So sieht’s bei uns aus: unser Bauernhof

Grundsätzlich sind wir am Wieserhoisl-Hof aus räumlichen Gründen auf die ungefähre Anzahl von zehn Bewohner*innen begrenzt. Je nachdem, wie viele Menschen sich ein Zimmer teilen bzw. wie stark das Bedürfnis nach Privatsphäre ist, steigt und sinkt die Anzahl der Bewohner*innen.

Für mehr Menschen müsste nicht nur Wohnraum erweitert werden. Es bräuchte auch einen Ausbau der Grundinfrastruktur, also der Küche, der Badezimmer und der Gemeinschaftsräume. Mehr Wohnraum wurde seit unserem Ankommen in mobiler Form geschaffen. Vier ausrangierte Bau- bzw. Zirkuswägen in unterschiedlicher Größe ergänzen den vorhandenen Wohnraum und ermöglichen so privaten Rückzug in die eigenen vier Wände.

Willkommen am Wieserhoisl-Hof!

Am Rande der Kleinstadt, abseits des geschäftigen Treibens, schlängelt sich die Straße vorbei an saftig grünen Wiesen, Ackerflächen, Wohnhäusern und Siloballen, hinauf in den Wald. Nach ein paar Kurven kommt eine Abzweigung, es geht über eine Schotterstraße, über den plätschernden Bach. Der kühle Wald gibt einen wieder frei, und schon erkennt mensch rechts eine Reihe von Bauwägen, links eine Scheune, ein Gewächshaus und dahinter eine riesige Weidefläche über den sanften Hang hinauf, an dem die Schafe grasen und gelegentlich ein zufriedenes Blöken von sich geben.

Weiter vorne kommt ein weitflächiger Gemüsegarten zum Vorschein, unten angrenzend picken und scharren quirlige Hühner durch Wiese und Sand. Da – es eröffnet sich ein spektakulärer Blick ins Tal. Und daneben schmiegt sich das Hauptgebäude, das Bauernhaus, an den Hang.

Den Weg entlang, am Rande, bevor er sich wieder steil nach unten neigt, glänzt das Dach unserer privaten Wolfgangi-Kapelle im Sonnenschein – ein beliebtes Ausflugsziel, auf dessen Aussichtsbank auch wir uns gerne im Sommer nach dem Mähen ausruhen und die letzten Sonnenstrahlen auf unseren Nasen tanzen lassen.

So oder so ähnlich würden sich wohl deine Eindrücke gestalten, wenn du vom Tal aus auf unseren Bauernhof kommst. Ja, wenn mensch eines vom Wieserhoisl-Hof und seiner Umgebung sagen kann, dann das: Es ist ein paradiesischer, fast schon ein bisschen magischer Ort. Und das waren auch gleich unsere ersten Gedanken, als wir ihn vor vielen Jahren das erste Mal gesehen haben. Wir waren augenblicklich verliebt.

Vom Bauernhaus bis zum Gemüsegarten: Was gehört alles zum Hof?

Schauen wir uns also die Gebäude und das Gebiet noch ein bisschen näher an, beginnend mit unserem Hauptgebäude, dem Bauernhaus. Dabei handelt es sich um einen typischen weststeirischen Bergbauernhof. Über die Treppe, vorbei an gestapelten Waldviertler Schuhen, Sneakers und Gummistiefeln, gelangt mensch zur Eingangstür – und landet nach Betreten des Wohnhauses gleich mal im Herzstück des Gebäudes, in der Küche. Daran angrenzend befindet sich ein Gang, die Treppe führt nach oben zu den zwei Kinderzimmern, eine Tür Richtung Hinterseite des Gebäudes mit Blick auf die Weide. Im Untergeschoss befinden sich noch ein Wohnzimmer, ein Büro und das einzige Badezimmer.

Multifunktionale Räumlichkeiten: Kellerstöckl, Stall und Scheune

Zur Hofstätte zählt außerdem ein ebenfalls für die Region sehr typisches „Kellerstöckl“, das vor unserem Ankommen als Buschenschank betrieben wurde. Jetzt nutzen wir es als Gäste- und Veranstaltungsort. Ein Matratzenlager zum Schlafen, eine rustikale Küche und improvisierte Infrastruktur mit kaltem Wasser im Außenbereich, einer Dusche unter der Weinlaube und einer Trockentrenntoilette ermöglichen die unabhängige Nutzung dieses Gebäudes durch Besucher*innen im Rahmen von Klausuren, Workshops und Festen in der warmen Jahreszeit. An diesem Gebäude wird stetig weitergebastelt. Unser Wunsch ist es, die Ausstattung zu verbessern und alles noch bequemer und gemütlicher zu machen.


› Wir versuchen, uns so gut wie möglich selbstzuversorgen.

Was natürlich ebenfalls zu einem Bauernhof gehört? Klar: ein Stall, damit unsere Schafe im Winter eine Unterkunft haben. Auf unserem Hof finden sich sogar zwei Stallgebäude. Beide werden von uns mehrfach und vielfältig genutzt. Einerseits verwenden wir die Gebäude für landwirtschaftliche Zwecke, also als Stall für die Tiere, andererseits auch als Werkstatt, Lagerraum für Heu und andere Futtermittel sowie für die Maschinen. Andererseits halten wir Raum für andere Verwendungen frei. In dem einen Gebäude – wir nennen es den „alten Stall“ – findet sich ein Platz mit Sofas, den wir als Versammlungsort bei Schlechtwetter, während Klausuren und auch für unser alljährliches Hoffest nutzen. Im anderen Gebäude, dem „neuen Stall“, halten wir einen richtig großen Raum frei: unser sogenanntes „Offroad-Theater“. Hier haben schon Kinder-Zirkuscamps (schau auf Seite 215) stattgefunden, Theaterworkshops und Zirkusaufführungen. Dort residierte unsere Hofband mit ihren Musikinstrumenten (mehr dazu auf Seite 215) und dort erarbeiteten befreundete Zirkusartist*innen neue Stücke.

Lauter Grün rundherum:
von Wiesen und Wanderwegen

Abseits der Gebäude besteht das Wieserhoisl aus ca. 12 Hektar arrondiertem (direkt umliegendem) Grund und Boden. 5 Hektar davon machen Waldflächen aus, ca. 6 Hektar sind steiles Grünland, beim Rest handelt es sich hauptsächlich um Wege, Gebäude und die dazwischenliegenden Flächen. Ringsum sind wir von Wald umgeben, unsere nächsten Nachbar*innen sind allesamt mehrere hundert Meter von uns entfernt.

Zu den ganz speziellen Dingen am Wieserhoisl zählt der atemberaubend schöne Blick ins Tal, wie wir eingangs schon erwähnt haben. Abhängig von der aktuellen Wetterlage erleben wir täglich eine etwas andere Atmosphäre, wenn wir unseren Blick in die Ferne schweifen lassen. Die Aussicht ist malerisch und alleine das macht diesen Ort zu etwas ganz Besonderem! Und wer weiß: Vielleicht beeinflusst uns dieser Blick in die Ferne, mit der Rückendeckung der Natur, auch innerlich und positiv in unserem Weitblick auf die gesellschaftlichen Probleme und öffnet unseren Geist.

Eine weitere Besonderheit des Wieserhoisls ist der Wanderweg, der mitten durch den Hof und somit durch unser Wohnzimmer im Freien führt. Dabei handelt es sich um einen Abschnitt des Mariazeller Weitwanderweges, der auch von sehr vielen Menschen der Umgebung begangen wird. Er führt von Deutschlandsberg zur kleinen Wolfgangikirche, die oberhalb von uns gelegen ist. Von dort hat mensch einen wunderbaren Ausblick in alle Himmelsrichtungen.

Und was, glaubst du, passiert unweigerlich, wenn sich so ein Wander- und Spazierweg mitten durch unser Gelände windet? Genau: Es kommt immer wieder zu netten Begegnungen und spannenden Gesprächen mit Menschen, die hier unterwegs sind und sich dafür interessieren, was wir machen. Vielen Vorbeiwandernden fällt sofort auf, dass hier etwas anders ist. Seien es die Zirkus- und Bauwägen, der riesige Gemüsegarten, das große Poster mit der Aufschrift „Kein Mensch ist illegal“, das an der alten Scheunenwand hängt und schon für sich ein Statement über unsere Überzeugungen und unsere Denkweise abgibt, oder einfach nur die Tatsache, dass hier junge Menschen am Schaffen sind. Dadurch ergibt sich eine öffentliche Wirkung einfach so als Nebeneffekt.

Lassen wir die Vielfalt einziehen!

Wir sind der Meinung, dass das Wieserhoisl und das dazugehörige Stück Land ökologisch sehr vielfältig sind. Auf der einen Seite gibt es große Mengen an Wasser durch eine hofeigene Quelle, einen Bach, der den Wald durchquert, und viele sumpfige und feuchte Stellen hier und da. Andererseits finden sich hier auch trockene Magerwiesen mit vielen Kräutern und vielfältigen Insekten – sogar Gottesanbeterinnen entdecken wir in unseren Wiesen immer wieder. Daneben tummeln sich seltene Schmetterlingsarten, Glühwürmchen, schillernde Käferarten, Feuersalamander und Schlingnattern inmitten von wildem Thymian, Hauhecheln und Teufelskralle. An einigen Stellen lassen wir die Wildnis walten und greifen kaum pflegend ein.

 

Neben dem, was die Natur von selbst bietet und uns zur Verfügung stellt, haben auch wir dazu beigetragen, die Artenvielfalt einziehen zu lassen. Da wären einerseits unsere Tiere: Als wir beschlossen haben, Schafe hier am Hof zu halten, haben wir uns bewusst für eine gefährdete Nutztierrasse, die Krainer Steinschafe, entschieden. Zeitweise haben auch verschiedene lustige Hühnerrassen, wie Sulmtaler, Altsteirer und Brahma-Hühner, Gänse und verschiedene Enten hier ein Zuhause gefunden. Seit einiger Zeit geben wir einer ganz klassischen Hühnerrasse noch etwas mehr Lebenszeit. Wir übernehmen Bio-Legehennen, die im kommerziellen Legebetrieb wegen ihres Alters ausrangiert werden. Bei uns dürfen sie bis an ihr Lebensende so viele oder so wenige Eier legen, wie sie wollen.


› Im Solardörrer trocknen Kräuter und Blüten – das Steckenpferd von Kräuterliebhaberin Tina.

Und im Garten geht es, was die Vielfalt betrifft, sowieso drunter und drüber. Von essbaren Wildpflanzen über klassische Vertreterinnen aus Bauerngärten bis zu außergewöhnlicheren Experimenten, wie zum Beispiel Erdnüssen oder Artischocken, haben unsere Beete schon alles gesehen. Von einer Gemüseart gibt es außerdem meistens mehr als nur eine Sorte. Wir pflanzen ausschließlich samenfeste Sorten, die wir mit viel Leidenschaft auch selbst weitervermehren (wenn du genauer wissen möchtest, wen mensch in unseren Beeten so alles antrifft, schau auf Seite 111).

Woraus wir wachsen und wogegen wir uns starkmachen

Und dann ist das Hofkollektiv Wieserhoisl noch viel mehr als nur dieser Ort, dessen Bewohner*innen und sein spezieller Geist, den er nach außen hin verströmt. Es umfasst auch seine Wurzeln, die Vergangenheit und damit die vielen Menschen, die das, was jetzt ist, mitgestaltet haben. Mit ihrer Tatkraft in den Anfangszeiten und in den vielen Jahren danach, beim Umsetzen von Projekten, Aktionen, Veranstaltungen und Festen. Durch neue Themen, die sie zu uns getragen haben, die uns sensibilisiert und weitergebildet haben, die unsere Augen und Herzen weiter geöffnet haben für die Vielfalt der Menschen und das, was sie bewegt, sowie die Welt im Allgemeinen. Damit meinen wir all jene, die uns durch Anerkennung und Bestätigung auf unserem Weg bestärkt haben. All jene, die sich auf ihrem Weg von uns inspirieren ließen. Ähnliches selbst ausprobiert haben. An irgendeiner Ecke weitergebaut und um die nächste gedacht haben. Oder sogar neue Hofkollektive gegründet haben.

Damit meinen wir aber auch all jene, die uns vor Herausforderungen gestellt haben. Unsere Toleranz gegenüber der Vielfältigkeit des menschlichen Seins auf den Prüfstand gestellt haben. Uns im Umgang mit den schwierigen sozialen Seiten von Menschen bis an unsere Grenzen gefordert haben. Uns in Situationen des Krisenmanagements gedrängt haben und uns somit auch zu mehr Klarheit in der Abgrenzung geholfen haben. Einmal sagte ein Freund zu uns: „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht!“ So manch aufreibende Situation hat uns also die Augen dafür geöffnet und den Blick dafür geschärft, was wir hier am Wieserhoisl wollen und was eben sicher nicht. Rassismus, Homophobie, aggressivem Verhalten, Egozentrismus, toxischer Männlichkeit soll und will hier kein Raum geboten werden. Und dafür heißt es, manchmal auch einen Schlussstrich unter die Toleranz und Offenheit für alle und alles zu setzen. Es bedeutet, manchmal Menschen von diesem Ort auszuschließen, weil wir hier gewisse Einstellungen oder Verhaltensweisen einfach nicht haben wollen.

Zum Glück sind das in all den Jahren Ausnahmen geblieben und das Hofkollektiv Wieserhoisl versteht sich als offener Ort der Begegnung. Hier treffen sich interessierte, engagierte Menschen, vernetzen sich, informieren sich, stellen ihre Hilfe zur Verfügung. Und gemeinsam basteln wir an einer anderen, friedlicheren und nachhaltigeren Welt.


Lassen wir die anderen erzählen: Was langjährige Freund*innen über uns sagen:


„Ich habe mich letztes Jahr so gefreut, an eurem kleinen und feinen Fest teilzunehmen und wieder einmal an eurem wunderbaren Ort zu sein, der mir immer wieder Geborgenheit schenkt. Ich habe es miterlebt, wie das Wieserhoisl gewachsen ist und sich verändert hat, und das war auch für mein eigenes Leben bereichernd. Ich bin dankbar, dass ich immer wieder herzlich bei euch aufgenommen wurde, und hoffe, das bald wieder erleben zu können.“

„Für mich wurde das Wieserhoisl in den letzten 10 Jahren zu einer zweiten Heimat. Es ist ein queerfeministischer Ort. Natur. Zugehörigkeit. Gemeinsamkeit. Lernen. Sein. Liebe.“

Dürfen wir uns vorstellen? Das sind wir, die Bewohner*innen des Hofkollektivs Wieserhoisl


› Hallo! Wir sind: Mael, Elena, Fritz, Noreia, Tobias, Mark, Popeia und Tina.

Das Hofkollektiv Wieserhoisl

TINA:

geboren 1980 in Graz; Studium „Landnutzung und nachhaltige Entwicklung“ an der Universität für Bodenkultur in Wien; Gründerin des Hofkollektivs Wieserhoisl 2006 und somit dessen Urgestein; Mutter von Popeia; praktizierende Wald- und Kräuterpädagogin; sie hat den unüberschaubaren Überblick über alle Pflanzenaktivitäten am Hof, ist Netzwerkerin, Partyqueen und Freundin der Zirkuswelten

POPEIA:

geboren 2009 im Zirkuswagen am Hof; Meisterin der verschiedenen Kollektivwelten, denn sie verbringt ihre Wochenenden bei ihrem Papa am Longo-maï-Hof Stopar in Kärnten; zweite Muttersprache: Französisch; sie besucht die Alternativschule Klex in Graz, ist sehr wortgewandt und fast immer gut gelaunt

MARK:

geboren 1983 in Bruck/Mur; Lehre als Prozessleittechniker, Skisport-Landeslehrer Tirol; Kunstaussteller; Kellner und Koch; Bachelorstudium Geographie an der Universität Graz; langjähriger Obmann des Jongliervereins Graz und selbst Jongleur seit über 20 Jahren; am Hof überall organisatorisch und tatkräftig dabei; unermüdlicher Auftreiber von nützlichen Secondhand-Gegenständen

TOBIAS:

geboren 1997 in Linz; Matura an der HBLA für künstlerische Gestaltung in Linz; seit Februar 2020 im Hofkollektiv Wieserhoisl; professionelle Gartenfee/ländliches Universalgenie, großer Freund von Pflanzen und ihren Wesen- und Eigenheiten; passionierter Kanufahrer und -guide mit Holzschnitzambitionen

FRITZ:

geboren 1978 in Klagenfurt; Studium der Landwirtschaft und Doktorat am Institut für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur in Wien; seit 2010 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Vater von Mael und Noreia; am Hof hauptsächlich verantwortlich für die Tierhaltung, das Weidemanagement und die Waldbewirtschaftung; er ist leidenschaft-licher Paellakoch und Tortenbäcker

ELENA:

geboren 1980 in Valencia/Spanien; Studium der Landwirtschaft in Spanien; seit 2010 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Mutter von Noreia und Mael; ihre Arbeitsbereiche am Hof sind der Garten, die Saatgutvermehrung, die Jungpflanzen sowie Einkochen und Tierhaltung; sie arbeitet auch als Kindergartenassistentin; sie steht allen immer mit Rat und Tat zur Seite, bringt südländisches Flair ins Kollektiv und tanzt gerne

NOREIA:

geboren 2011 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Zweite Muttersprache: Valenciano; geht in Deutschlandsberg zur Schule; sie ist unsere Schafflüsterin, hilft gerne mit, wenn gemeinsame Aktionen stattfinden, kocht gerne und hängt gerne auf den Bäumen herum

MAEL:

geboren 2017 im Hofkollektiv Wieserhoisl; Zweite Muttersprache: Valenciano; er hält das Kollektiv in Atem und bringt Stimmung ins Haus; er ist unser Pfeil-und-Bogen-Spezialist und trägt den geheimen Titel „King of Wieserhoisl“

Zusammen sind wir stark

Wir haben uns also für einen gemeinsamen Weg entschieden. Einen Weg, der von dem Grundsatz ausgeht, dass wir gemeinsam stärker sind. Widerstandsfähiger. Weniger verletzlich. Beweglicher.

Damit haben wir für uns eine Lösungsmöglichkeit gefunden, zwei Lebensarten zu vereinen: auf der einen Seite ein bescheidenes, bäuerliches, mit dem Ort stark verbundenes, auf der anderen Seite ein modernes, mobiles Leben. Wenn du jetzt denkst, dass diese Entwürfe ziemlich gegensätzlich klingen, hast du gar nicht Unrecht: Sie stehen manchmal auch ganz schön im Widerspruch und der Versuch, beides zu leben, ist nicht immer einfach. Aber es schweißt uns auch zusammen. Und meistens gelingt es uns, diesen Bogen zu spannen und die Vorteile beider Seiten voll auszukosten.

Wie führt mensch eigentlich einen Bauernhof?

Am Anfang mussten wir aber erst in dieses neue Leben hineinfinden. Es war ein herausfordernder Lernprozess, bis wir erkannten, was es wirklich heißt, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Klar: Durch unser Studium hatten wir eine fundierte Vorstellung davon, was agrarische Produktion und Organisation bedeuten. Aber es fehlte uns an Praxis: Mit Ausnahme von einem*einer oder zwei Bewohner*innen sind wir alle in einem eher städtischen Umfeld aufgewachsen. Nichtsdestotrotz haben viele von uns unbeschwerte Kindertage am Land verbracht und seit jeher einen starken Bezug zur Natur. So kam es, dass unsere Vorstellungen vom Leben am Land vor unserem Start und in der Anfangsphase sicherlich auch mit Bildern romantischer Idylle vernebelt waren: der Vorstellung davon, mit Freunden inmitten wunderschöner Natur den eigenen Leidenschaften nachzugehen. Das fühlte sich – zumindest in der Vorbereitungsphase, in unseren Gedanken – nicht an wie Arbeit.

Hineinwachsen und über uns hinauswachsen

Je mehr wir uns dann mit dem Ort zu verbinden begannen und Aktivitäten nachgingen, die mit Verantwortung und Verpflichtungen zusammenhingen, desto mehr bekamen wir zu spüren, was es bedeutet, sich um ein Stück Land zu kümmern und Selbstversorgung zu betreiben. Wir erlebten immer intensiver, dass Landwirtschaft eine harte Lebensrealität ist. Die Arbeit hört nie auf. Viele Tätigkeiten sind zeitaufwändig und lassen sich nicht direkt in einen Vorteil oder Lohn ummünzen. Mensch ist an den Ort gebunden, da er*sie sich zu Tätigkeiten verpflichtet, die eine langfristige Zuwendung voraussetzen, bevor ein gewünschtes Ergebnis eintrifft.

Freizeit und Arbeitszeit, Arbeitswoche und Wochenende verschwimmen. Denn wenn die Heuernte ansteht, dann muss das Freizeitvorhaben am See eben warten. Oder wenn am nächsten Tag ein Markt stattfindet, dann wird auch noch in die Abendstunden hinein vorbereitet. Versteh uns nicht falsch: Es ist ein erfüllendes Dasein, das wir führen. Wir arbeiten mit unseren Händen, teilen unsere Zeit selbständig ein, unterstützen uns gegenseitig, ernten gemeinsam die Früchte unserer Arbeit. Aber es ist ein Dasein, das mensch eben nicht blauäugig angehen sollte. Wer diesen Weg einschlagen möchte, muss sich bewusst sein, was auf ihn*sie zukommt: Freude, Gemeinschaftlichkeit, Zusammenhalt – aber eben auch ein ganzes Stück Arbeit.

Also ja, auch wir sind in unserem bäuerlichen Leben manchmal mit Einschränkungen konfrontiert. Doch viel wichtiger ist es für uns, hervorzuheben, wie das Kollektiv und die Gemeinschaft in dieser Konstellation wirken, sprich: wie viel Bewegungsfreiheit wir uns gegenseitig ermöglichen können. Jede*r von uns, egal welche Verantwortungsbereiche er*sie ausübt, kann ohne großen organisatorischen Aufwand Urlaub nehmen, kann über mehrere Tage wegfahren, andere Menschen treffen, andere Luft schnuppern, Abstand nehmen. Sogar Reisen über mehrere Monate sind möglich. Das ist etwas, das klassische bäuerliche Familien mehrheitlich anders leben. Wir aber ermöglichen uns das, indem wir in fast allen Bereichen zumindest in Zweierteams arbeiten, also der*die Einzelne sowieso leichter abkömmlich ist. Oder wir ersetzen uns einfach vorübergehend gegenseitig.

 

› Blick auf die Bauwägen – Tina kommt gerade vom Kräuterbeet.