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Ein Ausflug in die Waldregion

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– Hier hat ein Bär nach Wasser gesucht, murmelte er, auf eine breite, frische Schramme hinweisend, welche sich mitten in einer mit niedrigem Moos, überwachsenen Grube befand.

– Ist dieser Riß von einer Bärentatze? fragte ich.

– Ja; aber es ist kein Wasser mehr in der Grube. An jenem Baume sind auch seine Spuren zu sehen. Er ist nach Honig gektettert. Seine Klauen haben wie Messer in den Stamm geschnitten. Wir drangen weiter in das Dickicht vor. Jegor führte uns mit ruhigem Selbstvertrauen und ließ nur zuweilen die Blicke nach oben schweifen. Mein Auge fiel auf einen runden, hohen Wall, umspannt von einem halbverschütteten Graben.

– Ist das ein Maidan? fragte ich.

– Nein, erwiderte er, hier war ein Räuberlager.

– Vor langer Zeit schon?

– Vor langer Zeit, noch über das Gedächtniß unserer Geoßväter hinaus. Dort liegt auch ein Schatz vergraben, aber wer ihn heben will, muß Menschenblut vergießen. —

Wir gingen noch ein paar Werst weiter; ich war sehr durstig geworden.

– Setzen Sie sich ein wenig, sagte Jegor; ich will Wasser holen, in der Nähe ist ein Brunnen.

Er ging; ich blieb allein.

Ich setzte mich auf einen gefällten Baumstamm, die Ellbogen auf die Knie stützend; nachdem ich so lange schweigend den Kopf gesenkt, erhob ich ihn langsam wieder und ließ die Blicke spähend umherschweifen. O, wie Alles ringsum still, finster und traurig war – nein, nicht blos traurig, sondern zugleich stumm, kalt und grausig! Das Herz schnürte sich mir zusammen. In diesem Augenblick, an diesem Orte spürte ich den Hauch des Todes, ich fühlte seine unaufhörliche Nähe, als hätte ich ihn mit der Hand tasten können. Wenn auch nur Ein Schall hörbar gewesen, nur ein flüchtiges Rauschen aus dem Schlunde des mich umgebenden Waldes zu mir gedrungen wäre! Ich senkte wieder, fast aus Furcht, meinen Kopf; mir war, als hättʼ ich einen Blick dahin gethan, wohin dem Menschen nicht gestattet ist zu sehen . . . Ich drückte meine Hand vor die Augen – und plötzlich, wie einem geheimnißvollen Befehle gehorchend, zog die Erinnerung meines ganzen Lebens an mir vorüber . . .

Meine Kindheit erschien vor mir, lärmend und ruhig, ungestüm und gut, mit ihren hastigen Freuden und stürmischen Trübsaleu; dann meine Jugend, seltsam, voll Unruhe und Eigenliebe wie sie war, mit all ihren Fehlern und Anstrebungen, mit ihrer ungeregelten Arbeit und ihrem vielbewegten Nichtsthnn. . . Auch die Genossen meiner ersten Triebe und Anläufe standen lebhaft vor meinem innern Auge; dann zuckten wie Blitze in der Nacht einige leuchtende Erinnerungen auf; . . . dann stiegen Schatten vor mir auf, mich umschwankend und umschwärmend; dunkler, immer dunkler ward es um mich her, dumpfer und stiller eilten die einförmigen Jahre dahin und der Kummer drückte mein Herz wie ein Stein. Ich saß unbeweglich und schaute, schaute mit Staunen und Anstrengung, mein ganzes Leben sah ich vor mir ausgebreitet wie eine entrollte, zusammenhängende Reihe von Bildern. O, was hab’ ich gethan! murmelten unwillkürlich meine Lippen in bitterem Tone. O Leben, Leben, wohin und wie bist du so spurlos verschwunden? Wie bist du meiner dich festhaltenden Hand entschlüpft? Hast du mich betrogen, oder hab’ ich deine Gaben nicht zu benutzen verstanden? Ist mir denn wirklich nichts von dir geblieben, als diese nichtige arme Handvoll staubiger Asche? Ist dieses kalte, träge, unnütze Etwas, dieses Ich, dasselbe, was ich einstmals war? Wie? Meine Seele dürstete nach einem so vollen Glücke, sie wies mit Verachtung alles Kleinliche, Unzulängliche von sich, sie wartete und dachte: dort strömt das Glück wie ein Gießbach und nicht ein einziger Tropfen hat meine lechzenden Lippen benetzt? O, meine goldenen Saiten, die so laut und süß einst erklungen, so sollte mich auch Euer Gesang nicht erfreuen – Ihr erklangt nur als Ihr zersprangt! Oder wäre das Glück, das ächte Glück des ganzen Lebens mir nahe gekommen, an mir vorübergeschwebt mit strahlendem Lächeln, und ich hätte sein göttliches Antlitz nicht erkannt? Oder hätt’ es mich wirklich ausgesucht und sich niedergelassen mir zu Häupten, und wäre von mir vergessen wie ein Traum? Wie ein Traum! wiederholte ich verzagt. Unfaßbare Bilder durchzogen meine Seele und weckten in ihr Zweifel und Betrübniß.

O, Ihr, dachte ich, traute, liebe Schatten verlorner Freunde, Ihr, die Ihr mich in dieser todten Einsamkeit umschwebt, warum seid Ihr so traurig stumm? Aus welchem Abgrunde seid Ihr aufgestiegen? Wie soll ich Eure räthselvollen Blicke deuten? Kommt Ihr, Abschied von mir zu nehmen, oder kommt Ihr mich zu begrüßen? Giebt es wirklich keine Hoffnung, keine Umkehr für mich? Warum entquillt Ihr jetzt meinen Augen, geizige, verspätete Thränen? O, Herz, wozu, warum bereuen und bedauern? Strebe zu vergessen, wenn Du Ruhe finden willst, lerne Demuth« gewöhnt Dich an ewige Trennung, an die bitteren Worte: »Lebewohl« und »auf Nimmerwiedersehn!« Schaue nicht rückwärts, überlaß Dich keinen Erinnerungen, strebe nicht dahin, wo es hell und licht ist, wo die Jugend lächelt, wo die Hoffnung sich krönt mit den Blumen des Frühlings, wo die Freude flattert auf bläulichen Taubenfliigeln, wo die Liebe, wie der Thau im Morgenroth, von Thränen der Wonne glänzt, blicke nicht dahin, wo Seligkeit, Glaube und Kraft ist. Dort ist unsers Bleibens nicht!

– Da haben Sie Wasser, scholl die klangvolle Stimme Jegor’s, – trinken Sie mit Gott.

Ich zitterte unwillkürlich: dies lebendige Wort traf mich so, daß mein ganzes Wesen freudig aufgerüttelt wurde. Mir war, als ob ich in einen dunklen Abgrund versunken gewesen wäre, wo Alles um mich her schwieg und nichts hörbar war als leises, unaufhörliches Gestöhn endlosen Grames; ich war zu schwach zu widerstehen und mich aufzuraffen, da plötzlich scholl ein Freundesruf in mein Ohr und zog mich eine mächtige Hand mit Einem Rucke wieder an Gottes hellen Tag empor. Ich blickte auf und sah mit unsäglicher Freude das ehrliche und ruhige Antlitz meines Führers wieder. Er stand vor mir in leichter, sicherer Haltung und mit seinem gewohnten Lächeln reichte er mir ein nasses Fläschchen voll klaren, frischen Wassers . . . Ich stand auf und sagte bewegt: Führe mich, wir wollen weiter gehen.

So streiften wir noch lange umher, bis zum Abend. Der Uebergang von der Glut des Tages bis zur Kälte und Dunkelheit war so schroff und schneidend, daß ich kein Gelüsten fühlte, länger im Walde zu bleiben. Aus jedem Baum schien es uns drohend zuzuflüstern: fort, fort aus unserm Dunkel, Ihr unruhigen Sterblichen! – Wir verließen den Wald, allein es dauerte lange, bis wir Konrad wiederfanden. Wir schrieen, riefen ihn, aber keine Antwort erfolgte. Plötzlich, bei ungewöhnlicher Stille in der Luft, hörten wir deutlich seine Stimme, wie er in der nahen Schlucht zu den Pferden sprach . . . Er hatte unser Rufen nicht gehört wegen des Windes, der sich plötzlich erhoben und bald darauf sich ebenso schnell wieder gelegt hatte. Die Spuren seines Wehens waren nur noch an vereinzelt stehenden Bäumen sichtbar, welche viele Blätter auf die unrechte Seite gekehrt hatten, was dem unbeweglichen Laube einen buntscheckigen Anstrich gab. Wir setzten uns wieder in die Telega und trieben heimwärts. Ich schaukelte mich auf dem holperigen Fuhrwerke, ruhig die feuchte, etwas scharfe Luft einathmend, und alle vorher durchlebten Träumereien und Aengsten gingen unter in dem einen Gefühle der Ermüdung und Schläfrigkeit, in dem einen Verlangen, möglichst schnell unter das Dach eines warmen Hauses zu kommen, Thee mit Sahne zu trinken, mich in weiches lockeres Heu zu strecken und die Augen zu schließen, zu schlafen . . .