Keine Cupcakes für Bad Boys

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Kapitel 3

Auf dem Nachbarbalkon hob Sonja schnuppernd die Nase. »Mensch, das riecht aber lecker«, flüsterte sie ihrer Freundin zu. »Da bekomme ich auch gleich Hunger.«

Carolin lachte. »Sag bloß, du willst auch Speck mit Zwiebeln essen.«

»Warum nicht? Du weißt genau, dass es bei uns nicht nur Kaviar und Champagner gibt!« Sonja mochte weder das eine noch das andere, auch wenn es hin und wieder auf Empfängen, die ihre Eltern gaben, gereicht wurde.

»Ja, klar. Ich hab noch Räucherspeck und Jausenwürstel von meinem Onkel Roman. Du weißt schon, der mit dem Bauernhof.«

»Oh, super! Gibt es vielleicht auch ein Bier dazu?«

Wieder musste Carolin lachen. »Ich hab mich extra für dich damit eingedeckt.«

Wenig später saßen auch die Mädels bei ihrem rustikalen Abendessen. »Wenn man dich so sieht, zartes Elfchen, das du bist, würde man nie vermuten, dass du Bier, Speck und Pizza liebst.«

»Urteile nie nach dem Äußeren«, stellte Sonja vergnügt und mit vollem Mund fest. »Ich bin sehr froh, dass du trotz deines Jobs nicht zur Veganerin geworden bist. Dann wäre das Schlemmen mit dir nur noch halb so lustig.«

»Deshalb achte ich wenigstens darauf, dass ich viele Lebensmittel direkt von vertrauenswürdigen Bauern kaufen kann. Wenn schon Fleisch essen, dann von Tieren, die artgerecht gehalten und human geschlachtet wurden.« Carolin fiel auf, dass der junge Mann vom Nebenbalkon ihrem Gespräch offenbar interessiert lauschte. Die Abendsonne brachte sein rötliches Haar zum Leuchten. Sie sandte ihm ein leichtes Lächeln, bevor sie sich wieder ihrer Freundin zuwandte. »Was war denn noch mit Chris? Hat Tom was gesagt?« Sie hatte ihn den restlichen Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen.

»Er hat ihn rausgeschmissen, als er sich an das nächste Mädchen herangemacht hat. Obwohl Emmi gar nicht abgeneigt war.« Sonja zog die Augenbrauen vielsagend hoch. »Sie ist mit ihm abgehauen. Bin gespannt, wie lange es dauert, bis sie kommt, um sich bei mir auszuheulen.«

Carolin schüttelte den Kopf. »So ein Arsch. Aber solange er damit Erfolg hat, wird er sich nicht ändern.«

»Wozu auch? Er kriegt ja, was er will.«

»Wann kommen deine Eltern wieder?«, erkundigte sich Caro dann.

»In drei Tagen. Bis dahin müssen die letzten Spuren beseitigt sein. Tom hat versprochen, sich um den Teppich im Wohnzimmer zu kümmern, der einige Flecken abbekommen hat. Da wird er wohl eine Spezialreinigung beauftragen müssen. Mama kriegt die Krise, wenn nicht alles picobello ist.«

»Dabei putzt sie ohnehin nicht selbst«, rutschte es Carolin heraus. Der Lebensstil in Sonjas Elternhaus war ihr noch immer suspekt, obwohl sie bereits seit vier Jahren eng befreundet waren.

»Stimmt. Aber sie ist extrem pingelig. Vielleicht bin ich deshalb so eine Chaotin? Als Gegengewicht?«

»Na klar, reine Rebellion«, gab ihr Caro grinsend recht.

»Weißt du eigentlich, dass ich dich um deine Freiheit beneide?« Die Blondine wischte sich mangels einer Serviette die Finger an einem Blatt Küchenrolle ab und lehnte sich zurück. »Du kannst tun und lassen, was du willst. Ich muss daheim nach Mamas Pfeife tanzen und im Job hat Papa das Sagen.«

»Dafür hast du keine Geldsorgen.«

Im selben Moment fiel Carolin ein, dass sie noch Wäsche waschen musste. Für die Anschaffung einer eigenen Waschmaschine hatte das Geld noch nicht gereicht, also ging sie mit ihrer Schmutzwäsche zu ihrer Oma.

»Sag doch, wenn du was brauchst. Ich geb es dir gerne, das weißt du! Geborgt, geschenkt, was auch immer.«

Carolin nickte, aber sie war sicher, bevor sie Geld von ihrer Freundin annähme, müsste sie schon gewaltig in der Klemme sitzen. Das Monatsende nahte und dann kam auch wieder Geld auf ihr Konto.

»In knapp zwei Monaten geht meine Kollegin in Mutterschutz. Dann kann ich ihre Stunden übernehmen und habe endlich meine Vollanstellung.«

»So bald ist das schon? Sehr gut! Machst du das Hunde-Sitting zusätzlich weiter?«

»Wenn es sich zeitlich vereinbaren lässt, dann schon. Die Besitzer verlassen sich ja auf mich. Ich muss eben in der Mittagspause mit den Wuffis spazieren gehen.«

Sonja schüttelte leicht den Kopf und griff dann nach ihrer Bierflasche. »Oh, schon leer.«

»Willst du noch eines?«

»Nein, danke, sonst werde ich noch wegen Trunkenheit auf dem Fahrrad aufgehalten«, wehrte sie lachend ab. »Wie gut, dass Mama nicht da ist. Wenn sie gesehen hätte, dass ich mich in dieser alten Jeans auf das Rad geschwungen habe! Ginge es nach ihr, dürfte ich nur top gestylt und aufgemöbelt aus dem Haus und mit meinem Smart herumdüsen. Da fällt mir ein, ich muss dann ohnehin los. Ich hab noch einen Termin.«

»Bei deiner Nagelfee?«, fragte Caro zwinkernd. Sonja nickte. Es war ihr angesichts der chronischen Geldnot ihrer Freundin beinahe peinlich, aber auch wenn sie es genoss, in normalen, bequemen Klamotten herumzulaufen, auf ihre Fingernägel legte sie Wert. Sie liebte diese kleinen Kunstwerke einfach, die sie nachher gleich darauf gezaubert bekam.

Eine Viertelstunde später klingelte Carolin an der Wohnungstür ihrer Großmutter. Den Korb mit der Schmutzwäsche hielt sie mit einer Hand gegen ihre Hüfte gepresst. Ein Schwall warmer, mit Kuchenduft gesättigter Luft kam ihr entgegen, als geöffnet wurde.

»Spät bist du dran«, wurde sie begrüßt. »Aber besser spät als nie. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr und habe meinen Kaffee alleine getrunken.«

»Entschuldige bitte, Omi, ich hatte Besuch.«

»Herrenbesuch?«, fragte Gertrud zwinkernd.

»Nein, Sonja war da. Sollte ich endlich mal einen netten Mann kennenlernen, erfährst du es als Erste«, versprach ihr Caro lachend. Sie hatte zu ihrer Oma ein sehr inniges Verhältnis und als zufällig im selben Haus eine Wohnung freigeworden war, hatte sie sofort zugegriffen, obwohl sie sich derzeit die Miete eigentlich gar nicht leisten konnte. So eine Gelegenheit kam so schnell nicht wieder.

»Aber ein Stück Marmorkuchen isst du schon noch, oder?«

»Sehr gerne! Aber zuerst stopfe ich die Maschine voll. Zeigst du mir noch schnell, wie das neue Wunderding funktioniert?«

Als die beiden Frauen wenig später gemeinsam den Kuchen aßen, stellte Carolin fest: »Als deine alte Waschmaschine den Geist aufgab, hatte ich schon leichte Panik, aber die Neue ist ein Hit. Dieses Sportschuhprogramm muss ich demnächst ausprobieren!«

»Ja, und sie schleudert so leise, da kann ich auch in der Nacht waschen, ohne dass alle rundherum wach werden. Ich habe dir noch gar nicht erzählt, was das für ein Theater war, als sie geliefert wurde!«

Caro blickte erstaunt hoch. »Warum? Was war denn los?« Sie hatte ihrer Oma geholfen, das Gerät online zu bestellen und den Lieferservice dazu gebucht. War da etwas schief gelaufen?

»Die Spedition hat die Waschmaschine auf dem Gehsteig abgestellt. Für den Zusteller war es damit erledigt und er war auch gegen extra Trinkgeld nicht dazu zu bewegen, sie heraufzubringen. Alleine hätte er es wohl auch gar nicht geschafft.«

»Na, das ist ja ein Ding! Das können die doch nicht machen! Wenn man sich etwas liefern lässt, geht man doch davon aus, dass es bis in die Wohnung gebracht wird.«

Gertrud nickte. »Sollte man meinen.«

»Und was hast du dann gemacht?«

»Zwei junge Männer kamen gerade. Sie wohnen bei uns im Haus, sogar in deinem Stockwerk, wenn ich mich nicht irre. Sie haben mir die Waschmaschine heraufgebracht und sogar gleich angeschlossen. Sie wollten nicht einmal Geld dafür nehmen. Aber dem Selchspeck von Roman und einem halben Kuchen konnten sie doch nicht widerstehen. Gut Essen hält Leib und Seele zusammen, das wissen die eben auch.« Sie lachte. »So freundliche, hilfsbereite Jungs. Kennst du die beiden? Einer ist rothaarig und trägt Vollbart, der andere hat dunkle, lockige Haare.«

Caro nickte. Die Beschreibung passte. »Das sind meine direkten Nachbarn. Der bärtige Pumuckl scheint nett zu sein, den anderen habe ich bisher nur einmal kurz im Treppenhaus gesehen.«

»Tsstss, Pumuckl. Sag ihm das bloß nicht ins Gesicht. Findest du das nicht unfair? Rothaarigen Frauen wird nachgesagt, sie seien besonders temperamentvoll, aber Männer haben es schwer. Zu einem Freund von mir haben’s immer Karottenkopf gesagt, als wir noch in der Schule waren. Später wurde er ein erfolgreicher Unternehmer und alle haben vor ihm gebuckelt und sind ihm in den Allerwertesten gekrochen.«

Carolin war bei der leisen Rüge ein wenig rot geworden. »Du hast ja recht und zu ihm würde ich das niemals sagen. Außerdem liebe ich den Pumuckl, seit du mir von ihm vorgelesen hast.«

»Ich weiß schon, du bist ja auch eine Liebe. Ich bin ohnehin nicht sicher, ob die beiden nicht ... na, du weißt schon.«

»Was denn? Denkst du, die beiden sind schwul?«, sprach Caro den Verdacht aus. Gertrud zuckte mit den Schultern.

»Mir ist das ganz egal. Aber wenn nicht, könntest du dir einen der beiden krallen. Sie scheinen wirklich nett zu sein!«

Carolin schüttelte den Kopf. »Was für Gedanken du dir machst. Oder bist du schon so erpicht darauf, Uromi zu werden?«

»Zeit hätte ich ja, auf das Kleine zu schauen. Und fit genug bin ich auch noch. Also, warum nicht?«

»Da mach dir mal nicht zu viele Hoffnungen. Die meisten Männer, die ich kennenlerne, sind Idioten. Außer meinem Tierarzt, aber der ist ja leider vergeben.«

Dr. med. vet. Matthias Wasner, ihr sechsunddreißigjähriger Arbeitgeber, war nicht nur mit einem feinfühligen Wesen und bestechender Intelligenz ausgestattet, er sah auch noch verboten gut aus. Anfangs hatte Carolin mit heftiger Verliebtheit gekämpft, doch mittlerweile hatte sie sich gut im Griff.

 

»Du findest schon noch den Richtigen. Gut Ding braucht Weile«, tröstete Oma Gertrud sie mit einem ihrer allgegenwärtigen Sprichwörter.

Später, als Carolin in ihrem Bett lag, fragte sie sich, ob ihre Großmutter recht haben könnte. Waren ihre Nachbarn tatsächlich homosexuell, oder einfach nur gute Kumpels? Eigentlich eine Schande, dass sie sich noch nicht einmal einander vorgestellt hatten. Allerdings wohnte sie ja auch erst seit etwa zwei Wochen hier. Sie war froh gewesen, dass die Wohnung möbliert vermietet wurde, auch wenn die Einrichtung nicht so ganz ihr Stil war. Die neue Matratze war die einzige größere Anschaffung gewesen. Das Bettzeug hatte sie von daheim mitgenommen und zusammen mit ihren persönlichen Sachen hatten sie für ihren Umzug in die erste eigene Wohnung nur zwei Fahrten gebraucht. Der Freund ihrer Mutter war sehr eifrig gewesen, als er seinen Kombi mit ihren Sachen beladen hatte. Es war unverkennbar, dass er es kaum erwarten konnte, sie loszuwerden. Obwohl sie bereits fünfundzwanzig war, hatte sie ein wenig das Gefühl, aus dem Nest gedrängt worden zu sein. Umso mehr freute sie sich, dass sie dafür nun ihre Oma in der Nähe hatte. Umgekehrt würde sie auch für sie da sein, wenn sie mal Hilfe brauchte, nachdem ihre Mama nur noch um ihren neuen Partner kreiste. Seit sie mit Frank zusammen war, konnte sie mit ihr nichts mehr anfangen. Carolin schüttelte das unangenehme Gefühl ab, das sie jedes Mal befiel, wenn sie an diese Beziehung dachte, die ihr so gar nicht richtig vorkam. Aber ihre Mutter musste selbst wissen, was für sie gut war.

Ihre Gedanken wanderten neuerlich zu ihren Nachbarn. ›Sollte ich mich bei ihnen auch noch bedanken, dass sie Omi mit der Waschmaschine geholfen haben? Vielleicht könnte ich das gleich mit einem Einstand verbinden? Etwas für die beiden kochen? Liebe geht durch den Magen‹, fiel ihr einer der Sprüche ihrer Oma ein. ›Jetzt fange ich auch schon damit an‹, dachte sie lächelnd. ›Liebe braucht es ja nicht zu werden, aber Freundschaft oder zumindest gute Nachbarschaft wäre schon angenehm.‹

Als sie ein paar Tage später den Rothaarigen am Hauseingang traf, sprach sie ihn an.

»Hallo, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Carolin Schwarz, deine Nachbarin und die Enkelin von Frau Kleiber im vierten Stock, der ihr mit der Waschmaschine geholfen habt. Vielen Dank!« Der Atem wurde ihr knapp und sie schnappte nach Luft. Gleichzeitig lief sie ein wenig rot an, was sie ärgerte.

»Freut mich, dich kennenzulernen! Das haben wir gerne gemacht. Mein Name ist Mario Fischer.«

Nebeneinander stiegen sie die Treppe hoch. »Du und dein Freund, Mitbewohner, was auch immer ... esst ihr gerne Pizza?«

Er grinste. »Kennst du jemanden, der keine mag? Warum fragst du?«

»Ich würde euch gerne zum Wohnungseinstand auf ein Stück selbst gemachte Pizza einladen. Würde euch morgen Abend passen? Oder habt ihr am Samstagabend schon etwas Besseres vor?«

»Oh, wow, da sage ich nicht Nein. Ich muss nur noch Oliver fragen. Warte einen Moment, er müsste jetzt da sein.«

Er sperrte seine Tür auf und rief nach seinem Freund. Der kam nur Sekunden später in den kleinen Vorraum, barfuß und nur mit einem Handtuch um die Hüften. Seine Haare waren nass und Wasser tropfte auf den Boden. Im ersten Moment sah Oliver verlegen aus, im nächsten setzte er eine kühle, arrogante Miene auf, maß Carolin von oben bis unten mit einem taxierenden Blick, dann wandte er sich knapp an seinen Mitbewohner. »Was gibt es?«

Mario ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das ist unsere Nachbarin Carolin. Sie will uns morgen Abend zum Einstand auf eine Pizza zu sich einladen. Hast du Zeit?«

Erneut ließ Oliver den Blick seiner dunkelbraunen Augen über die Frauengestalt schweifen, dann nickte er langsam. »Ja, hab ich. Macht ihr alles Weitere aus, okay?« Damit drehte er sich um und ließ die beiden einfach stehen.

»Puh, der ist ja mies drauf. Ist er immer so?«, fragte Caro leise, als er verschwunden war.

»Findest du?« Mario schien sich über ihre Aussage zu amüsieren.

»Ich kenne ihn ja nicht, aber du scheinst der Nettere von euch beiden zu sein. Nun, wie auch immer ... Morgen Abend um sieben?«

»Ja, das passt. Sollen wir was mitbringen? Rotwein passt gut zu Pizza.«

»Ja, gerne!«

Sie lächelten einander an und langsam verflüchtigte sich Carolins Gefühl wieder, mit der Einladung einen Fehler begangen zu haben.

Als sie ihre eigene Tür aufschloss, sah sie in Gedanken Oliver wieder vor sich. Ein zartes Prickeln durchlief sie. Er hatte gut ausgesehen, drahtig und ohne ein Gramm Fett auf dem Körper. Genau so gefiel ihr ein Mann. Dicke Muskelpakete empfand sie eher bedrohlich als attraktiv, besonders nach dem unangenehmen Vorfall mit Chris auf der Party. ›Leider scheint er auch so ein arroganter Kerl zu sein, der denkt, er hätte es nicht nötig, freundlich zu sein‹, überlegte sie, als sie aus ihren Schuhen schlüpfte. ›Da halte ich mich lieber an Mario. Der ist nett, da hatte Oma recht. Ich werde Sonja dazu einladen. Ihrer ansteckend guten Laune kann keiner widerstehen. Aber eines ist sicher, so wie dieser Oliver mich angesehen hat, ist er definitiv nicht schwul.‹

Ihr Magen holte sie knurrend aus ihren Gedanken. Seufzend inspizierte sie den spärlichen Inhalt ihres Kühlschranks, dann kochte sie eine Portion Spaghetti, die sie mit Butter und etwas geriebenem Käse aß. Sorgfältig schrieb sie einen Einkaufszettel. Nur gut, dass ihre Hundesitterdienste sofort und in bar bezahlt wurden, das rettete sie über die nächsten Tage, bis ihr Gehalt überwiesen wurde. Vernünftigerweise hätte sie auch mit der Einladung noch bis nach dem Monatsersten warten sollen, aber sie hatte es so satt, sich ständig mit allen Aktivitäten nach ihrem Kontostand richten zu müssen. Matthias hatte von Anfang an betont, dass sich der Halbtagesjob in absehbarer Zeit in eine Vollanstellung wandeln würde, sonst hätte sie nicht zugesagt. Niemand hatte damit gerechnet, dass es über ein Jahr dauern würde, bis seine Lebensgefährtin, die ebenfalls in der Praxis arbeitete, schwanger werden würde. Doch nun war es soweit und Carolin konnte sich ihre eigenen vier Wände leisten, die eine willkommene Zuflucht vor der seltsamen Stimmung in der Wohnung ihrer Mutter geworden waren.

Kapitel 4

»Ich finde diese Carolin ziemlich süß«, stellte Mario fest, obwohl ihn insgeheim die zarte Blondine mehr reizte. Prüfend beobachtete er seinen Freund aus den Augenwinkeln, während sie sich nebeneinander auf den Ergometern abstrampelten. Das war eigentlich nur das Aufwärmprogramm, bevor sie das Krafttraining starteten, so wie der Coach es ihnen beim ersten Besuch der Mucki-Bude geraten hatte. Trotzdem waren sie bereits in Schweiß gebadet. Er für seinen Teil hatte eigentlich mit Herz-Kreislauf-Ausdauertraining vollauf genug. Er wollte fitter werden, aber extra große Muskeln brauchte er nicht. Mario glaubte ohnehin nicht daran, dass ihm breitere Schultern oder ein dicker Bizeps mehr Chancen bei den Frauen einräumen würden. Mit seinen roten Haaren und den Sommersprossen war er so oder so nicht unbedingt ein Traumtyp, fand er.

»Ich dachte, du willst dich auf dein Studium konzentrieren?«, kam es prompt ein wenig atemlos von Oliver.

»Mach ich auch. Ich wollte ja nur deine Meinung hören!«

»So genau habe ich sie mir nicht angesehen«, wich sein Freund neuerlich aus. Mario grinste und wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn, bevor er ihm in die Augen laufen konnte.

»Wer’s glaubt. Ich dachte schon, du hast dir neuerdings einen Röntgenblick zugelegt.«

»Es gehört zum Bad Boy-Rollenbild, sie so von oben herab zu scannen. Das hab ich oft genug bei Kevin gesehen. Ich mache genau das, was er auch tun würde. Ist gar nicht so schwer.«

»Und was versprichst du dir davon?«

»Das macht die Mädchen heiß. Jedenfalls behauptet er das, und der Erfolg scheint ihm recht zu geben.«

Mario schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Zumindest nicht bei Carolin. Sie fand dich einfach nur mies drauf«, teilte er seinem Freund dann grinsend mit.

Oliver kam aus dem Tritt und rutschte aus dem Pedal. »Das hat sie gesagt?«

»Wortwörtlich. Ich bin mal gespannt, was der Abend so bringt. Übertreib es nicht, okay? Dass sie uns einlädt, finde ich nämlich ziemlich nett und ich will keinen Stress in der Nachbarschaft.«

Oliver warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir als liebe Jungs nicht ankommen und was an unserem Image ändern müssen?«

»Ich weiß nicht. So im ersten Moment klang das recht plausibel, aber als ich gestern sah, wie sie dir nachgeguckt hat ... Als ob sie dachte: ›Schade, dass der Typ so ein arroganter Arsch ist.‹«

Sein Freund schüttelte unwillig den Kopf. »Du weißt, wie viele Freundinnen mich fallen lassen haben, weil ich ihnen zu nett war. Mach, was du willst, ich bleibe dabei. Und jetzt geht es ans Hanteltraining!« Voll motiviert stieg Oliver vom Ergometer und wischte sich den Schweiß von Gesicht und Nacken. Mario folgte ihm eher widerwillig zu den Geräten.

Drei Stunden später ließ ihnen der Duft, der bereits bis ins Treppenhaus strömte, das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die zierliche Blondine öffnete ihnen die Tür.

»Hey, ich bin Sonja, kommt rein. Caro ist in der Küche beschäftigt.« Sie reichte ihnen nacheinander die Hand. Mario und Oliver betrachteten sie wohlwollend, während sie vor ihnen her in den Wohnraum ging. Diesmal trug sie die langen, seidigen Haare hoch auf ihrem Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der frech wippte, wenn sie sich bewegte. Ein Top schmiegte sich an ihre schmale Taille und enge Jeans betonten ihren perfekten, kleinen Apfelhintern. Die beiden Männer warfen sich ein anerkennendes Zwinkern zu.

»Schön, dass ihr da seid«, begrüßte sie nun auch die Gastgeberin. »Macht es euch bequem. Ich hatte ja gehofft, dass wir draußen essen können, aber nachdem es regnet ...« Caro ließ den Satz unbeendet und machte eine einladende Geste zu dem kleinen Tisch hin, auf dem bereits aufgedeckt war. »Ich dachte, es ist das Einfachste, ich mache eine große Pizza mit unterschiedlichen Bereichen. Dann kann sich jeder aussuchen, was ihm schmeckt.«

»Perfekt«, stellte Mario fest. »Es riecht jedenfalls schon äußerst verführerisch.«

»Wer macht den Wein auf?« Sonja hielt den Öffner hoch und Oliver griff zu. Er hatte noch kein Wort gesprochen.

»Kann ich dir helfen?«, fühlte sich Mario bemüßigt, Caro zu fragen, die gerade geriebenen Käse auf einer großen, eckigen Pizza verteilte. Sie lächelte ihn an.

»Nein, danke. Das erste Blech ist schon fertig. Setz dich doch!«

Trotzdem blieb er bei ihr stehen und sah ihr zu, wie sie in dicke Küchenhandschuhe schlüpfte und das Backblech aus dem Ofen holte. Sie ließ die Pizza auf ein großes Holzbrett gleiten und zerteilte sie geschickt in kleinere Abschnitte. Dann schob sie die Zweite ins heiße Backrohr.

»Was machst du denn beruflich?«, fragte Sonja gerade Oliver, der sich lässig zurückgelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt hatte.

»Ich habe mit Geld zu tun«, antwortete er.

»Das haben Bankräuber auch«, stellte sie munter fest. »Was genau?«

»Bist du immer so neugierig?«, fragte er zurück und Mario schüttelte innerlich den Kopf. Das wurde langsam wirklich anstrengend. Oliver fand seinen Job offenbar zu langweilig für einen Bad Boy.

»Ich bin Angestellter in einer Bank. Kreditvergabe«, brummte er nun widerwillig.

»Und was genau ist daran so schlimm? Ich schätze mal, das ist ein verantwortungsvoller Job. Schließlich musst du bewerten, ob jemand kreditwürdig ist oder nicht.« Sonja griff nach dem ersten Stück Pizza und hob es an die Lippen.

»Vorsicht heiß«, mahnte Caro fürsorglich. »Würdest du bitte den Wein eingießen?«, wandte sie sich dann an Mario.

»Auf eine angenehme Nachbarschaft«, sagte sie lächelnd, als jeder sein Glas in die Hand genommen hatte und sie bereit waren, miteinander anzustoßen.

»Angenehme Nachbarschaft«, wiederholte Mario und fügte hinzu: »Danke für die Einladung!«

»Und was machst du?«, wandte sich Sonja an ihn, sobald sie den Mund wieder leer hatte.

»Ich studiere Medizin.«

»Welche Fachrichtung peilst du denn an?«

»Gynäkologie und Geburtshilfe.« Er nahm einen herzhaften Biss von seiner Pizza.

»Oh wow, toll! Papas Traumschwiegersohn«, stellte Sonja grinsend fest und Mario verschluckte sich prompt. Sie kicherte. »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken! Mein Vater ist ärztlicher Leiter und Teilhaber einer Kinderwunsch- und Gebärklinik. Eigentlich hätte ich auch Ärztin werden sollen, aber ich hab einfach nicht das Zeug dazu. Jetzt bin ich Verwaltungsassistentin in der Klinik. Das war ein harter Schlag für ihn, besonders weil Tom, mein älterer Bruder, sich auch nicht für Medizin interessiert, sondern ein Techniker durch und durch ist.«

 

»Man kann es seinen Eltern nicht immer recht machen«, stellte Oliver trocken fest. »Ich hätte in die Autowerkstatt meines Vaters einsteigen sollen, aber ich kann mit Zahlen eindeutig besser umgehen als mit Werkzeug. Womit verdienst du deine Brötchen?«, fragte er Caro, die als Einzige noch nichts von sich erzählt hatte.

»Ich bin tierärztliche Assistentin. Mein Traumberuf wäre Tierärztin gewesen, aber es hat nicht sollen sein.«

»Warum nicht?«

Erleichtert stellte Mario fest, dass sein Freund zunehmend seine Rolle vergaß und seine Miene so offen wurde, wie es sonst seine Art war.

»Meine Mutter war alleinerziehend. Wir hätten das finanziell nicht geschafft.« Caro sagte es leichthin, trotzdem war spürbar, dass es ihr noch immer leidtat. »Das Wichtigste ist für mich, Tieren helfen zu können.« Sie biss ein kleines Stück ab und kaute nachdenklich. »Manchmal bin ich ganz froh, keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen zu müssen, sondern einfach nur zu unterstützen.«

»Da musst du aber auch mit Menschen gut umgehen können«, stellte Mario anerkennend fest. »Die Frauchen und Herrchen befinden sich bestimmt auch manchmal in einer Ausnahmesituation. Das stelle ich mir schwierig vor. »

Caro nickte. »Ja, das stimmt. Mitfühlend zu sein und sich gleichzeitig nicht von ihrer Aufregung anstecken zu lassen, ist oft eine Herausforderung.«

Überraschend schnell verschwanden die Pizzastücke, während sie sich unterhielten. »Oh, ich muss mal sehen, was der Nachschub macht. Ich hoffe, ihr habt noch Hunger!« Caro sprang auf und kehrte kurz darauf mit einer weiteren Ladung zum Tisch zurück.

»Das schmeckt unglaublich lecker!«, stellte Sonja fest und griff zu.

»Gut, dass wir heute schon im Fitnessstudio waren«, stellte Mario grinsend fest. »Da können wir uns ein paar Extrakalorien erlauben.«

»Ja, du überhaupt«, ätzte sein Freund. »Du hast ja nur das halbe Trainingsprogramm absolviert.«

»Jeder, wie er kann. Wir haben doch gerade erst damit angefangen. Ich muss mich langsam steigern«, verteidigte sich Mario gutmütig.

»Bloß nicht zu viel«, rutschte Caro heraus.

»Ja, genau. Du bist ja der Meinung, Oliver sieht gut aus, so wie er ist.« Sonja handelte sich für ihre Indiskretion einen bösen Blick von ihrer Freundin ein, deren Wangen einen rötlichen Schimmer bekommen hatten. »Obwohl ja eine gewisse Ausdauer durchaus wünschenswert ist.« Sie zwinkerte den Männern anzüglich zu.

»Könnte es sein, dass du den Wein nicht verträgst?«, erkundigte sich Carolin spitz. »Vielleicht solltest du auf Wasser umsteigen.«

»Nein, das hat nichts mit dem Alkohol zu tun. Du weißt doch, ich benehme mich ganz gern etwas daneben. Das ist viel lustiger als streng nach Protokoll.« Sie lächelte Oliver und Mario zu. »Oder habt ihr es lieber steif und langweilig? Ich kann auch anders.« Sie nahm die Ellenbogen vom Tisch, straffte den Rücken und machte den Nacken lang. Sie nahm einen winzigen Bissen von ihrer Pizza, während sie die Finger geziert abspreizte. »Meine Mutter legt sehr viel Wert auf standesgemäßes Verhalten«, sagte sie dann in hochnäsigem Tonfall. »Schließlich gehören wir zur besseren Gesellschaft. Sie stammt aus deutschem Adel und bildet sich weiß Gott was darauf ein. Dabei will sie mit der ganzen Familie eigentlich nichts mehr zu tun haben. Bisschen schizophren, wenn ihr mich fragt!« Während sie sprach, kehrte sie zu ihrer normalen Redeweise zurück und fuchtelte unmissverständlich vor ihrer Stirn herum, um auszudrücken, was sie von den Ansichten ihrer Mutter hielt. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie nervig sie sein kann!«

»Das Schöne am Erwachsensein ist, dass wir uns von unseren Familien abnabeln und unser Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten können.« Oliver machte den Eindruck, als ob er seinem Elternhaus recht gerne entflohen war.

»Das sagt sich so leicht. Ich wohne ja zu Hause, also habe ich mich nach ihren Vorgaben zu richten.«

»Warum das denn, wenn es dich so nervt?«, fragte Mario erstaunt.

»Das Haus ist riesig und es stand nie zur Debatte, dass Tom oder ich ausziehen sollten.«

»Ist dir der goldene Käfig doch lieber, als dich selbst um alles zu kümmern?« Oliver grinste etwas provokant und Carolin fiel in diesem Moment auf, wie nett und umgänglich er die letzte halbe Stunde gewesen war.

Sonja starrte ihn an. Sogar das Pizzastück in ihrer Hand hatte sie vergessen. »Du hast recht! Warum bin ich selbst nie auf die Idee gekommen? Ich meine, ich bin fünfundzwanzig! Da braucht sich doch niemand zu wundern, wenn ich auf eigenen Beinen stehen will, oder?« Sie wirkte plötzlich sehr aufgeregt. Hektisch wischte sie sich eine zarte Haarsträhne aus der Stirn. »Oh Mann, das fühlt sich gut an! Ich werde mir eine eigene Wohnung suchen!«

»Überstürze nichts«, versuchte Carolin, ihre Freundin zu bremsen. Sie hatte oft genug miterlebt, dass sie zu unüberlegten Handlungen neigte.

Sonja grinste vergnügt. »Ich doch nicht! Mama kriegt die Krise, wenn sie mich aus ihren Fängen entlassen muss!«

Mario verteilte den letzten Rest des Rotweins auf die Gläser und Oliver betrachtete sein fast leeres Glas etwas missmutig. »Was haltet ihr davon, wenn ich Nachschub hole? Ich hab noch welchen.« Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern war schon aufgestanden und auf dem Weg zur Tür. Carolin folgte ihm.

»Warte, das Schloss klemmt ein wenig, da gibt es einen Trick.« Mit einer Hand zog sie die Tür an der Klinke zu sich heran, während sie den Schlüssel umdrehte. Trotzdem knackte es bedrohlich.

»Das gehört geölt, dann geht es leichter. Irgendwann brichst du sonst den Schlüssel ab«, stellte Oliver fest. »Außerdem muss man das hier festschrauben, sonst hast du irgendwann die Klinke in der Hand.«

Als er aus seiner Wohnung kam, trug er die Weinflasche unter den Arm geklemmt und in der Hand hatte er eine kleine Sprayflasche und einen Schraubenzieher.

»Nimm mir bitte mal den Wein ab«, wies er sie an, dann zog er die lose Schraube an und sprühte in das Türschloss. Prüfend bewegte er den Schlüssel einige Male hin und her. Nun ließ er sich beinahe geräuschlos drehen.

»Besser«, nickte er befriedigt und legte das Werkzeug auf dem Schuhschrank ab. »Was?«, fragte er, als er Carolins überraschten Gesichtsausdruck bemerkte.

»Anfangs hielt ich dich für einen ziemlichen Miesepeter, aber du scheinst ja richtig nett zu sein!«

Seine Miene verfinsterte sich so plötzlich, als hätte jemand einen Schalter betätigt. »Quatsch. Bin ich überhaupt nicht!«

Er riss ihr die Weinflasche aus der Hand und ließ sie völlig verdutzt stehen. Kopfschüttelnd folgte sie ihm ins Wohnzimmer.

»Seht mal, zwei Stücke haben wir euch übrig gelassen.« Mario deutete auf die Reste. »Die Pizza war sensationell, Carolin! Großes Kompliment.«

Oliver hatte sich wieder auf seinen Stuhl fallen lassen und griff danach. »Ja, die hast du ganz ordentlich hinbekommen. Für eine Frau, meine ich. Die besseren Köche sind doch die Männer, das ist ja erwiesen.« Nun hatte er wieder den arroganten, kühlen Tonfall angeschlagen und Mario verdrehte die Augen.

»Ja, du besonders! Letztens sind dir sogar die Würstchen beim Wärmen im Wasser aufgeplatzt«, erinnerte er ihn.

»Männer brauchen nicht zu kochen. Da findet sich doch immer jemand, der das erledigt. Als Gegenleistung für ein bisschen körperliche Zuwendung und Schmeicheleien.«

Die beiden Frauen sahen sich fassungslos an.

»Sag mal, ist bei dir eine Schraube locker?«, fand Sonja als Erste die Sprache wieder. »Hast du deinen netten Zwilling in der Wohnung eingesperrt?«

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?