Die Spur führt nach Altötting...

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Sari: Leo Schwartz #2
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Mario war in mehreren Geschäften gewesen. Er kaufte Kleidung, Schuhe und einen Koffer. Nach dem Friseur ging er in einen Handy-Laden. Als er nach einer knappen Stunde wieder rauskam, ging Leo sofort zu dem Verkäufer. Er wies sich als Polizist aus.

„Was wollte der Kunde von Ihnen?“

„Was wird er wohl hier gewollt haben?“ Der Verkäufer mochte keine Polizisten. Vor allem war er kein Denunziant.

„Er hat ein Handy gekauft?“ Der Verkäufer nickte und Leo verlangte die Nummer des Handys, die er umgehend genannt bekam. Der Verkäufer kam überhaupt nicht auf die Idee, nach einem Beschluss zu fragen. Was würde das bringen? Dann musste er die Nummer später rausrücken, was auch nichts änderte. Die Polizei bekam ihre Information so oder so.

Leo fuhr umgehend nach Pfullingen, wo er zum Glück Mario am Fenster im Haus von Frau Votteler sah. Zum Glück hatte er ihn nicht verloren.

Was zum Teufel hatte Mario Pini vor?

5.

Sofort nach dem Frühstück holte sie das am Vortag bestellte Taxi ab und Frieda war aufgeregt wie ein kleines Kind, was Mario sehr amüsierte. Beide hatten vorsorglich für mehrere Tage Gepäck dabei, da sie nicht wussten, was auf sie zukam. Auch Bargeld hatten sie in ausreichender Menge dabei. In der Bahn bis Stuttgart sprachen sie nicht viel, da sich Frieda an der Umgebung nicht sattsehen konnte. Offensichtlich war sie schon lange nicht mehr aus Pfullingen rausgekommen. Mario nutzte die Gelegenheit, sich mit mehreren Tageszeitungen über das aktuelle Geschehen zu informieren und war erstaunt darüber, was sich während seiner Abwesenheit so alles getan hatte. Die Namen der großen Politiker sagten ihm nicht viel, auch Sportler und Promis, die riesige Schlagzeilen hatten, waren ihm fast alle unbekannt. Er war erschrocken, denn er war nur drei Jahre weggewesen. Als er das Fernsehprogramm studierte, musste er zufrieden feststellen, dass er fast alle Sendungen kannte. Auch die Spielfilme und Krimis waren ihm bekannt, denn die wurden schon seit Jahren Zig-Male wiederholt. Zumindest auf das Fernsehen konnte er sich verlassen, hier hatte sich in den drei Jahren fast nichts verändert.

Am Hauptbahnhof Stuttgart mussten sie über eine Stunde warten und genehmigten sich daher ein zweites Frühstück.

Der ICE fuhr in den Bahnhof ein, was Frieda mit lauten Freudenschreien kommentierte. Zu seiner Belustigung drängelte sie sich an den anderen Fahrgästen vorbei in den Waggon, sodass Mario sie für einige Zeit aus den Augen verlor. Sie hatten schließlich reservierte Sitzplätze und er sah keinen Sinn darin, zu drängeln. Aber Frieda hatte es nun mal eilig. Als er seinen Platz einnahm, saß sie bereits, hatte auch schon den Mantel ausgezogen und sah aus dem Fenster. Endlich ging es los. Nach Ulm verlor Frieda langsam das Interesse daran, aus dem Fenster zu sehen, zog eine Klatschzeitschrift aus ihrer Handtasche und blätterte lustlos darin.

„Was ist das eigentlich mit deinem anderen Haus in Reutlingen, dessen Unterlagen du gestern mit Baumann durchgegangen bist? Hast du etwa außer deinem Pfullinger Haus wirklich noch ein anderes?“

Sie verstand sofort, worauf Mario hinauswollte und grinste, während sie weiter in ihrer Klatschzeitung blickte.

„Geerbt, gekauft, wie das eben so geht.“

„Du meinst, du hast mehrere Häuser?“

„Kann sein.“ Frieda lächelte nur und wollte nicht darüber sprechen, auch sie hatte ihre Geheimnisse.

„Daher also deine Kenntnisse über das Grundbuchamt. Du bist ein richtiges Luder, das hätte ich dir nicht zugetraut.“

Diese Frieda! So eine durchtriebene Person! Nach außen hin tat sie so harmlos und in Wirklichkeit hatte sie es faustdick hinter den Ohren. Sie war also vermögend, das war ihm nun klar. Er freute sich für sie, denn zu viele alte Menschen hatten nicht viel oder gerade genug zum Leben. Das hatte er nicht nur auf dem Jakobsweg hautnah mitbekommen, sondern vor allem in Venezuela. Die große Armut in manchen Gegenden ging ihm an die Nieren.

Mittags nahmen sie das Essen im Bordrestaurant ein. Trotz der angenehmen Unterbrechung war Mario von der Zugfahrt genervt. Endlich waren sie in München angekommen, wo sie in den Zug nach Mühldorf umsteigen mussten. Während sich Marios Laune wegen der riesigen Menschenmassen auf dem Münchner Bahnhof immer mehr verschlechterte, war Frieda von den Eindrücken überwältigt. Sie plapperte ständig und zeigte in alle Richtungen. Dann stiegen sie in den Zug nach Mühldorf ein. Der war zwar leer, aber sehr dreckig. Sie mussten lange suchen, um einen einigermaßen sauberen Sitzplatz zu finden. Sie schwiegen die meiste Zeit und Frieda war kurz eingenickt. Mario war genervt und hatte genug von Zügen. Endlos zog sich die Strecke hin und er schwor sich, dass sie auf keinen Fall die Rückfahrt mit der Bahn vornehmen würden. Er musste Frieda davon überzeugen, dass ein Leihwagen die bessere Lösung war. Frieda schlief und er lehnte sich zurück. Er dachte an Conny. Wie es ihr wohl ging? Was sie jetzt gerade machte? Er vermisste sie und verdrängte die Erinnerungen an sie.

Endlich kamen sie in Mühldorf an und mussten abermals umsteigen; dieser Zug fuhr nun nach Altötting, dem Ziel ihrer Reise. Dieser Zug gab Mario echt den Rest, denn einen langsameren Bummelzug hatte er noch nicht erlebt. Zeitweise hatte er das Gefühl, dass die Fußgänger schneller waren als sie. Frieda war inzwischen auch genervt, denn sie nörgelte über die mangelnde Sauberkeit, zumal die Toilette nicht zu benutzen war, sie war defekt. Nach zwanzig Minuten Fahrt erreichten sie endlich kurz vor fünfzehn Uhr den Wallfahrtsort Altötting. Es war stark bewölkt und für die Zeit im Mai eigentlich viel zu kalt. Zum Glück kannte sich Frieda in Altötting gut aus, da sie bereits früher schon mehrere Male in Altötting war und daher wusste, dass es direkt am Kapellplatz ein schönes Hotel gab. Sie nahmen ein Taxi und fuhren die kurze Strecke direkt dorthin, denn Frieda wollte auf keinen Fall ihren schweren Koffer bis zum Hotel hinter sich herziehen. Er könnte beschmutzt oder gar ruiniert werden. Der Koffer war zwar alt, aber wenig benutzt. Außerdem hingen sehr viele Erinnerungen daran. Der Taxifahrer unterhielt sich während der nur fünfminütigen Fahrt angeregt mit den beiden. Frieda war überglücklich, dass ihr Zimmer einen direkten Blick auf den Kapellplatz und somit auf die Gnadenkapelle hatte. Mario interessierte der Blick aus seinem Zimmer herzlich wenig, er sah nicht einmal hinaus. Nachdem sie ihr Gepäck verstaut und sie sich etwas frisch gemacht hatten, gingen sie in einen gemütlichen Gasthof, der ihnen von dem Taxifahrer empfohlen wurde. Dort beratschlagten sie bei einem kühlen Weißbier und einer kleinen Brotzeit, wie sie nun vorgehen würden.

„Das Einfachste wäre das Telefonbuch, aber damit kommt man heute nicht mehr weit.“

„Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Vorhin im Foyer des Hotels habe ich im Internet nachgesehen. Nichts, kein Peter Friedrich in Altötting.“

„Schade. Einwohnermeldeamt?“

„Können wir versuchen, ist aber fraglich, ob wir da einfach so Auskunft bekommen.“

„Denke ich auch, aber wir haben noch die Schulen, die Mädchen müssen ja schließlich zur Schule.“

„Du glaubst, dass sie sich hier in Altötting aufhalten könnten?“

Frieda nickte nur. Über diese Möglichkeit hatten sie bisher nicht gesprochen, da sie dafür nicht den leisesten Hinweis hatten.

„Also gut, dann suchen wir nach diesem Peter Friedrich und auch nach der Familie Pini.“ Mario verschwieg, dass er nicht im Geringsten daran glaubte, dass sich seine Familie hier aufhielt. Warum auch? Sie hatten keinen Bezug zu Altötting, warum sollten sie hierherziehen? Er war davon überzeugt, dass sie weder diesen Friedrich noch die Pinis hier finden würden. Er war sich mittlerweile nicht einmal mehr sicher, ob er in den Unterlagen des Maklers richtig gelesen hatte. Aber das alles verschwieg er seiner neuen Freundin, die im Gegensatz zu ihm fest daran glaubte.

Frieda strahlte ihn an. Sie hatte sich eine Theorie zurechtgelegt und dachte nun, dass Mario ebenso wie sie daran glaubte. Oder war es Wunschdenken?

„Gut, wir gehen zunächst zum Einwohnermeldeamt, das ist hier gleich am Kapellplatz im Rathaus. Ich war hier früher einige Male auf der Toilette.“ Frieda kannte sich wirklich gut aus. Aber sie hatten Pech, das Amt hatte seit sechzehn Uhr geschlossen. Beide ärgerten sich darüber, denn wenn sie gleich nach dem Einchecken ins Hotel hierhergegangen wären, hätten sie es noch schaffen können. Stattdessen hatten sie wertvolle Zeit in dem Gasthof vertrödelt. Aber es half nichts, gleich morgen früh um acht öffnet das Amt wieder und dann konnten sie ihr Anliegen vorbringen. Er sah Frieda an, dass sie erschöpft war, und lud sie daher zu einem feudalen Abendessen im Hotelrestaurant ein. Frieda trank einen halben Liter Wein. Mario musste sie zu ihrem Zimmer begleiten, denn ihr Gang war nicht mehr der sicherste. Auch Mario hatte sich nach der heutigen Bahnfahrt zur Belohnung einen guten Wein gegönnt und war ebenfalls sehr müde.

Nach einer überraschend ruhigen Nacht, in der beide gut geschlafen hatten, trafen sie sich um sieben Uhr zum Frühstück und langten bei dem üppigen Angebot ordentlich zu. Wenn das mit dem Essen so weiterging, würde Mario enorm an Gewicht zulegen, denn er war anfällig dafür und hatte sich in den letzten Jahren vor allem Kuchen und Torten verkniffen. Damit tat er sich nun schwer, denn in Deutschland lockte an jeder Straßenecke die Versuchung mit den verführerischsten Leckereien. Frieda machte sich über ihr Gewicht keine Gedanken und aß alles, worauf es sie gelüstete. Das war nicht erst im Alter so, das hatte sie schon immer so gemacht. Sie war ein Genussmensch und ließ sich das von niemanden ausreden. Auch nicht von ihrem Arzt, der zwar mit ihren Blutwerten immer zufrieden war, sie aber vorsorglich stets warnte und zur Vorsicht mahnte.

 

Kurz vor acht standen beide vor dem Einwohnermeldeamt, das nur wenige Gehminuten von ihrem Hotel entfernt war. Die Tür wurde pünktlich aufgeschlossen.

Die Dame im Einwohnermeldeamt war zwar sehr zuvorkommend, aber einen Eintrag konnte sie nicht finden, weder für Peter Friedrich, noch für die Familie Pini. Schade, das hatte nichts gebracht.

Sie setzten sich am Kapellplatz auf eine Bank und sahen dem nun zunehmenden Treiben der Wallfahrer zu. Einige Personen waren ganz bestimmt mit Bussen angereist, denn sie kamen in größeren Gruppen. Andere hatten Wanderkleidung an und waren scheinbar tatsächlich zu Fuß nach Altötting gelaufen. Mario beobachtete einige Personen, die teilweise mit mehr oder weniger großen und schweren Holzkreuzen zu Fuß oder sogar auf den Knien durch den Rundgang der Gnadenkapelle liefen und dabei leise Gebete sprachen. Er war nicht nur davon fasziniert, sondern auch von den vielen Votivtafeln, die von Gläubigen aus den unterschiedlichsten Gründen dort angebracht wurden. Vor der relativ kleinen Gnadenkapelle, um die es hier an für sich ging, hatte sich bereits zu dieser frühen Stunde eine lange Schlange gebildet. Jeder wollte einen Blick auf die schwarze Madonna im Inneren werfen. Mario hatte in einer Infobroschüre des Einwohnermeldeamtes darüber gelesen und auch hier sah er überall Hinweise darauf. Aber das Ganze hier verstand er überhaupt nicht, obwohl er gläubiger Katholik war. Er wuchs in einer Ecke Baden-Württembergs auf, wo es so etwas bis heute nicht gab. Als er den Jakobsweg entlangging, war er selbstverständlich wie die anderen Touristen auch in einigen Kirchen gewesen, was wahrscheinlich die Atmosphäre ausmachte. Aber so etwas wie hier in Altötting hatte er doch noch nicht gesehen. Mario kramte in seiner Tasche, zog ein nagelneues Handy hervor, auf dem er herumtippte.

„Wo hast du das denn her?“

„Habe ich gestern in Reutlingen gekauft, es sollte heute im Laufe des Tages freigeschaltet werden. Wir brauchen dringend Internet, wir können nicht jede Kleinigkeit im Hotel nachsehen. Vor allem nicht, wenn wir unterwegs sind. Und dieses Ding hier kann einfach alles, schau mal her.“

Frieda lehnte energisch ab.

„Verschone mich mit den Details. Ich verstehe sowieso nur Bahnhof und habe überhaupt keinen Kopf dafür. Und wenn ich ehrlich bin, interessiert mich das absolut nicht. Ich bin zu alt für so einen technischen Quatsch.“

„Kann ich verstehen. Ich habe ein Prepaid-Handy für dich. Das habe ich am Reutlinger Bahnhof gekauft, während du auf der Toilette warst. Keine Angst, das ist nur zum Telefonieren, es funktioniert bereits. Meine Nummer ist eingespeichert und die Handhabung ist wirklich kinderleicht.“

„Und wofür brauche ich ein Handy? Ich habe noch nie eins besessen. Reicht es nicht, dass du eins hast?“

„Falls du mir verloren gehst, oder dir etwas passiert, einfach nur zu deiner Sicherheit. Gefällt es dir nicht?“

Und ob es Frieda gefiel. Es war schwarz mit einem großen Display und etwas größeren, weißen Tasten, womit sie sich leichter tat als mit diesen fitzelig kleinen Tasten. Das war ihr lieber als die Handys, die man mit den Fingern bedienen musste, wie sie es schon mal bei Laura gesehen und ausprobiert hatte. Sie hatte keine Geduld für solche Dinge und befand sich zu alt für diesen modernen Kram. Trotzdem war sie sehr stolz auf ihr erstes eigenes, funkelnagelneues Handy und drückte Mario einen dicken Schmatz auf die Backe. Es war lange her, dass sich jemand solche Gedanken und Sorgen um sie machte. Was das wohl gekostet hatte?

Marios Handy war noch nicht freigeschaltet und er ärgerte sich darüber, denn er brauchte dringend die Adressen der hiesigen Schulen. Die wollte er so schnell wie möglich abklappern und dann wieder nach Hause fahren. Die Suche in Altötting kostete nur unnötig viel Zeit, die er nicht hatte. Wo war seine Familie? Und wie konnte er sie finden?

Frieda war von Altötting überzeugt. Sie zog einen Prospekt aus der Manteltasche und reichte ihn Mario. Es war ein Faltprospekt der Stadt Altötting, den sie aus dem Aufsteller in der Hotellobby gezogen hatte. Überrascht blätterte Mario darin und fand eine Aufstellung aller Schulen. Offenbar war Frieda etwas schlauer als er, der sich tatsächlich nur auf die Technik verlassen hatte und nicht auf die einfachste Lösung kam. Laut der Broschüre gab es zwei Gymnasien und zwei Realschulen in Altötting.

Mario rief mit Friedas Handy alle vier Schulen an. Er gab sich als sein Onkel Giuseppe aus und teilte mit, dass er dringend eine seiner Töchter sprechen müsste. Doch trotz seiner schauspielerischen Leistung, von der sogar Frieda überrascht war, hatte er keinen Erfolg. In den Schulen gab es keine Schülerinnen mit den Namen Laura und Maria Pini. Mario war nicht besonders enttäuscht, er hatte bereits damit gerechnet.

„Lass uns das hier abbrechen und wieder abreisen. Das bringt doch alles nichts.“

„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Wir suchen nach Peter Friedrich. Es wäre doch gelacht, wenn wir den nicht finden!“

„Und wie sollen wir das anstellen? Wir können doch nicht alle Straßen ablaufen und die Türschilder lesen, das dauert ja Wochen.“

„Natürlich laufen wir nicht alle Straßen ab, bist du verrückt? Wir gehen jetzt ein Stück spazieren und überlegen in Ruhe, wie es weitergeht. Jetzt lass den Kopf nicht hängen, das kriegen wir schon irgendwie hin.“

Sie diskutierten alle Möglichkeiten durch und verwarfen sie wieder. Sie stritten und vertrugen sich wieder. Das brachte nichts. Sie hatten nicht den Hauch einer Spur, der sie folgen konnten.

„Was hältst du von einem Privatdetektiv?“ Sie saßen schon eine halbe Stunde schweigend in einem netten Café direkt am Kapellplatz, tranken Cappuccini. Mario war mit seinem Handy beschäftigt und Frieda beobachtete die Passanten. Bereits seit dem Frühstück geisterte die Idee, einen Privatdetektiv zu engagieren, in Marios Kopf herum. Und nach den Erfahrungen und dem Engpass, in dem sie sich befanden, schien ihm das eine durchaus passable Möglichkeit.

„Du meinst wie im Fernsehen?“

„So ungefähr. Nachdem mein Handy nun endlich freigeschaltet ist, habe ich im Internet einen interessanten Eintrag einer Detektei Herbst in München gefunden. Was meinst du? Das kostet bestimmt ein Vermögen.“

Frieda las interessiert die Informationen und tat sich mit dem kleinen Display des Handys sehr schwer, verstand aber die Informationen der Homepage der Detektei und war begeistert.

„Über die Bezahlung mach dir keine Sorgen, das haben wir doch geklärt. Jetzt ruf an und dann werden wir schon sehen, was sie sagen. Los.“

Mario verließ den Tisch des Cafés, um von einer ruhigen Ecke aus zu telefonieren, denn schließlich mussten unbeteiligte Passanten den Inhalt des Gespräches nicht mitbekommen. Er war zwar auch hier nicht allein, aber das störte ihn jetzt nicht.

Ein freundlicher Mitarbeiter der Detektei begrüßte ihn und Mario schilderte ausführlich sein Anliegen.

„Wir suchen also nach einem Peter Friedrich, Altötting, und nach der Familie Pini. Genau geht es um Giuseppe, Melanie und den Kindern Laura und Maria.“ Er fragte nach den Geburtsdaten und Geburtsorten, ließ sich die genaue Anschrift in Pfullingen geben, sowie die Adressen der früheren Arbeitgeber und der Schule.

„Haben Sie bereits eine Übernachtungsmöglichkeit in Altötting?“

„Ja, wir sind seit gestern hier.“

„Ihr Hotel besitzt bestimmt ein Faxgerät, da benötige ich die Faxnummer. Sobald Sie die Nummer haben, melden Sie sich bei mir, damit wir die Formalitäten per Fax klären können. Wir brauchen zunächst einen verbindlichen Auftrag von Ihnen, beziehungsweise eine Unterschrift, bevor wir tätig werden können.“

„Alles klar, bis später.“

Mario legte zehn Euro auf den Tisch und zog Frieda mit sich. Rasch unterrichtete er sie über das Telefongespräch. Auf direktem Weg liefen sie zu ihrem Hotel.

„Junge Frau,“ rief Frieda in die Empfangshalle, „gibt es bei Ihnen ein Faxgerät und wie ist die Nummer?“ Alle umstehenden Personen sahen verstohlen zu den beiden rüber, was Frieda aber völlig egal war. Die Dame an der Rezeption reagierte nicht. Offensichtlich hatte sie sie nicht verstanden, denn sie war im Gespräch mit einem Gast vertieft, was aber Frieda ebenfalls nicht interessierte.

„Haben Sie ein Faxgerät und wie ist die Nummer?“, wiederholte Frieda ungehalten und diesmal lauter ihre Frage.

„Selbstverständlich haben wir ein Faxgerät.“

„Sehr schön. Und wo befindet sich dieses Gerät und wie ist die Nummer?“

„Hier hinten im Büro. Wenn Sie etwas zu versenden haben, können Sie das selbstverständlich jederzeit gerne tun. Hier ist eine Informationsbroschüre über unser Haus, in der auch die Faxnummer ersichtlich ist.“

Leo Schwartz war den beiden bis nach Altötting gefolgt. Zunächst konnte er es nicht fassen, dass die beiden mit dem Zug fahren wollten. Er stand in Friedas Nähe und erfuhr schließlich, dass das Ziel Altötting war. Was wollten die beiden in Altötting? Wie sollte er reagieren? Da die Zeit drängte, holte er sich ein Ticket und stieg ebenfalls in den Zug ein. Er setzte sich so, dass er die beiden immer im Blick hatte. Leo entschied, seinen Vorgesetzten zu informieren. In Stuttgart wollte er nicht anrufen. Es reichte aus, wenn Zeitler Bescheid wusste.

„Was suchen die beiden dort?“

„Keine Ahnung. Ich brauche in Altötting einen Leihwagen. Können Sie das organisieren?“

„Selbstverständlich. Der Wagen wird am Bahnhof für Sie bereitstehen. Was ist mit einer Unterkunft?“

„Darum kümmere ich mich selbst. Ich weiß noch nicht, wo die beiden absteigen werden und werde spontan entscheiden.“

„Gut. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Nachdem der 56-jährige Michael Zeitler einen Leihwagen organisiert hatte, informierte er seinen Stuttgarter Kollegen Bösel. Der war aufgebracht, weil Leo ihn nicht kontaktiert hatte und weil er seinen Ulmer Vorgesetzten ins Vertrauen gezogen hatte. Hatte er Schwartz gegenüber nicht deutlich gemacht, dass er die Klappe halten sollte?

„Zwischen meinen Mitarbeitern und mir gab es noch nie Heimlichkeiten. Ich habe Schwartz quasi das Messer auf die Brust gesetzt, damit er mir die Wahrheit sagt. Ihn trifft keine Schuld,“ log Zeitler. Wie sonst sollte er sich erklären, als mit dieser Notlüge. „Haben Sie ein Problem damit, dass ich eingeweiht bin? Misstrauen Sie mir?“

„Natürlich nicht. Schwartz ist also in Altötting. Warum, interessiert mich nicht. Ich hoffe nur, dass er Knoblich schnell findet. Nur durch ihn kommen wir an das Geld. Sie können sich nicht vorstellen, unter welchem Druck ich stehe. Dr. Biedermann erkundigt sich in regelmäßigen Abständen nach dem aktuellen Ermittlungsstand und geht mir gehörig auf die Nerven.“

„Weisen Sie den Mann zurecht. Sie brauchen sich doch in Ihrer Position nicht unter Druck setzen lassen.“

„Sie haben gut reden! Dr. Biedermann ist mit dem Staatsanwalt befreundet.“

Jetzt verstand Zeitler. Bösel bekam von allen Seiten Druck. Er war nicht zu beneiden.

Endlich war der Zug in Altötting angekommen und Leo war erleichtert. Er hasste Bahnfahrten und vermied sie in den letzten Jahren erfolgreich. Aber diesmal blieb ihm nichts Anderes übrig. Er hatte versucht, im Zugbistro Gesprächsfetzen der beiden aufzuschnappen, was ihm nicht gelang. Leo war gespannt, was die beiden in Altötting vorhatten.

Der Leihwagen stand parat und Leo sah zu, wie Mario Pini und Frieda Votteler in ein Taxi stiegen. Er folgte ihnen und parkte auf dem Hotelparkplatz. Nachdem die beiden eingecheckt hatten, nahm auch er ein Zimmer. Er folgte ihnen in die Gaststätte, beobachtete sie beim Abendessen im Hotel und saß in ihrer Nähe, als sie am nächsten Tag sehr früh das Frühstück einnahmen. Im Einwohnermeldeamt fragten sie nach einem Peter Friedrich, das hatte Leo deutlich gehört. Wer war der Mann? Die Frage nach der Familie Pini war für ihn einleuchtend. Aber warum vermuteten die beiden die Familie hier in Altötting? Er musste unbedingt mehr herausfinden und blieb ihnen dicht auf den Fersen. Er saß am Nebentisch des Cafés, als sich die beiden über einen Detektiv unterhielten. Dann fiel der Name Herbst in München. Jetzt musste er schnell reagieren, denn Mario Pini hatte sich bereits für eine Kontaktaufnahme mit der Detektei entschieden und zog sich zurück. Als Mario Pini wieder am Tisch saß, musste er schnell handeln. Er ging zu seinem Wagen, um ungestört telefonieren zu können. Das Gespräch war nicht leicht, denn der Detektiv Herbst war ein harter Brocken.

 

„Sie bekommen von der Stuttgarter Polizei eine entsprechende Anweisung, in diesem Fall nichts zu unternehmen. Sollten Sie sich dem widersetzen, bekommen Sie ernste Schwierigkeiten. Sie gehen jetzt folgendermaßen vor: Sie senden den Vertrag wie immer, allerdings ändern Sie die Handynummer, die ich Ihnen nennen werde. Bestehen Sie darauf, dass ab sofort nur doch diese Handynummer gilt. Dann überlassen Sie die Sache mir. Sollte sich Herr Pini oder Frau Votteler bei Ihnen melden, wimmeln Sie die beiden ab und rufen mich an. Können wir uns darauf einigen?“

„Verdammte Polizeiarbeit!“, fluchte Herbst. „Ihnen ist klar, dass ich wegen Ihnen eine Menge verliere?“

„Dafür erspare ich Ihnen jede Menge Ärger. Wenn Sie wüssten, was hinter dem Ganzen steckt, wären Sie mir dankbar dafür, dass ich Ihnen die Sache abnehme.“

„So schlimm?“

„Ja.“ Leo nannte ihm seine Handynummer, die Herbst in das Formular eintrug.

Dann klingelte es auf Herbsts zweiter Telefonleitung.

„Das wird Mario Pini sein. Sie wissen, was zu tun ist.“

Mario wählte erneut die Nummer des Detektivs. Er gab ihm die Fax-Nummer des Hotels an.

„Ich habe für Ihren Fall eine Handynummer eingerichtet, über die wir beide ab sofort kommunizieren.“

„Eine neue Handynummer?“ Mario war irritiert. War das so üblich? Er wusste es nicht, war aber trotzdem verwundert. „Wie ist die Nummer?“

„Die steht auf dem Vertrag,“ sagte Herbst und Mario war beruhigt.

Wenige Minuten später bekam er ein Fax von der Empfangsdame überreicht, das er durchlas, unterzeichnete und sofort wieder zurückschickte. Die Empfangsdame war sehr diskret und äußerst behilflich. Marios Handy klingelte und der Detektiv bestätigte den Eingang des Auftrages, er würde sich wieder bei ihm melden.

Leo rief Zeitler an und schilderte ihm, was er mit dem Detektiv ausgehandelt hat.

„Ich werde herausfinden, was es mit diesem Peter Friedrich auf sich hat. Nur zu Ihrer Information: Ich habe Bösel davon unterrichtet, dass ich informiert bin und Ihnen helfe,“ sagte Zeitler.

„War er sehr sauer?“

„Hielt sich in Grenzen. Wie wollen Sie Herrn Pini und Frau Votteler gegenübertreten? Als Polizist oder als Detektiv?“

„Das entscheide ich, wenn es so weit ist.“

„Gut. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich kümmere mich um diesen Peter Friedrich.“

Den ganzen Tag über behielt Mario sein Handy immer im Blick, damit er keinen Anruf versäumte. Am späten Nachmittag saß er abermals zusammen mit Frieda auf einer Bank am Kapellplatz. Er brauchte dringend frische Luft, nachdem er fast den ganzen Tag in seinem Hotelzimmer auf einen Anruf wartend verbracht hatte. Er wollte auch Frieda nicht allein lassen, die ungeduldig beinahe minütlich bei ihm nachfragte, ob es etwas Neues gab.

„Hat sich der Detektiv denn immer noch nicht gemeldet? Die haben doch Möglichkeiten, Informationen zu beschaffen, da würden wir nie drankommen. Bestimmt haben die Informanten in sämtlichen Behörden sitzen. Meinst du, die zahlen auch Schmiergelder oder verwanzen Telefone oder sogar ganze Zimmer?“

„Nein, er hat sich noch nicht gemeldet. Und ich denke, dass du zu viele Krimis gesehen hast, du hast echt eine blühende Phantasie.“

Mario musste lachen, denn er hatte sich fast die gleichen Gedanken gemacht.

„Wie heißt denn dieser Detektiv nochmal?“

„Ich habe keine Ahnung, ich habe nicht darauf geachtet. Ich nehme an, dass es sich um den Inhaber Herrn Herbst handelt.“ Hatte der Detektiv überhaupt seinen Namen genannt? Er befand den Namen auch nicht für wichtig und nahm sich aber vor, dass er den Detektiv beim nächsten Telefonat unbedingt danach fragen musste.

Mario dachte darüber nach, dass das alles hier sehr aufregend war und absolut nichts mit seinem beschaulichen Leben in Venezuela zu tun hatte, wo er jetzt um diese Uhrzeit wahrscheinlich auf der Veranda sitzen und kalten Wein trinken würde. Es war alles so unwirklich. Und gerade jetzt, da er hier auf der Bank in dem umtriebigen Altötting saß und die Menschen beobachtete, hatte er das Gefühl, jeden Moment aufzuwachen und festzustellen, dass das alles nur ein böser Traum war. Aber leider war das kein Traum und es war etwas passiert, das außerhalb seiner Vorstellungskraft lag: Seine Familie war verschwunden. Sein Onkel Giuseppe und dessen Familie waren das Einzige in seinem Leben, das immer Bestand hatte und auf die er sich immer verlassen konnte. Dass dies einmal nicht mehr so sein würde, wollte er auf keinen Fall akzeptieren und er schwor sich, dass er die Suche niemals aufgeben würde. Er sah Frieda an, die mit Interesse und Lebensfreude die Menschen um sich herum beobachtete, wobei sie die eine oder andere unqualifizierte Bemerkung machte und herzlich darüber lachte. Er musste zugeben, dass er sehr glücklich darüber war, dass sie ihm zur Seite stand und er das nicht allein durchstehen musste. Sie gab ihm Halt und er war sicher, dass diese warmherzige, gutmütige und überaus temperamentvolle Frau spürte, dass er sie brauchte; beinahe mehr als umgekehrt. Es war richtig gewesen, sie mitzunehmen.

Mario hatte eine unruhige Nacht hinter sich, denn die Detektei hatte sich noch nicht bei ihm gemeldet. Sie saßen in Altötting fest und hatten keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Frieda war beim Frühstück wie immer sehr fröhlich und riss ihn aus seinen Gedanken.

Sie gingen spazieren, tranken Kaffee und besichtigten auf Friedas Drängen eine Basilika, bis endlich das Handy klingelte. Mitten in der Basilika! Die anderen Besucher schüttelten verständnislos über diese Rücksichtslosigkeit den Kopf, ein Handy hatte in einem Gotteshaus nichts verloren. Mario war das völlig egal und nahm den ersehnten Anruf natürlich sofort entgegen. Ein Besucher machte eine abfällige Bemerkung über Handys in Kirchengebäuden, worauf Frieda sofort mit lauter Stimme erwiderte:

„Zeigen Sie mir die Bibelstelle, wo steht, dass man in einer Kirche nicht telefonieren darf!“

Der Mann war entsetzt, ebenso wie andere Besucher. Einige mussten herzhaft lachen.

„Das macht man einfach nicht, das gehört sich nicht. Man telefoniert nicht in einer Kirche, das gebietet der Anstand.“ Der Mann versuchte, vor seiner Frau nicht klein beizugeben und seine Meinung zu untermauern.

„Sie sprechen doch auch ständig mit ihrer Frau, wo ist denn da der Unterschied? Ob ich mit einer anderen Person oder am Telefon spreche, ist doch der Kirche völlig egal.“ Frieda war laut geworden und der Mann verstand, dass er gegen sie keine Chance hatte. Sie würde auf keinen Fall klein beigeben und er zog daher seine nörgelnde Frau einfach mit sich. Frieda ging Mario hinterher, der vor die Basilika getreten war, um ungestört telefonieren zu können, denn die Unterhaltung zwischen den beiden in der Basilika war einfach zu laut.

Zeitler bekam endlich eine Information über einen Peter Friedrich in Altötting.

„Ich habe die Adresse des Mannes endlich herausgefunden. Allerdings gibt es sonst nichts über den Mann. Die Kriminalpolizei München ist an ihm dran und beobachtet ihn. Den Grund dafür habe ich noch nicht herausbekommen. Meine Quelle ist momentan nicht erreichbar. Aber ich bleibe an der Sache dran und finde den Grund schon noch heraus. Mit Friedrich stimmt etwas nicht, seien Sie vorsichtig,“ sagte Zeitler.

„Die Kriminalpolizei? Das ist allerdings interessant.“

„Wie gesagt, seien Sie vorsichtig und passen Sie auf Pini und Frau Votteler auf.“

„Ich sehe mir diesen Friedrich an,“ sagte Leo, dem das nicht gefiel. Zeitler hatte sehr gute Informationen und brauchte sehr lange, um dann nur die Adresse des Mannes herauszufinden. Und selbst das war nur Zufall. Und warum interessierte sich die Kriminalpolizei München für Friedrich? „Ich werde versuchen, Mario Pini davon abzuhalten, den Mann allein aufzusuchen.“