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Da sind wir uns einig: Wir haben eine Vision


Jetzt haben wir dir schon ein bisschen was über uns erzählt: Wer wir sind, was wir machen, wie unsere Entstehungsgeschichte verlaufen ist. Stellt sich nur noch die Frage: Warum tun wir uns das alles eigentlich an? Die Arbeit in der Landwirtschaft ist ja immerhin auch körperlich anstrengend, manchmal gefährlich und stellt uns regelmäßig vor neue Herausforderungen. Egal, ob es Maschinen sind, die nicht funktionieren, ob es Tiere sind, die plötzlich krank werden, oder ob es ein Sturm ist, der Bäume entwurzelt. Überraschungen gibt’s genug. Auch das soziale Miteinander im Kollektiv kann an den Kräften zehren.

Wegen des Geldes machen wir es auch nicht. Durch die Selbstversorgung mit eigenen Hofprodukten können wir zwar einiges an Geld sparen. Und selbst wenn wir mit unserer Art der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ein bisschen was verdienen, reich werden wir mit unserem Lebensstil nicht – aber das wollen wir auch nicht. Was wir stattdessen wollen? Oder besser gefragt: Warum das Ganze? Genau darum soll es hier in diesem Kapitel gehen. Wir stellen dir unsere Vorstellungen, Gedanken, Visionen vor. Und haben gleich eine erste Antwort auf diese Frage. Schlicht und einfach gesagt: Es ist die Überzeugung, das Richtige zu tun.

Was wir erkannt haben: Weiter wie bisher ist keine Option

Wir beobachten schon seit vielen Jahren problematische Entwicklungstendenzen unserer Gesellschaft. Die Corona-Pandemie ist nur ein Beispiel. Sie hat sogar – verständlicherweise – einige andere, wichtige, akute Probleme von der öffentlichen Bildfläche gedrängt. Der Klimawandel ist dadurch z. B. etwas in Vergessenheit geraten.

Wir sehen, wie wir uns immer weiter von einem resilienzorientierten und ressourcenschonenden Lebensstil, der dem Planeten noch guttut, entfernen. Wir befinden uns inmitten einer multidimensionalen Krise, die es erfordert, umfassend darauf zu reagieren. So weitermachen wie bisher – das ist nicht drin. Es muss sich etwas, und zwar ganz gravierend, ändern. Es braucht einen Systemwechsel. Zu dieser Einsicht sind wir bereits vor vielen Jahren gekommen und arbeiten nun emsig an Alternativen, sei es bei der Lebensmittelversorgung, im Zusammenleben oder bei der Geldwirtschaft. Aber was hat uns bis hierher gebracht?

Es ist an der Zeit: für eine Veränderung unserer Konsumgewohnheiten

Die Herrschaft des Geldes und Machtkonzentrationen auf verschiedenen Ebenen führten in den letzten Jahrzehnten zur systematischen Liberalisierung des Handels (nähere Infos zu den Dynamiken im 20. Jahrhundert findest du auf Seite 34). Klein- und Kleinstbetriebe tun sich zunehmend schwer, wirtschaftlich überlebensfähig zu bleiben.

Es scheint, als würden sich viele Menschen heute nur mehr über ihren Konsum definieren. Shoppingcenter, Einkaufsmeilen und Sonderangebote verführen zum vermeintlichen Konsumglück. Obwohl auch viele Konsument*innen verantwortungsbewusster handeln als noch in den 1980er- oder 1990er-Jahren, so hat sich das Konsumverhalten oft einfach nur verlagert. Dann ist es heute eben das schickste Elektroauto und nicht der dickste SUV. Hauptsache, es gibt ein Prestigeobjekt zum Herzeigen. Obwohl also der Trend in Richtung Nachhaltigkeit geht, ändert sich beim Großteil unserer Gesellschaft nur schleppend etwas. Unser Leben, unsere Grundhaltung sind immer noch bestimmt von materiellen Werten, unser Zufriedenheitsempfinden knüpft sich ganz eindeutig daran. Manche Menschen sind immer noch der Meinung, dass sie nur durch die konsumorientierte Befriedigung ihrer Bedürfnisse glücklich werden.


› Unseren Kleintraktor haben wir, wie (fast) alle anderen Geräte am Hof, gebraucht gekauft.

Wenn ich über Europas Grenzen blicke, ergibt sich unweigerlich das Bild, dass wir hier in Mitteleuropa in unermesslichem Überfluss leben. Um nicht zu sagen: wie die Maden im Speck. Wir sind Kinder einer Wohlstandsgesellschaft und gewohnt – quasi auf Knopfdruck oder per Mausklick – zu bekommen, was wir wollen. Aber mal ganz ehrlich: Müssen wir den ganzen Ballast wirklich haben? Im Zentrum steht doch die Frage, was wir für „ein gutes Leben für alle“6 brauchen. In Wahrheit geht es doch um das richtige Maß. „Die Dosis macht das Gift“, sagte schon Paracelsus. Wir glauben, es ist schon längst an der Zeit, über Selbstbegrenzung nachzudenken. Es gilt, die eigenen Bedürfnisse kritisch zu hinterfragen. Wir müssen den Rohstoff- und Energieverbrauch reduzieren und in alternative Strukturen investieren, um als Gesellschaft langfristig überlebensfähig zu bleiben.

In Zukunft wird die Selbstversorgung für viele von uns immer wichtiger werden. Vielleicht erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt noch utopisch. Aber es gibt viele Wege dorthin. Es geht darum, möglichst lokale Kreisläufe zu schließen. Für Menschen ohne Garten empfiehlt es sich beispielsweise schon, Küchenabfälle, Eierschalen und Kaffeesatz mittels Wurmkompost7 in wertvollen Humus verwandeln zu lassen, am Balkon Kräuter und in der Wohnung Pilze zu züchten oder Lebensmittel von regionalen Landwirt*innen und Erzeuger*innen zu beziehen – abseits der großen Konzerne, möglichst unabhängig und mit kurzen Wegen. Dementsprechend hat der Suffizienzgedanke auch einen sehr hohen Stellenwert bei uns im Kollektiv.

Alles dreht sich im Kreis: reduce, reuse and recycle

Vieles von dem, was wir mit Wohlstand verbinden, landet früher oder später im Müll. Wir sind dagegen, dass Dinge produziert und gekauft werden, mit denen wir in erster Linie unsere Umwelt verschmutzen. Aus diesem Grund verwenden wir, wo möglich und sinnvoll, recycelte Materialien. Wir geben ihnen sozusagen eine zweite Chance. Das geht nicht immer und überall, aber wir arbeiten darauf hin. So ist z. B. das Dach unseres Anzuchtgewächshauses eine ehemalige Schwimmbadabdeckung. Mülltrennen und Recycling sind für uns ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Unsere ersten Anlaufstellen, wenn wir etwas über den Lebensmittelbedarf hinaus brauchen, sind Secondhand-Läden oder Flohmärkte. Und wenn mal die Waschmaschine den Geist aufgibt, stöbern wir als Allererstes auf Online-Flohmärkten. Da wir viele Gegenstände und Geräte gemeinsam benutzen, die wir sonst womöglich alle separat gekauft hätten und besitzen würden, sparen wir auch hier einiges an Materialien und Rohstoffen ein. Und auch innerhalb der Gruppe wird gerne etwas weitergegeben, seien es die Kinderkleidung oder die Campingausrüstung. Mit dieser Einstellung reduzieren wir unseren ökologischen Fußabdruck, indem wir schonend mit unseren Ressourcen umgehen und sie innerhalb unserer Gruppe teilen.

In diesem Sinne weigern wir uns allgemein, Gegenstände einfach wegzuwerfen. Wenn elektrische Geräte defekt werden, Werkzeug oder Maschinen kaputtgehen, versuchen wir also, sie zu reparieren. Im Idealfall machen wir es selbst. Diese Do-it-yourself-Mentalität hat dazu geführt, dass wir uns im Laufe der Jahre verschiedenste Fähigkeiten autodidaktisch angelernt haben. Vom Einkochen bis zur Waldarbeit machen wir so viel wie möglich selbst.

Allerdings stoßen wir auch immer wieder an unsere Grenzen. Dann schlagen wir in einem unserer schlauen Bücher nach, fragen Nachbar*innen oder Spezialist*innen um Hilfe. Oder wir besuchen einen Kurs, in dem grundlegende Techniken erklärt werden. Dadurch haben wir uns bereits einiges an Know-how und Lösungskompetenz angeeignet. Wir sind dadurch selbständiger geworden und konnten unseren autonomen Handlungsspielraum erweitern. Wir sind beispielsweise inzwischen nicht mehr abhängig von unserem Nachbarn, der uns zu Beginn bei der Holzarbeit unterstützte. Klar, wir sind dankbar, dass er uns immer geholfen und uns die Arbeit nähergebracht hat. Aber inzwischen haben wir die dazugehörigen Fähigkeiten selbst erworben. Dabei geht es uns auch um unsere persönliche Weiterentwicklung.


› Mark in seinem Element: Der Stecker vom Stromkabel wird kurzerhand repariert.

Lasst uns endlich erkennen: Wir sitzen alle im selben Boot

Themen wie Klimawandel, Bodenversiegelung, Naturzerstörung, Lebensmittelverschwendung oder Artensterben stehen in direkter Wechselwirkung mit unserem ganz persönlichen Lebensstil. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass jede*r von uns dazu beitragen kann, diese Welt lebenswerter zu machen – für alle, die noch nach uns kommen. Für eine harmonische Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Uns stört, dass Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach wie vor zu wenig unternehmen, um eine drohende Umweltkrise aufgrund klimatischer Veränderungen abzuwenden. Wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel, zur Ressourcenverschwendung, zum Verlust von Ökosystemen und Artenvielfalt müssen endlich ernst genommen werden. Die Wirtschaft verschlingt zu viele Ressourcen. Und damit gefährdet sie die Zukunft unserer Nachkommen. Das Überleben kommender Generationen wird aufs Spiel gesetzt, nur um dem Wachstumsdogma zu huldigen. Wir wollen dabei nicht länger zusehen. Wir werden selbst aktiv. Es geht Schritt für Schritt in Richtung öko-solidarische Gesellschaft.

 

Veränderungen in der Landwirtschaft und die Rolle der Kleinbäuer*innen

Als eine weitere Entwicklung im Zuge der zunehmenden Deregulierung und des Neoliberalismus kann eine steigende Konzentrierung und Zentralisierung von Macht, Ressourcen und Wohlstand festgestellt werden. Auf diese Weise passiert es auch auf der Ebene von Unternehmen: Die Großen werden immer größer, die Kleinen verschwinden. Weil: Die Großen schlucken die Kleinen. Besonders augenscheinlich ist das in den vergangenen Jahrzehnten in der Landwirtschaft geschehen.

Die Kleinen bleiben auf der Strecke: das Agrar- und Ernährungssystem im neoliberalen Credo

Die Folge: Die kleinstrukturierte Landwirtschaft wird immer weiter zurückgedrängt und nur wenige große Betriebe bleiben übrig. Das langsame und stille Verschwinden unserer Lebensmittelproduzent*innen wird häufig als „Strukturwandel in der Landwirtschaft“ bezeichnet. Das verlagert die Verantwortung weg von den großen Konzernen und lässt das Ganze als eine naturgegebene Entwicklung erscheinen. Aber das stimmt nicht. Wir können auch „Höfesterben“ oder „Bauernsterben“ dazu sagen – was der Dramatik dieser Entwicklung eher entspricht.

Neben der Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel sorgen die Bäuer*innen dafür, dass die Biodiversität und kulturelle Vielfalt für den ländlichen Raum erhalten bleibt. Sie pflegen und erhalten die Kulturlandschaft und besonders schützenswerte Ökosysteme. Obwohl die Multifunktionalität der Landwirtschaft mittlerweile auch politischen Entscheidungsträger*innen ein Begriff sein dürfte, werden viele dieser Leistungen der Bäuer*innen nur unzureichend wertgeschätzt, geschweige denn entlohnt. Verantwortlich für die Fehlentwicklungen im ländlichen Raum sind politische Entscheidungsträger*innen, die in den letzten 50 Jahren eine Politik des „Wachsens oder Weichens“ vorangetrieben haben. Das heißt: Landwirtschaftliche Betriebe können nur überleben, wenn sie sich ständig vergrößern und auf Wachstum ausrichten. Andernfalls bleibt lediglich die Option, die Landwirtschaft aufzugeben und den Betrieb (an einen der Großbetriebe) zu verpachten oder zu verkaufen.

Viele Bauernhöfe sind heute nur noch mit ausreichender Flächen- und Maschinenausstattung überlebensfähig. Grund und Boden wird häufig als Kapitalanlage gesehen und dadurch zunehmend zum Spekulationsobjekt. Abgesehen von den Investor*innen und international agierenden Agrarkonzernen nützt dieser Trend jedoch niemandem. Schon gar nicht der Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Heute bestimmen wenige international agierende Konzerne, welche Pflanzen global angebaut, wie Tiere gehalten werden, was sie fressen und letztendlich, wie unsere Lebensmittel hergestellt werden. Unser Lebensstil hier im Hofkollektiv ist die Antwort auf fehlgeleitete Entwicklungen im Agrar- und Ernährungssystem. Wir stellen uns gegen den Ausverkauf von Grund und Boden und die wachsende Markt- und Kommunikationsmacht großer Konzerne.

Weil die kleinstrukturierte Landwirtschaft unsere Zukunft ist

Die Kritik am industriell und neoliberal orientierten Landwirtschaftsmodell prägt uns seit vielen Jahren und veranlasste uns dazu, aktiv zu werden. Lebensmittelproduktion unter Einsatz chemisch-synthetischer Dünge- und Spritzmittel belastet die Umwelt und gefährdet unsere Gesundheit.

Wir sind der Meinung, dass wir unsere Landwirtschafts- und Ernährungspolitik sowie unsere Produktionsweisen und unser Konsumverhalten von Grund auf ändern müssen. „Weiter wie bisher ist keine Option!“ So sehen das auch über 400 Expert*innen, die ihre Forschungsergebnisse im 2009 veröffentlichten Weltagrarbericht8 dargestellt haben und eine radikale Umkehr in der Agrar- und Ernährungspolitik fordern. Diese Erkenntnisse sind heute so aktuell wie nie. Wir brauchen eine tiefgreifende agrarökologische Transformation in der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion und dem Konsum und müssen kleinbäuerliche Strukturen stärken, um langfristig zukunftsfähig zu werden. Genau darum setzen wir uns tatkräftig für eine bäuerliche, kleinstrukturierte, sozial und ökologisch orientierte Landwirtschaft ein.

Wir sind stolz darauf, zu den Millionen von Kleinbäuer*innen zu gehören, die weltweit für die Ernährungssicherheit der ländlichen Bevölkerung in benachteiligten Regionen sorgen und gleichzeitig das Rückgrat der Ernährungssouveränität darstellen. Wir wollen Kleinbäuer*innen eine Stimme geben und sie dazu ermutigen, sich aus ihren Abhängigkeitsverhältnissen zu befreien.

Daran arbeiten weltweit viele Organisationen, allen voran „La Via Campesina“, eine Vereinigung von Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen, Fischer*innen und Indigenen, die sich für eine gerechte Verteilung, Ernährungssouveränität und die Rechte der Kleinbäuer*innen und Landlosen starkmachen. Der in Österreich tätige Zweig der Vereinigung ist die Österreichische Bergund Kleinbäuer*innen-Vereinigung (ÖBV).

Von Kleinbäuer*innen und Agrobusiness: Was in der Landwirtschaft schiefläuft


Die Landwirtschaft sichert unser Überleben. Das ist ein Statement, das mensch sich immer wieder mal vor Augen führen sollte. Alle Lebensmittel haben einen natürlichen Ursprung. Deswegen ist es umso erschreckender, was in den letzten Jahrzehnten im Agrarsektor weltweit passiert ist. Aus der ursprünglich vorherrschenden Subsistenzwirtschaft entstand durch Technisierung und Globalisierung ein Agrobusiness mit Monokulturen und umfassendem Einsatz von chemisch-synthetischen Mitteln, das Boden und Einwohner*innen ausbeutet und sich im internationalen Wettkampf bereichert, während die Armen und Mittellosen in immer noch prekärere Verhältnisse geworfen werden.

Im Zuge dieser Entwicklungen verschärften sich die Ungleichheiten zwischen Globalem Norden und Süden immer weiter. Besonders deutlich wurde das ab den 1960er-Jahren durch die „Grüne Revolution“ gezeigt, bei der vor allem in Afrika Hochleistungssorten an Kleinbäuer*innen verkauft wurden. Das hatte in der Anfangszeit den positiven Effekt, dass in diesen Ländern die Hungersnöte abnahmen. Aber gleichzeitig wurden durch die Saatgutpatente neue Abhängigkeiten geschaffen, die vervielfachten Erntezyklen begünstigten Schädlinge und erforderten wiederum stärkeren Düngemittel- und Pestizideinsatz. Heute sind die Wachstumspotenziale der Grünen Revolution zudem erschöpft.

Internationale Freihandelsabkommen verstärkten die Abhängigkeiten zusätzlich. Heute ist es üblich, dass viele Länder des Globalen Südens ihre Grundnahrungsmittel primär exportieren und für den eigenen Bedarf nur noch so wenig übrig bleibt, dass sie importieren müssen. Im Globalen Norden hingegen wurde eine Überproduktion gefördert, damit die Überschüsse auf dem internationalen Markt „gedumpt“ werden können, was wiederum andere Produzent*innen, die vom Verkauf dieser Lebensmittel leben, in eine existentielle Not bringt. Von den Arbeitsverhältnissen auf den Plantagen im Globalen Süden ganz zu schweigen. Zudem ist die Praxis des „Land Grabbing“, bei der sich internationale Konzerne oder Investor*innen Landflächen (zu Spekulationszwecken) sichern, meist auf Kosten von dort ansässigen Kleinbäuer*innen, nach wie vor weit verbreitet. Nicht zuletzt trägt die unbeschränkte Spekulation mit Grundnahrungsmitteln zu Nahrungsmittelkrisen bei9.

Heute leiden weltweit fast 1 Milliarde Menschen an Hunger. Es ist allerhöchste Zeit, dass sich daran etwas ändert. Und auch das Beispiel Landwirtschaft zeigt wieder: Kapitalismus und Gerechtigkeit lassen sich nicht vereinen. Der Kapitalismus trägt nur dazu bei, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer noch ärmer werden. Dass die Mächtigen immer mächtiger und die Machtlosen immer machtloser werden. Und das ist für uns einfach nicht tragbar.

Was wollen wir damit erreichen?

Aber zurück zur Eingangsfrage: Wir tun uns das deshalb an, weil wir einen Gegenentwurf zur mehrheitsgesellschaftlichen Arbeits- und Lebensweise als absolut notwendig erachten. Wir fühlen uns veranlasst, Alternativen aufzuzeigen – wollen vorleben, dass es auch anders geht. Ja, unser Leben im Kollektiv ist zuweilen entbehrungsreich, manchmal auch mühsam. Wir sind aber bereit, Entbehrungen auf uns zu nehmen, um uns an unser Ideal einer resilienten, solidarischen und gleichberechtigten Gesellschaft anzunähern. Wir gehen mit gutem Beispiel voran, um andere zu inspirieren. Wie es auch schon Mahatma Gandhi formulierte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Wir wollen ein Vorbild sein für Menschen, die ähnliche Vorstellungen von einem guten Leben haben. Wir wollen Menschen zum Nachdenken anregen, die schon leichte Skepsis verspüren. Wir wollen junge Leute motivieren, gemeinsam mit Gleichgesinnten aufs Land zu ziehen. Wir alle können einen aktiven Beitrag zur Ernährungssouveränität leisten, indem wir uns mit einem Teil unserer Lebensmittel selbst versorgen.

Mit der Selbstversorgung wollen wir von überregionalen Versorgungsstrukturen unabhängig bleiben. Um unseren Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, setzen wir auf Solidarität. Wir unterstützen uns gegenseitig. Grundlage für unsere gemeinsamen Aktivitäten ist ein respektvoller Umgang miteinander. Wir respektieren andere Meinungen und sind bereit, Kompromisse einzugehen.

Unsere Individualität, die Unterschiedlichkeit, ist dabei das Fundament für unser Zusammenleben. Wir können akzeptieren, dass wir alle unterschiedlich denken. Diese Vielfalt an Meinungen erfordert die Bereitschaft, andere Sichtweisen zu hören und zu integrieren. Allerdings hat unsere Toleranz auch Grenzen.

Wir sind dagegen: Darauf haben wir keine Lust

Leider erleben wir derzeit einen besorgniserregenden Anstieg bei der Verbreitung rechten Gedankengutes und einen Trend zu totalitären Führungsstilen. Wir lehnen die Normalisierung rechter Ideologien entschieden ab und verurteilen rassistisches und faschistisches Gedankengut aufs Schärfste. Wir verurteilen jegliche Diskriminierung von Menschen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Wir kämpfen für eine offene Gesellschaft, in der die Vielfalt aller Kulturen akzeptiert wird. Das leben wir auch so im Hofkollektiv Wieserhoisl.

Uns stört, dass traditionelle Rollenbilder nach wie vor als Maßstab für das familiäre Zusammenleben gelten. Aus diesem Grund hinterfragen wir gängige Rollenbilder und setzen uns für Gleichberechtigung und Gleichstellung von allen Identitäten ein, seien es Frauen, Männer, Trans*-Personen, genderqueere Menschen oder solche, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der wir alle die gleichen Chancen haben. Bei uns im Kollektiv ist es selbstverständlich, dass sich alle Mitglieder an reproduktiven Tätigkeiten, seien es Kinderbetreuung, Putzen oder Kochen, beteiligen, egal welcher Genderidentität mensch angehört.

Wir arbeiten daran, Netzwerke an Hofkollektiven aufzubauen, indem wir uns gegenseitig solidarisch unterstützen. Wir wollen uns mit Gleichgesinnten austauschen, um Strukturen zu schaffen, die es uns ermöglichen, langfristig krisenresistent zu bleiben. Die Zukunft hält noch viele Überraschungen für uns bereit. Was genau auf uns zukommt, wissen wir nicht. Gerade aus diesem Grund ist Vielfalt so wichtig! Nur wenn wir eine breite Palette an Auswahlmöglichkeiten haben, steigt die Chance, dass auch die Option dabei ist, die eine ungewisse Zukunft erfordert.

Wir wollen nicht darauf warten, dass andere aktiv werden. Eigeninitiative und zivilgesellschaftliches Engagement sind Eckpfeiler unserer Gemeinschaft.

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