Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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2.4.1 Tapferkeit

Die Tapferkeit ist die Fähigkeit eines Menschen, einer schwierigen Situation ohne Furcht entgegenzutreten.129 Hinsichtlich dieser Tugend ist insbesondere in folgendem Fall Mut erforderlich: „Der höchste Mut ist Unerschrockenheit angesichts des sicheren Todes“ (Vauvenargues). Tapferkeit äußert sich in dem Willen, einen physischen oder mentalen Konflikt ohne Angst durchzustehen. Tapferkeit kann beispielsweise durch Anerkennung, Beförderung, Geld bzw. durch Orden belohnt werden. Dabei gilt: „Weisheit, Mitleid und Tapferkeit sind die drei wichtigsten sittlichen Eigenschaften des Menschen“ (Konfuzius). In vielen Fällen wird der Tapfere von der Überzeugung getragen, für eine gute Sache zu kämpfen, auch wenn es manchmal sinnlos erscheint. Wer es versteht, sich in aussichtslosen Situationen trotzdem zu behaupten, der besitzt Standhaftigkeit. „Die Tapferkeit steht zwischen der Tollkühnheit und der Feigheit“, sagt Aristoteles. Wie ist die Tapferkeit als Tugend zu bewerten?

► „Die Tapferkeit wird zu Recht als die erste der positivern Eigenschaften des Menschen angesehen, weil sie diejenige ist, die alle anderen gewährleistet“ (W. Churchill). Vor allem für die Jugendzeit gilt: „Die Tapferkeit trotzt der Ermahnung“ (Ovid). Dazu passt: „Die Begeisterung für rechte Tapferkeit ist der Jugend schönstes Vorrecht“ (H. v. Treitschke). Und: „Tapferkeit ist unparteiisch“ (T. Lenk). „Tapferkeit in Verbindung mit Macht führt zu Tollkühnheit“ (Aristoteles). Tapferkeit braucht auch Zuversicht: „Das Vertrauen auf die eigene Kraft ist die Grundlage der Tapferkeit“ (Friedrich der Große). „Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen“ (G.S. Patton). Und Tapferkeit ist mit Aktivitäten verbunden: „Wer einen Ertrinkenden retten will, muss sich nass machen, wer einen Entlaufenen einfangen will, muss rennen“ (Lü Bu We).

► Nicht alle Menschen haben mit der Tapferkeit gute Erfahrungen gemacht, vor allem, wenn es um Leben und Tod geht: „Der militärische Ausdruck für Dummheit ist Tapferkeit“ (S. Sarek). W. Shakespeare sagt es milder: „Der bessere Teil der Tapferkeit ist die Besonnenheit.“ Und: „Tapferkeit muss eine Krankheit sein. Viele sind an ihr gestorben“ (E. Blanck). Tapfer zu sein ist nicht jedermanns Sache: „Sie tapfer, aber geh’ aus de Schusslinie“ (aus dem Kaukasus). Deshalb verwundert folgender Ausspruch nicht: „Tapferkeit ist ein Anfall, der bei den meisten Menschen schnell vorübergeht“ (M. Twain). Wer fällt, muss möglichst schnell wieder aufstehen: „Um aufzustehen, muss man gefallen sein“ (D. Wieser). Zum Schluss: „Die Tapferkeit mancher Leute ist nur ein Rechnen mit der Furchtsamkeit des Gegners“ (H. de Balzac).

► Zusammenfassung: Wer meint, auf Tapferkeit verzichten zu können, kann böse Überraschungen erleben: „Wer sich seiner Haut nicht wehrt, dem wird sie abgezogen“ (J.V. von Scheffel). Auch gilt: „Tapferkeit wird dadurch nicht schlechter, dass sie ein wenig schwerfällt“ (G.B. Shaw). Darüber hinaus stellen wir mit Konfuzius fest: „Wer wirklich gütig ist, kann nie unglücklich sein; wer wirklich weise ist, kann nie verwirrt werden; wer wirklich tapfer ist, fürchtet sich nie.“ Damit steht fest: „Gegen die Infamitäten des Lebens sind unsere besten Waffen: Tapferkeit, Eigensinn und Geduld. Die Tapferkeit stärkt, der Eigensinn macht Spaß und die Geduld gibt Ruhe“ (H. Hesse). Es gilt auch: „Die Tugend des Glücks ist Mäßigung, die Tugend des Unglücks ist Tapferkeit“ (F. Bacon). Die Tapferkeit kann auch mit negativer Erfahrung verbunden sein:

„Männer von Charakter, Tapferkeit, Klugheit und Weisheit haben meist lange in Not und Bedrängnis gelebt“

(Mong Dsi)

Zum Schluss eine kompakte Meinung: „Der Jammer der Menschheit ist, dass die Klugen feige, die Tapferen dumm und die Fähigen ungeduldig sind. Das Ideal wäre der tapfere Kluge mit der nötigen Geduld“ (T. Capote).

2.4.2 Mut

Mut ist die psychische Gestimmtheit des Menschen, sich etwas zu trauen bzw. etwas zu wagen und keine Angst zu haben. Diese Tugend zeigt sich in unerschrockenem, überlegtem Verhalten vor allem in gefährlichen Situationen, z. B. in Wagemut, Tapferkeit, Kühnheit und Beherztheit. Er basiert auf dem Selbstbehauptungswillen und dem Selbstwertgefühl des Menschen: „Mut ist die Summe von positiven Erfahrungen“ (A. Selacher). Daraus ist ableitbar: „Wer Gutes tut, hat frohen Mut“ (J.H. Voß). Wer andere Menschen ermutigt, tut damit etwas Gutes. Mut benötigt der Mensch auch, um sich selbst zu erkennen: „Der Mut zur Selbsterkenntnis verrät Charakterstärke“ (E. Ferstl). Was ist das Gegenteil von Mut? „Das größte Laster ist die Verzagtheit“ (Franz von Assisi). Was ist Demut? „Demut ist der Mut, mit Gott zu rechnen“ (A. Maggauer-Kirsche). Auch der Mut kann in dialektischer Sicht gesehen werden.

J.W. von Goethe hat erkannt: „Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut“. Denn nach einem deutschen Sprichwort gilt: „Wer wagt, gewinnt.“ „Unmögliches wird möglich, wenn es an Mut nicht fehlt“ (E. Kulmann). „Mut ist Eifer, der Angst die Stirn zu bieten“ (M. Gitzel). Ohne eine große Portion Mut wird alles nichts, denn: „Ohne Mut trägt die Weisheit keine Früchte“ (B.G. y Morales). Es besteht auch Bezug des Mutes zur Gerechtigkeit: „Mut ist die Tugend, die für Gerechtigkeit eintritt.“ (M.T. Cicero). Auch die Umsetzung gelingt: „Wozu der Mensch den Mut hat, dazu findet er auch die Mittel“ (E.B.S. Raupach). Ganz großen Mut erfordert es, wenn es um Leben und Tod geht: „Der höchste Mut ist die Unerschrockenheit angesichts des Todes“ (L. de Vauvenargues). Hier gilt auch: „Die Gefahr erhöht den Mut“ (W. Shakespeare).

Mut hat ohne Frage mit Kampf zu tun:

„Mut ist, zu kämpfen.

Auch wenn der Gegner übermächtig ist“

(Werbespruch von Miserior)

Mutige Menschen haben es im Leben besser: „Nur durch Mut kann man sein Leben in Ordnung bringen“ (L. de Vauvenargues). Existenzielle Krisen sind nur mit Mut zu bewältigen.130 Dazu sagt Astrid Lindgren keck: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“ Zum Schluss: „Dem Mutigen gehört die Welt“ (Sprichwort). Wer mutig ist, der hat auch den Beistand von ganz oben, denn: „Dem Mutigen hilft Gott“ (F. von Schiller).

► Auch der Mut hat seine Grenzen: „Übermut tut selten gut“ (Sprichwort). Das gilt vor allem bei Kindern. Den Erwachsenen sollte bewusst sein, dass Übermut zu Wichtigtuerei werden kann. Dann gilt zeitlos: „Wer sich selbst zu wichtig nimmt, menschlich immer tiefer sinkt.“* Auch gilt: „Mut ist manchmal nur Leichtsinn“ (P.E. Schumacher). Für den Journalismus gilt mitunter: „Lieber Staub aufwirbeln, als Staub ansetzen“ (H. Burda). Der Bezug des Mutes zum Willen wurde bereits oben hergestellt: „Wo der Mut fehlt, fehlt der Wille“ (A. Selacher). Und: „Als Feigheit offenbart sich vorgetäuschter Mut“ (S. Schütz). Er entsteht zuweilen auch aus Angst: „Wenn dich der Mut verlässt, holt die Angst dich ein“ (W. Ludin). Hinsichtlich der Angst gilt schon immer: „Verzweiflung macht einem Feigling Mut“ (T. Fuller). Darüber hinaus: „Mut ist nicht Freisein von Angst, sondern ihre Überwindung“ (Sprichwort). Bemerkenswert ist Folgendes: „Die schwach sind an Mut, sind stark an Schläue“ (W. Blake). Mut ist auch nicht immer selbstlos: „Die Mutigen sagen immer allen ins Gesicht, was sie von sich halten“ (J. Rukowska). Zum Schluss zum Nachdenken: „Wer die Sanftmut als Schwäche ansieht, verkennt ihren Mut“ (E.R. Hauschka). Und: „Armut darf nicht arm an Mut machen“ (G. Uhlenbruck).

► Was lernen wir nun daraus? „Wer aus Übermut alles umrennt, wird scheitern.“* Merke vor allem: „Der Mutige landet eher am Haken.“* Aber wer im Leben nichts wagt und überall ängstlich ist, der gewinnt ebenfalls nichts. „Wer nie über seine Grenzen geht, bleibt immer unter seinen Möglichkeiten“ (M. Knecht). Vor allem die nächste Generation wird zur Lebensbewältigung im sich immer mehr wandelnden geisteswissenschaftlichen Universum viel Mut und auch Gelassenheit brauchen: „Ob du Mut hast, erkennst du, wenn du in Not bist!“ (P.E. Schumacher). Reinhold Niebuhr hat sich sehr treffend zum Zusammenhang zwischen Gelassenheit und Mut geäußert: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Für die nächste Generation, die einiges durchmachen wird, womit sie nicht gerechnet hat, habe ich folgenden, gut gemeinten Rat:

„Um im Leben zu bestehen, braucht der Mensch viel Mut und Zuversicht, denn sonst überlebt er nicht“

(Horst-Joachim Rahn)

Vor allem dürfen wir uns nicht hängen lassen: „Du kannst in jedem Moment neu anfangen, denn der Fehler ist nicht das Hinfallen, sondern das Liegenbleiben“ (M. Pickford). Interessant ist auch die folgende Feststellung: „Wirklichen Mut haben nur die Narren“ (A.F. Galiani). Die folgende Erkenntnis verblüfft: „Als ich mich entschlossen hatte, Mut zu zeigen, waren alle Gegner bereits gegangen“ (A. van Rheyn). Nicht jeder Mensch ist allerdings mutig, was wohl auch mit seinen Genen zusammenhängt. Der Mensch muss aber mit seinen Veranlagungen leben, denn kein Mensch kann aus seiner Haut heraus. Zur konkreten Tat ist der Mut aber eine unabdingbare Voraussetzung: „Sich opfern ist Tat“ (M. Richter). Zum Schluss: „Alles, was Mut macht, ist ein Geschenk des Himmels“ (H. Joost). Und es gilt für uns alle heute der gute Rat: „Schöpfe aus der Vergangenheit Kraft für die Zukunft.“ (J.V. von Scheffel).

 

2.4.3 Mäßigung

Die Mäßigung ist das Abschwächen extremer Verhaltensweisen von Menschen im Leben, z. B. das Vermeiden von Völlerei, von Zorn, von Geiz und von sexuellen Ausschweifungen. Das Ergebnis der Mäßigung ist die Mäßigkeit. Dazu sind Besonnenheit und Selbstbeherrschung erforderlich. Es gilt, bei unserem Verhalten züchtig131 bzw. genügsam zu sein. Nach Aristoteles steht die Mäßigung zwischen Empfindungslosigkeit (Stumpfheit) und Zügellosigkeit. Im Christentum gilt die Mäßigung als grundlegende Tugend. Der Mangel an Mäßigung ist die Maßlosigkeit. Mein Lieblingsphilosoph Konfuzius wird insbesondere wegen seiner Bescheidenheit verehrt. Er plädierte auch für Mäßigung, die bedeutet Maß zu halten, also jeweils nur so viel zu nehmen, wie man wirklich braucht: also von allem nicht zu viel und nicht zu wenig.

► Wir stellen zunächst fest: „Genügsamkeit ist großer Gewinn“ (aus Indien). „Nur durch die Mäßigung erhalten wir uns“ (J.W. von Goethe). Deshalb der gut gemeinte Rat: „Drum lebe mäßig, denke klug, wer nichts gebraucht, der hat genug“ (W. Busch). Und es gilt auch: „Die Tugend des Glücks ist die Mäßigung“ (F. Bacon). Auf einen einfachen Nenner gebracht bedeutet das: „Wer barfuss geht, den drücken die Schuhe nicht“ (Sprichwort). „Mäßigung und Enthaltsamkeit sind das sicherste Verwahrungsmittel gegen Überdruss und Erschlaffung“ (M. Wieland). Die Folge daraus ist: „Arbeit und Mäßigung halten den Menschen gesund“ (J.J. Rousseau).

► Der Genießer Oscar Wilde kontert: „Mäßigung ist eine verhängnisvolle Sache. Nichts ist so erfolgreich wie der Exzess.“ Auch gilt: „Gelegentliche Ausschweifungen wirken anregend. Sie verhüten, dass Mäßigkeit zur Gewohnheit abstumpft“ (W.S. Maugham). Wir wissen alle: „Im praktischen Leben kommt man leider mit Mäßigung oft nicht weiter:“* „Lauten Forderungen wird leider öfter entsprochen als stillen Bitten“ (H. Lahm). Und: „Durch ständiges Nehmen vergisst man oft das Geben“ (H. Joost). Mancher muss sich erst übergeben, bevor er begreift, was Mäßigkeit bedeutet: „Wer sich den Magen verdorben hat, lobt die Mäßigkeit“ (H. Mardach). Oder: „Abstinenz ist leichter als Mäßigung“ (E. Balser). Auch: „Es ist leichter, einer Begierde ganz zu entsagen, als in ihr Maß zu halten“ (F.W. Nietzsche). Zum Nachdenken: „Wo Mäßigung ein Fehler ist, ist Gleichgültigkeit ein Verbrechen“ (G.C. Lichtenberg).

► Was sagen uns die Erkenntnisse aus obigen Thesen und Antithesen? „Zu große Mäßigung führt zu schmerzlichen Entbehrungen und unmäßiges Verhalten kann Krankheiten mit sich bringen.“* Deshalb gilt es, das richtige Maß des Verhaltens zu finden. „Maßvoll“ heißt nicht, „bis das Maß voll ist“ (P. Cerwenka). „Trotzdem muss man im Leben ab und zu „ausflippen“ und richtig genießen, ohne dass es in Völlerei ausartet.“* In den meisten Fällen des Übermaßes ist Mäßigung oder sogar Enthaltsamkeit angebracht, mit Ausnahme der Liebe: „Wahre Liebe kennt kein Maß“ (S. Properz). Oder ähnlich: „Das Maß der Liebe ist zu lieben ohne Maß“ (Aurelius Augustinus). Es besteht auch Bezug zur Gesundheit: „Heiterkeit, körperliche Bewegung und Mäßigkeit sind die besten Ärzte“ (F.M. Grimm). Das Prinzip der Mäßigung gilt für groß und klein. Allerdings: „Die Mäßigung der Großen mäßigt nichts als ihre Laster“ (L. de Vauvenargues). Zum Schluss der Rat: „Vergesset nie, dass ohne Mäßigung auch die natürlichsten Begierden zu Quellen des Schmerzes, durch Übermaß die reinste Wollust zu einem Gifte wird, das den Keim eures künftigen Vergnügens zernagt“ (C.M. Wieland).

2.4.4 Dankbarkeit

Dankbarkeit ist eine Tugend bzw. eine Haltung des Menschen in Anerkennung einer erhaltenen positiven Zuwendung. Sie zeigt sich im Dank als der wohlwollenden Erwiderung von empfangener Hilfe oder von anderen Leistungen. Dankbare Menschen fühlen sich subjektiv gesehen besser und sind zufriedener mit ihrem Leben. Dankbarkeit kann sogar glücklich machen132 und hat somit durchaus etwas Mächtiges.133 Die Dankbarkeit setzt voraus, dass der Nehmer einer Wohltat etwas bekommt, was er nicht fordern kann. Von Dank ist das Wort „danke“ abgeleitet. Das Gegenteil von Dank ist der Undank als das Fehlen von Dankbarkeit. Wir wissen aus der Praxis: Viele Menschen sind dankbar, andere leider nicht!

► „Dank und Liebe sind die größten Mächte der Welt“ (F. von Bodelschwingh). Was ist die größte Kraft des Lebens? „Die größte Kraft des Lebens ist der Dank“ (H. von Bezzel). Der deutsche Arzt A. Schweitzer hat im Leben viel Gutes getan. Er postuliert: „Vergiss den Anfang nicht, den Dank. Verschiebe die Dankbarkeit nie.“ Außerdem: „Du sollst dankbar sein für das Geringste, und du wirst würdig sein, Größeres zu empfangen“ (T. von Kempen). Hinzu kommt der Rat, im Leben nicht alles als selbstverständlich zu nehmen: „Gedenke der Quelle, wenn du trinkst“ (aus China). Mit dem Herzen ausgedrückt: „Das Gedächtnis des Herzens heißt Dankbarkeit“ (P. Bosmans). „Dankbare Menschen sind wie fruchtbare Felder, sie geben das Empfangene zehnmal zurück“ (A. von Kotzebue). Und ebenfalls treffend: „Dankbarkeit und Weizen gedeihen nur auf gutem Boden“ (Sprichwort). Zum Schluss die These: „Wir sind für nichts so dankbar, wie für Dankbarkeit“ (M. von Ebner-Eschenbach).

► Leider sind nicht alle Menschen dankbar: „Sie bitten zwar inständig, wenn sie aber ihr Ziel erreicht haben, reagieren sie falsch.“* „Die Bitte ist immer heiß, der Dank kalt“ (Sprichwort). Manche Menschen reagieren unverschämt: „Wenn man einem den Finger bietet, nimmt er gleich die ganze Hand“ (Sprichwort). Und vor allem ist weit verbreitet: „Undank ist der Welt Lohn“ (Sprichwort). Anderen Menschen ist Dankbarkeit sogar lästig: „Die Dankbarkeit ist eine Last, und jede Last will abgeschüttelt sein“ (D. Diderot). Manche kommen zu einem ganz anderen Ergebnis: „Die Dankbarkeit der meisten Menschen ist nichts als eine geheime Begierde nach größeren Wohltaten“ (La Rochefoucauld). Es kommt auch auf das Ausmaß der zugrunde liegenden Tat an: „Wer für alles gleich Dank begehrt, der ist selten des Dankes wert“ (J. Trojan). Interessant ist auch der Standpunkt von Ewald v. Kleist: „Wer sich viel über Undankbarkeit beschwert, ist ein Taugenichts, der niemals aus Menschlichkeit, sondern aus Eigennutz andern gedient hat.“ Jetzt wird es deftig: „Wenn die Sonne auf einen Misthaufen scheint, so antwortet er mit Gestank“ (Sprichwort). Und mit Bezug zum Tier: „Wenn die Sau satt ist, stößt sie den Trog um“ (aus Holland). So kommen wir zu dem unbefriedigenden Ergebnis: „Dankbarkeit ist in den Himmel gestiegen und hat die Leiter mitgenommen“ (aus Polen).

► Fazit: „Wer heute für seine guten Taten Dank erwartet, wird leider oft enttäuscht.“* Der Textdichter Lothar Peppel stellt erstaunt fest: „Waren das noch Zeiten, als man den kleinen Finger reichte, und sie einem nur die ganze Hand nahmen.“ „Undank und Unverschämtheiten sind leider heute weit verbreitet. Aber das sollte uns nicht abhalten, auch ohne Dank weiterhin Gutes zu tun.“* Der Journalist Walter Ludin sagte einmal: „Der schönste Dank ist jener, der aus lauter Freude vergessen wird.“ Oder die Meinung von W. Schlichting: „Rechne nie auf Dank und du wirst zuweilen angenehm überrascht sein.“ Ganz anders hat sich Shakespeare in seinem Werk „Was ihr wollt”. (Viola) geäußert: „Ich hasse Undank mehr in einem Menschen als Lügen, Hoffahrt, laute Trunkenheit, als jedes Laster, dessen starkes Gift das schwache Blut bewohnt.“ Ähnlich auch der Ausspruch:

„Ich hasse jeden, dessen Dankbarkeit erlischt“

(Euripides)

Und der Heilpraktiker E. Blanck stellt fest: „Ich erwarte keinen Dank mehr, nur weniger Undank.“ In der Erziehung sollte dem Phänomen des Dankens wieder mehr verpflichtende Beachtung geschenkt werden: „Heute gewinnt man vielfach den Eindruck, als wenn alles selbstverständlich sei und vor allem bei noch jungen Menschen mitunter die Wahrnehmung der Rechte gegenüber den Pflichten dominiere.“* „Wir danken zu wenig und fordern zu viel“ (S. Wittlin). Dennoch: Wir gläubigen Menschen stehen zur zur Dankbarkeit: „Das Gefühl für Dank und Liebe ist die Quelle des Glaubens“ (Pestalozzi).

2.4.5 Vertrauen

Das Vertrauen134 ist die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit bzw. Redlichkeit von Personen, von Handlungen anderer Menschen oder auch von sich selbst. Es basiert auf einer Vertrauensgrundlage (z. B. die Vertrauenswürdigkeit eines Freundes oder das gegenseitige Vertrauen der Partner in der Ehe) und ist eine durch Erfahrung bekräftigte Hoffnung auf Erfüllung von erwünschten Gegebenheiten. Es ist ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens.135 C.F. Hebbel äußerte sich dazu so: „Vertrauen ist die größte Selbstaufopferung.“ Dabei wird das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten als Selbstvertrauen136 bzw. als Selbstwertgefühl137 bezeichnet. Das Gegenteil von Vertrauen ist Misstrauen. M. Gandhi war ein guter Mensch und kommt zu den Ergebnis: „Misstrauen ist ein Zeichen von Schwäche.“ Ist das wirklich so?

► Ein deutsches Sprichwort verdeutlicht: „Vertrauen strahlt Zuversicht und Güte aus.“ Und es galt immer: „Vertraue dem, der dir vertraut ist“ (V. Frank). Obwohl das auch Grenzen hat, wie es Missbrauch mancher Kinder bestätigt. Deshalb sollte man Kinder auf solche Gefahren hinweisen und sie vor zu viel Zutrauen warnen. Wenn die Menschen erwachsen werden, sollte sie aber ihr Leben nicht auf der Basis von Misstrauen verwirklichen. Trotzdem sollte kein Mensch unvorsichtig sein. Für die Liebe gelten sowieso ganz andere Gesetzmäßigkeiten. Grundsätzlich gilt für wachsende Partnerschaften: „Ohne Vertrauen kann die Liebe nicht wachsen“ (E. Ferstl). Dazu passt: „Vertrauen ist eine Blume, die man zart behandeln muss“ (A. Ritter). „Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann, ist die, dass man zu ihm Vertrauen hat“ (M. Claudius). Und zum Schluss: „Das Vertrauen ist etwas so Schönes, dass selbst der ärgste Betrüger sich eines gewissen Respekts nicht erwehren kann vor dem, der es ihm schenkt“ (M. von Ebner-Eschenbach).

► Demgegenüber meinte W.I. Lenin: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Auch: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist menschlicher“ (G. Dunkl). Schlechte Erfahrungen führen zu folgendem Ergebnis: „Hast du gar zu viel Vertrauen, wirst du über’s Ohr gehauen.“* „Das Vertrauen ist eine zarte Pflanze. Ist es zerstört, kommt es sobald nicht wieder“ (O. von Bismarck). Und es gilt auch: „Wer das Vertrauen hat zerstört, der wird so bald nicht mehr gehört.“* Auch: „Wer damit anfängt, dass er allen traut, wird damit enden, dass er jeden für einen Schurken hält“ (C.F. Hebbel). Alles entwickelt sich: „Vertrauen ist das, was man hat, bevor man die Realität begreift“ (W. Meurer). Und treffend zum Schluss: „Vertrauen ist die Mutter der Sorglosigkeit“ (B.C. y Morales).

► Zusammenfassung: Bei kaum einem Stichwort gehen die Meinungen so weit auseinander wie bei der Beurteilung des Vertrauens, was wohl an den unterschiedlichen Erfahrungen liegt, die die Menschen mit ihm machen. Vertrauen hat ganz unterschiedliche Folgen: „Aus Vertraulichkeit entsteht die zarteste Freundschaft und der größte Hass“ (A.C. de Rivarol). Und es gilt: „Trau keinem, der nie Partei genommen!“ (G. Keller). Es gilt aber auch: „Wer nicht genügend vertraut, wird kein Vertrauen finden“ (Laotse). Vor allem Freundschaft basiert auch auf gegenseitigem Vertrauen:

„Die Freundschaft ist das edelste Gefühl,

 

dessen das Menschenherz fähig ist“

(Carl Hilty)

„Ich weiß, dass ich jemanden in meiner Nähe habe, dem ich rückhaltlos vertrauen kann, und das ist etwas, was Ruhe und Kraft gibt“ (E. Stein). Der folgende Ausspruch von König Ludwig II. von Bayern verdeutlicht, dass man vor allem zu einem engen Freund Vertrauen haben soll: „Wenn jemand schlecht von deinem Freunde spricht, und scheint er noch so ehrlich, glaub ihm nicht! Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht, misstrau der Welt und gib dem Freunde Recht! Nur wer so standhaft seine Freunde liebt, ist wert, dass ihm der Himmel Freunde gibt.“ Eine wesentliche Erkenntnis zum Schluss: „Ohne Vertrauen zu schenken, wird man nie Vertrauen zurückbekommen“ (unbekannt). „Für viele Menschen hält das Leben Enttäuschungen bereit, die unser Vertrauen stark erschüttern. Trotzdem sollten wir nicht verzagen, im Leben Vertrauen zu wagen.“*138