Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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2.7.2 Vorsicht

Vorsichtiges Verhalten basiert auf der menschlichen Fähigkeit, die Folgen seiner Aktion oder seiner Aussage zu bedenken, z. B. bei Geldgeschäften, im Straßenverkehr, an einer Bahnsteigkante, an einem Abgrund, beim Umgang mit Glas oder bei frisch gestrichenen Gegenständen. Vorsichtiges Verhalten ist mit Besonnenheit und Behutsamkeit verbunden. Mangelnde Vorsicht kann zu Leichtsinn werden. Das ist dann gegeben, wenn sich Menschen unvorsichtig verhalten. Übertriebene Vorsicht kann zu Ängstlichkeit, Unentschlossenheit und zu Wankelmut führen. Aber: „Die Gefahr lässt sich nicht auslernen“ (J.W. von Goethe). Auch die Vorsicht hat zwei ganz verschiedene Seiten.

► Thesen: Wer Menschen sollten uns im Leben grundsätzlich besonnen verhalten, denn: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ (Sprichwort). Wenn schwierige Situationen zu bewältigen sind, dann gilt: „Schwierigkeiten heilt man nicht mit Gewalt und Kalamitäten, nicht mit Beschlüssen, sondern mit Klugheit und Vorsicht (C. Spitteler). Und: „Gut ist Bedachtsamkeit und weise die Vorsicht (Krösus). „Wer eine Sache mit Abstand betrachtet, kommt ihr häufig näher“ (H. Fleitmann). Dazu passt folgender Reim: „Stets äußert sich der Weise leise, vorsichtig und bedingungsweise“ (W. Busch). Auch im Krieg wird die Tapferkeit nicht immer belohnt: „Der bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht“ (W. Shakespeare). Weitere Stellungnahmen zum Thema Vorsicht:

▪ „Tanze nicht, wenn du einen Korb mit Eiern trägst“ (Sprichwort).

▪ „Wenn der Affe zuschaut, pflanze ich keine Erdnüsse“ (aus Afrika).

▪ „Rede nicht in den Wind, wenn du dessen Richtung nicht kennst“ (W. Brudzinsky).

▪ „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“ (Sprichwort).

▪ „Wenn alles still ist, geschieht am meisten“ (S. Kierkegaard).

▪ „Vorsicht ist die preiswerteste Lebensversicherung“ (E.H. Bellermann).

▪ „Alte Fische schnuppern mehr als einmal am Haken, bevor sie ihn schlucken“ (aus Schweden).

▪ „Scherben soll man noch am Abend wegräumen, damit man sich am Morgen nicht mehr daran schneiden kann“ (unbekannt).

▪ „Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen“ (J.W. von Goethe).

▪ „Vorsicht ist eine Bürgermeistertugend“ (unbekannt).

▪ „Schweigen ist der beste Ausweg für den, der seiner Sache nicht sicher ist“ (F. de La Rochefoucauld).

► Antithesen: Allzu große Vorsicht kann im Leben falsch sein: „Wenn Gefahr im Verzug ist, dann muss schnell gehandelt werden“ (Praxisweisheit). Beispielsweise dann, wenn es heftig zu brennen beginnt oder wenn große Bäume morsch sind und umzufallen drohen. Der englische Sprachforscher S. Johnson meint darüber hinaus: „Vorsicht ist die Einstellung, die das Leben sicherer macht, aber selten glücklich.“ Manchmal muss man eben etwas riskieren, wenn man etwas erreichen möchte. Zum Nachdenken: „Vorsicht und Misstrauen sind gute Dinge, nur sind auch ihnen gegenüber Vorsicht und Misstrauen nötig“ (Ch. Morgenstern). Oscar Wilde ist kein Freund allzu großer Vorsicht: „Vorsicht ist das, was man bei anderen Feigheit nennt.“ Zum Schluss zum Nachdenken: „Die Wesensart des Menschen beeinflusst die Beurteilung eines Phänomens beträchtlich.“*

► Synthese: „Im Urteilen bzw. Verhalten und auch sonst im Leben ist immer wieder eine gewisse Vorsicht angebracht.“* Denn: „Selbst Blindgänger können einschlagen wie eine Bombe“ (W. Mocker). „Aber wir sollten es mit der Vorsicht auch nicht übertreiben, denn Ängstlichkeit und Unentschlossenheit können ein schlechter Ratgeber sein, z. B. wenn Gefahr im Verzuge besteht.“* Andererseits soll man sich nicht unnötig in Gefahr begeben: „Wo du keinen Grund erkennst, sollst du nicht durch Wasser laufen wollen“ (aus Russland). Und es gilt: „Irrtümer müssen nicht automatisch zu Katastrophen werden, man muss sie nur rechtzeitig erkennen“ (unbekannt). Dennoch ist man nie vor Überraschungen sicher:

„Glaube dich nicht allzu gut gebettet; ein gewarnter Mann ist halb gerettet“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Zum Thema Vorsicht gibt es weitere interessante Stellungnahmen: „Wer zu kurz kommt, ist vermutlich zu weit gegangen“ (W. Mocker). Hier stellt sich die Frage: „Wenn wir immer nur vorsichtig sind, sind wir dann noch Menschen?“ (A. Solchenizyn). Dazu der Rat: „Urteile von einem Menschen lieber von seinem Handeln, als nach seinen Worten, denn viele handeln schlecht und sprechen vortrefflich“ (M. Claudius). Aber: „Vorsicht mit Rücksicht auf Leute, die keine Nachsicht mit einem haben“ (G. Uhlenbruck). Und: „Solange du lebst, hüte dich davor, einen Menschen nach seinem Aussehen zu beurteilen“ (J. de la Fontaine). Also sollten wir immer auf der Hut sein: „Weil das Los des Menschen niemals sicher, lasst uns bedacht sein auf den schlimmsten Fall“ (W. Shakespeare).

2.7.3 Anstand

Anstand ist das durch Konvention geregelte Verhalten eines Menschen, das sich z. B. im guten Benehmen in der Gesellschaft zeigt. Der Zweck dieser Konvention besteht darin, den richtigen Umgang miteinander durch Zügelung der individuellen Willkür und durch grundlegende Wertvorstellungen zu vermitteln. Der anständige Mensch respektiert die Persönlichkeit des Anderen und achtet darauf, dass dieser nicht bloßgestellt, gedemütigt oder benachteiligt wird. Die Basis des Anstands bildet nach A. von Knigge die Einhaltung gewisser Regeln. Gute Umgangsformen sollten vor allem durch das Elternhaus verbreitet werden.219 Manche Menschen nehmen diese Regeln allerdings überhaupt nicht ernst. „Im Extrem sind die einen hemdsärmelig frech und die anderen neigen zur Vornehmheit.“* „Vornehmheit und Herzensgüte sind nicht alles, aber sie sind sehr viel“ (T. Fontane). Auch der Anstand wird sehr unterschiedlich beurteilt.

► Pro: Der französische Philosoph Honoré de Balzac hat es klug ausgedrückt: „Feinster Anstand und wahrhaft gute Manieren kommen von Herzen und von einem ausgeprägten Gefühl persönlichen Wertes.“ Ähnlich sagt es P. Schibler: „Anstand ist Respekt vor der Würde des anderen.“ Auch der Umgang mit Unterstellten zeigt uns: „Je vornehmer einer ist, desto höflicher behandelt er den Niedrigen“ (L. Börne). Weitere Aussagen zum Anstand sind:

▪ „Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand“ (Seneca).

▪ „Der Anständige vereinigt das sittlich Schöne mit dem Sittlichen“ (C. Garve).

▪ „Je mehr ein Mensch sich schämt, desto anständiger ist er“ (B. Shaw).

▪ „Echter Anstand mündet in Vertrauen.“*

▪ „Anstand kokettiert zuweilen mit Abstand.“*

▪ „Das Betragen ist ein Spiegel, in dem jeder sein Bild zeigt“ (J.W. von Goethe).

▪ „Gute Manieren bestehen aus lauter kleinen Opfern“ (R.W. Emerson).

„Die Pflege des Anstands ist für jede gute Gesellschaft unentbehrlich. Anstand vereinfacht das Zusammenleben der Menschen.“* Die Regeln des Anstands kann jeder lernen, z. B. Höflichkeit, gutes Benehmen, sich entschuldigen und Grüßen auf der Straße. Der anständige Mensch war der Idealfall des Weltbilds der Aufklärung. Der Anstand ist auch ein zentrales Anliegen der Moraltheologie und der Moralphilosophie.

► Contra: Leider hat der Anstand heute keinen so hohen Stellenwert, wie es früher war: „Heute muss man annehmen, dass Menschen den Anstand für etwas halten, bei dem es nicht auf das Benehmen ankommt, sondern auf den Ansitz des Jägers beim Schießen.“* Schlechte Manieren sind sehr weit verbreitet: „Umgangsformen sind Formen, die zunehmend umgangen werden“ (O. Hassenkamp). Leider gilt heute: „Auch Anstand kann man verlernen.“ (Sprichwort). Peter Ustinov argumentiert in eine andere Richtung: „Liebe ist keine Entschuldigung für schlechte Manieren.“ „Wer anständig ist, drängt sich nicht vor und handelt sich dadurch mitunter Nachteile ein.“* Und: „Anstand stellt sich hinten an und kriegt nichts ab“ (M. Hinrich). Außerdem:

▪ „Wer an Wissen zunimmt, und an Anstand abnimmt, nimmt mehr ab als zu“ (Sprichwort).

▪ „Wer nur aus Berechnung anständig ist, der ist ein Tor!“*

▪ „Nicht jeder Vorstand hat Anstand“ (unbekannt).

▪ „Manche verstehen unter Verschwiegenheit, dass sie die ihnen anvertrauten Geheimnisse nur hinter vorgehaltener Hand weitererzählen“ (M. Aurel).

Hat man Menschenmassen im Blickfeld, dann hat sich oft bewahrheitet: „Menschen in Massen verlieren ihren Sinn für Anstand“ (J. Galsworthy). Mitunter wird der Anstand in totalitären Staaten (z. B. Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus) als nicht so bedeutend bewertet und leider als „großtuerisch“ abgewertet. Im Rahmen der Russischen Revolution in 1917 wurde die Etikette als überholt angesehen, äußerliches Gepflegtsein galt als übertrieben und peinliche Hemdsärmlichkeit machte sich breit. „Politische Verlogenheit, Fremdenhass und mangelnde Barmherzigkeit sind mit Anstand nicht vereinbar.“*

► Conclusio: „Wesentliche Merkmale des Anstands sind gutes Betragen, Respekt, Höflichkeit, Takt, Umgangsformen, gute Manieren und Achtsamkeit gegenüber anderen. Hochmut, Selbstüberschätzung, Frechheiten bzw. Egozentrismus haben hier keinen Platz.“* Aber man stellt auch fest: „Natürliche Dinge sind nicht unanständig“ (Vergil). „Anständigen im wahren Sinne begegnet man nur unter Menschen, die feste Überzeugungen haben“ (A. Tschechow). Die eindeutige Beurteilung des Anstands ist nicht einfach:

 

„Es ist schwierig zu beurteilen, ob ein aufrichtiges und ehrliches Benehmen das Ergebnis der Anständigkeit oder der Berechnung ist“

(Francois de la Rochefoucauld)

Unter Anstandsliteratur werden Werke bezeichnet, die sich mit den gesellschaftlichen Umgangsformen beschäftigen, z. B. das heute noch verfügbare Buch von Freiherr A. von Knigge mit dem Titel „Über den Umgang mit Menschen“.220 „Der Lebenskampf gibt der hohen Schule des Anstands seine Bewährungschance“ (H. Arndt). Dabei ist Missbrauch nicht ausgeschlossen: „Ein schlechter Mensch ist nicht immer an seinen Sitten zu erkennen“ (aus China). Das respektvolle Miteinander der Menschen zeigt sich in folgender „goldener Regel“: „Rechte und Freiheiten eines jeden Menschen finden ihre Grenze in den Rechten und Freiheiten des anderen.“221 Zum Schluss ein klares Plädoyer für den Anstand: „Takt und Benehmen sind auch in unserer heutigen Gesellschaft unverzichtbar.“222

2.7.4 Entschuldigung

Die Entschuldigung ist eine Bitte um Verzeihung, z. B. nach einer nicht beabsichtigten, beleidigenden Äußerung. Mit ihr zeigt ein Mensch ein Verhalten, dass eine bestimmte Tat bedauert, die seinerseits eine moralische Verfehlung war. Der Betroffene kann die Entschuldigung annehmen oder ablehnen. Bei einer Annahme der Entschuldigung ist es üblich, diese durch Worte oder Gesten dem Gegenüber mitzuteilen, z. B. durch einen Händedruck. Damit sollte die Angelegenheit als erledigt betrachtet werden. Allerdings wissen wir: „Abbitte leisten ist ein Kraftakt, den nicht jeder schafft“ (M. Hinrich).

Folgendes Beispiel einer Entschuldigung ist nicht ganz ernst zu nehmen. In Grünstadt/​Pfalz ist eine Maus in ein großes Weinfass voller Rotwein gefallen. Sie ruft voller Angst: „Holt mich raus! Holt mich raus!“ Eine Katze kommt neugierig gelaufen, freut sich schon über den Leckerbissen und sagt: „Ich hole dich raus, aber nur unter der Bedingung, dass ich dich dann auch fressen darf!“ Maus: „Ja! Ja! hol mich raus, ich ertrinke …!“ Die Katze greift mit ihrer Pfote nach der Maus – und weil diese schlüpfrig war – sprang sie hinweg, war in ihrem Mauseloch verschwunden und schaute dort keck heraus. Die Katze schreit: „Komm sofort heraus, du hast gesagt, ich darf dich fressen!“ Maus: „… Tschuldigung! Im Suff verspricht man viel!“

Aber nun wieder zur Realität: Im täglichen Leben gilt es als Zeichen der Höflichkeit und als Anstand, auch dann um Entschuldigung zu bitten, wenn kein eigenes Verschulden vorliegt, z. B. bei einer witterungsbedingten Verspätung. In anderem Sinne gibt es die Entschuldigung beispielsweise als schriftliche oder mündliche Mitteilung über das Fehlen in der Schule. Was spricht für und was gegen die Entschuldigung?

► Wer eine moralische Verfehlung begangen hat, die er so nicht wollte, muss sich dafür entschuldigen. Das erfordert der Anstand. Es gibt viele gute Gründe, sich zu entschuldigen.223 Die Entschuldigung sollte möglichst bald nach dem Vorgang geschehen: „Entschuldigung duldet keinen Aufschub, sonst wird – schneller als uns lieb ist – unlösbare Endschuld daraus“ (Ch. Matthes). Also sind Fehler zu korrigieren: „Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten“ (Konfuzius). Mit konsequentem Handeln nehmen wir Belastungen von uns: „Wer sich für einen schlimmen Fehler persönlich entschuldigt, entlastet seine Seele.“* Die Gründe für Entschuldigungen können vielfach sein: „Wer die Menschen kennen lernen will, der studiere ihre Entschuldigungsgründe“ (C.F. Hebbel).

► Wenn wir uns entschuldigen, dann sollten wir dabei bedenken: „Wer sich entschuldigt, klagt sich an“ (Hieronymus). Deshalb: „Wer sich entschuldigt, klagt sich an, dachte er sich entschuldigend“ (E. Baschnonga). Und: „Jede Rechtfertigung ist ein Indiz für Schuld und Schwäche“ (P. Rudi). Wir müssen u. U. damit rechnen, dass uns auf dieser Basis jemand niedermachen kann: „Jede Rechtfertigung gibt anderen das Recht, einen fertig zu machen“ (E. Lauscher). Auch: „Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen“ (K. Tucholsky). Außerdem kommen wir damit nie rechtzeitig: „Eine Entschuldigung ist eine Höflichkeit, die immer zu spät kommt“ (unbekannt). Weitere Aussagen kommen hinzu, denn Entschuldigungen haben viele Seiten:

▪ „Sich zu entschuldigen ist die beste Grundlage für die nächste Beleidigung“ (A.G. Bierce).

▪ „Manchmal ist eine Entschuldigung noch eine größere Ungezogenheit“ (S. Johnson).

▪ „Wer eine Entschuldigung verlangt, hat eine neue Beleidigung verdient“ (E. Blanck).

Allerdings: „Manche nehmen unsere Entschuldigung nicht an und dann sieht man erst recht alt aus!“* Ist es dann grundsätzlich besser, sich gar nicht zu entschuldigen?

► Welches Verhalten ist richtig? Wenn ein Mensch eine Entschuldigung nicht annimmt, dann ist das niederträchtig: „Der gemeinste Mensch ist, wer keine Entschuldigung annimmt, keine Sünde deckt und keinen Fehler vergibt“ (aus Arabien). Fehler sind menschlich: „Jeder von uns macht Fehler.“* Dann sollte man zu seiner Schuld stehen und der Partner sollte uns vergeben.224 Manchmal fällt eine Entschuldigung schwer, wenn diese vom Partner als Zeichen von Schwäche empfunden wird.

„Zuweilen ist die persönliche Entschuldigung schlimmer als die Schuld selbst“

(Horst-Joachim Rahn)

In jedem Falle zeugt die Entschuldigung eines Menschen von dessen charakterlicher Stärke. Es ist besser, das Geschehene hinter sich zu bringen, als es weiterhin belastend mit sich zu tragen. Hat man einen Fehler begangen, sollte man umgehend auf die betroffene Person zugehen und sich dafür in einem persönlichen Gespräch entschuldigen. Dabei soll man aber den begangenen Fehler nicht herunter spielen, denn dann kann man den anderen erst recht verletzen. Das gilt es zu vermeiden, indem man bei seinem Verhalten die Erfolgsfaktoren für eine richtige Entschuldigung berücksichtigt.225

Auch in der hohen Politik werden Fehler gemacht. Wenn eine verbündete Nation eine andere gnadenlos ausspäht, dann sind die Folgen für alle Betroffenen fatal. Der amerikanische Präsident B. Obama sagte, als er um eine Entschuldigung für das Ausspähen anderer Staaten gebeten wurde: „Wir werden uns nicht entschuldigen, wenn wir erfolgreich abhören.“ Das ist falsch. „Am besten ist es immer, wenn man sich so verhält, dass man sich später nicht entschuldigen muss.“*

2.7.5 Freundlichkeit

Freundlichkeit ist das liebenswürdige und entgegenkommende Verhalten eines Menschen, das mit einer wohlwollenden Geneigtheit gegenüber seinem sozialen Umfeld zugunsten eines kooperativen Miteinanders und mit sozialer Kompetenz verbunden ist. „Meine Philosophie ist Freundlichkeit“ sagt der Dalai Lama. Dafür ist er auch bekannt. „Der freundliche Mensch bringt seinem Gegenüber Interesse bzw. Sympathie entgegen, nimmt Rücksicht auf andere und versucht sich so zu benehmen, dass niemand Anstoß an ihm nimmt“ (Aristoteles). Auch die christliche Theologie geht von einem freundlichen Umgang miteinander aus (Kolosser 3, 12). Es gibt eine echte, leider aber auch die falsche Freundlichkeit. „Eine Steigerung der echten Freundlichkeit besteht in der Herzlichkeit.“* Das Gegenteil von Freundlichkeit ist die Unfreundlichkeit.

► Analysieren wir zunächst die echte Freundlichkeit: „Freundlichen Menschen schenkt Gott schon bei der Geburt den Schlüssel zu anderen Herzen“ (E. Young). Was ist daraus zu folgern? „Freundlichkeit in Worten schafft Vertrauen, Freundlichkeit im Denken schafft Tiefe, Freundlichkeit im Geben schafft Liebe“ (Laotse). Das hat viel mit echten Gefühlen zu tun: „Freundlichkeit erobert Herzen“ (Sprichwort). Dadurch kann der ganze Tag gerettet sein: „Freundlichkeit verschönt den Tag“ (E. Pannek). Sie hat weitere Folgen: „Mit Freundlichkeit kann man Türen öffnen“ (F. Schmidberger). „Ein Mensch von sanftem Charakter macht sich selbst und andere glücklich“ (aus Arabien). „Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können“ (M. Twain). Freundliches Verhalten kann uns die Sorgen nehmen: „Die Freundlichkeit ist die erste Lebensregel, die uns manchen Kummer ersparen kann“ (H. Graf von Moltke). Und es gilt grundsätzlich: „Ein freundliches Wort findet immer guten Boden“ (J. Gotthelf). Wer etwas vom Anderen zu erwarten hat oder sich von ihm etwas wünscht, wird sich entsprechend positiv verhalten. O. Wilde hat hier wieder eine etwas andere Sicht: „Man kann immer nett gegen die sein, die einem nichts angehen.“

► Demgegenüber ist falsche Freundlichkeit negativ zu beurteilen. Man sollte sich immer darüber klaren sein: „Freundlichkeit kann man kaufen“ (M. von Ebner-Eschenbach). „Die meisten Menschen sind nur aus Schwäche oder aus Berechnung sanft. Und nur zu leicht schlägt ihre scheinbare Güte in Bösartigkeit um“ (La Rochefoucauld). Die Realität zeigt uns: „Wer zu freundlich ist, der hat betrogen oder will betrügen“ (Sprichwort). Die Lebenspraxis hat uns leider auch vor Augen geführt: „Die verbindlichen Leute sind in der Regel die kältesten und rücksichtslosesten“ (Graff). Auch folgende Feststellung stimmt: „Niemand ist härter als die Sanftmütigen aus Berechnung“ (Vauvenargues). Auf jeden Fall steht fest: „Falsche Freundlichkeit ist wie trügerisches Eis“ (A. Maggauer-Kirsche). Auch W. Shakespeare sagt: „Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüte.“ Zum Schluss wieder etwas zum Nachdenken: „In der Leutseligkeit ist nichts von Menschenhass, aber eben darum allzu viel von Menschenverachtung“ (F.W. Nietzsche). Ist ein Mensch über längere Zeit hinweg unfreundlich, dann wird dieses Verhalten Gründe haben. Treten negative Folgen ein: „Lange Unfreundlichkeit hat Abstumpfung zur Folge“ (J.F. Herbart).

► Was lernen wir? Echte Freundlichkeit schafft vertrauen und öffnet Herzen. Das Verhalten hängt auch davon, ab, wie sich das Umfeld des Betroffenen verhält: Gegenüber einem aggressiven Menschen ist Selbstbeherrschung notwendig. Unfreundliche Menschen produzieren vielfach Abneigung und sind in der Gruppe nicht gern gesehen. In jeder Gemeinschaft sollten alle Mitglieder sich darum bemühen, echte Freundlichkeit zu zeigen und Falschheit zu lassen. „Wer echte Freundlichkeit sät, wird Beliebtheit ernten.“* Grundsätzlich gilt „Freundlichkeit ist eine Kraft und keine Maske“ (E. Klepgen). „Manche Menschen glauben, dass Freundlichkeit ein Zeichen von Schwäche sei, wenn es in Wirklichkeit ein Zeichen von Stärke ist“ (W. Singer). In bestimmten Berufsfeldern zählt die Freundlichkeit zu den zentralen Anforderungen, z. B. im Dienstleistungs- bzw. Verkaufsbereich. Ein zustimmendes Lächeln hat schon manchen Vertrag besiegelt. Auch im Mahnwesen ist die Freundlichkeit der anmahnenden Person angebracht. Wir sollten dem Leben überhaupt positiv gegenüberstehen:

„Ein freundliches Wort kostet nichts und dennoch ist es das schönste aller Geschenke“

(Daphne du Maurier)

Nur starke Naturen können im echten Sinne liebreich sein. Wir sollten lernen, mit dem Herzen zu denken: Wärme, Nächstenliebe und Verzeihen sind die eigentlichen Überlebenskräfte des Menschen.226 Auch Offenheit sollte hinzukommen: „Mit dem Hut in der Hand kommt man durch das ganze Land“ (Sprichwort). Positive Verhaltensweisen eines freundlichen Menschen werden durch Lob und Zuwendung verstärkt. „Freundliches Sichverstehen führt zu Sympathie, und Sympathie führt zu Liebe“ (A. de Musset). Wir sollten uns vor allem von falscher Freundlichkeit nicht beeindrucken lassen, sondern immer geradlinig bleiben, denn es geht um die ehrliche Zuwendung zu anderen Menschen.227