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Die lebende Mumie

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Ich blieb unwillkürlich stehen.

»Peter Petrowitsch! Treten Sie näher, bitte!« wiederholte die Stimme sanft und flehend. Sie kam aus jener von mir bemerkten Ecke, vom dort stehenden Bette her.

» Ich näherte mich demselben – und blieb starr « vor Verwunderung stehen.

Vor mir lag ein lebendes menschliches Wesen – aber welch’ ein trauriges!

Der vollkommen ausgetrocknete, kupferfarbene, mumienhafte Kopf vor mir gleich vollkommen dem eines alten griechischen Heiligenbildes; die Nase war so scharf und spitz wie die einer Messerklinge, von Lippen fast keine Spur, nur Zähne und Augen allein waren weiß und unter dem Kopftuch hingen einige dünne Strähnen flachsgelber Haare hervor. Auf den Falten der Bettdecke bewegten zwei hagere, skelettartige, ganz braune Händchen die langen dünnen Finger langsam wie steife Stäbchen. Ich blickte mit gespannter Aufmerksamkeit auf das traurige Geschöpf: eigenthümlich, nicht nur daß dass Gesichtchen nichts Abstoßendes, Unangenehmes hatte, es schien mir sogar lieblich, sanft – doch aber entsetzlich anzuschauen; ganz etwas Ungewöhnliches! Und um so entsetzlicher erschien mir dieses Gesicht, als ich auf seinen metallfarbenen Wangen und Lippen die vergebliche Anstrengung las, mir zuzulächeln!

»Sie erkennen mich nicht, Herr?« lispelte die Stimme, die gewissermaßen die Worte zwischen den farblosen sich kaum bewegenden Lippen hervorhauchte. – »Ja, wie sollten Sie auch wohl! Ich bin ja die Lukéria (Lucrezia) . . . erinnern Sie sich, die den Reigentanz bei Ihrer Mutter auf dem Dorfe zu führen pflegte . . . erinnern Sie sich, ich war ja auch oft die Vorsängerin?«

»Du, die Lukéria!« rief ich unwillkürlich. – »Du, ist es möglich!«

»Ja, Herr, ich . . . ich bin die Lukéria.«

Ich wußte wahrlich nicht, was ich sagen sollte und blickte bestürzt aus dieses dunkle unbewegliche Gesicht mit den starr auf mich gerichteten, hellen und doch zugleich todten Augen. »War denn das zu glauben?« diese Mumie sollte jene Lukéria sein, das schönste, blühendste Mädchen nicht allein im ganzen Dorfe, sondern weit und breit umher? – jene hohe, üppigvolle, blendend weiße, muntere Dirne, mit den rothen Wangen, dem Grübchen im runden Kinn und dem schelmischen Blick, jene Tänzerin und Sängerin mit der glockenhellen Stimme? jene kluge Lukéria, welche allen jungen Burschen die Köpfe verdrehte, die selbst mir damals sechzehnjährigen Jüngling heiß um’s Herz machte und um welche ich heimlich seufzte?«

»Um’s Himmelswillen, Lukéria,« nahm ich mich endlich zusammen, erzähle mir doch, was ist mit Dir s geschehen?«

»Das Elend, Herr, ist über mich hereingebrochen. Wenden Sie sich nicht mit Abscheu und Widerwillen von mir ab, meines großen Unglücks wegen, – setzen Sie sich da auf jenen kleinen Zuber – etwas näher, sonst werden Sie meine Worte nicht hören können – Sie sehen, wie schwach meine Stimme geworden ist! . . . Ach, ich kann Ihnen nicht sagen wie es mich freut, Sie noch einmal wiederzusehen! Wie sind Sie aber hierher nach Alexejewka gekommen?«

Lukéria sprach sehr leise und mit schwacher Stimme, aber ohne Unterbrechung.

»Jermolaj, der Jäger, hat mich hierher geführt. Erzähl’ Du mir aber doch . . .«

»Von meinem Unglück soll ich Ihnen erzählen? Gut, Herr. – Es ist schon sechs bis sieben Jahre her, daß es über mich hereingebrochen. Man hatte mich eben erst mit dem Wassili Voläkow verlobt – Sie entsinnen sich wohl noch seiner; es war so ein stattlicher junger Bursche mit krausem Haar, er war früher Büffetdiener bei Ihrer Frau Mutter. Sie waren freilich damals nicht mehr auf dem Dorfe, Sie waren nach Moskau gefahren, um zu studiren, hieß es. – Wir hatten einander sehr lieb, der Wassili und ich; er ging mir nicht aus dem Kopfe; es war gerade zur Frühlingszeit.

So einmal Nachts . . . es war schon nicht weit bis zum Sonnenaufgang . . . hatte ich keinen Schlaf mehr: so wundersüß und lieblich schlug ja die Nachtigall im Garten! . . . Es trieb mich hinaus in’s Freie . . . ich öffnete die Thür und trete auf die Freitreppe, zu lauschen. —Sie schmettert und schmettert, dann flötet sie wieder so sanft, die liebliche Sängerin . . . da ist mir’s plötzlich, als ob mich Jemand rufe, gerade mit Wassili’s Stimme, aber ganz leise: Luscha!(Diminutiv- und Schmeichelwort, von Lukéria abgeleitet.) . . . Ich springe rasch zur Seite und wahrscheinlich noch halbverschlafen, trete fehl, fliege von der Erhöhung die Stufen hinab – gerade auf die Erde. Mir schien anfangs gar nicht, daß ich mich schwer verletzt habe, denn ich konnte bald wieder aufstehen und in meine Kammer zurückkehren. – Doch aber muß ich mich innerlich schwer verletzt haben, bald fühlte ich das wohl . . . es mußte etwas zerrissen sein ach, einen Augenblick, Herr, . . . lassen Sie mich etwas Athem schöpfen. . .«

Lukéria schwieg; voll Verwunderung blickte ich auf sie. Ich konnte diese wirklich kaum bemeistern; sie theilte mir ihre Leiden in fast heiterem, ruhigem Tone, ohne Jammern und Klagen mit, wie Jemand, der sich vollkommen in sein Schicksal ergeben und keinen Anspruch an die Theilnahme Anderer macht.

»Von jenem Augenblicke nun an,« fuhr Lukéria fort,,,fing ich an dahinzuschwinden und einzutrocknen; über und über wurde ich schwarz, immer schwerer fiel mir das Gehen, dann konnte ich bald weder gehen noch sitzen, nur allein noch liegen. Nun verschwand auch der Appetit, ich mochte weder essen noch trinken, so wurde es denn immer schlimmer und schlimmer Ihre Mutter war mir eine sehr gütige Gebieterin, sie schickte mich in’s Hospital und ihre eigenen Aerzte sogar besuchten mich. Mir brachten sie doch keine Erleichterung. Auch nicht Einer konnte einmal sagen, was mir eigentlich fehle, welch’ eine Krankheit ich habe. Was haben sie nicht alles mit mir aufgestellt: mit glühenden Eisen wurde mir der Rücken gebrannt, in zerbröckeltes Eis haben sie mich gesetzt – nichts, half! So schrumpfte ich nach und nach endlich ganz zusammen, meine Glieder erstarrten. . . Da beschlossen denn die Herren endlich, mich nicht weiter zu quälen, mir sei nicht zu helfen, sagten sie. In’s Herrenhaus paßte nun ein Krüppel wie ich auch nicht mehr nun und so hat man mich hierher geschickt – da ich hier Verwandte habe. So lebe ich denn nun, wie Sie sehen.«

Lukéria schwieg und strengte sich wieder an, mir zuzulächeln.

»Deine Lage ist ja aber schrecklich, arme Lukéria!« rief ich aus.,,Sag’ mir doch,« fragte ich, um nur irgend etwas zu sagen, »wie wurde es denn mit dem Wassili Poläkow?« – Die Frage war jedenfalls unbedacht und einfältig.

Lukéria wendete ihren Blick etwas zur Seite.

»Wie’s mit dem Poläkow wurde? – Je nun, erst hat er sich gegrämt und gegrämt – dann hat er eine andere geheiratet, ein Mädchen ans Glinnoe. Erinnern Sie sich an Glinnoe? Es liegt nicht weit von unserm Dorfe. – Agrafenna nannte man sie. Ich weiß, er hat mich geliebt, sehr geliebt, – aber, war er doch ein junger Bursche – ledig konnte er ja nicht bleiben. Und was für eine Frau hätte ich ihm wohl sein können? Eine unnütze Bürde nur. Und ein gutes, braves Weib hat er sich ausgesucht – sie haben schon ein paar Kinder. Beim Gutsnachbar ist er als Aufseher; Ihre Mutter hat ihm einen Paß ausstellen lassen und es geht ihm gottlob sehr gut.«