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Prognosetools

Manager, die mit komplexen Systemen konfrontiert sind, können verschiedene Schritte unternehmen, um ihre Vorhersagefähigkeiten zu verbessern. Ein solcher Schritt liegt im Abschied von Prognosetools: Viele analytische Hilfsmittel suggerieren, dass Beobachtungen von Phänomenen unabhängig sind. Das stimmt in gewissen Fällen für einfache bzw. komplizierte Systeme, gilt aber niemals bei komplexen Systemen. Denn gerade in diesen komplexen Systemen sind die einzelnen Elemente stark miteinander verbunden. Ein Beispiel dafür ist der Schmetterlingseffekt: Wenn Sie etwas im Kleinen anstoßen, können Sie so eine Kette von Ereignissen auslösen, an deren Ende eine enorme und meist unvorhersehbare Konsequenz steht.

Nehmen Sie Ausreißer als Hinweise wahr. Während bei alltäglichen Phänomenen und Systemen die Vorhersehbarkeit sehr gut ist, haben komplexe Systeme eine ausgesprochen schlechte Vorhersagbarkeit. So produziert ein komplexes System unerwartete Ergebnisse, die scheinbar aus dem Nichts kommen (wie zum Beispiel eine Massenpanik oder Marktzusammenbrüche auf Kapitalmärkten). In der Medizin gibt es Dutzende gute Beispiele dafür: Nehmen wir mal die Zulassung von neuen Medikamenten. Bei manchen Medikamenten kommt es zu Wechselwirkungen, die Probleme verursachen. Wenn nun klinische Studien einige potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen bei einer gewissen Gruppe an Patienten zeigen, bedeutet das nicht automatisch, dass dies beim statistisch durchschnittlichen Patienten ebenso wäre. Die Behandlung von noch weitgehend unerforschten Krankheiten ist ein sehr komplexes System, auf das auch so reagiert werden muss – und auf das nicht die Logik eines komplizierten Systems angewendet werden kann. Komplexe Systeme treffen häufiger auf Ereignisse, die weiter vom Durchschnitt entfernt sind, als wir denken. Analyseprogramme, die Ausreißer nicht beachten bzw. als selten einstufen, verschleiern dadurch auch die vielen Variationen, die es in komplexen Systemen gibt.

In der Wirtschaft findet sich das Problem der Vorhersagbarkeit vor allem beim Kundenverhalten. Oft wird nach Durchschnittsantworten gesucht, auf deren Basis dann Vorhersagen getroffen werden. Dabei wäre mancher Ausreißer interessanter als der Durchschnittsfall (siehe Methode »Extreme User« in Kapitel 4). Bei komplexen Problemen und Herausforderungen, die uns in unserem normalen Alltag sonst nicht begegnen, stoßen wir auch auf ein Verhalten, das nicht »normal« ist. Wie zum Beispiel bei einem Beratungsfall, bei dem ich beobachten konnte, was passiert, wenn auf Probleme mit Panik reagiert wird. Um negative Publicity zu vermeiden, entschied sich der Aufsichtsrat eines großen Unternehmens, aufgetretene Qualitätsprobleme so weit wie möglich zu vertuschen. Ein Fehler, wie sich später gezeigt hat. Denn hätte das Unternehmen verstanden, dass die seinerzeit sichtbaren Qualitätseinbußen auf tiefere Probleme hinwiesen, hätte es das viele Geld, das es in die Vermeidung einer Publikation über dieses Problem gesteckt hat, besser in die Verbesserung investiert und dadurch sogar neue Märkte erschließen können.

Das Verhalten innerhalb eines Systems

Anstatt von Medianen oder anderen für den entsprechenden Kontext irrelevanten Zahlen auszugehen, suchen Sie nach Modellen, die Ihnen einen wirklichen Einblick in das System und die Art und Weise geben, wie die verschiedenen Elemente miteinander interagieren. Beispiele hierfür sind Customer-Relationship-Management-Systeme. Damit können Sie sehen, wie der Kunde auf verschiedene Arten von Werbung reagiert. Wenn Sie solche Systeme nutzen, dann achten Sie vor allem darauf, dass das Prognosetool auch extreme Beispiele mit geringem Wahrscheinlichkeitseintritt und hoher Auswirkung berücksichtigt. So haben Komplexitätsforscher beobachtet, dass jedes Jahr in Kalifornien rund 16 000 kleinere Erdbeben auftreten, aber ein wirklich großes Erdbeben allenfalls alle 150 bis 200 Jahre passiert. Das durchschnittliche Erdbeben ist also nicht sehr gefährlich. Dennoch wäre es ein schlechter Rat, deswegen Bauvorschriften auf das durchschnittliche Erdbeben auszurichten. Derselbe Grundsatz gilt auch im Innovationsmanagement: Was am wichtigsten ist, ist immer das Extreme mit der unwahrscheinlichsten Umsetzung – nicht das Wahrscheinlichste.

Drei Arten von Vorhersagetechniken

Wenn es unmöglich ist, die Zukunft in einem komplexen System genau vorherzusagen, aber Unternehmen trotzdem wissen müssen, welche Entscheidung zukünftig die beste sein wird, was sollen Führungskräfte dann machen? Wie können sie den Spagat zwischen den unwahrscheinlichsten und den wahrscheinlichsten Szenarien schaffen? Wie können sie sich auf einen Weg einigen, ohne zu sehr auf vergangenes Wissen zu setzen?

Ich empfehle Managern, explizit zu erläutern, was sie aus früheren Erfahrungen heraus für sinnvoll erachten und was dieses Mal anders sein sollte. In diesem Kontext lassen sich die Daten nach ihrem Zeithorizont differenzieren:

1.Vergangene Daten darüber, was bereits passiert ist: Die meisten Kennzahlen und Indikatoren fallen in diesen Bereich.

2.Aktuelle Daten darüber, wo Sie gerade stehen: Hier zeigt sich der Raum der verschiedenen Möglichkeiten.

3.Zukünftige, also spekulative Daten darüber, wohin die Dinge gehen könnten und wie das System auf eine Reihe von verschiedenen Möglichkeiten reagieren könnte.

Wenn ein Großteil dieser Informationen nicht zugänglich ist oder mühsam erst zusammengetragen werden muss, ist das ein Warnsignal. Basieren Entscheidungen hauptsächlich auf Indikatoren, die erst aufgedeckt werden müssen, bedeutet dies im Wesentlichen, dass die Zukunft der Vergangenheit entsprechen wird. Zumindest einige Ihrer Daten sollten im vergangenen oder gegenwärtigen Bereich liegen. Denn zukünftige Daten sind per Definition unklar und subjektiv: Die Zukunft ist ja noch nicht passiert. Aber ohne Annahmen und den Mut zu Neuem wird keine Veränderung passieren.

Minimieren Sie das Risiko

Die Minimierung von Risiken ist für jeden, der für ein komplexes System verantwortlich ist, von entscheidender Bedeutung. Das Problem dabei ist, dass herkömmliche Ansätze meistens nicht weit genug greifen. Die Führungskräfte sind noch dabei, zu lernen, nicht in Grenzen zu denken und offen für Neues zu sein. Es geht auch darum, sich vom Zwang genauer Vorhersagen zu verabschieden.

In einer Welt voller Überraschungen sind manchmal die besten Investitionen und Entscheidungen die, die die Bedeutung von Vorhersagen minimieren. Nehmen Sie beispielsweise das Produktdesign. In einem herkömmlichen System müssen Hersteller erraten, welche Funktionen die Kunden zu welchem Preis kaufen werden und welche nicht. Unternehmen gehen oft das hohe Risiko ein, dass sie falsch liegen – vor allem bei komplexen Produkten. Natürlich können Sie diesen Unsicherheitsfaktor teilweise minimieren. Sie können Systeme entwickeln, in denen der Nutzer selbst für seine Entscheidungen verantwortlich ist, also Systeme, die es ihm ermöglichen, die gewünschten Ergebnisse selbst herbeizuführen. Beispiele sind Autos oder auch Schranksysteme, die der Käufer online konfigurieren kann.

Trennung von Elementen

Manchmal können Elemente eines komplexen Systems voneinander getrennt werden, um die möglichen Konsequenzen zu verringern, wenn doch etwas schiefgehen sollte. Durch diese Trennung können Sie Teile eines Unternehmens vor den Risiken eines unerwarteten Ereignisses schützen, aber gleichzeitig mit den anderen Teilen experimentieren.

Die verschiedenen Elemente können aber auch so konstruiert sein, dass sie sich gegenseitig ersetzen, falls ein Element des Systems ausfällt. Das macht es wahrscheinlicher, dass das System zumindest bis zu einem gewissen Grad weiterarbeiten kann, selbst wenn einzelne Elemente gerade nicht funktionieren. In den meisten Fällen sind Trennungen und Duplizierungen von Unternehmensteilen oder Elementen mit zusätzlichen Kosten verbunden, aber die Investition lohnt sich fast immer. Denn auch wenn Sie dadurch externe Ressourcen brauchen, bekommen Sie innerhalb kürzester Zeit Antworten auf Ihre Fragen. So habe ich bei einer Beratung einmal den Fall gehabt, dass mein Kunde ein internes Netzwerk von Partnern hatte, das gut funktioniert hat, insbesondere wenn ein Kunde Anforderungen hatte, die das Unternehmen selbst nicht erfüllen konnte. Dadurch fand einerseits ein reger Austausch statt, und andererseits wurden so Nischen besetzt, die vor allem den Kunden einen deutlichen Mehrwert bei der Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen ermöglichten.

Setzen Sie auf Storytelling und Fragen

Ein weiterer Weg der Risikominderung besteht darin, sicherzustellen, dass die Menschen unwahrscheinliche, aber mögliche katastrophale Ereignisse als reale Bedrohung ansehen. Das Teilen von Geschichten über Beinaheunfälle und mögliche Reaktionen auf diese hypothetischen Ereignisse können sehr hilfreich sein.

Was-wäre-wenn-Fragen sind eine großartige Möglichkeit, Szenarien zu entwickeln, die sonst kaum auftauchen. Die meisten Unternehmen, die ich kenne, haben Angst, dass solche Techniken wie das Geschichtenerzählen nicht funktionieren, weil sie eine Fähigkeit erfordern, die die meisten sich selbst und anderen absprechen – nämlich fantasievoll und kreativ zu sein. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Geschichten geben uns vielmehr großartige Einblicke in komplexe Systeme.

 

Indem wir Maßnahmen ergreifen, um Risiken zu minimieren, durch frühe Fehler lernen und verschiedene Denker zusammenbringen, die kreativ mit Beschränkungen umgehen können, gehen wir die Entscheidungsfindung in unseren komplexen Systemen bewusst an und erhöhen die Erfolgschancen maßgeblich. Und das ist notwendig, wenn Unternehmen erfolgreich und vor allem wettbewerbsfähig sein wollen. Denn nichts hindert Innovation und Kreativität so sehr wie komplizierte Wege. Je komplizierter ein Unternehmen agiert, desto langsamer reagiert es und desto mühsamer und langwieriger sind die Entscheidungsfindungswege.

Das Ergebnis dieser Komplexität
Komplexität verstehen

Auch wenn viele sagen, dass Komplexität als mathematisches Modell gesehen werden kann, empfinde ich es vielmehr als eine Art, über die Welt nachzudenken. Vor über einem Jahrhundert revolutionierte Frederick Winslow Taylor die Arbeit und veränderte die Sichtweise von Managern maßgeblich. Durch die heutigen Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft wird das Feld rund um Komplexität erneut aufgerollt und alte Denkmuster werden hinterfragt.

Die Hauptaufgabe besteht darin, den gegenwärtigen und auch den zukünftigen Managern dabei zu helfen, moderne Technologien, komplexe Märkte, kulturelle Veränderungen und die Globalisierung als umfassenden Prozess zu verstehen und vor diesem Hintergrund erfolgreich zu agieren. Es gilt, die Herausforderungen und Möglichkeiten der Komplexität zu bewältigen, mit denen wir mehr und mehr konfrontiert werden.

Manager, die den Prinzipien der Komplexität entsprechend agieren wollen, sind gezwungen, anders zu denken und zu handeln als bisher. Das ist sicherlich nicht einfach, aber unerlässlich.

Angesichts dieser Komplexität stellt sich die Frage, wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter effektiv zum Erfolg führen können. Ich habe Ihnen ein paar Ideen aus meiner Praxis mitgebracht, die ich meinen Kunden immer empfehle:

Fördern Sie bewusst die Diskussion. Komplexe Kontexte erfordern wesentlich mehr Kommunikation als jeder andere Bereich. Initiieren Sie Diskussionsrunden, in denen die Menschen innovative Ideen generieren und so die Führungskräfte bei der Entwicklung und Durchführung komplexer Entscheidungen und Strategien unterstützen. Es geht darum, dass Sie Ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, bereits bestehende Lösungen zu hinterfragen und neu zu diskutieren, anstatt nach bewährten Verfahren zu arbeiten. In einem Krankenhaus, in dem dort erworbene Infektionen als Problem identifiziert und offen diskutiert werden konnten, brachte allein dieser Ansatz eine Verhaltensänderung, die zu einer Verringerung der nosokomialen Infektionen von bis zu 50 Prozent führte.

Setzen Sie Grenzen. Wir leben in einer Welt, die voller Barrieren und Grenzen ist. Das ist auch gut und wichtig, denn wenn Grenzen gesetzt sind, beginnt das System, sich innerhalb dieser selbst zu regulieren. Das können auch Werteversprechen sein, die unausgesprochen in einem Unternehmen gelten, wie die schnelle Lieferung von Waren und Zufriedenheit der Kunden als oberstes Gebot. Dadurch motivieren sich die Mitarbeiter gegenseitig und achten so auf ihr eigenes Verhalten.

Fördern Sie Heterogenität. Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Perspektiven können in komplexen Zusammenhängen sehr wertvoll sein, insbesondere indem sie die Entstehung von vollkommen neuen Ideen begünstigen. In meinen Workshops fördere ich diese Heterogenität dadurch, dass ich mehrere Teams parallel an demselben Problem arbeiten lasse. Dabei ernennt jedes Team einen Sprecher, der dann vom Tisch der einen Gruppe zum Tisch der anderen Gruppe wechselt. Der Sprecher stellt die Hypothesen und Gedanken seiner eigenen Gruppe vor, während die andere Gruppe schweigend zuhört. Dann wendet sich der Sprecher wieder seiner eigenen Gruppe zu. Jeder Sprecher besucht abwechselnd die anderen Teams, bis das Ende der Ideensession eingeläutet wird. Dieses bewusste Zuhören hilft, die Ideen der anderen besser zu verstehen, offen zu sprechen, die eigenen Ideen beizusteuern und zu erweitern und Kritik nicht persönlich zu nehmen.

Die passende Umgebung schaffen. Da die Ergebnisse in einem komplexen Kontext nicht vorhersehbar sind, müssen sich Führungskräfte auf die Schaffung einer Umgebung konzentrieren, aus der gute Ergebnisse hervorgehen können, anstatt zu versuchen, vorher festgelegte Zielvorstellungen umzusetzen, und dabei unerwartete Möglichkeiten zu verpassen. Vor vielen Jahren hat 3M beispielsweise eine Regel eingeführt, die es Forschern erlaubt, 15 Prozent ihrer Zeit für jedes Projekt zu verwenden, das sie interessiert. Ein Ergebnis dieser Vorgehensweise sind die überaus populären und erfolgreichen Post-it-Haftnotizen.

Entscheidungsfindung in einer komplexen Welt

Stellen Sie sich vor, Sie werden zu einem Tatort gerufen. Vor Ihnen liegen sieben tote Menschen, überall ist Blut. Chaos und Panik, wohin Sie sehen. Was machen Sie? Wo sollen Sie beginnen? Was ist passiert? Wer macht so etwas und warum?

Vermutlich waren es solche Fragen, die dem stellvertretenden Polizeichef, Walter Gasior, am 8. Januar 1993 in Palatine durch den Kopf schossen, als er das Fast-Food-Lokal betrat, in dem zuvor sieben Menschen brutal getötet worden waren.2 Und das für weniger als 2000 Dollar, denn mehr hatten die beiden Attentäter nicht erbeutet. Walter Gasior hatte jedenfalls keine Zeit, sich die passenden Worte zurechtzulegen, er musste schnell handeln und vor allem mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen. Denn er war damals nicht nur als Vertreter der Polizei vor Ort, sondern musste als Sprecher der Polizeiabteilung sowohl den trauernden Familien als auch einer verängstigten Gemeinschaft erklären, was passiert war und wie die Polizei vorgehen würde. Eine weitere Herausforderung waren die zahlreichen Reporter, um die er sich ebenfalls kümmern musste.

Gasior gelang es letztlich aufgrund seiner Erfahrung und seiner Flexibilität, alle Aufgaben erfolgreich zu meistern. Eine Fähigkeit, die viele Unternehmen in turbulenten Zeiten gut brauchen könnten, aber nicht haben. Die gewünschten Ergebnisse bleiben aus, denn es bedarf vorab Entscheidungen, die wiederum eine Vielzahl von anderen Reaktionen auslösen.

In den meisten Unternehmen, in denen ich unterwegs bin, verlassen sich die Führungskräfte viel zu oft auf Ansätze, die in der Vergangenheit bereits gut funktioniert haben. Nur herrschten damals andere Bedingungen. Die Handlungen der Menschen, die im und am Unternehmen arbeiten, sind eben nur zu einem gewissen Maß vorhersagbar. Manches Mal funktionieren die erstbesten Lösungen erstaunlich gut. Aber je komplexer und unkoordinierter die Umstände werden, desto eher braucht es andere Ansätze. Es gibt nun mal keine Einheitslösung.

Vielmehr ist es an der Zeit, dass Unternehmen ihre traditionellen Wege verlassen und damit beginnen, ihren Blick und ihre Entscheidungsfindungsfähigkeiten zu erweitern. Es geht darum, neue Perspektiven zu entwickeln. Dabei hilft es, sich bewusst zu werden, in welchem Kontext das Problem steht, das bearbeitet wird.

Das Cynefin-Framework

Das Cynefin-Framework ist ein Modell, das Probleme, Situationen und Systeme beschreibt. Dieses Framework differenziert zwischen fünf Kontexten: einfach, kompliziert, komplex, chaotisch und verwirrt. Diese Unterscheidung liefert einen Ansatzpunkt dafür, welche Typologie von Erklärungen und / oder Lösungen hilfreich sein kann. Jeder Kontext bzw. Bereich fordert unterschiedliche Aktionen.

Das Wesen der fünf Kontexte macht es besonders schwierig, zu erkennen, wann man sich in welchem Bereich befindet. Das Cynefin-Framework soll Führungskräften als Instrument dienen, um die Dinge aus neuen Blickwinkeln zu betrachten, komplexe Konzepte zu assimilieren und Probleme und Chancen zu identifizieren. Mit diesem Ansatz bekommen Manager ein Modell an die Hand, das ihnen hilft, die interne Kommunikation zu verbessern, indem sie den jeweiligen Kontext, in dem sie und ihr Unternehmen sich gerade befinden, besser erkennen und verstehen können.

Der Begriff »Cynefin«, ausgesprochen ku-nev-in, stammt aus dem Walisischen. Dieses Wort wird »üblicherweise im Deutschen mit ›Lebensraum‹ oder ›Platz‹ übersetzt […], obwohl diese Übersetzung nicht seine volle Bedeutung vermitteln kann. Eine vollständige Übersetzung des Wortes würde aussagen, dass wir alle mehrere Vergangenheiten haben, derer wir nur teilweise bewusst sein können: kulturelle, religiöse, geographische, stammesgeschichtliche usw.«, heißt es auf Wikipedia. »Der Begriff wurde von dem walisischen Gelehrten Dave Snowden gewählt, um die evolutionäre Natur komplexer Systeme zu veranschaulichen, einschließlich ihrer inhärenten Unsicherheit. Der Name ist eine Erinnerung daran, dass alle menschlichen Interaktionen stark von unseren Erfahrungen beeinflusst und häufig ganz davon bestimmt sind, sowohl durch den direkten Einfluss der persönlichen Erfahrung als auch durch kollektive Erfahrung wie Geschichten oder Musik.«


Differenzierung verschiedener Kontexte

Im Laufe der Zeit hat Snowden das Framework aufgrund von unzähligen verschiedenen Anwendungen weiterentwickelt. So hat beispielsweise die Unterstützung eines Pharmaunternehmens bei der Erarbeitung einer neuen Produktstrategie genauso zur Entwicklung beigetragen wie die Unterstützung einer Regierung bei ihren Bemühungen, Mitarbeiter in die Politikgestaltung miteinzubeziehen.

Das Cynefin-Framework sortiert die Probleme, denen sich die Manager gegenübersehen, in fünf verschiedene Kontexte. Diese sind durch die Art der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung definiert. Vier von diesen Kontexten – der offensichtliche, komplizierte, komplexe und chaotische – geben Leitplanken vor, wie sich Manager in diesen Situationen verhalten und wie sie diese Situation als solche erkennen können. Der fünfte Bereich ist äußerst schwierig zu identifizieren. In diesem regiert die Unordnung. Sie tritt dann ein, wenn alle anderen vier Kontexte nicht passen.

Die Verwendung des Cynefin-Frameworks hilft aber nicht nur, bessere Entscheidungen zu treffen, sondern auch Probleme zu vermeiden, die entstehen, wenn innerhalb eines dieser Kontexte – auch »Domänen« genannt – Fehler entstehen.

Die komplexe Domäne ist in der Geschäftswelt viel verbreiteter, als den meisten Unternehmen bewusst ist. Sie erfordert unterschiedliche und kontraintuitive Antworten. Die Welt ist nun mal die meiste Zeit irrational und vor allem unvorhersehbar. Deswegen braucht es neue Denkweisen, um darauf zu reagieren.